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Let´s be the Pulse of Europe

Pulse of Europe

„Hallo, ich bin aus Europa. Meine Mutter ist aus Europa. Und mein Vater ist auch aus Europa. Tschüß.“ Damit hat der 4-jährige Junge am „Open Mike“ bestens auf den Punkt gebracht, warum sich seit neuestem jeden Sonntag von 14.00 bis 15.00 Uhr Europafreunde auf dem Hamburger Rathausmarkt versammeln. Zeitgleich kommen Menschen in Berlin, München, Köln, Freiburg, Wiesbaden, Karlsruhe, Essen, Passau, Celle, Halle und vielen weiteren Städten zusammen, um ein Zeichen für Europa zu setzen. Ihren Anfang hat die Bewegung in Frankfurt genommen und allmählich breitet sich Pulse of Europe sternenförmig aus. Nach Paris, Toulouse, Lyon und Amsterdam.

Als eine der Organisatorinnen die Liste der teilnehmenden Städte vorliest und um die Orte ergänzt, die sich kommende Woche anschließen werden, relativiert sich meine anfängliche Enttäuschung über die doch überschaubare Teilnehmerzahl in Hamburg. Es mögen so zwischen 350 und 500 Leute sein, die heute gekommen sind. Aber es ist ja auch erst das zweite Treffen in der Hansestadt. In Frankfurt zählt man inzwischen in Tausendern.

Pulse of Europe will nicht gegen etwas protestieren sondern für etwas einstehen: ein weiterhin vereintes, demokratisches Europa. Worum es geht, haben die Initiatoren in zehn Grundthesen zusammengefasst:

  1. Europa darf nicht scheitern
  2. Der Friede steht auf dem Spiel
  3. Wir sind verantwortlich
  4. Aufstehen und wählen gehen
  5. Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit sind unantastbar
  6. Europäische Grundrechte sind nicht verhandelbar
  7. Reformen sind notwenig
  8. Misstrauen ernst nehmen
  9. Vielfalt und Gemeinsames
  10. Alle können mitmachen – und sollen es auch

Das Ganze ist ausdrücklich nicht parteipolitisch. Im Gegenteil: Vielfalt ist gut. Denn gerade das ist ja der Geist von Europa.

 

Pulse of Europe

 

Es sind die unterschiedlichsten Positionen zu hören, als das Mikrophon für die Teilnehmer freigegeben wird. Angefangen vom eingangs erwähnten 4-jährigen bis zu der Dame, die auf der Flucht im zweiten Weltkrieg Bruder und Vater verlor. Ein Anwalt referiert (kurz und knackig) die wichtigsten Errungenschaften der EG/ EU. Eine junge Londonerin bedankt sich ausdrücklich bei jedem Teilnehmer. Ein Journalist lenkt den Blick auf Osteuropa. Ein in Hamburg lebender Brite warnt davor, die Situation nicht ernst zu nehmen. Er hätte den Brexit nicht für möglich gehalten, doch nun wird seinen Kindern Europa nicht mehr selbstverständlich sein. Ein anderer Teilnehmer trägt Tucholskys Gedicht „Europa“ von 1932 vor. Es scheint erschreckend aktuell.

Am Rhein, da wächst ein süffiger Wein –
der darf aber nicht nach England hinein –
Buy British!
In Wien gibt es herrliche Torten und Kuchen,
die haben in Schweden nichts zu suchen –
Köp svenska varor!
In Italien verfaulen die Apfelsinen –
laßt die deutsche Landwirtschaft verdienen!
Deutsche, kauft deutsche Zitronen!
Und auf jedem Quadratkilometer Raum
träumt einer seinen völkischen Traum.

Es tut gut, mal was anderes als Gezeter zu hören. Die zerstörerischen Stimmen sind ja so laut geworden, dass man ganz mutlos werden kann. Doch an diesem Sonntag auf dem Rathausmarkt sind derart unterschiedliche Menschen zusammen gekommen, dass Zuversicht gar nicht ausbleiben kann. Sie stehen stellvertretend für große, große Gruppen, die Europa eben nicht ablehnen.

Und so trällert die Gesellschaft (ein bisschen schräg aber schön laut) die „Ode an die Freude“, bevor wir zum Abschluss noch eine Menschenkette um den Rathausplatz bilden und la Olà üben. „Super“, meint die Frau neben mir, „letzte Woche war der Kreis nur halb so groß.“ Und dann verabschieden sich alle voneinander: bis nächsten Sonntag!

 

Pulse of Europe

 

Was Du für Europa tun kannst

 

Kommen: Jeden Sonntag von 14.00 – 15.00 Uhr, Rathausmarkt Hamburg und in vielen weiteren Städten Europas.

Liken: Pulse of Europe.

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Let´s be the Pulse of Europe!

5 Kommentare

  1. Das ist toll! Darüber zu schreiben. Und so etwas vorzustellen. Denn auch das macht uns im Norden aus. Dass wir offen sind. Ohne naiv zu sein.
    Der Bericht berührt mich. Ich habe selbst fünf Jahre intensiv in Europa gearbeitet, es gibt kaum ein Land, in dem ich nicht war. Habe Menschen kennen gelernt und hatte auf einmal mehr Bekannte überall im Ausland als zuhause im Wohnort. Habe die unterschiedlichen Kulturen kennen und schätzen gelernt. Habe erlebt, wie ich von wildfremden Menschen in Spanien um Mitternacht bewirtet wurde, habe erlebt, wie in Nordrussland die Familien alles zusammenkratzten und einen Monatslohn ausgaben, sich Dinge bei den Nachbarn borgten, um in ihrer zweiräumigen Wohnung (gemeinsame Küche mit der Nachbarwohnung) uns als Gäste ohne Rücksicht auf Zeit und Kosten bewirteten. Habe erlebt, wie in der Schweiz eine ältere Frau nicht für ein deutsches Unternehmen arbeiten wollte und mir nach 14 Tagen sagte :“Mit Dir habe ich ein ganz neues Bild von Deutschland bekommen…“. Habe mit den Österreichern im Spaß die schlimmsten gegenseitigen Bezeichnungen ausgetauscht, um sich nachher gemeinsam an VIER GEGEN WILLI zu betrinken. Habe in Lettland erlebt, wie eine Hausmeister so improvisieren kann, dass wir keine Neuteile in Deutschland fertigen mussten, bin von einem Russen an die Krim eingeladen worden, habe in Straßburg in einem Restaurant trotzdem was zu essen bekommen, obwohl der Ober nur die Landessprache akzeptierte, die ich nun leider nicht kann. Habe auch erlebt, wie ein älterer Mann in dem im Zweiten Weltkrieg brutal zerstörten Narvik seine Abneigung gegen uns Deutscher zum Ausdruck brachte, ein junger Kollege aber sehr hilfsbereit sich für uns einsetzte…..

    Europa ist toll. Und ich würde mir so sehr wünschen, dass die Politik endlich versteht, das Europa längst in unserem Herzen angekommen ist und wir die Unterschiedlichkeit als Bereicherung sehen und nicht gegen die politisch gewollte Gleichmacherei tauschen wollen. Leider zerstört der Lobbyismus in Brüssel sehr viel vom Europäischen Gedanken, weil letztendlich das „i am first“ in den Köpfen wie ein Geschwür wuchert, während die Bürger der Länder sich liebend gerne die Hand reichen und bei einem Grappa, Udo, Wodka, Korn auf echte und ehrlich gemeinte Freundschaft anstoßen.

    Liebe Stefanie, ist lang geworden mein Kommentar. Aber Du hat mit Deinem Artikel an der richtigen Stelle gepikst, und das schätze ich so sehr an Eurem Blog!

    • Lieben Kai, herzlichen Dank für diesen großartigen Kommentar. Ich denke, der steht am besten so für sich. Also einfach nur: ganz liebe Grüße, Stefanie

    • Das ist toll 🙂 In Hamburg waren wir gestern schon ein paar Leutchen mehr. Nächsten Sonntag gibt´s Musik – vielleicht kann das noch den Einen oder die Andere motivieren!

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