Am Sonntag habe ich gleich zwei Anfängerfehler gemacht. Erstens trug ich Sonntagsstiefel (solche aus hellem Nubukleder). Zweitens besuchten wir ein klassisches Ausflugsziel: Das Naturschutzgebiet Heuckenlock in Moorwerder. Prinzipiell weiß ich, dass beides an einem knallblauen Februarsonntag keine gute Idee ist.
Eigentlich wollten wir auch ganz was anderes unternehmen. Nämlich über die Veddel stromern. Aber der Grad zwischen angenehm abgerockt und furchtbar öde ist schmal auf den Elbinseln. Und der vergangene Sonntag brauchte Natur. Darum sind wir von der Veddel auf die Peute und dann ist man ja eigentlich auch schon mitten auf dem Land. Gute 10 km von der Reeperbahn entfernt.
Moorwerder ist als Südspitze von Wilhelmsburg komplett eingedeicht. So kann man sich nicht verfahren. Es geht pfeilförmig immer am Deich lang. Ohne die Deiche geriete Wilhelmsburg zwei Mal täglich in Gefahr überflutet zu werden, denn der Tidenhub ist mit bis zu 3,5 Meter nicht ganz ohne.
Neben der Tatsache, dass Deiche Leben retten, sind sie auch so schön zeitlos. Sie sehen im Winter genauso aus wie im Hochsommer. Ist es warm genug, kann man sich im Februar schon mal fühlen wie im Mai. Große Sache.
In der Deichbude wird man über das Pilotprojekt Kreetsand informiert. Derzeit wird ein ehemaliges Spülfeld wieder ausgebaggert, um zusätzlichen Flutraum für die Elbe zu schaffen. Nebenbei soll auch ein „attraktiver Ort für die Begegnung von Natur, Fluss und Mensch“ entstehen. Na, dass sind doch mal gute Nachrichten. Und Moorwerder braucht gute Nachrichten.
Als ich klein war, schmückte viele Esszimmer ein Ensemble von vier Kunstdrucken (was ist eigentlich aus Esszimmern geworden? Gibts die noch oder wurden die alle von offenen Küchen verdrängt?). Die Bilder zeigten ein und denselben Baum. Stand der Baum auf dem ersten Bild noch in der freien Natur, robbte sich der Fortschritt mit jedem Bild näher heran. Auf dem letzten Bild war der Baum komplett von Industrie eingekesselt (oder sogar gefällt; das weiß ich nicht mehr). Jedenfalls: So ungefähr muss man sich Moorwerder vorstellen. Für sich genommen eine kleine Perle, aber eingschlossen von Industrie und Autobahnen.
Aus Gründen ist der Auslauf für Ausflügler begrenzt. Sonntag drängelten sich alle an der Bunthäuser Spitze, wo sich die Elbe in Norder- und Süderelbe teilt.Wer sich einen Gefallen tun will, besucht die Bunthäuser Spitze lieber unter der Woche oder bei Regen. Über die Lindenalle auf dem alten Deich erreicht man das Leuchtfeuer.
Das mini-kleine, hölzerne Leuchtfeuer, ist nicht ganz so alt wie die Allee, aber immerhin schon 101. Nur kriegt das Türmchen leider etwas Albernes, Disney-artiges, wenn man es sich nicht für sich allein hat.
Merke: Du sollst nicht sonntags & bei Sonntagswetter zur Bunthäuser Spitze fahren.
Besser läufts für uns beim eigentlichen Wunder von Moorwerder, dem Heuckenlock. Der Rundwanderweg durch das Naturschutzgebiet ist aufgrund von Sturmschäden gesperrt. Doch weil sich ein älterer Herr gerade durch die Absperrung hinauszwängt und uns versichert, man könne ruhig rein, bloß eben auf eigene Gefahr, habe ich das Gefühl, dass ich auch rein „darf“. Ältere Herren haben diese Wirkung auf mich.
Das Heuckenlock ist einer der letzten Tideauenwälder Europas, ein Süßwasserwatt mit Süßwasserprilen. Das heißt, es ist dort grundsätzlich matschig (übel für meine Sonntagsstiefel). Aber egal.
Im Naturschutzgebietchen darf man die Wege nicht verlassen. Zwischen Röhricht und Auwald brüten Vögel und es haben sich selten Pflanzen angesiedelt. Manche gibt es weltweit nur noch hier. Wobei im Februar natürlich niemand brütet oder blüht. Noch schläft alles. Und wir wollen auch gar nicht stören. Sondern nur staunen.
Mir kommt es vor, als wäre der Natur selbst ganz sonntäglich zumute. Als wäre sie gerade von der Sonne geweckt worden. Und sie blinzelt einmal kurz, wirft einen Blick auf den Kalender und denkt zufrieden: „Ach, herrlich, es ist erst Februar. Da kann ich mich ja noch mal ne Runde aufs Ohr hauen.“ Und das sei ihr nun wirklich gegönnt.
Beinahe wie bei Ronja Räubertochter-wiesu denn blus
Ja, pfui, pfui, zum Donnerdrummel. 🙂
Schön! Wieder was vollkommen Neues für mich. 🙂
Die Esszimmerbilder, von denen du sprichst, kenne ich auch nicht und es kommt die Frage bei mir auf, ob „ältere Frauen auch diese Wirkung auf dich haben“ 🙂 ?
Und übrigens – schon meine Mutter war der Meinung, dass Schuhe putzen Männersache sei! 😉 Ich hoffe für dich, dass das in eurer Generation auch noch so ist ….:-)
Nee, älteren (und jüngeren) Frauen begegne ich eher auf Augenhöhe 🙂
(Das mit den Schuhen muss ich noch mal mit Volko diskutieren. Ich finde, es hört sich vernünftig an.)
Das Esszimmer wurde vom Arbeitszimmer verdrängt. Denn ohne Arbeit kann der Deutsche nicht….
Stimmt, ein Arbeitszimmer habe ich auch (dabei könnte ich durchaus ohne. Also, ohne Arbeit jetzt.)
Ach, vergessen: der Rheindeich in Duisburg ist oder war der höchste deich Europas. Denn hinter der Biegung steht Tyssen. Udn das darf nicht nass werden!
Ach, schön! Das Heuckenlock liebe ich auch sehr. Liebe Grüße nach nebenan!
Danke für Deinen Kommentar und liebe Grüße zurück!
Herrliche Fotos.
LG Mathilda ☼
Danke schön!
Sehr schöne Bilder,vielen dank und ein schönes Wochenende Stefanie…
Dito! Und vielen Dank für Deinen Kommentar.
[…] sich ebenfalls lohnen: Die Bunthäuser Spitze, die die Elbe in Norder- und Süderelbe teilt, der Tidenauenwald Heuckenlock und der Skywalk […]
[…] erreicht man von der Bunthäuser Spitze nach einem 2,5 km langen Deichspaziergang. Dort liegt das Heuckenlock, Hamburgs letzter unberührter Urwald. Auf dem Rundweg kann es ein bisschen matschig werden, denn […]