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Ausflugstipp für Wintertage: die Seehundstation Friedrichskoog

Seehundstation Friedrichskoog

Neulich – bei sehr, sehr schlechtem Wetter – besuchten wir die Seehundstation Friedrichskoog, die einzige Stelle Schleswig-Holsteins, die zur Robbenaufzucht autorisiert ist. Friedrichskoog liegt an der Nordsee; kurz hinter der Elbmündung auf einer Halbinsel zwischen Brunsbüttel und Büsum. Also quasi am Ende der Welt.

 

Trischenbake

 

Außerhalb der Saison präsentiert sich die Gegend so gut wie ausgestorben. 48 Einwohner pro Quadratkilometer verlaufen sich eben und besonders viele Ausflügler zieht es bei sehr, sehr schlechtem Winterwetter auch nicht in das Nordseeheilbad. So waren wir ungefähr zu zehnt, als in der Seehundstation die Fütterung der Heuler begann.

 

Heuler

 

Da der Aufzuchtsbereich vom Publikumsverkehr abgetrennt ist, lässt sich die Fütterung ausschließlich von einem Seminarraum im 1. OG des Hauptgebäudes beobachten. Ich hatte das schon mal im Spätsommer erlebt. Bzw nicht erlebt. Denn damals wurden alle Fensterplätze von Kindern eingenommen und die kann man ja schlecht wegdrängeln, um selber etwas zu sehen. (Obwohl ich ich es gern getan hätte, denn was gibt es schon Niedlicheres als kleine Seehunde, bzw. Kegelrobben.)

 

Seehund

 

Dieses Mal standen wir aber nun in der ersten Reihe. Wir stellten fest, dass es sich nicht unbedingt lohnt, Fünfjährige wegzuschubsen. Die Fütterung der Heuler ist total unspektakulär. 3 Stationsleute hirschen durch die kleine Anlage und werfen jedem Tierchen im Vorbeigehen was Fischiges zu. Ruckzuck geht das. Die Heuler sollen sich nämlich nicht an Menschen gewöhnen oder gar Vertrauen fassen. Die Seehundsation Friedrichskoog ist eben kein Zoo sondern eine Aufzuchtsstation. Sobald die Robben schön fett sind, werden sie ausgewildert.

 

Robbe

 

Mit Zoos geht es mir ein bisschen wie mit Fleisch: Ich mag beides sehr, werde aber immer empfindlicher, was die Lebensbedingungen der Tiere angeht. Und wenn man erst mal angefangen hat, sich über so was Gedanken zu machen, gehen ungute Gefühle ja auch nicht mehr weg. Im Gegenteil sie verstärken sich schleichend (bis man irgendwann vermutlich verschratet, aber was will man machen).

 

Die Seehundstation Friedrichskoog ist kein Zoo. Zum Glück.

 

Für Leute wie mich, die verschratungsmäßig etwa auf halber Strecke stehen, ist die Seehundstation Friedrichskoog jedenfalls eine gute Variante. Man sieht die ganz jungen Heuler aus der Ferne, ein paar Dauerbewohner aus der Nähe und einige Tiere sieht man auch gar nicht. Die, deren Auswilderung kurz bevorsteht, sind im Verborgenen untergebracht.

 

Robbe

 

Tierliebhaber neigen ja dazu, Tiere zu vermenschlichen. Ich finde, das ist bei Robben ganz besonders naheliegend. Weil sie immer so aussehen, als würden sie lächeln. Hört man einen Heuler in freier Wildbahn heulen, sollte man aber nicht gleich in Panik geraten, erzählte uns der junge Mann von der Seehundaufzuchtsstation. Es ist ganz normal, dass Robbenbabys stundenlang allein bleiben, während die Muttertiere auf Nahrungssuche sind. Fühlt man ein so schreckliches Mitleid, dass man es nicht aushalten kann, ruft man am besten die Polizei an.

 

Seehund

 

Wie jedes kleine Kind weiß, darf man Wildtierbabys generell nicht zu nah kommen. Aber Erwachsene vergessen so was ja gern mal. Deswegen fasse ich zusammen: nie näher als 300 Meter auf einen Heuler zugehen. Auch nicht, wenn man „nur“ ein Foto schießen möchte und die Kamera keinen guten Zoom besitzt. Und vor allen Dingen: Hund an die Leine. Wer sich nicht daran hält, fällt möglicherweise ein Todesurteil, denn jede noch so kleine Störung kann dazu führen, dass ein Muttertier ihr Junges verlässt.

 

Unerwasserbereich

 

Bei den Dauerbewohnern in der Aufzuchtsstation handelt es sich ausschließlich um Tiere, die nicht mehr in Freiheit überleben könnten. Aufgrund von alten Verletzungen oder traumatischem Zooleben zuvor. Man kann sie gut vom Unterwasserbereich beobachten. Und wenn man da ganz allein sitzt und den Regen aufs Wasser prasseln sieht, ist das ein richtig schön meditativer Moment.

 

Smile

 

Im Unterwasserbereich ist eine kleine Ausstellung untergebracht, die sich mit den Robben der Welt beschäftigt. Mit Seelöwen, Seebären, Seeleoparden, See-Elefanten und was es da sonst noch an Bezeichnungen gibt, die alle darauf hinweisen, dass es sich nicht um Kuscheltiere handelt.

 

 

Kegelrobben werden im Winter geboren. Insofern ist ein Besuch der Seehundstation jetzt gerade richtig. Auch weil es nicht so schlecht ist, die Anlage fast für sich allein zu haben. Ich gebe allerdings zu, dass ein bisschen besseres Wetter dem Besuch zuträglich wäre. Bei guter Sicht hat man vom Aussichtsturm, der alten Trischenbake, einen phantastischen Blick bis nach Cuxhaven. (Bei mieser Sicht fragt man sich, wie es Menschen in der Gegend überhaupt aushalten können.)

 

Trischenbake

 

Unsere Tipps für einen Besuch in der Seehundstation Friedrichskoog

 

  • auf einen kristallklaren Wintertag warten,
  • Proviant einpacken (das Bistro mag geschlosen sein),
  • den Tidenkalender checken,

denn wirklich ausflugsfüllend ist die Seehundstation nicht (max. 2 Std). Großartig wird das Ganze erst, wenn man im Anschluss noch einen Spaziergang auf dem Trischendamm unternimmt.

 

Trischendamm

der Trischendamm ist 2,2 km lang

 

Der Trischendamm liegt gleich ums Eck in Friedrichskoog Spitze – und ist am grandiosesten bei Ebbe. Am Wochenende hat mit Glück sogar mal ein Café oder ein Gasthaus geöffnet. (Aber darauf würde ich mich nicht verlassen.)

 

Seehund

 

Die Seehundstation Friedrichskoog ist jeden Tag geöffnet. Sie finanziert sich komplett über Spenden und durch Eintrittsgelder (7 Euro). Alles weitere hier: Klick.

23 Kommentare

  1. Moin, Stefanie.
    Tiere sind so toll! Aber Natur ist so grausam. So kommen eben auch nur Heuler mit einer gewissen Chance in die Aufzucht, die anderen werden vom Jäger erschossen.
    Wir würden ja wirklich heute am liebsten mit allen Tieren kuscheln, die Streichelzoos haben dabei sicher auf ihre Art den Weg geebnet. Und man möchte gar nicht wissen, wie viele wilde Tiere, die nicht mehr in solchen Zoos gestreichelt werden können, getötet werden. Und sie werden getötet. Ich stehe im gleichen Dilemma wie Du. Ich bin gegen Zoos und besuche sie doch hin und wieder. Ich bin gegen das Töten von Tieren und esse dann doch Fleisch.
    Wenn mich mein großer blonder Hund mit seinen braunen Augen anschaut, dann wird mir immer wieder bewusst, dass auch ein Tier ein Wesen, eine Seele und Gefühle hat. Wenn ich sehe, wie mein Hund mit mir kommuniziert, welche Treue er mir entgegen bringt, dann bestätigt das einmal mehr, wie wunderbar Tiere sind. (Außer Mücken und Zecken !)
    So ist doch ein Ausflug wie dieser auch immer so etwas wie ein Ausflug in die eigene Seele und man fragt sich bei dem, was man tut, ob es um einen selbst oder um das Gegenüber geht.

    Danke für den nachdenklichen und inhaltlichen Artikel. Lass den Tag gut zu Dir sein.
    Kai

    • Lieber Kai, mir gehts mit meinen Katzen genau wie mit Dir mit Deinem Hund. Ist schon irre, wie stark die sich auf den Menschen einlassen (und wie sie auch in der Lage sind, mit uns zu kommunzieren. Können sie besser als wir Dir, denke ich manchmal). Mit Mücken und Zecken kommt auf St. Pauli nicht so oft in Berührung. Meine Ausnahme daher: Spinnen. Vielen Dank für Deinen Kommentar und liebe Grüße, Stefanie

  2. (Der wp-reader funktioniert wieder :-)) Wie immer ein wunderbar trockener Artikel über das Nasse im Norden. Danke!

  3. Oh, da werden Kindheitserinnerungen wach! Friedrichskoog war nämlich einer meiner Lieblingsferienorte als ich klein war. Tolle Fotos!

    Herzlich,
    Anna

  4. Ach, schön… aber irgendwie auch schade, dass man nicht näher ran kann. Und am schönsten wäre es sicherlich, die Tiere in der Natur zu beobachten. Hast du da auch einen Tipp, wo das am besten möglich ist?

    Wegen den Gewissensbissen: Einfach aufs Gewissen hören und auf das verzichten, was man ethisch nicht vertreten kann. Schwieriger ist es nicht 🙂 .

    Liebe Grüße,
    Heike

    • Hallo Heike – am nächsten kommst Du Robben auf Helgoland. Es gibt eine kleine Nebeninsel – die Düne. Dort am Badestrand aalen sich Robben und Robben und Robben am Strand. Das ist ganz phantastisch. Liebe Grüße, Stefanie

  5. HannoverblickOst sagt

    Moin Stefanie, melde mich aus meiner Wknterpause zurück 🙂 Ein toller Artikel, der mich daran erinnert, dass ich die Seehundstation schon lange mal besuchen wollte. In NZ letzten Winter hatte ich Gelegenheit sehr nahe (natürlich unter Beachtung der richtigen Fluchtdistanz) an wilde Seerobben zu gelangen. Das war ein unglaubliches Erlebnis!
    Was die Zoos angeht, sehe ich das sehr differenziert. Ohne Zoos gäbe es einige Tierarten wie z.B das Przewalskipferd gar nicht mehr. Zoos bieten diesen Tieren Lebensraum und fördern zugleich auch durch ihre Zucht- und Auswilderungsprogramme den Artenerhalt. Dazu sind die Zoos nach der EU-Zoorichtlinie verpflichtet. Einen interessanten Beitrag zu dem Wert von Zoos zum Artenerhalt findet man hier:
    https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/artenschutz/zoos.html
    Priorität hat natürlich zuallererst der Biotopschutz. Aber da gibt es ja noch allerhand zu tun. Und wenn der letzte Regenwald schwindet, wo finden dann z.B. die Orang Utans ein neues Zuhause? Oder wo wäre der ausgewilderte Luchs im Harz ohne die Nachzuchten aus den Wildparks?
    Das kommt in den Diskussionen über die Ethik von Zoos und Wildparks meiner Meinung nach immer viel zu kurz. Nur immer auf dem Aspekt „die armen Tiere hinter Gittern und in Gehegen“ abzustellen kommt den vielen engagierten Zoos absolut nicht gerecht!!
    So, ich musste hier mal ne energische Lanze brechen und auch dafür werben: Ab in die Zoos, denn die brauchen die Eintrittsgelder und die das Futter und die Zuwendung! 🙂
    Ich wünsche Dir noch einen schönen Sonntag! Lg Simone

    • Liebe Simone, über diesen Kommentar freue ich mich wirklich sehr. Besonders der Link zu den Zoos, die mit dem NABU kooperieren ist ja Gold wert. Zwar nicht in der Liste aber ausdrücklich erwähnt ist (als einziger norddeutscher) Zoo ja auch Hannover. Noch mal ein Grund mehr, endlich mal in Eure Landeshauptstadt zu reisen. Danke für einen schönen Sonntags-Lichtblick und liebe Grüße, Stefanie

      • HannoverblickOst sagt

        Mir geht es ja so mit Hamburg: Wir können ja mal nen Deal machen: Du nach Hannover und ich nach Hamburg 😉

  6. Damit hast Du Kindheitserinnerungen in mir geweckt, an meine geliebte Omi, mit der ich dort war, die aber schon vor sehr langer Zeit über den Regenbogen gegangen ist. Zu Zoos habe ich auch eine geteilte Meinung. Vielleicht sind sie notwendig für den Erhalt mancher Tierarten oder vielleicht ist es auch lehrreich oder wichtig für den Menschen. Vielleicht haben sie es auch nicht allzu schlecht dort…..vielleicht….ganz gewiss ertrage ich persönlich allerdings die Haltung der Tiere dort nicht. Deswegen besuche ich Zoos nicht, aber ich verurteile sie auch nicht. Das ist mein Kompromiss 😉 Deine Fotos sind immer wunderschön. Man fühlt sich als wäre man selber dort und es ist immer wie ein kleiner-fünf-Minuten Urlaub. <3

  7. […] in Form des weltgrößten Walfisch-Gebäudes (was es alles für Titel gibt) und die Robbenaufzuchtsstation. Aber das ist natürlich etwas anderes als ein lebendiger Hafen mit bunten […]

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