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Enough to base some movies on: Das Wendland

Das Wendland im Landkreis Lüchow-Dannenberg ist das Gegenteil von Mettmann. Mettmann nämlich gilt mit 1.170 Einwohnern pro Quadratkilometer als der am dichtesten besiedelte Landkreis Deutschlands. Lüchow-Dannenberg hingegen bringt es gerade mal auf 40 Einwohner pro Quadratkilometer und ist damit der am dünnsten besiedelte Landkreis der alten Bundesländer.

Solche Gegenden unterschätzt man leicht. Ging uns jedenfalls so, als wir neulich ins Wendland reisten. Dabei sollten wir es mittlerweile eigentlich besser wissen.

 

Überall ist Wunderland. Überall ist Leben. Bei meiner Tante im Strumpfenband. Wie irgendwo daneben. (Joachim Ringelnatz)

 

Spinnennetz

 

Wir erreichten das Wendland an einem Mittwochmorgen im November. Ein Tag,  an dem ich zum ersten Mal in diesem Jahr dachte, ich würde am liebsten für ewig im Auto sitzen bleiben. Feuchkaltes Wetter nehme ich kindischerweise persönlich. Und so war ich ein bisschen unleidlich (um es nett auszudrücken). Bis zu dem Moment, als ein Spukschloss aus dem Nebel auftauchte.

 

Marstall

Mitten in der Goehrde liegt ein verlassenes Jagdschloß. Hier der ehemalige Marstall.

 

Wir waren im größten Mischwaldgebiet Norddeutschlands angekommen: der Göhrde. Einst jagte Wilhelm der Zwote in den kaiserlichen Wäldern, durch die wir jetzt ein bisschen übermüdet tappten. Und tief, tief einatmeten, weil Wälder ja so wunderbar duften. Besonders im Herbst.

 

Lagerfeuer

Netterweise hatte jemand ein Feuer fuer uns angezuendet

 

Spätestens als in 20 Meter Entfernung eine Wildschweinrotte durchs Dickicht brach, waren wir hellwach. Ganz Städter wussten wir nicht so richtig, ob wir lachen oder in Panik verfallen sollten. Aber die Wildschweine interessierten sich nicht sonderlich für uns. Und so konnten wir uns ganz auf die Landschaft konzentrieren, die soeben von der Herbstsonne wachgeküsst wurde.

 

Indian Summer

Indian Summer im Wendland

 

Das Wendland liegt im Vierländereck von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. War also während der deutschen Teilung ziemlich isoliert. Während allüberall in Westdeutschland Neubaugebiete aus dem Boden schossen wie Giftpilze, blieb im Wendland die dörfliche Struktur erhalten. Typisch für´s Wendland sind Rundlingsdörfer. Allen voran der Vorzeige-Rundling Lübeln.

 

Luebeln

Im Rundlingsdorf dreht sich alles um den Dorfplatz

 

Dort checkten wir im Kartoffel-Hotel ein, einem Land- und Wellnesshotel mit erstaunlicher Geschichte (Es begann mit einem gewaltigen Kartoffelberg).

In der weitläufigen Anlage verrichteten junge Work-&-Traveller Gartenarbeiten. Etwas, das mich zunächst überraschte. Was Quatsch ist. Denn es hat mich ja auch noch nie überrascht, dass junge Deutsche in Australien bei der Kiwi-Ernte aushelfen.

Und sowieso hat das Wendland schon immer überdurchschnittlich viele (Lebens-) Künstler angezogen.

 

Antiatomkraft

Das gelbe X: Symbol der Anti-Atom-Bewegung im Wendland

 

Ein guter Teil blieb in den 80ern hier hängen, als der Protest gegen das Atommüllendlager Gorleben begann. Sie gründeten sogar ihren eigenen Staat: Die Republik freies Wendland. Gegen eine Gebühr von 10 DM wurde ein sogenannter Wendenpass ausgestellt. Er war gültig „für das gesamte Universum […] so lange sein Inhaber noch lachen kann.“

 

 

Die besondere Bevölkerungsstruktur spiegelt sich in den Dörfern und Ortschaften. In Dannenberg etwa entdeckten wir so gut wie keine der üblichen Handelsketten. Dafür Fachgeschäfte wie es sie ansonsten nur in Szene-Quartieren gibt. Bioläden, Buchhandlungen, Antiquitätenhöker, Galerien und DIY-Schnick-Schnack-Läden.

 

Thielenburger See

 

Die korrekte Bezeichnung lautet übrigens Dannenberg (Elbe), obwohl die Stadt überhaupt nicht an der Elbe liegt. Sondern an der Jeetzel und dem Thielenburger See.

 

Rundweg

 

Der  Thielenburger See liegt direkt unterhalb der Innenstadt und lässt sich 1a umrunden; ist also sowas wie die Binnenalster Dannenbergs.

 

See in Dannenberg

 

Für Naturliebhaber ist das Wendland sowieso ein kleines Zauberland. Beinahe eine Utopie. Landschaftlich viel zu vielfältig, um es während eines Kurztrips zu erfassen.

Die Ostheide, der Höhenzug des Drawehn, das Urstromtal der Elbe. Das geht nicht in 3 Tagen. Schon gar nicht im November, wenn ab halb fünf die Nacht beginnt.

 

 

Auf einige Schönheiten werde ich in einem gesonderten Beitrag eingehen. Hier nur so viel: Selten haben wir die Dämmerung so bedauert wie im Wendland.

 

Daemmerung

 

Zurück im Kartoffel-Hotel stellten wir allerdings die Vorzüge des Novembers fest: In dunklen Monaten sitzt es sich so schön am offenen Kamin. Besonders wenn die Köchin sich ganz der regionalen Landküche hingibt. Für Low-Carb-Anhänger muss das Restaurant des Kartoffel-Hotels die Hölle sein. Ich stells mir jedenfalls schwierig vor, wenn Tabletts mit Bratkartoffeln, Pellkartoffeln, handgedrehten Kroketten oder Puffern an der Nase vorbei serviert werden.

 

 

Während wir da so behaglich saßen und die deutschesten aller Speisen schmausten, belauschten wir ein wenig die Work & Traveller. Sie hatten sich mit einem Flipchart in eine Sofa-Ecke zurückgezogen, um Deutsch zu lernen. Und ich dachte: Wenn irgendwann im Jenseits Jim Morrison die berühmte Frage stellt…

 

Did you have a good life when you died? Enough to base a movie on?

 

… dann werden sie wohl auch ein paar Worte über ihre exotischen Erlebnisse in Lübeln verlieren.

Man sollte eben Norddeutschland nicht unterschätzen. Besonders nicht das Wendland.

 

Dieser Beitrag wurde unterstützt vom 1. Deutschen Kartoffel-Hotel. Vielen Dank an Olaf Stehr uns sein Team. Es war superschön bei Euch.

22 Kommentare

  1. Juliane Jantosch sagt

    Wie schön Steffi. Irgendwie eine andere Welt, oder? Und doch so nah an Hamburg.Ich war damals in Gartow am See und empfand es auch als wunderschön aber irgendwie gottverlassen.
    Und Ernst kennt es ja nun mal von einer ganz anderen Seite
    Auf jeden Fall toll beschrieben.
    LG Mama

  2. Danke schön! Vielleicht solltet Ihr noch mal hin, da Ernst ja nun nicht mehr Demonstranten von den Bahngleisen ziehen muss. Stattdessen könntet Ihr Stunden und Stunden mit Max durch Wälder laufen. Mach´s aber erst, wenn Du wieder Kartoffeln essen magst! Lieben Gruß zurück, die Tochter

  3. Liebe Stefanie, lieber Volko, ein sehr schöner Bericht über unser Wendland mit sehr stimmungsvollen Fotos. Vielen Dank für Euren Besuch. Auch uns hat das sehr viel Spass gemacht 🙂 Lieben Gruss aus dem Wendland Olaf

    • niels sagt

      seminare gibt es aber dennoch viel im absolut NICHT verlassenen „jagdschloss göhrde“ 😉 – genauso wie es in dannenberg eine vielzahl von filialen der üblichen handelsketten gibt (aldi, penny, rewe, neukauf, famila, lidl, kik, deichmann, dänisches bettenlager, rossmann, mc donalds, ….genug der werbung 😉 … )

  4. Liebe Stefanie,
    was für ein schöner Bericht wieder!
    Das Kartoffel-Hotel werden wir sicherlich mal aufsuchen für ein verlängertes WE und einige deiner Fotos (vor allem Indian Summer) sollte man sich auf Leinwand ziehen und für die kommenden trüben Tage an die Wand hängen.
    Danke fürs Mitnehmen!!

    Liebe Grüße
    Eva

    • Liebe Eva, Du würdest da ordentlich fachsimpeln können: in Lübeln verkauft eine Frau selbstgemachtes Brot an der Haustür. Liebe Grüße an diesem trüben Tag, Stefanie

  5. moosearoundtheworld sagt

    Liebe Stefanie,
    ein ganz wunderbarer Bericht und tolle Fotos! Genau so haben wir es auch erlebt. Der Thielenburger See sieht toll aus, den haben wir leider nicht kennen gelernt. Sicherlich einer von vielen Gründen zur Heideblüte einmal ins Wendland zu fahren 🙂
    Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
    Anke

    • Stimmt, Anke, zur Heideblüte ist es bestimmt toll. Zumal wir ja noch nicht in der Nehmitzer Heide waren (im Gegensatz zu Euch). Euch auch einen schönen Sonntag, Stefanie

  6. Fabelhaft! Ich weiß schon, warum der Herbst meine liebste Jahreszeit ist. Aber an einigen Orten breitet er sein buntes Kleid noch wirkungsvoller aus als an anderen! A propos Kartoffeln: In Hannover gab – oder gibt es vielleicht noch – ein Restaurant, das „Goldene Kartoffel“ hieß. Kartoffelbrot, Kartoffelschnaps, Kartoffeleis… gewöhnliche Kartoffeln gab es dort natürlich auch. Eine tolle Knolle, diese Kartoffel. Viele sonntägliche Grüße, Jutta

    • Wirklich, Jutta, der Herbst ist Deine liebste Jahreszeit? Erstaunlich! (Aber bei Euch regnet es vielleicht auch nicht so viel wie in Hamburg?!). Jedenfalls: die Herbsttage im Kartoffelhotel waren schön. Herbst ist irgendwie besser, wenn man nicht arbeiten muss 🙂 Liebe Grüße, Stefanie

  7. Es gibt ein Kartoffelhotel? Und Bratkartoffeln, Pellkartoffeln, Puffer und tausend weitere Köstlichkeiten aus Kartoffeln werden plattenweise aufgetragen? Da muss ich hin, denn ich liebe Kartoffeln! Für mich die vielfältigste Nutzpflanze der deutschen Küche.

    Und hundefreundlich sind sie dort auch, habe ich gerade gesehen… Perfekt!
    Vielen Dank für diesen wunderbaren Tipp und die – wie immer – großartigen Fotos.

    Herzliche Grüße,
    Nicole

    • Es gibt dort sogar – erstaunlich, erstaunlich – eine Kartoffel-Diät 🙂 Aber wer einen Hund hat, braucht das ja nicht! Liebe Grüße, Stefanie

  8. Hallo,
    wie ich lesen kann, gefiel es euch auch im Kartoffelhotel und im Wendland. Wir waren bereits im Oktober dort und haben eine Radtour durch die Rundlingsdörfer gemacht und als Ausflugstipp beschrieben. Es waren wunderschöne Tage.

    Liebe Grüße aus Halle an der Saale
    Katrin

    • Ach, Du warst das 🙂 (Ich wollte die Radtour nämlich auch gern machen, aber da war sie quasi „schon weg“).

      Uns hats auch so gut gefallen, Katrin. Ich gehe gleich mal bei Dir lesen… schon mal vielen Dank für Deinen Kommentar und liebe Grüße, Stefanie

  9. Euch würden wir gerne noch mehr zeigen. Radtouren durch die Elbauen mit Führung teilweise landübergreifen, Kanutouren auf der Elbe. Wir in Gartow lieben unsere Gegend und geben unsere Liebe an unsere Gäste weiter. Ich freue mich dass ihr schon viel vom Wendland kennengelernt habt und so schön weitergebt. wendland-elbe ist eine tolle Gegend

    • Liebe Maria, da können wir Dir nur beipflichten. Bis Gartow sind wir noch gar nicht gekommen – es gibt einfach zu viel zu sehen. Danke für Deinen Kommentar, Stefanie

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