Ein Herbst-Wochenende auf Wangerooge ist gut für die Seele.
Früher wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, ausgerechnet in die hektischsten Wochen des Jahres einen Kurztrip zu stopfen. Seit wir bloggen, empfinde ich es genau anders herum. Gerade, wenn man nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht, tut eine Auszeit richtig gut. Besonders auf einer Mini-Insel.
Selbst wer sich langsamer als langsam bewegt, kann Wangerooge in wenigen Stunden erfassen. Da schaltet man automatisch noch einen Gang runter. Wird so langsam, dass die Seele mitkommt.
Denn die Seele ist doch selten so schnell wie das Leben. Zu ihrem Takt finden wir ganz gut mit folgenden Slow Four:
1. Fotografieren am Weststrand
Fotografieren hat ja generell mit Achtsamkeit zu tun.
Wikipedia sagt über Fokussierung, dass für eine gewisse Zeit auf das momentan Ausgeübte oder Empfundene geachtet wird.
Das klingt nicht nur wie Mediation. Das fühlt sich auch so an. Der ideale Moment dafür: Gleich nach dem Aufstehen, wenn der Morgen graut.
Die Fotos zeigen Weststrand und Hafen bei Sonnenaufgang. Das Licht ist so wunderbar sanft, wie man es auf einer Nordseeinsel nie vermuten würde. (Man kann das mit dem Fokussieren mal ausprobieren, indem auf die Galerie klickt. Ich finde, schon das Betrachten der Bilder macht ruhig. („In Echt“ ist es natürlich noch viel besser.))
2. Einfach nur so dasitzen in Wangerooge City
Man sitzt ja viel zu selten einfach nur so da. Wer einfach nur so dasitzt, wird im Allgemeinen der Faulheit verdächtigt. Nicht so am Meer. Hier gehört „einfach nur so dasitzen“ quasi zum guten Ton. Am besten eignet sich dafür das Inseldorf von Wangerooge.
Berta: „Herrmann?“
Hermann: „Ja?“
Berta: „Was machst du da?“
Hermann: „Nichts!“
Berta: „Nichts? Wieso nichts?“
Hermann: „Ich mache nichts!“
Berta: „Gar nichts?“
Hermann: „Nein.“
Berta: „Überhaupt nichts?“
Hermann: „Nein, ich sitze hier!“
Berta: „Du sitzt da?“
Hermann: „Ja.“
Berta: „Aber irgendwas machst du doch!“
Hermann: „Nein.“
Berta: „Denkst du irgendwas?“
Hermann: „Nichts besonderes.“
Berta: „Es könnte ja nicht schaden, wenn du mal etwas spazieren gingest!“
Hermann: „Nein, nein.“
Berta: „Ich bringe dir deinen Mantel!“
Hermann: „Nein, danke.“
Berta: „Aber es ist zu kalt ohne Mantel!“
Hermann: „Ich geh ja nicht spazieren.“
Berta: „Aber eben wolltest du doch noch!“
Hermann: „Nein, du wolltest, daß ich spazieren gehe!“
Berta: „Ich? Mir ist es doch völlig egal, ob du spazieren gehst!“
Hermann: „Gut.“
Berta: „Ich meinte nur, es könnte ja nicht schaden, wenn du mal spazieren
gehen würdest!“
Hermann: „Nein, nein, schaden könnte es nicht.“
Berta: „Also was willst du denn nun?“
Hermann: „Ich möchte hier sitzen!“
Berta: „Du kannst einen ja wahnsinnig machen!“
Hermann: „Ach.“
Berta: „Erst willst du spazieren gehen, dann wieder nicht. Dann soll ich
deinen Mantel holen, dann wieder nicht. Was denn nun?“
Hermann: „Ich möchte hier sitzen!“
Berta: „Und jetzt möchtest du plötzlich da sitzen!“
Hermann: „Gar nicht plötzlich. Ich wollte immer nur hier sitzen!“
Berta: „Sitzen?“
Hermann: „Ich möchte hier sitzen und mich entspannen!“
Berta: „Wenn du dich wirklich entspannen wolltest, würdest du nicht dauernd
auf mich einreden!“
Hermann: „Ich sag ja nichts mehr!“
Berta: „Jetzt hättest du doch mal Zeit irgendwas zu tun, was dir Spaß
macht!“
Hermann: „Ja.“
Berta: „Liest du was?“
Hermann: „Im Moment nicht!“
Berta: „Dann lies doch mal was!“
Hermann: „Nachher, nachher vielleicht!“
Berta: „Hol dir doch die Illustrierten!“
Hermann: „Ich möchte erst noch etwas hier sitzen.“
Berta: „Soll ich sie dir holen?“
Hermann: „Nein, nein. Vielen Dank.“
Berta: „Will sich der Herr auch noch bedienen lassen, was. Ich renne den
ganzen Tag hin und her. Du könntest wohl einmal aufstehen und dir die
Illustrierten holen!“
Hermann: „Ich möchte jetzt nicht lesen!“
Berta: „Mal möchtest du lesen, mal nicht.“
Hermann: „Ich möchte einfach hier sitzen.“
Berta: „Du kannst doch tun, was Dir Spaß macht!“
Hermann: „Das tue ich ja!“
Berta: „Dann quengle doch nicht dauernd so rum!“
Berta: „Hermann?“
Hermann: „-“
Berta: „Bist du taub?“
Hermann: „Nein, nein.“
Berta: „Du tust eben nicht, was dir Spaß macht. Statt dessen sitzt du da!“
Hermann: „Ich sitze hier, weil es mir Spaß macht!“
Berta: „Sei doch nicht gleich so aggressiv!“
Hermann: „Ich bin doch nicht aggressiv!“
Berta: „Warum schreist du mich dann so an?“
Hermann: „ICH SCHREI DICH NICHT AN!“
(Der Text ist von Loriot. Ich weiß, dass das jeder weiß. Ich sage es nur aus Urheberrechtsgründen.)
Das Gute an Wangerooge ist, dass ziemlich viele Gäste aus Nordrhein-Westfalen anreisen. Die kommen untereinander bekanntermaßen schnell in Kontakt und unterhalten sich über die Tische hinweg.
Im Diggers etwa muss man überhaupt nicht selber reden. Mit Sonne im Gesicht schließt man die Augen und lauscht den Gesprächen an den Nachbartischen. Untermalt von Meeresrauschen und entspannti-manti Café-del-Mar-Klängen.
3. Überall Radfahren
Wie ich im letzten Beitrag schon erwähnte, hat Wangerooge der Form nach Ähnlichkeit mit Sylt. Das Inseldorf ist auch etwa so charmant wie Westerland. Inkl. Irrsinns-Strand und einer Promenade aus der Architektur-Hölle.
Es gibt aber eine Sache, die Wangerooge City Westerland voraus hat. Wie man auf diesen Fotos sieht.
Bzw. eben nicht sieht. Denn was Wangerooge im Gegensatz zu Westerland (und 99,9% aller Städte, Gemeinden, Dörfer) nicht hat, sind Autos.
Autofreiheit haben wir schon auf Helgoland und Hiddensee lieben gelernt. Aber im Herbst auf Wangerooge hat das noch mal eine andere Qualität. (Im Hochsommer auf Hiddensee war es natürlich trubelig. Und Helgoland ist zu klein zum Radfahren.)
Auf Wangerooge hat man im Herbst durchgehend freie Fahrt. Ganz ungewohnt kommt einem das vor. Nicht über den Haufen gefahren werden zu können. Nicht ständig panisch über die Schulter gucken zu müssen.
Besonders herrlich sind die Wege, die sich durch´s Inselinnere schlängeln. Da schützen die Dünen vor dem Wind. Es duftet nach Dünenheide und Meer. Und so ganz ohne Motorenlärm hört man auf einmal wieder diese leisen Dinge. Vogelgezwitscher. Blätterrascheln. Hummelgebrumm.
Nur am Deich gibt es eine Stelle, an der Radfahrern nicht die Vorfahrt gebührt. Auf Höhe des Flughafens ist man angehalten, kurz zu warten, falls sich ein Flieger nähert. Die fliegen nämlich ziemlich tief. So tief, dass man das Lächeln der Piloten erkennt, wenn sie einem zuwinken.
Richtig lange Radtouren sind natürlich nicht drin auf einer 8,5 km kurzen Insel, die zu einem guten Teil aus Strand besteht. Aber absteigen und weiterlaufen ist am Meer ja sowieso eine gute Option.
4. Spazieren am Oststrand
Hätte ich nicht gedacht: Der Oststrand Wangerooges ist gewaltig. So gewaltig, dass er einen eigenen Beitrag braucht. Davon also demnächst mehr.
Wie bereits erwähnt, wurden wir von den Jugendherbergen im Nordwesten nach Wangerooge eingeladen. Und im letzten Abendlicht zum Westturm zu radeln, ist auch keine schlechte Sache.