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Nordwales

Lieblingsplätze im Norden von Nordwales

Merke: Du sollst keinen deutschen Supermarkt besuchen, wenn Du soeben erst aus Nordwales zurückgekehrt bist! Mir ist das passiert. Und der Kulturschock könnte gar nicht größer sein. Es ist für viele in unserem Land wohl unverständlich, doch Waliser rammen ihre Einkaufswagen nie in die Hacken eines anderen! Sie drängeln nicht an der Käsetheke vor. Sie verdrehen nicht die Augen, wenn einer an der Kasse nach Kleingeld sucht, um passend zu zahlen. Sie finden es vollkommen in Ordnung, wenn man seine Einkäufe in normalem Tempo statt im Akkord verstaut. Waliser sind gechillt.

Und vielleicht färbt das ab?! Vielleicht haben wir deshalb viel weniger von Nordwales „geschafft“ als wir dachten. Bzw. auf viel kürzerer Strecke viel mehr erlebt, als wir für möglich gehalten hätten. Daher können wir auch nicht unsere Lieblingsplätze in Nordwales vorstellen – sondern nur unsere

 

Lieblingsplätze im Norden von Nordwales

 

Selbst das ist gar nicht so einfach. Obwohl wir nur einen Zipfel von Wales gesehen haben, scheint es uns das Land vielfältig wie kaum ein anderes. Nordwales lässt sich schlecht mit anderen Ländern vergleichen. Manche Ecken erinnerten uns an England, manche an Irland oder an Schottland, aber manche auch an die Alpen oder sogar an Reykjavik. Diese echt betörende Mischung hat uns ganz schön den Kopf verdreht. Schwer zu sagen, was das Tollste war. Aber die folgenden 4 Lieblingsplätze zeigen vielleicht ganz gut den Reichtum dieses kleinen Wunderlandes.

 

1. Die Pier von Llandudno

 

Llandudno Pier

 

Wer wie wir eine Schwäche für Seebrücken hat, wird die Pier von Llandudno lieben. 1877 im Indian Gothic Style erbaut, ragt die Seebrücke 700 Meter in die Irische See wie „der schwimmende Palast eines Maharadschas“ (Wikipedia). Ungewöhnlich sind die zwei Zugänge. Typisch die unvermeidlichen Spielhallen und Kitsch-Kioske. Doch das hat seinen eigenen Charme. Besonders in der Vorsaison, wenn die meisten Pavillons noch leer stehen und lediglich in der Rotunde am Ende des Piers Automaten blinken und piepen, ohne dass je jemand daran spielte. Geöffnet haben derzeit immerhin ein Pub, ein Café und eine Eisdiele. Und mehr braucht ja kein Mensch.

 

 

Uns hat es übrigens nicht nur die Pier angetan sondern ganz Llandudno. Das viktorianische Seebad gilt als Perle der Golden Coast und ist ein toller Spot um, den Norden von Nordwales sternförmig zu erkunden. Was Llandudno so besonders macht, haben wir hier genauer beschrieben.

 

2. Der Pen-y-Pass in Snowdonia

 

Snowdonia

 

Was muss man überhaupt noch groß erklären, wenn ein Nationalpark schon Snowdonia heißt? Besser ist nur noch sein walischer Name: Eyriri – Adlerhorst. Aufgrund seiner spektakulären Bergketten ist der Nationalpark ungeheuer beliebt. Im Sommer soll er geradezu überlaufen sein. Doch im März, wenn die Gipfel noch mit Schnee bedeckt sind, kann man das nicht behaupten. Wunderschön ist der Pen-y-Pass. Hier starten drei Routen auf den Gipfel des Mount Snowdon. Es sind keine Spaziergänge. Man darf sich von der geringen Höhe der Berge nicht täuschen lassen. Nicht umsonst trainierten hier die Erstbesteiger des Mount Everest und der Leitung von John Hunt.

 

 

Nicht dass wir auf den Snowdon gestiegen wären. (Wir nahmen den Zug – davon ein anderes Mal mehr.) Aber wer so richtig Bergwandern will, kann direkt auf dem Pen-y-Pass an der Ausgangsbasis der klassischen Everest-Route in einem schönen Hostel übernachten.

 

Snowdonia

 

In Snowdonia ändert sich das Wetter schnell. Falls man mal das Glück hat, zur Lunch- oder Dinnertime in einen Regen zu geraten, gibt es vielleicht keinen besseren Ort zum Aufwärmen als die Lehnsessel vor dem knisternden Kamin des

 

3. Ty Gwyn Hotel & Restaurant in Bewts-y-Coed

 

 

Die kleinen Gaststuben im Kutscherhaus von 1636 sind auf genau die Art überladen und durcheinander, die nur bei Briten super aussieht. Die Küche ist groß-ar-tig, die Atmosphäre wunderbar gastlich. Hier gehts zur Seite.

Im Anschluss sollte man unbedingt noch durch Bewts-y-Coed schlendern. Der Ortskern besteht fast ausschließlich aus Schieferhäusern im viktoranischen Stil und durch die Dorfmitte gurgelt ein Fluss. So stelle ich (die ich keine Ahnung davon habe) mir Urlaub in den Bergen vor.

 

 

Am River Llugwy entlang führt ein hübscher Weg zunächst zu den Swallow Falls und weiter zum Ugly House, das alles andere als ugly ist. Mit ganz viel Schwein ist man nach der einstündigen Wanderung wieder bereit für ein paar Scones im Tearoom.

 

4. Die South Stack Cliffs auf Angelesy

 

 

Vom Besucherzentrum des Vogelschutzgebietes South Stack Cliffs sieht man linker Hand auf den Ellin´s Tower und rechter Hand zum South Stack Lighthouse. Der Leuchtturm liegt auf der MiniInsel South Stack, die der kleinen Insel Holy Island vorgelagert ist, die wiederum vor der großen Insel Anglesey liegt. Alle Inseln sind mit Brücken unteinander bzw mit dem Festland verbunden. Schon der Weg zum Besucherzentrum ist also wunderschön, falls man auf Inseln steht (wie zum Beispiel Kate & William, die auf Anglesey wohnen).

 

 

Superduper Wanderung: Vom beliebtesten Strand auf Holy Island – Treaddur Bay – führt ein Klippenweg 10 km nach South Stack; stets sacht bergauf. Der Pfad passiert so herrlich verschwiegene Buchten und schlängelt sich zeitweise recht dicht am Abgrund entlang. Also hübsch aufpassen, auch wenn die Ausblicke einem die Sinne vernebeln.

 

Ellins Tower

Guter Platz zum Bird Watching: Ellins Tower

 

Wer nicht so lange laufen will, kann sich auch oben beim Besucherzentrum gut ein bis zwei bis drei Stunden rumtreiben. Das Café hat ganzjährig geöffnet. Die kleine Ausstellung im Ellin´s Tower jedoch nur von Ostern bis September. Ob und wann der South Stack Leuchturm wieder besucht werden kann, ist ungewiss. Derzeit wird nach einem neuem Betreiber für das Visitors Center gesucht.

 

South Stack Lighthouse

400 Stufen sind es bis zum South Stack Lighthouse

 

Die Royal Society for the Protection of Birds empfiehlt ihren Besuchern, sich eine stille Bank zu suchen und nach Basstölpeln und Delphinen Ausschau zu halten. Wir haben beides nicht entdeckt. Nur einen Himmel, der sich jede Minute änderte und die Irische See in die unglaublichsten Farben tauchte.

 

Anglesey

 

Südlich von South Stack erheben sich die Berge der Halbinsel Llȳn. Auch wieder so eine „Area of Outstandig Natural Beauty“. Wieder ganz anders als der Rest von Nordwales soll sie sein und vor ihrer Küste liegt der Legende nach Avalon. Natürlich hoffen wir, uns irgendwann ein eigenes Bild davon machen zu können.

Aber jetzt brauchen wir erst einmal Zeit, um unsere aktuellen Wales-Bilder und Gedanken zu sortieren. Es könnte eine Weile dauern. Wir bemühen uns nämlich schwer, das chillige Tempo der Waliser noch ein wenig beizubehalten. Z.B. gemächlich Auto fahren, langsam gehen, einem Fremden was Nettes sagen, im Supermarkt anderen den Vortritt lassen, in der Sonne stehen bleiben und lächeln – einfach nur so. Mal gucken, wie lange das funktioniert.

Kronsgaard

Kräht der Hahn auf dem Mist oder der Wetterbericht für Kronsgaard

Neulich am Strand von Kronsgaard dachte ich darüber nach, warum ich eigentlich immer wieder dem Wetterbericht glaube, obwohl ich doch weiß, dass die Trefferquote bei etwa 50% liegt. Ich meine, da kann man ins Grübeln geraten. Wieso treffe ich Entscheidungen aufgrund von Informationen, die zu gleichen Teilen stimmen könnten oder auch nicht?! Das ist doch ziemlich seltsam.

Zum Beispiel neulich: Ich hatte etwas in Angeln zu erledigen, einer Region an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins. Im Internet hatte man mir Sonnenschein versprochen. Ich hatte das über Tage auf verschiedenen Wetterseiten beobachtet. Alle waren sich einig: Das Wetter wird super! Und so fuhr ich nordwärts in der festen Überzeugung, mir nach meinen Erledigungen noch einen kleinen Strandspaziergang gönnen zu können.

Allerdings schien die Sonne absolut nicht, als ich Hamburg verließ. Und auch nicht, als ich Angeln erreichte. NDR Info, ein Sender der Nachrichten im Viertelstundentakt bringt, hatte mir auf der Strecke acht Mal versichert, wie großartig das Wetter sei. Dabei war es kalt und der Himmel grau.

Als ich eine gute Stunde später alles erledigt hatte, wofür ich nach Angeln gefahren war, behauptete NDR Info noch immer steif und fest, dies sei ein wunderbarer Frühlingstag. Es entsprach in keinster Weise der Realität.

Warum ich trotzdem einen Abstecher an den Strand von Kronsgaard machte, weiß ich eigentlich nicht genau. Vielleicht war mir der Wetterbericht einfach lieber als die Wahrheit, die in Kronsgaard genau so trist aussah wie auf jedem Kilometer zuvor. Novemberartig.

 

Typisch Norddeutschland & Kronsgaard: November im Frühling

 

Grundsätzlich habe ich gar nichts gegen den November. Jedenfalls nicht im November. Doch da sich Novemberwetter in Norddeutschland auch im Dezember, Januar und Februar hält, hängt einem der Herbstlook im März allmählich zum Hals raus. Selbst die Kronsgaarder geben auf ihrer Internetpräsenz zu: Nun ja, trübe Herbsttage sind überall ziemlich blöd, da bildet Kronsgaard leider keine Ausnahme.

 

Geltinger Bucht

 

So viel Understatement gibt’s im Tourismus nirgends – außer in England. Kein Wunder. Kronsgaard liegt wie bereits erwähnt in Angeln und die Bezeichnungen England und Engländer leiten sich von denjenigen Angeln her, die im 5. Jahrhundert nach Britannien abwanderten.

Natürlich stapeln die Kronsgaarder (genau wie Engländer) tief. Sogar bei bedecktem Himmel ist die Geltinger Bucht bezaubernd. Die Ostsee weist einen besonderen Silberschimmer auf, den ich noch an keinem anderen Strand so gesehen habe. (Ich nenne den Farbton Angeliter Spezial.) Aber es war nun mal nicht das, was ich mir vorgestellt hatte.

 

Pottloch

 

Ich stiefelt ein bisschen missmutig Richtung Pottloch. Ein Strand, der wirklich so heißt und den wir zum letzten Mal an einem wunderbaren Maimorgen besucht hatten. Da hatte alles so viel schöner ausgesehen, dass mir jetzt die Lust verging, weiter zu marschieren. Also drehte ich um. Es war 10.43 Uhr.

Und dann geschah dies:

Ein Wind kam auf. Gar nicht mal ein Wesentlicher.

 

 

Es war, als würde Frau Holle die Wolkendecke wegziehen. Innerhalb von Minuten war der Strand in Licht getaucht und die Sonne schien mir ins Gesicht. Es machte mich ein wenig fassungslos. Niemand außer mir war da, um das Schauspiel zu beobachten.

 

Kronsgaard

 

Nicht dass jetzt falsche Vorstellung aufkommen. Es ist nicht so, dass der Wetterbericht unterm Strich Recht behielt. Von Land rückten rasch Schleierwolken nach. 20 Minuten später war das Wunderbare auch schon wieder vorbei. Aber was waren das für 20 Minuten! Manchmal ist eben gar nicht so schlecht, dem Wetterbericht zu glauben.

 

Boot

 

PS.: Wie immer freue ich mich über Deinen Kommentar. Nur mag es sein, dass meine Antwort auf sich warten lässt. Wenn dieser Beitrag erscheint sind wir nämlich in Wales und ich weiß nicht, wie´s da um´s Internet steht. Dem Wetterbericht nach wird es während unseres Kurztrips rund um die Uhr regnen. Ich werde einen Teufel tun und daran glauben 🙂

Husum

Übers Haff nun fliegt die Möwe: 3 Spaziergänge in Husum

Wenn der eine Husum sagt, zitiert der andere mit 95%iger Wahrscheinlichkeit Theodor Storms graue Stadt am Meer. Und fügt in geschätzten 70% der Fälle hinzu: soooo grau soll Husum ja gar nicht sein.

Doch das kommt auf den Blickwinkel an.

Wer (wie ich) zum Auftakt eines Tagesausflugs zunächst das Meer begrüßen möchte, muss durch den Außenhafen. Und bei dem handelt es sich um den hässlichsten Hafen von Schleswig-Holstein. Leider wirklich wahr. Mächtige, gewaltige, monströse, schmutziggraue Silos und andere Industrieanlagen versperren auf beiden Seiten der Husumer Au einerseits den Blick zur See, andererseits auf die kleine Stadt und drücken geradewegs aufs Gemüt.

 

Rund um die Dockkoogspitze: ein Dreiviertelstündchen

 

Viel fröhlicher wirds nicht auf dem weiteren Weg. Schnurgerade und baumlos führt die Dockkoogstraße knappe 3 km zur Dockkoogspitze. Dort liegt die Badestelle von Husum. Trist und verwaist. Wie es sich für die Nordsee gehört.

 

Dockkoogspitze

 

Zu Storms Zeiten war das Panorama von Husum natürlich noch nicht verschandelt. Dieses Jahr feiert die Stadt immerhin schon des Dichters 200. Geburtstag. Aber man weiß schon, wie Theodor Storm das gemeint hat in seinem berühmten Gedicht „Die Stadt„.

Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.

Ich mag ja Eintönigkeit und Stille und Meeresbrausen. Besonders wenn die Wellen gegen das Deckwerk knallen, so dass ich Nordseespritzer abbekomme. Ganz salzig schmecken die; zum Verlieben. Und tief durchatmen.

 

Nordsee

 

Ich würde jetzt nicht so weit gehen, einen ganzen, langen Badetag an der Dockkoogspitze verbringen zu wollen. Doch zum Warmlaufen (und um die Schreibtischwoche aus den Gelenken zu schütteln) ist der Spaziergang genau richtig. Drüben auf Nordstrand scheint schon die Sonne. Dem Wind nach müsste sie irgendwann demnächst das Festland erreichen. In der Zwischenzeit werde ich mir Husum City ansehen.

 

Kulturpfad Husum: 1 – 2 Stunden (exkl. Museen)

 

Husum, das ist recht typisch für die Nordseeküste Schleswig Holsteins, gibt sich nach außen abweisend.  Nie würde man auf der Vorbeifahrt darauf kommen, was in der Stadt steckt. In der Tourist-Information am Markt schnappe ich mir den Flyer zum Kulturpfad. Er verbindet 34 kulturell interessante Orte im Innenstadtbereich. Ich mag Themenspaziergänge. Es hat immer was von einer Schnitzeljagd und nebenbei bekommt man einen ganz guten Eindruck von Husum.

 

 

Meinem Gefühl nach handelt es sich bei rund der Hälfte der Stationen um Plätze, an denen Storm entweder geboren wurde, lebte, Novellen verortete oder begraben liegt. Husum ohne Storm geht nicht. Genau wie Storm nicht ohne Husum sein mochte über das er schrieb:

»Es ist nur ein schmuckloses Städtchen, meine Vaterstadt; sie liegt in einer baumlosen Küstenebene und ihre Häuser sind alt und finster. Dennoch habe ich sie immer für einen angenehmen Ort gehalten …«

Angenehm kann ich unterschreiben. Schmucklos, alt und finster kommt Husum mir allerdings gar nicht vor. Im Gegenteil wirkt auf mich alles recht lebhaft und hell. Im Schlosspark schicken sich gerade 4 Mio Krokusse an, ihre Blüten zu entfalten.

 

 

Die Krokusblüte ist eine der Attraktionen und wird jedes Jahr mit einem großen Fest gefeiert. Dieses Jahr am 18. und 19. März. (Ja, genau, dieses Wochenende.) Der Legende nach pflanzten die „Grauen Mönche“ die Krokusse bereits im 15. Jahrhundert an, um Safran zu gewinnen.

 

Husum: graue Stadt, graue Mönche, lila Krokusse

 

Sehr interessant. Da fragt man sich nun sein Leben lang, was Safran macht (nämlich: den Kuchen gehl. Wtf?!) aber nicht, was Safran überhaupt ist. Jetzt weiß ich, es sind die Stempelfäden einer Krokus-Art. Sie färben gelb (gehl) oder eben lila, wie es sich die Grauen Mönche vorstellten. Allerdings hätten sie dafür eine andere Krokus-Art wählen sollen. Mit der Husumer Variante funktioniert es nämlich nicht, sie kann nichts als hübsch aussehen (und massenhaft Touristen anlocken).

 

 

Theodor Storm hätte das mit dem Safran vermutlich gewusst. Der passionierte Gärtner liebte seinen Garten in der Wasserreihe 31. Leider hat das Theodor-Storm-Museum heute geschlossen (was ich ein bisschen seltsam finde an einem Freitag). Am Durchgang vom Garten zum Hof (Foto) sind Skizzen und Auszüge aus Briefen Storms angebracht. Da schwärmt er von seinem Sommerleben, das beinahe ausschließlich im Garten stattfindet. Er scheint nicht nur ein besonders phantasievoller sondern auch bescheidener Mensch gewesen zu sein.

 

 

Apropos bescheiden. Dafür, dass ich gerade letzte Woche in einem Beitrag behauptet habe, ich würde nicht über den Bedarf konsumieren, lasse ich den Rubel im Husumer Antiquariat ganz schön rollen. Wer auf schöne Bilderbücher, alte Klassiker, besondere Papeteriewaren und antiken Spielzeug-Kitsch steht, wird das verwinkelte Lädchen schräg gegenüber vom Storm-Haus lieben.

 

Antiquariat

 

Während anderswo in Norddeutschland Tische und Stühle noch bis Ostern im Winterquartier eingelagert bleiben, speist man im Husumer Binnenhafen längst schon im Freien. Frierst Du, bist Du kein Nordfriese, erklärt mir ein Kellner in der Osteria das Konzept. Sich selbst bezeichnet er als italienischen Nordfriesen. Und ich bin eine Hamburger Nordfriesin, denn ich friere gar nicht!

 

Von Lundenbergsand zur Wester-Spätinge: 2 – 3 Stunden

 

Inzwischen hat die Sonne sich durchgesetzt. Immer am Deich entlang fahre ich in südlicher Richtung die Küste hinunter. Schöner wäre das jetzt eigentlich mit dem Rad. Es ist beinahe windstill und auf den Deichwegen der Husumer Bucht rollen die Räder eh fast von allein.

 

Simonsberg

 

Überhaupt ist Husum einer der wenigen Orte in Nordfriesland, die man nicht unbedingt mit dem Auto ansteuern muss. Viel streßloser ist es mit der Bahn. Von Altona fahren stündlich Züge (Dauer: 1 h 48; also etwa die gleiche Zeit wie mit dem Auto). Ein Rad kann man sich in Husum für 7 Euro pro Tag leihen.

 

Lundenberg Sand

 

Ich bin froh als ich mein Auto endlich loswerde – am Parkplatz der Badestelle Lundenbergsand. Und tatsächlich: da ist Sand. Nicht gerade „wie Sand am Meer“ (höhöhö). Aber für Kinder würde es zum Buddeln reichen, denke ich.

 

Badestelle Simonsberg

 

Normalerweise gehe ich lieber Rundwege als ein und denselben Weg hin und zurück, aber bei Deichspaziergängen ist das was anderes. Die Eindrücke buten, binnen und auf dem Deich sind so unterschiedlich, dass es mir niemals langweilig wird. Vorm Deich ist die Luft kühl und frisch. Hinterm Deich warm und schon ganz sanft. Stille ist überall. Und das ist das Beste.

 

Deich

 

Nach guten drei Kilometern erreiche das Vorzeige-Dörfchen Simonsberg. Kleine Friesenhäuser ducken sich links und rechts der erhöhten Dorfstraße. (Wer weder Auto noch Rad fahren mag, kann Simonsberg übrigens auch mit dem Linienbus von Husum aus erreichen.

 

Deichvorland

 

Am Seedeich führt ein schmaler Fußweg zu einem Schöpfwerk. Direkt daneben liegt die Infohütte des NABU, der das Naturschutzgebiet Wester-Spätinge betreut.

 

Jenseits von Husum: NSG Wester-Spätinge

 

Es ist nur ein kleines Naturschutzgebiebt, gerade mal 27 ha groß, hat aber eine große Bedeutung für viele Brut- und Rastvögel. Besonders Nonnen- und Graugänse überwintern hier gern, bis sie im Frühjahr in den hohen Norden ziehen.

 

nabu

 

Spätinge sind Flächen denen man Klei für den Deichbau entnommen hat (mit dem Spaten). So sind flache Teiche entstanden, die mit der Zeit stark verschilften. Für Wasser- und Watvögel ist das perfekt zum Rasten, Brüten oder Süßwasserbaden. Betreten darf man die West-Spätinge nicht. Muss man auch nicht – der Blick von Außen ist gut genug, um die Welt einen Moment zu vergessen.

 

Graugans

 

Den Rückweg trete ich erst an, als die ersten Wolken aufziehen. Selbst aus 10 km Entfernung reicht mein Blick bis zu Husums scheußlichem Außenhafen. Aber wenn man auch die anderen Seiten der Stadt kennt, weiß man schon, wie Storm das gemeint hat:

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.

 

Nordseestrand

Huettener Berge

Wandern wie auf Wellen: die Hüttener Berge & andere seltsame Dinge

Aufgrund von Sören Espersens trumpesquen Äußerungen sind wir schnell noch mal in die Hüttener Berge gedüst. Der dänische Rechtspopulist gab neulich in einem Interview zum Besten: „Ein Dänemark bis zur Eider ist Hoffnung und Traum zugleich. Selbstverständlich.“  Espersen muss das wissen – er ist immerhin Vorsitzender des aussenpolitischen Ausschusses des Folketing. Zwar will er ausdrücklich keine Panzer rollen lassen, um das nördliche Schleswig-Holstein heim ins Kongelige Danmark zu holen. Aber sicher ist sicher. Dieser Tage passieren ja die seltsamsten Dinge. Man könnte meinen, die Welt ist verrückt geworden. Nehmen wir nur mal das Outlet Neumünster.

 

das Outlet ist riesig, komplett kuenstlich und sehr seltsam

 

Das ist jetzt ein krasser Themenwechsel, ich weiß. Aber das Outlet war der eigentliche Grund, warum wir uns vergangenen Freitag trotz Hamburger Ferienbeginn die A7 angetan haben. Ich brauchte neue Wanderschuhe. So was stellt für mich eine extreme Herausforderung dar, seit ich vor ca. 10 Jahren aufgehört habe, über den Bedarf hinaus zu konsumieren. Aber nun hatte ich ja einen Bedarf. Und einen Gutschein (in Gestalt meiner Ma) für´s Outlet Neumünster.

 

Danes have more fun (beim Shoppen im Outlet Neumünster)

 

Ich glaube, als ich das Konsumieren einstellte, gab´s bei uns im Norden noch keine Outlets. Das war früher eher eine süddeutsche Spezialität. Jedenfalls habe ich noch nie ein Outlet besucht und war dementsprechend unvorbereitet auf das, was mich in Neumünster erwartete. Ich hatte mir irgendwas Hallenartiges vorgestellt. Wie bei einem Lagerverkauf. Doch das Outlet ist eine Art stilisierte Kleinstadt. Volko amüsierte sich hoch zehn. Er hat nämlich eine Schwäche für künstliche Orte (eine Schwäche, wie ich sie etwa für Natürliches habe). Schon als die ersten Disney-Türmchen am Horizont auftauchten, begann er zu lachen und hörte im Grunde bis zum Ende unseres Besuchs nicht mehr damit auf.

 

ladenstrasse

„Eine heile Welt mit funktionierendem Einzelhandel“, sagte ich zu meiner Ma. „Und dazu noch diese huebsche Esprit-Kirche“, pflichtete sie mir bei.

 

Erstaunlicherweise lief das mit den Wanderschuhen wie geschmiert. Beim Schnellcheck aller Outdoor/Sportläden hatte ich exakt ein Paar Wanderschuhe in meiner Größe entdeckt. Und so musste ich nichts entscheiden sondern nur nehmen. Besser kann es für mich ja gar nicht laufen. Grundsätzlich würde ich die Lage im Outlet Neumünster so einschätzen: Hat man einen konkreten Wunsch, ist es Glückssache, ob man fündig wird. Das Konzept richtet sich eher an Menschen, die nichts brauchen. Denn Dinge, die man nicht braucht, gibt es en masse. Teilweise zu Spottpreisen.

 

outlet

Neulich erfuhr ich im TV: Das Outlet gehoert zum Programm der Busreise „Perlen der Ostsee“ eines chinesischen Reiseveranstalters. (Bereist werden von HH aus Luebeck, Kopenhagen, Stockholm, Helsinki und Tallinn. In 5 Tagen.)

 

Mein Gutschein war nach dem Blitzkauf längst nicht ausgeschöpft. Inzwischen waren jede Menge andere Kauflustige eingetroffen – unter ihnen enorm viele Dänen für die das Preis-Leistungs-Verhältnis ja noch mal eine ganz andere Dimension hat. Der dänische Arbeitsmarkt ist leergefegt, so dass der Stundenlohn bei Mc Donalds mittlerweile 21 Euro beträgt.

In Deutschland hingegen gab Mc Donalds seinen Mitarbeitern mal Tipps, wie man mit Hungerlohn über die Runden kommt. Etwa seinen Hausrat bei ebay verkaufen oder sehr langsam essen, damit sich das Sättigungsgefühl schneller einstellt. Kein Quatsch.

Jedenfalls: Im Outlet wurde es mir zu voll. Weil alles so schnell gegangen und der Himmel überraschend hellblau war, konnte ich nun die Wanderschuhe einlaufen. Und wo ginge das besser als in den Bergen?! Wenn man schon mal in der Nähe ist.

 

Dass Espersen uns bloß nicht den Bismarck stiehlt: die Hüttener Berge

 

Die Hüttener Berge liegen 107 km nördlich von Hamburg die A7 hinauf (Ausfahrt Owschlag); also in etwa dort, wo eingangs erwähnter Espersen gern die Grenze zwischen Dänemark und Deutschland ziehen würde. Der Witz an den Hüttener Bergen ist, dass es keine Berge sind, weil es in Schleswig-Holstein nun mal keine Berge gibt. Es gibt nur bewaldete Wellen, aufgetürmt von Gletschern während der letzten Eiszeit. Auf einem der höchsten Gipfel, dem Aschberg (schwindelerregende 98 Meter ü NN), steht ein Aussichtsturm, für den man nicht besonders gut zu Fuß sein muss, denn es fährt ein Fahrstuhl hinauf.

 

Huettener Berge

Unten – etwa mittig – steht der olle Bismarck und bewacht die Berge

 

Der Blick von da oben ist echt famos. Winzig wirkt das Bismarck-Denkmal. Dabei ist es 7 m hoch. Geschaffen wurde die Statue in der Nähe von Apenrade. Noch vor der Abstimmung zur deutsch-dänischen Grenzfrage im Jahr 1920, brachte man den Bismarck mit der Eisenbahn nach Rendsburg (sicher ist sicher, ich sagte es ja schon). Dann wusste man nicht so recht, wohin mit dem Koloss und verstaute ihn in einer Scheune in Ascheffel. Erst seit 1930 fand er einen Platz auf dem Aschberg und wacht seitdem über die Hüttener Berge. Entweder für ewige Zeiten oder bis jemand wie Espersen eine neue Grenzziehung erwirkt. Wohin der Bismarck dann wohl zieht? Vielleicht ja ins Outlet Neumünster? (Ich glaube, die fänden das gut.)

 

Bismarck

 

Direkt beim Bismarck startet ein hübscher, kleiner Auf-und-Ab-Rundweg um den Aschberg von etwa 5 km Länge. Genau das Richtige, um Wanderschuhe einzulaufen. Falls man in Begleitung einer Person ist, die keine Lust zum Wandern hat, darf man sie mit gutem Gewissen bei der Globetrotter Lodge zurücklassen (zu der auch der Aussichtsturm gehört). Dort ist für genügend Zerstreuung gesorgt.

 

Dinge, die man in der Globetrotter Lodge machen kann

 

Die Globetrotter Lodge gehört zum Globetrotter Outdoor Ausrüster und möchte „Lust auf draußen“ machen. Insbesondere Leuten, die keine freaky Outdoor-Typen sind, sondern es ganz gern ein bisschen nett haben. Alles auf dem Aschberg ist schlicht-schick. Selbst die „Nordisk-Glamping„-Zelte, die ab Mai wieder aufgestellt werden, sind nett eingerichtet – leider sieht man das nicht auf der Homepage der Lodge (aber ich habe vergangenen Sommer mal reingelinst und konnte mich durchaus begeistern für ein Doppelzelt mit Betten für 69 Euro inkl. feinem Frühstück.)

 

 

Nicht jeder kann was mit der Globetrotter Lodge anfangen. Im Restaurant Campfire hörte ich, wie eine Frau um die 80 zu ihrem Mann sagte:

„Heidi gefällt es hier ja nicht. Es ist ihr zu modern.

„So ein Quatsch“, antwortete ihr Mann entrüstet. „Ist doch gut, wenn mal was anders ist.“

Dann schwieg er, bis die Bedienung den Raum betrat.

„Was soll das jetzt bedeuten?“, fragte er seine Frau, immer noch schwer empört. „Essen die Leute jetzt zu Mittag oder wie? Es ist 3 Uhr durch!“

Ich weiß nicht, ob es ihm grundsätzlich gegen den Strich ging. Oder ob ihn nur die Tatsache irritierte, dass wir etwas zu essen bekamen, obwohl die Küche eigentlich zwischen 14.30 Uhr und 17.30 Uhr geschlossen hat. Es ist nämlich absolut unüblich für Schleswig-Holstein, in dieser Frage Ausnahmen zu machen. 

 

Gut essen (mit Aussicht)


 

Ganz wie es sich für die Berge gehört, aßen wir Damwildkeule (vom örtlichen Jäger) mit Rothkohl und Serviettenknödeln zum schlanken Kurs von 14.50 Euro. Es schmeckte ausgesprochen gut.

 

 

Ich wäre ja zu und zu gern noch viel länger auf dem Aschberg geblieben. Am liebsten über Nacht. Weil die Stimmung da „oben“ so herrlich ruhig war. So wunderbar weg von allem. Aber wir hatten noch einen Termin. Und irgendwie war das kleine Bedauern beim Aufbruch auch passend. Der Vorfrühling ist ja ohnehin portionsweise Glück. Eine kleine Weile Sonne. Eine Blüte hier und da. Und ein ganz leichter Schimmer Grün.

 

Baum

Norddeutschland im Maerz

Licht an: es ist März in Norddeutschland

Weil wir hier oben nicht glücklich sein können, wenn es wettermäßig nichts zu klagen gibt, ist der März in Norddeutschland einer der allerbesten Monate überhaupt. Ab heute gibts nämlich gleich zwei gute Gründe zum Lamentieren.

  1. Mindestens zu Beginn ist der März in Norddeutschland zu kalt.
  2. Spätestens zum Ende verabschiedet sich das schönste Licht.

Nur noch diesen Monat ist der Norden in sein besonderes Winterlicht getaucht. Es ist hell, aber nicht grell sondern zart und von unvergleichlicher Klarheit. Also, immer schön die Kamerakkus aufgeladen halten, denn irgendwann in den nächsten ein, zwei, drei Wochen wird er kommen, der erste Tag an dem einfach alles stimmt: Der Himmel wird blau sein, die Luft lau und Vögel werden piepsen. Am schönsten ist es dann an der Ostsee.

 

 

Im März ist unser kleineres Meer das Bessere. Weil blauere. Und der ostseetypische ganz leichte Wellenschlag an windstillen, sonnigen Tagen gehört zu den besten Geräuschen überhaupt auf der Welt. Was auch super ist am März: Noch sind die Campingplätze höchstens spärlich besucht. Jetzt kann man also die Küstenabschnitte genießen, die ab Mai vollkommen überlaufen sind.

 

Der März ist ein Ostseemonat

 

Unterkünfte bekommt man an der Ostseeküste im März ganz easy spontan. Man kann sich also entspannt nach dem Wetter richten. Aber man sollte dieses Geschenk an sich selbst ebenso ernst nehmen wie all die tausend Pflichtveranstaltungen im Leben. Also wirklich machen. Was März und Kurzrreisen gemeinsam haben: Jede Stunde ist wertvoll. Man freut sich a) vorher wie verrückt. Man genießt sie b) währenddessen ganz bewusst. Und sie wirken c) megalange nach. Weil ich im Februar zum ersten Mal seit sehr langer Zeit keinen Kurztrip unternommen habe, weiß ich jetzt: das ist ein Fehler. Mir hat es total gefehlt „woanders“ zu sein; ich wurde unleidlich, geradezu gnaddelig und selbstmitleidig. Aber das ist zum Glück nun Geschichte.

Gleich dreimal wird es Frühling

 

Für Wettervorherseher und Klimatologen ist der Winter heute vorbei und es beginnen meine neueinhalb Lieblingsmonate im Norden. Heute ist meteorologischer Frühlingsanfang. Besser ist nur noch der astronomische Frühlingsfang: die erste Tag-und-Nacht-Gleiche des Jahres. Die rückt (vereinfacht gesagt) mit jedem Schaltjahr 44 Minuten früher an – seit 2011 generell nicht mehr am 21. sondern am 20. März – und das wird die nächsten Jahrzehnte so bleiben. Phänologisch (= Entwicklungsstand der Pflanzen und Verhalten der Tiere) legt der Frühling Ende Februar in Portugal los und zieht mit einer Geschwindigkeit von 40 km pro Tag noch Norden. Bis Finnland braucht er demnach 90 Tage. So gesehen ist Skandinavien für Frühlingsfreunde erst ab Mai ein gutes Reiseziel. Im Gegensatz zum Vereinigten Königreich.

 

Wenn´s weiter weg sein soll: der Norden im Westen

 

Wer im März weiter weg will, ist auf den Britischen Inseln richtig. Dank des Golfstroms ist es dort wärmer als in anderen Gebieten der gleichen Breitengrade. Daher sind Irland, Nordirland und England perfekte Ziele für einen Frühlingsurlaub. Und übrigens viel günstiger als man denkt (bzw. als ich immer dachte. Andere wissen vielleicht besser bescheid.)

 

Lake District

Fruehling im Lake District

 

Manchester selbst ist nicht besonders gefällig, liegt aber strategisch günstig für Naturfanatiker. Ziemlich schnell erreicht man ziemlich überwältigende Landstriche. Im romantischen Lake District ist man etwa in 1,5 Stunden. Nur eine Stunde braucht man ans Meer bei Blackpool. Und schon nach einer halbe Stunde erreicht man den Peak District, ein tolles Wandergebiet vor den Toren der Stadt. Und auch  Wales ist nicht einmal eine Stunde entfernt. Den Norden versteht sich.

 

Llandudno Pier

 

Wer aus irgendwelchen Gründen keinen Kurztrip im März planen kann oder mag, darf sich trotzdem freuen. Auch Tagesausflüge machen glücklich. Und besonders zum Wandern ist der Frühling einfach toll, weil man nicht ins Schwitzen gerät. Die Luft hat genau die richtige Frische.

Tolle Tagestouren in Norddeutschland

Wer kein Auto zur Hand hat, kann ja mal die Fernbusse auschecken: Für 5 Euro gelangt man beispielsweise in 55 min vom Hamburger ZOB nach Timmendorf. Wer´s lebendig mag, wandert die Promenade hoch nach Sierksdorf. Wer nicht ganz so viele Gastronomiebetriebe braucht, stiefelt die Bucht runter nach Travemünde (14 km).

 

Ostsee

Luebecker Bucht bei der Herrmannshoehe

 

Ebenfalls etwa eine Stunde braucht man von Hamburg mit dem Zug nach Kiel. Dort tritt am 19. März der Frühjahrsfahrplan der Fördefährlinie in Kraft und man kann wieder von Strand zu Strand schippern; bis nach Strande oder Laboe.

In Hamburg ist es jetzt der Elbhöhenweg großartig. Noch verdeckt kein Blattwerk die Blick aufs Wasser. Wer krass drauf ist, läuft von Wedel zu den Landungsbrücken (21 km). Wer sich noch winterschläfrig fühlt, konzentriert sich auf Falkenstein .

 

Elbblick

Elbblick beim Puppenmuseum

 

Falls wir es übrigens doch noch mit Schneematsch und Graupelschauern zu tun bekommen (das kann ja leider sein)  ist das Zoologische Museum in Hamburg eine tolle (und kostenlose) Sache. Vor allem Kinder (und Menschen mit kindlichem Gemüt) können sich ja schwer begeistern für Präparate von Anglerfischen, Riesenspinnen und unser aller Walross Antje.

 

Hamburg

Zoologisches Museum Hamburg

 

Und apropos Vögel: Ist Euch schon aufgefallen, dass jetzt morgens wieder die Vögel zwitschern?! Ich finde das so herrlich. In diesem Sinne: Einen schönen März allerseits!

Pulse of Europe

Let´s be the Pulse of Europe

„Hallo, ich bin aus Europa. Meine Mutter ist aus Europa. Und mein Vater ist auch aus Europa. Tschüß.“ Damit hat der 4-jährige Junge am „Open Mike“ bestens auf den Punkt gebracht, warum sich seit neuestem jeden Sonntag von 14.00 bis 15.00 Uhr Europafreunde auf dem Hamburger Rathausmarkt versammeln. Zeitgleich kommen Menschen in Berlin, München, Köln, Freiburg, Wiesbaden, Karlsruhe, Essen, Passau, Celle, Halle und vielen weiteren Städten zusammen, um ein Zeichen für Europa zu setzen. Ihren Anfang hat die Bewegung in Frankfurt genommen und allmählich breitet sich Pulse of Europe sternenförmig aus. Nach Paris, Toulouse, Lyon und Amsterdam.

Als eine der Organisatorinnen die Liste der teilnehmenden Städte vorliest und um die Orte ergänzt, die sich kommende Woche anschließen werden, relativiert sich meine anfängliche Enttäuschung über die doch überschaubare Teilnehmerzahl in Hamburg. Es mögen so zwischen 350 und 500 Leute sein, die heute gekommen sind. Aber es ist ja auch erst das zweite Treffen in der Hansestadt. In Frankfurt zählt man inzwischen in Tausendern.

Pulse of Europe will nicht gegen etwas protestieren sondern für etwas einstehen: ein weiterhin vereintes, demokratisches Europa. Worum es geht, haben die Initiatoren in zehn Grundthesen zusammengefasst:

  1. Europa darf nicht scheitern
  2. Der Friede steht auf dem Spiel
  3. Wir sind verantwortlich
  4. Aufstehen und wählen gehen
  5. Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit sind unantastbar
  6. Europäische Grundrechte sind nicht verhandelbar
  7. Reformen sind notwenig
  8. Misstrauen ernst nehmen
  9. Vielfalt und Gemeinsames
  10. Alle können mitmachen – und sollen es auch

Das Ganze ist ausdrücklich nicht parteipolitisch. Im Gegenteil: Vielfalt ist gut. Denn gerade das ist ja der Geist von Europa.

 

Pulse of Europe

 

Es sind die unterschiedlichsten Positionen zu hören, als das Mikrophon für die Teilnehmer freigegeben wird. Angefangen vom eingangs erwähnten 4-jährigen bis zu der Dame, die auf der Flucht im zweiten Weltkrieg Bruder und Vater verlor. Ein Anwalt referiert (kurz und knackig) die wichtigsten Errungenschaften der EG/ EU. Eine junge Londonerin bedankt sich ausdrücklich bei jedem Teilnehmer. Ein Journalist lenkt den Blick auf Osteuropa. Ein in Hamburg lebender Brite warnt davor, die Situation nicht ernst zu nehmen. Er hätte den Brexit nicht für möglich gehalten, doch nun wird seinen Kindern Europa nicht mehr selbstverständlich sein. Ein anderer Teilnehmer trägt Tucholskys Gedicht „Europa“ von 1932 vor. Es scheint erschreckend aktuell.

Am Rhein, da wächst ein süffiger Wein –
der darf aber nicht nach England hinein –
Buy British!
In Wien gibt es herrliche Torten und Kuchen,
die haben in Schweden nichts zu suchen –
Köp svenska varor!
In Italien verfaulen die Apfelsinen –
laßt die deutsche Landwirtschaft verdienen!
Deutsche, kauft deutsche Zitronen!
Und auf jedem Quadratkilometer Raum
träumt einer seinen völkischen Traum.

Es tut gut, mal was anderes als Gezeter zu hören. Die zerstörerischen Stimmen sind ja so laut geworden, dass man ganz mutlos werden kann. Doch an diesem Sonntag auf dem Rathausmarkt sind derart unterschiedliche Menschen zusammen gekommen, dass Zuversicht gar nicht ausbleiben kann. Sie stehen stellvertretend für große, große Gruppen, die Europa eben nicht ablehnen.

Und so trällert die Gesellschaft (ein bisschen schräg aber schön laut) die „Ode an die Freude“, bevor wir zum Abschluss noch eine Menschenkette um den Rathausplatz bilden und la Olà üben. „Super“, meint die Frau neben mir, „letzte Woche war der Kreis nur halb so groß.“ Und dann verabschieden sich alle voneinander: bis nächsten Sonntag!

 

Pulse of Europe

 

Was Du für Europa tun kannst

 

Kommen: Jeden Sonntag von 14.00 – 15.00 Uhr, Rathausmarkt Hamburg und in vielen weiteren Städten Europas.

Liken: Pulse of Europe.

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Let´s be the Pulse of Europe!

Kiesch

Ziemlich gute Bekannte: Hamburger und die Hamburger Kunsthalle

Alfred Lichtwark, der 1. Direktor der Hamburger Kunsthalle, bat regelmäßig Künstler aus dem In- und Ausland an die Elbe, um sich mit Hamburger Ansichten zu beschäftigen. Er wusste, dass die Hanseaten vertraute Motive aus ihrer Umgebung schätzten und hoffte auf diese Art, die Akzeptanz für moderne Kunst in der Stadt zu erhöhen. Ich fühle mich irgendwie ertappt, als ich das auf einer Handreichung lese. Sie hängt direkt neben Liebermanns Terrasse im Restaurant Jacob in Nienstedten an der Elbe. Ein Bild, bei dem mir das Herz ganz hell wird – genau wie es der große Mann der Kunsthalle vor über 100 Jahren seinen Hamburgern auf die Nasenspitze zusagte.

 

Liebermann

 

Liebermann im Jacob einzuquartieren, war ein ziemlich genialer Schachzug von Lichtwark, das muss ich sagen. Sicherlich bin ich nicht die einzige, für die Liebermanns Bild und die reale Lindenterrasse miteinander verwoben sind. Beim Elbspaziergang denkt man ganz automatisch an das Bild. Beim Betrachten des Bildes an den Elbspaziergang. Und gerade dass man an beides denkt, macht beides doppelt so schön.

 

Asgardstrand

 

Eigentlich bin ich heute gekommen, um endlich das Ergebnis der ewiglangen Renovierung zu bewundern. Doch nachdem ich mich vergewissert habe, dass die Holzböden noch genauso schön quietschen und knarren wie früher, tritt der (farbenfrohe, luftige, klare) Hintergrund schnell in den Hintergrund. Ich konzentriere mich auf meine Lieblinge, die mir wie gute alte Bekannte vorkommen. Denn selbst wenn man nur alle zwei Jahre die Kunsthalle besucht, ist man irgendwann zehn oder zwanzig Mal dagewesen und (Achtung, Wortwitz) ganz gut im Bilde.

 

Hamburger Kunsthalle

 

Manchmal irre ich mich auch. Ganz wie im richtigen Leben. Auch auf der Straße meine ich oftmals, Bekannte zu sehen und erkenne erst beim Grüßen, dass sie es nicht sind. Das ist mir z.B. öfter mit Dr. Brinkmann aka Klaus Jürgen Wussow passiert, der früher dort wohnte, wo ich arbeitete, weshalb ich ihn mehrmals für einen Arbeitskollegen hielt. (Er erwiederte meinen Gruß immer sehr freundlich). Ah, ein Kirchner, denke ich nun bei den Damen in den Dünen neunmalklug (dabei ist es ein Müller). Ich hätte ja schwören können, dass ich das Bild aus der Ausstellung zum Ernst-Ludwig-Kirchner-Weg auf Fehmarn kenne. (Als gäbe es auf Fehmarn Dünen; also bitte.)

 

 

Ist mein Blickwinkel eingeschränkt?, frage ich mich, als mir auffällt, dass ich mich vor allem auf das konzentriere, was ich eh schon in- und auswendig kenne. Ich spaziere von einer norddeutschen Landschaft zur anderen. Von der Heide ins Alstertal, an Elbstrände und über Holsteiner Wiesen bis an die Ostsee. Befinde ich mich also in einer Art musealer Filterblase? Und sollte Kunst den Blick nicht eher weiten?

 

Wanderer

 

Kommt drauf an, hätte Caspar David Friedrich vermutlich gesagt, denn:

 

„Der Mahler soll nicht bloß mahlen was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich so unterlasse er auch zu mahlen was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den Spanischen Wänden gleichen, hinter denen man nur Kranke und Tote erwartet.“

– Caspar David Friedrich –

 

Soll der Maler also „nicht bloß mahlen was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht“, gilt das wohl auch für die Betrachterin. Ich stelle fest: Bei alten Meistern sehe ich meistens gar nichts in mir. Dito, wenn´s zu göttlich bzw kirchlich wird. Ganz viel passiert aber, wenn ich Friedrichs Eismeer betrachte. Das hat er übrigens selbst nie „in echt“ gesehen. Die Inspiration erwischte ihn, als im Winter 1820/21 die Elbe zufror.

 

Eismeer

 

Das Eismeer hängt neuerdings zu meinem großen Vergnügen so, dass ich es zeitgleich mit einem weiteren Lieblingsbild anschauen kann – Carl Blechens Innenansicht des ehemaligen Palmenhauses auf der Pfaueninsel bei Potsdam. Auch so ein Sehnsuchtsort, den ich schon seit Urzeiten besuchen möchte. Meine in-der-naehe-bleiben-Bucket-List wächst und wächst, während ich eine zweite Runde durch die Räume drehe. Am Ende ist sogar was Süddeutsches dabei; konkret ein Schwarzwälder. Das hat eine gewisse Logik, denn ich mag Schwarzwälder (bin ja auch immerhin mit einem verbandelt) und außerdem trifft Hans Thomas Waldwiese ziemlich genau das, was ich derzeit hauptsächlich in mir sehe: die Sehnsucht nach dem Frühling.

 

Schwarzwald

 

Ach, nee, nu guck doch mal wie schön, sächselt eine Frau ihrem Mann ins Ohr. Die 2 stehen vor einem Bild des Nymphenbades im Dresdner Zwinger. Ganz versunken. Offenbar ist es keine Hamburger Spezialität, so gern im Bild wiederzufinden, was einem gut bekannt ist. Die Kunsthalle ist nämlich nicht nur ein Heimspiel für Hamburger sondern es ist so gut wie für jeden Europäer etwas dabei – insofern und überhaupt ist der Besuch einfach jedem zum empfehlen.

 

Nolde

 

Hier gehts zur Hamburger Kunsthalle.

Seehundstation Friedrichskoog

Ausflugstipp für Wintertage: die Seehundstation Friedrichskoog

Neulich – bei sehr, sehr schlechtem Wetter – besuchten wir die Seehundstation Friedrichskoog, die einzige Stelle Schleswig-Holsteins, die zur Robbenaufzucht autorisiert ist. Friedrichskoog liegt an der Nordsee; kurz hinter der Elbmündung auf einer Halbinsel zwischen Brunsbüttel und Büsum. Also quasi am Ende der Welt.

 

Trischenbake

 

Außerhalb der Saison präsentiert sich die Gegend so gut wie ausgestorben. 48 Einwohner pro Quadratkilometer verlaufen sich eben und besonders viele Ausflügler zieht es bei sehr, sehr schlechtem Winterwetter auch nicht in das Nordseeheilbad. So waren wir ungefähr zu zehnt, als in der Seehundstation die Fütterung der Heuler begann.

 

Heuler

 

Da der Aufzuchtsbereich vom Publikumsverkehr abgetrennt ist, lässt sich die Fütterung ausschließlich von einem Seminarraum im 1. OG des Hauptgebäudes beobachten. Ich hatte das schon mal im Spätsommer erlebt. Bzw nicht erlebt. Denn damals wurden alle Fensterplätze von Kindern eingenommen und die kann man ja schlecht wegdrängeln, um selber etwas zu sehen. (Obwohl ich ich es gern getan hätte, denn was gibt es schon Niedlicheres als kleine Seehunde, bzw. Kegelrobben.)

 

Seehund

 

Dieses Mal standen wir aber nun in der ersten Reihe. Wir stellten fest, dass es sich nicht unbedingt lohnt, Fünfjährige wegzuschubsen. Die Fütterung der Heuler ist total unspektakulär. 3 Stationsleute hirschen durch die kleine Anlage und werfen jedem Tierchen im Vorbeigehen was Fischiges zu. Ruckzuck geht das. Die Heuler sollen sich nämlich nicht an Menschen gewöhnen oder gar Vertrauen fassen. Die Seehundsation Friedrichskoog ist eben kein Zoo sondern eine Aufzuchtsstation. Sobald die Robben schön fett sind, werden sie ausgewildert.

 

Robbe

 

Mit Zoos geht es mir ein bisschen wie mit Fleisch: Ich mag beides sehr, werde aber immer empfindlicher, was die Lebensbedingungen der Tiere angeht. Und wenn man erst mal angefangen hat, sich über so was Gedanken zu machen, gehen ungute Gefühle ja auch nicht mehr weg. Im Gegenteil sie verstärken sich schleichend (bis man irgendwann vermutlich verschratet, aber was will man machen).

 

Die Seehundstation Friedrichskoog ist kein Zoo. Zum Glück.

 

Für Leute wie mich, die verschratungsmäßig etwa auf halber Strecke stehen, ist die Seehundstation Friedrichskoog jedenfalls eine gute Variante. Man sieht die ganz jungen Heuler aus der Ferne, ein paar Dauerbewohner aus der Nähe und einige Tiere sieht man auch gar nicht. Die, deren Auswilderung kurz bevorsteht, sind im Verborgenen untergebracht.

 

Robbe

 

Tierliebhaber neigen ja dazu, Tiere zu vermenschlichen. Ich finde, das ist bei Robben ganz besonders naheliegend. Weil sie immer so aussehen, als würden sie lächeln. Hört man einen Heuler in freier Wildbahn heulen, sollte man aber nicht gleich in Panik geraten, erzählte uns der junge Mann von der Seehundaufzuchtsstation. Es ist ganz normal, dass Robbenbabys stundenlang allein bleiben, während die Muttertiere auf Nahrungssuche sind. Fühlt man ein so schreckliches Mitleid, dass man es nicht aushalten kann, ruft man am besten die Polizei an.

 

Seehund

 

Wie jedes kleine Kind weiß, darf man Wildtierbabys generell nicht zu nah kommen. Aber Erwachsene vergessen so was ja gern mal. Deswegen fasse ich zusammen: nie näher als 300 Meter auf einen Heuler zugehen. Auch nicht, wenn man „nur“ ein Foto schießen möchte und die Kamera keinen guten Zoom besitzt. Und vor allen Dingen: Hund an die Leine. Wer sich nicht daran hält, fällt möglicherweise ein Todesurteil, denn jede noch so kleine Störung kann dazu führen, dass ein Muttertier ihr Junges verlässt.

 

Unerwasserbereich

 

Bei den Dauerbewohnern in der Aufzuchtsstation handelt es sich ausschließlich um Tiere, die nicht mehr in Freiheit überleben könnten. Aufgrund von alten Verletzungen oder traumatischem Zooleben zuvor. Man kann sie gut vom Unterwasserbereich beobachten. Und wenn man da ganz allein sitzt und den Regen aufs Wasser prasseln sieht, ist das ein richtig schön meditativer Moment.

 

Smile

 

Im Unterwasserbereich ist eine kleine Ausstellung untergebracht, die sich mit den Robben der Welt beschäftigt. Mit Seelöwen, Seebären, Seeleoparden, See-Elefanten und was es da sonst noch an Bezeichnungen gibt, die alle darauf hinweisen, dass es sich nicht um Kuscheltiere handelt.

 

 

Kegelrobben werden im Winter geboren. Insofern ist ein Besuch der Seehundstation jetzt gerade richtig. Auch weil es nicht so schlecht ist, die Anlage fast für sich allein zu haben. Ich gebe allerdings zu, dass ein bisschen besseres Wetter dem Besuch zuträglich wäre. Bei guter Sicht hat man vom Aussichtsturm, der alten Trischenbake, einen phantastischen Blick bis nach Cuxhaven. (Bei mieser Sicht fragt man sich, wie es Menschen in der Gegend überhaupt aushalten können.)

 

Trischenbake

 

Unsere Tipps für einen Besuch in der Seehundstation Friedrichskoog

 

  • auf einen kristallklaren Wintertag warten,
  • Proviant einpacken (das Bistro mag geschlosen sein),
  • den Tidenkalender checken,

denn wirklich ausflugsfüllend ist die Seehundstation nicht (max. 2 Std). Großartig wird das Ganze erst, wenn man im Anschluss noch einen Spaziergang auf dem Trischendamm unternimmt.

 

Trischendamm

der Trischendamm ist 2,2 km lang

 

Der Trischendamm liegt gleich ums Eck in Friedrichskoog Spitze – und ist am grandiosesten bei Ebbe. Am Wochenende hat mit Glück sogar mal ein Café oder ein Gasthaus geöffnet. (Aber darauf würde ich mich nicht verlassen.)

 

Seehund

 

Die Seehundstation Friedrichskoog ist jeden Tag geöffnet. Sie finanziert sich komplett über Spenden und durch Eintrittsgelder (7 Euro). Alles weitere hier: Klick.

Schilf

Nur 28 Tage: Februar in Norddeutschland (and how to survive)

Hej, hej – es ist Februar in Norddeutschland und wir gehen in unser viertes Bloggerjahr. Dreimal haben wir Frühling, Sommer, Herbst und Winter nun kommen und gehen sehen. Haben ganz genau hingeschaut und allmählich ein Gefühl dafür entwickelt, wo es wann am schönsten ist. Ab heute werden wir monatlich ein wenig resümieren – was lohnt sich unserer Meinung im Moment unbedingt im Norden, was eher nicht so. Und schwupps haben wir eine prima Überleitung zum Februar in Norddeutschland. Denn der lohnt sich insgesamt eher nicht so.

 

Festonallee

 

Dieser Monat tut nichts für das Land, würde Guido Maria Kretschmer sagen.
Umrahmt von gepflügten Äckern (aka nackter, brauner Erde) büßen selbst die schönsten Aussichten ihren Zauber ein. Wenn die Stiefel mit jedem Schritt schlammschwerer werden, ist das nun auch nicht gerade jedermanns Lieblingsgefühl. Genauso wenig wie eisiger Schneeregen. Oder nur Regen. Denn das ist ja das Schlimme hier oben: Die Winter sind nasskalt und sehr, sehr bleich.

(Nasskalt ist es zwar auch oftmals im Januar oder März. Doch im Januar haben wir den Winter noch nicht ganz so satt und im März leben wir entweder von der Hoffnung auf bessere Zeiten oder sie brechen tatsächlich an. Je nachdem.)

 

Nix für Frostkötel: Februar in Norddeutschland

 

Zum ersten Mal seit 36 Monaten haben wir keinen Kurztrip geplant. Wir wissen: jetzt ist alles hässlicher als nächsten Monat. Wozu also irgendwohin? Das Einzige, was mich persönlich im Februar zu einem Kurztrip motivieren könnte, wäre ein Zustand akuter Erschöpfung.

Dann würde ich mir einen Ort an der Ostsee aussuchen, den ich a) schon kenne, b) schnell erreiche und der c) ein Hotel mit Bademantelgang zum nächsten Schwimmbad bietet. Ich meine damit nicht hoteleigene Mini-Pools sondern richtig krasse Spaßbäder. Mit warmen Blubberbecken und heißen, großzügigen Saunen – am liebsten mit Meerblick. Ich sage das als jemand, der sonst nicht so auf Spaßbäder abfährt. Doch im Februar geht es mir in erster Linie darum, nicht zu frieren. Und das ist eben doch eine klitzekleine gute Sache: Nie ist der Norden so unbeliebt wie jetzt. Nie sind die Unterkünfte günstiger. Nie die Spaßbäder leerer.

 

Mein liebstes Februarwort: Bademantelgang

 

Ich hab mich mal durch unsere Fotos der letzten Jahre geklickt wie durch einen Reiseprospekt. Und mag folgende 3 Spaßbäder mit angeschlossenen Unterkünften unter gewissen Umständen empfehlen:

  1. Meerwasserbad auf Fehmarn; low budget Unterkunft in den Fernblickhäusern von Arne Jacobsen mit irrem Blick auf die Ostsee, eher skurril als schön – aber irgendwie ein Erlebnis.
  2. Grömitzer Welle, angedockt ans a-ja-Resort, Mittelklasse in jeder Beziehung, doch absolut ok, wenn es einem in erster Linie ums Durchatmen geht.
  3. Ostseetherme Scharbeutz, mit dem feinsten aller Bademantelgänge ins Gran BelVeder. Das Beste daran: Hotelgäste dürfen abends länger in der Therme bleiben und morgens früher rein als „normale“ Schwimmbadbesucher.

Was alle drei gemeinsam haben: Sie liegen direkt am Strand. Da ist man ziemlich gut aufgehoben, falls das Wunderbare geschieht und die Sonne doch mal scheint. Denn Februarsonne ist am Meer überirdisch schön.

Allerdings habe ich in den letzten drei Jahren festgestellt, dass Februarsonne überall überirdisch schön ist. Dafür muss man überhaupt nicht wegfahren. Die Sehnsucht nach dem Frühling steigert sich ja langsam ins Unermessliche. Der Moment, wenn man ihn zum ersten Mal ahnt, ist an jedem x-beliebigen Grünstreifen eine große Sache. Und – das kann man heute schon mal sagen – dieser Moment wird in den nächsten 28 Tagen kommen.

 

Kleine Freuden im Februar

 

Am besten legt man sich jetzt schon mal einen Spazierplan zurecht für den nächsten knallblauen Tag, damit man nicht vor lauter Überraschung völlig überfordert ist und dann doch nur wieder mit der Herde um die Alster latscht. Ich kann wärmstens Finkenwerder und Wilhelmsburg empfehlen.

 
Duckdalben
 

Möglicherweise kann man dann gleich in die Tat umsetzen, was Marianne auf alleinreisenjetzt vorschlägt, um den Winter ein bisschen mehr zu mögen.

 
Bank
 

Apropos andere Blogs: Früher dachte ich immer, auf dem Land sei der Februar leichter zu ertragen als in der Stadt. Weil in der Stadt das Graue noch grauer erscheint. Doch dann las ich auf Elkes Meerblog genau das Gegenteil. Elke lebt in Nordfriesland und schrieb vor einiger Zeit:

 

„Der Winter könnte schön sein, wäre er klar und trocken mit ein bisschen Schnee. Meist ähnelt er eher den nassen, nebligen Herbsttagen. Der Winter dauert grundsätzlich zu lang.
Er ist zu farblos, zu dunkel, zu trist. Was einfach mehr ins Gewicht fällt, wenn man auf dem Land wohnt. Im Winter brauchst du Kino, Kneipe, Kunst zum Überleben.“

 

Kunst zum Überleben… Das finde ich interessant. Vor allem weil es auf diesem Blog mehr Beiträge gibt, in denen ich über „zu wenig Kunst“ in Hamburg klage als Berichte von Museumsbesuchen. Eine Haltung, die ich eigentlich bescheuert finde. Und so werde ich diesen Monat mal wieder ein paar Kulturbetriebe beehren. Die sind ja auch etwas leerer im Moment, weil nicht so viele Touristen in der Stadt sind.

 

 

Unterm Strich bleibt der Februar zwar der Monat, den ich am wenigsten mag. Ich hätte nicht mal was dagegen, wenn man ihn komplett streichen würde. Aber dass man gar nichts mit ihm anfangen kann, stimmt offenbar auch nicht. In diesem Sinne: Ich wünsch Euch was für die nächsten 28 Tage. Und falls Ihr noch einen Überlebens-Tipp habt – immer her damit. Wir freuen uns.

 

Olpenitz

Jetzt komm ich noch einmal und dann nimmermehr: Olpenitz

In Olpenitz bei Kappeln entsteht seit einiger Zeit „Deutschlands größter Ferienpark“. So hab ich das neulich gelesen. Allein das Wort Ferienpark deprimiert mich. Beim Ostsee-Resort Olpenitz (noch so ein deprimierendes Wort) kommt hinzu, dass es meinen Lieblingsstrand tangiert. Im geradezu mathematischen – aber mehr noch ideellen Sinne. Das beobachte ich nun schon eine ganze Weile, doch ich kann und kann mich nicht daran gewöhnen.

 

schoenhagen

 

Als meine Welt und ich noch klein waren, endete sie – also die Welt, am Strand von Weidefeld. Konkret an einer Mole, die sich weit in die Ostsee hineinstreckt. Das Dahinter blieb mir Jahrzehnte verborgen. War Marinegelände. Sperrgebiet.  Nicht, dass ich Militärisches so toll fände. Doch gerade, dass man nicht weiterkonnte, setzte ein I-Tüpfelchen auf das Gefühl, sehr weit weg von allem zu sein.

 

Angler

 

Zwischen Weidefeld und der nächsten Stadt liegen zehn Kilometer herrlichster Walachei. Kappeln ist selbst nicht gerade eine Metropole.  Daher war Weidefeld immer leerer als andere Ostseestrände in Schleswig-Holstein. Nicht so zugepflastert mit Strandkörben. Keine Kurtaxe. Richtig Meer eben. Ein sehr guter Ort.

 

Weidefeld: Was macht mein Strand? Was macht die See?

 

Mein ganzes Leben lang bin ich regelmäßig nach Weidefeld gepilgert. Ich dachte, das würde immer so weitergehen. Doch vor ein paar Wochen merkte ich, dass es mir nicht mehr gut tut. Denn seit einigen Jahren wachsen nun Häuser, wo früher gar nichts war. Und von Mal zu Mal sieht es noch etwas schrecklicher aus.

 

Weidefeld

September 2014

 

Jedenfalls für mich, weil ich es eben anders kenne und liebe. Und dass es noch viel schlimmer werden wird, sagen Kräne & Pläne.

 

Olpenitz

Dezember 2016

 

Normalerweise bin ich gar nicht ultra-strikt gegen Entwicklung. Immerhin lebe ich seit 20 Jahren auf St. Pauli, bin also Verdrängung gewöhnt und letztlich ja irgendwie auch ein Teil der Chose. Kein Grund also, selbstgerecht zu werden, wenn es um Ferienparks am Meer geht.  Ich verstehe, dass irgendwie Geld und Arbeit in die Region kommen muss. Und doch…

 

Ostsee

 

Bestimmte Bauprojekte an der Ostsee sind für mich wie das Nichts aus der Unendlichen Geschichte. Dieses Nichts, das alles verschlingt und einem das Gefühl gibt, man sei blind wenn man auf eine befallene Stelle schaut. Wo das Nichts ist, ist kein Loch oder Dunkelheit, sondern einfach „nichts“.

 

Olpenitz: Jetzt komm ich noch einmal. Und dann nimmermehr.

 

Während das Nichts von Michael Ende einen Sog entwickelt, stößt mich das Ostsee-Resort Olpenitz ab. Ich will da nicht hinschauen müssen. Und als ich letztens von Schönhagen nach Weidefeld spazierte, mochte ich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter. Nicht näher ran. Auf einmal konnte ich mir vorstellen, dass ich nie wieder hierher komme. Zumindest aber für längere Zeit. Weil es regelrecht weh tut.

 

Winter

 

Ich glaube nicht, dass mein Widerwille rein nostalgischer Natur ist. Ähnlich gehts mir nämlich auch mit dem Riesen-Hotel in Scharbeutz oder dem Waterfront-Resort auf dem Priwall  – obwohl ich mit beiden Orten nicht weiter verbunden bin. Nein, ich glaube, ich kann einfach eine bestimmte Bauweise nicht ab. Diese kastenartige, hingeklotzte, fürchterlich beengte Nicht-Architektur.  Da wirken selbst die fettesten Luxusimmobilien auf mich ärmlich, geradezu Mario-Barthesque. Und eigentlich ist es am Meer ja anders herum – die einfachsten Hütten werden zu Palästen. So gesehen würde ich sagen, was  zur Zeit vielerorts an der Ostsee wächst, nimmt den Stränden ihre Seele.

 

Buhne

 

Naja. Ferienparks sind wohl immer noch besser als Supergentrifizierung – wie auf Sylt. Supergentrifizierte Gegenden sehen zwar besser aus, sind der Bevölkerung aber quasi komplett entzogen – durch professionelle Spekulanten und Superreiche. (Nicht ganz und gar, weil: die Normalbevölkerung darf immerhin noch mit ihren Steuern die Infrarstruktur finanzieren. Bei Spekulanten und Superreichen ist diesbezüglich ja nicht viel zu holen.) Supergentrifzierung ist also eine ekelhafte Sache. Zu finden in New York, London, Tokio oder eben Nordfriesland. In Olpenitz aber nicht. Darum jetzt mal Else-Kling-Modus off.

 

 

Um fair zu bleiben, muss ich zugeben, dass Weidefeld ein wunderbarer Strand bleibt. Genau wie Olpenitz-Dorf weiterhin niedlich ist. Und die ganze Ecke (abgesehen vom Resort) richtig schön weitläufig und ursprünglich. Falls Du also mal in der Gegend bist, lass Dich nicht von meinem Lamento abhalten, sondern lieber Dein Auto in Schönhagen stehen. Es ist ein hübscher kleiner Spaziergang nach Weidefeld – fernab von Straßen und Verkehrslärm.