Föhr ist die größte deutsche Insel ohne Landverbindung. Sie liegt knapp 10 Km vor der Küste Nordnordfrieslands. Die Fähre braucht für die Strecke eine knappe Stunde. Das ist nur ein bisschen schneller als zu Fuß. Oder anders gesagt: Genau das richtige Tempo, um sein Ziel nicht nur physisch sondern auch innerlich zu erreichen. Schneckentempo ist auf Reisen immer empfehlenswert – in der Vorweihnachtszeit aber ganz besonders. Denn Advent bedeutet Ankunft.

Dagebuell Mole. Das Tor zu den Inseln.
Um anzukommen muss man aufbrechen. Fast wäre uns das nicht gelungen. Ein Orkan mit anhaltenden Sturmböen fegte vergangenes Wochenende über Nordfriesland. Etwa 24 Stunden stand in Frage, ob unsere Fähre überhaupt in See stechen würde. Als wir von Hamburg Richtung Dagebüll starteten, wussten wir immer noch nicht bescheid. Ein ganz hervorragender Auftakt für unseren Kurztrip nach Föhr.
Mir gefällt es immer, ausnahmsweise etwas nicht im Griff zu haben. Nicht im Griff haben zu können. Dann braucht man es nämlich auch gar nicht krampfhaft zu versuchen. Und es hat auch keinen weiteren Zweck, sich über die Maßen aufzuregen. Sinnvoll ist nur: Loslassen. Eine hilfreiche Übung für gestresste Freiberufler. Besonders in der Hektik zum Jahresende.
Entspann Dich mal: Dezember auf Föhr
Letztlich klappte dann doch alles wie am Schnürchen. Und das ist ja meistens so. Jedenfalls was Fähren betrifft. Fähren sind sowieso was Wunderbares. Sie haben alle ihre Eigenarten. Spezifische Vorzüge.

Die Dagebüll-Föhr-Amrum-Linie etwa ist nicht abhängig von Ebbe und Flut. Ein Blick in den Tidekalender lohnt dennoch. Zumindest wenn man Robben sehen möchte. Das funktioniert eher bei Niedrigwasser, wenn die Sandbänke die Robben zum Rumaalen einladen.
Aber auch bei Hochwasser gibt zwei großartige Arten die Passage auf den Schiffen der Wyker-Dampfschiffs-Reederei zu erleben.
1.) Abenteuerlich: An Deck
Das ist eigentlich logisch. Aber trotzdem machen das gar nicht so viele Leute. Fällt mir immer wieder auf. (Aber vielleicht waren es ja auch alles Pendler oder solche, die nicht mehr zu beeindrucken sind.)
2.) Meditativ: In den Liegestühlen der allerersten Reihe
(Hier greife ich der Vollständigkeit halber vor auf unsere gestrige Rückreise zur blauen Stunde).

Liegen mit Blick aufs Meer

In der Ferne: Die Warften der Hallig Langeness

Sandbank mit Robben

Festland in Sicht
Bei stürmischer See sieht es in der ersten Reihe übrigens so aus.

Und so war das ja bei unserer Anreise. Weshalb wir lieber an Deck blieben, während die Inselhauptstadt Wyk auf Föhr allmählich Gestalt annahm.
Wir waren angemessen aufgeregt. Nicht nur, dass wir noch nie zuvor auf Föhr waren. Wir kennen nicht einmal jemanden, der je auf Föhr gewesen wäre.

Föhr liegt zwischen Amrum und Sylt. Etwas zurückgesetzt steht die Insel immer so ein bisschen unter dem Schutz aber auch im Schatten ihrer mondänen Schwestern. Und gerade das ist Föhrs Stärke.
Dinge, die es nur auf Föhr gibt
Die Insel hat nämlich ein paar Dinge zu bieten, die man auf Amrum und Sylt nicht findet: Zum Beispiel echte Insulaner. Und einen Hafen, der nicht nur Kulisse ist.
So fühlt man sich in Wyk wie in einer ganz normalen, realen (wenn auch besonders niedlichen) Kleinstadt in Schleswig-Holstein. Ein Gefühl, das sich in Westerland beispielsweise nie einstellt. Föhr wirkt viel weniger inszeniert. Längst nicht so ausverkauft.
Wer die Nerven verliert, wenn nur zwei, drei Cafés geöffnet haben, ist von Mitte November bis kurz vor Weihnachten völlig falsch auf Föhr. Richtig ist, wem ein Platz mit Meerblick reicht.

Das sitzt man dann neben Einheimischen und lauscht Dialogen wie aus einem Werbespot für Flensburger.
„Dat weiht ganz scheun, wa?“
„Och, jo, egol, wie loten dat weihen.“
Alles klar. Wir ließens also wehen. Es wehte allerdings ganz schön. Der Sand fegte einem in die Ohren, Augen und durch jedes Kleidungsstück hindurch. So dass wir die 2,5 km lange Promenade von Wyk auf die Zukunft verschoben.
Statt uns über den Wind zu ärgern, freuten wir uns, dass es nicht wirklich kalt war. Grad mal ein paar Stunden auf der Insel waren wir also schon richtig schön gelassen.
Ankommen = Runterkommen. Das ist die Formel von Föhr.
Selbst Wyk – obwohl doch Hauptstadt – ist unheimlich ruhig. So ruhig, dass sich citynah freifliegende Störche niedergelassen haben. Im Garten einer alten Villa klappern, stolzieren und schnäbeln geschätzt 20 Tiere; gehegt vom gemeinnützigen Verein Elmeere.
Der Storchenpark befindet sich in der Feldstraße/ Ecke Museumstraße – und dort liegt (logischerweise) ein Museum. Das Friesenmuseum. Traditionell lädt das Haus am 2. Adventswochenende zum Adventsmarkt ein. Er ist bis zum Beginn der Wyker Festmeile am 18. Dezember der einzige Weihnachtsmarkt der Stadt. Und zieht demensprechend viele Besucher an.

Es gibt keinen Tand, kein Glitzer, kein Remmidemmi. Stattdessen Handgemachtes an gut 40 Ständen, die sich über das Gelände und in den drei Ausstellungshäusern verteilen.
Volko und ich sind nicht gerade Herr und Frau Weihnachtsmann. Ich blende alle Rezepte, alle Basteleien und jeden Dekoschnickschnack aus, der ab Oktober in Supermärkten, Medien und sozialen Netzwerken über mich hereinbricht. Das ist mir alles viel zu viel und viel zu süß. Und dann noch die unsägliche Beschallung. Ich sag nur: Last Christmas.
Und doch ist es mir passiert, dass ich auf dem Adventsmarkt des Friesen-Musuems in Weihnachtsstimmung geriet. Ich glaube, es war als ein paar Kinder auf Blechblasinstrumenten „Ihr Kinderlein kommet“ spielten. (Das war kurz nachdem mich der Nikolaus angesprochen hatte. Vielleicht lags daran.)
Und da wir nun schon mal beim Thema waren, konnten wir uns auch gleich auf das Adventsritual der Insel einlassen.
Abends bei Fietis
In Wyk gibt es exakt EINEN Punschstand. Er öffnet für ca. 2 Stunden pro Tag. Punkt 16.00 Uhr gehts los.

Zunächst sieht´s so aus, als könne Fieti in der komplett leergefegten Innenstadt auf seinem Punsch sitzenbleiben.
Dann allerdings…
Spätestens um 17.00 Uhr hat sich le-tout-Wyk bei Fietis eingefunden. Denn jetzt steigt die große Adventstombola. 500 Preise werden bis Weihnachten verlost; gestiftet von den Föhrer Geschäftsinhabern. Ein Riesenspektakel; mit anständigem Applaus für jeden Gewinner.

Um 17.30 Uhr ist der Zauber vorbei. Dann nimmt man – je nach Laune – noch einen Absacker bei Fietis oder schlendert weiter zum lebendigen Adventskalender am Rosenbeet. Die Verwegensten aber zieht es an den Sandwall zur Milchbar. Ein, zwei Eisbrecher sind noch drin, bevor auch hier um 19.00 Uhr das Licht ausgeht.
Wenn man durch die stillen Straßen nachhause tappt, brennen vor manchen Geschäften noch Kerzen – obwohl doch längst Ladenschluß ist. Das habe ich so noch nirgends gesehen.

Es gibt sicher Menschen, denen auf Föhr im Dezember zu wenig los wäre. Aber wir sind die Anderen. Wir sind die, die Reduktion toll finden. Wir sind die, die auf Föhr etwas gefühlt haben, das wir schon beinahe vergessen hatten. Fast wie der Opa vom kleinen Lord. Wir sind im Advent angekommen. Und so soll das sein. Denn Advent bedeutet ja Ankunft.

PS.: Wir wurden auf die Insel von der Föhr Tourismus GmbH eingeladen. Dem gesamten Team – aber besonders Ann-Kathrin und Levke – unseren herzlichen Dank!
PPS.: Warum sich Föhr die „friesische Karibik“ nennt, erschließt sich aus diesem Beitrag natürlich nicht. Aber wir kommen im nächsten darauf zurück.