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Wangerooge Soul-Weekender

Ein Herbst-Wochenende auf Wangerooge ist gut für die Seele.

Früher wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, ausgerechnet in die hektischsten Wochen des Jahres einen Kurztrip zu stopfen. Seit wir bloggen, empfinde ich es genau anders herum. Gerade, wenn man nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht, tut eine Auszeit richtig gut. Besonders auf einer Mini-Insel.

Selbst wer sich langsamer als langsam bewegt, kann Wangerooge in wenigen Stunden erfassen. Da schaltet man automatisch noch einen Gang runter. Wird so langsam, dass die Seele mitkommt.

Denn die Seele ist doch selten so schnell wie das Leben. Zu ihrem Takt finden wir ganz gut mit folgenden Slow Four:

 

1. Fotografieren am Weststrand

 

Fotografieren hat ja generell mit Achtsamkeit zu tun.

Wikipedia sagt über Fokussierung, dass für eine gewisse Zeit auf das momentan Ausgeübte oder Empfundene geachtet wird.

Das klingt nicht nur wie Mediation. Das fühlt sich auch so an. Der ideale Moment dafür: Gleich nach dem Aufstehen, wenn der Morgen graut.

 

 

Die Fotos zeigen Weststrand und Hafen bei Sonnenaufgang. Das Licht ist so wunderbar sanft, wie man es auf einer Nordseeinsel nie vermuten würde. (Man kann das mit dem Fokussieren mal ausprobieren, indem auf die Galerie klickt. Ich finde, schon das Betrachten der Bilder macht ruhig. („In Echt“ ist es natürlich noch viel besser.))

 

2. Einfach nur so dasitzen in Wangerooge City

 

Promenade

 

Man sitzt ja viel zu selten einfach nur so da. Wer einfach nur so dasitzt, wird im Allgemeinen der Faulheit verdächtigt. Nicht so am Meer. Hier gehört „einfach nur so dasitzen“ quasi zum guten Ton. Am besten eignet sich dafür das Inseldorf von Wangerooge.

 

Einfach nur so da sitzen mit Blick aufs Meer

Einfach nur so dasitzen mit Blick aufs Meer

 

Berta: „Herrmann?“
Hermann: „Ja?“
Berta: „Was machst du da?“
Hermann: „Nichts!“
Berta: „Nichts? Wieso nichts?“
Hermann: „Ich mache nichts!“
Berta: „Gar nichts?“
Hermann: „Nein.“
Berta: „Überhaupt nichts?“
Hermann: „Nein, ich sitze hier!“
Berta: „Du sitzt da?“
Hermann: „Ja.“
Berta: „Aber irgendwas machst du doch!“
Hermann: „Nein.“

 

Ampelfarbene Familie beim Gemeinschaftssitzen

Ampelfarbene Familie beim Gemeinschaftssitzen

 

Berta: „Denkst du irgendwas?“
Hermann: „Nichts besonderes.“
Berta: „Es könnte ja nicht schaden, wenn du mal etwas spazieren gingest!“
Hermann: „Nein, nein.“
Berta: „Ich bringe dir deinen Mantel!“
Hermann: „Nein, danke.“
Berta: „Aber es ist zu kalt ohne Mantel!“
Hermann: „Ich geh ja nicht spazieren.“
Berta: „Aber eben wolltest du doch noch!“
Hermann: „Nein, du wolltest, daß ich spazieren gehe!“
Berta: „Ich? Mir ist es doch völlig egal, ob du spazieren gehst!“
Hermann: „Gut.“

 

Einsteiger-Variante: Einfach nur so rumstehen

Einsteiger-Variante: Heimliches Rumstehen

 

Berta: „Ich meinte nur, es könnte ja nicht schaden, wenn du mal spazieren
gehen würdest!“
Hermann: „Nein, nein, schaden könnte es nicht.“
Berta: „Also was willst du denn nun?“
Hermann: „Ich möchte hier sitzen!“
Berta: „Du kannst einen ja wahnsinnig machen!“
Hermann: „Ach.“
Berta: „Erst willst du spazieren gehen, dann wieder nicht. Dann soll ich
deinen Mantel holen, dann wieder nicht. Was denn nun?“
Hermann: „Ich möchte hier sitzen!“
Berta: „Und jetzt möchtest du plötzlich da sitzen!“
Hermann: „Gar nicht plötzlich. Ich wollte immer nur hier sitzen!“
Berta: „Sitzen?“
Hermann: „Ich möchte hier sitzen und mich entspannen!“
Berta: „Wenn du dich wirklich entspannen wolltest, würdest du nicht dauernd
auf mich einreden!“
Hermann: „Ich sag ja nichts mehr!“

 

Profi-Variante: Einfach nur so rumliegen

Profi-Variante: Einfach nur so rumliegen

 

Berta: „Jetzt hättest du doch mal Zeit irgendwas zu tun, was dir Spaß
macht!“
Hermann: „Ja.“
Berta: „Liest du was?“
Hermann: „Im Moment nicht!“
Berta: „Dann lies doch mal was!“
Hermann: „Nachher, nachher vielleicht!“
Berta: „Hol dir doch die Illustrierten!“
Hermann: „Ich möchte erst noch etwas hier sitzen.“
Berta: „Soll ich sie dir holen?“
Hermann: „Nein, nein. Vielen Dank.“
Berta: „Will sich der Herr auch noch bedienen lassen, was. Ich renne den
ganzen Tag hin und her. Du könntest wohl einmal aufstehen und dir die
Illustrierten holen!“
Hermann: „Ich möchte jetzt nicht lesen!“
Berta: „Mal möchtest du lesen, mal nicht.“
Hermann: „Ich möchte einfach hier sitzen.“
Berta: „Du kannst doch tun, was Dir Spaß macht!“
Hermann: „Das tue ich ja!“
Berta: „Dann quengle doch nicht dauernd so rum!“

 

Old School, Baby, aber mit sensationellem Blick: Der Lesesaal im Haus des Kurgastes

Old School, Baby, aber mit sensationellem Blick: Der Lesesaals im Haus des Kurgastes

 

Berta: „Hermann?“
Hermann: „-“
Berta: „Bist du taub?“
Hermann: „Nein, nein.“
Berta: „Du tust eben nicht, was dir Spaß macht. Statt dessen sitzt du da!“
Hermann: „Ich sitze hier, weil es mir Spaß macht!“
Berta: „Sei doch nicht gleich so aggressiv!“
Hermann: „Ich bin doch nicht aggressiv!“
Berta: „Warum schreist du mich dann so an?“
Hermann: „ICH SCHREI DICH NICHT AN!“

 

Cafe Pudding

Gastronomisches Rumsitzen mit Rundumblick: Das Cafe Pudding

 

(Der Text ist von Loriot. Ich weiß, dass das jeder weiß. Ich sage es nur aus Urheberrechtsgründen.)

 

Das Gute an Wangerooge ist, dass ziemlich viele Gäste aus Nordrhein-Westfalen anreisen. Die kommen untereinander bekanntermaßen schnell in Kontakt und unterhalten sich über die Tische hinweg.

 

 

Im Diggers etwa muss man überhaupt nicht selber reden. Mit Sonne im Gesicht schließt man die Augen und lauscht den Gesprächen an den Nachbartischen. Untermalt von Meeresrauschen und entspannti-manti Café-del-Mar-Klängen.

 

3. Überall Radfahren

 

Wie ich im letzten Beitrag schon erwähnte, hat Wangerooge der Form nach Ähnlichkeit mit Sylt. Das Inseldorf ist auch etwa so charmant wie Westerland. Inkl. Irrsinns-Strand und einer Promenade aus der Architektur-Hölle.

 

Wangerooge Promenade

 

Es gibt aber eine Sache, die Wangerooge City Westerland voraus hat. Wie man auf diesen Fotos sieht.

 

 

Bzw. eben nicht sieht. Denn was Wangerooge im Gegensatz zu Westerland (und 99,9% aller Städte, Gemeinden, Dörfer) nicht hat, sind Autos.

Autofreiheit haben wir schon auf Helgoland und Hiddensee lieben gelernt. Aber im Herbst auf Wangerooge hat das noch mal eine andere Qualität. (Im Hochsommer auf Hiddensee war es natürlich trubelig. Und Helgoland ist zu klein zum Radfahren.)

Auf Wangerooge hat man im Herbst durchgehend freie Fahrt. Ganz ungewohnt kommt einem das vor. Nicht über den Haufen gefahren werden zu können. Nicht ständig panisch über die Schulter gucken zu müssen.

Besonders herrlich sind die Wege, die sich durch´s Inselinnere schlängeln. Da schützen die Dünen vor dem Wind. Es duftet nach Dünenheide und Meer. Und so ganz ohne Motorenlärm hört man auf einmal wieder diese leisen Dinge. Vogelgezwitscher. Blätterrascheln. Hummelgebrumm.

 

 

Nur am Deich gibt es eine Stelle, an der Radfahrern nicht die Vorfahrt gebührt. Auf Höhe des Flughafens ist man angehalten, kurz zu warten, falls sich ein Flieger nähert. Die fliegen nämlich ziemlich tief. So tief, dass man das Lächeln der Piloten erkennt, wenn sie einem zuwinken.

 

Flieger

 

Richtig lange Radtouren sind natürlich nicht drin auf einer 8,5 km kurzen Insel, die zu einem guten Teil aus Strand besteht. Aber absteigen und weiterlaufen ist am Meer ja sowieso eine gute Option.

 

Salzwiesen

 

4. Spazieren am Oststrand

 

Hätte ich nicht gedacht: Der Oststrand Wangerooges ist gewaltig. So gewaltig, dass er einen eigenen Beitrag braucht. Davon also demnächst mehr.

 

JugendherbergeWangerooge

 

Wie bereits erwähnt, wurden wir von den Jugendherbergen im Nordwesten nach Wangerooge eingeladen. Und im letzten Abendlicht zum Westturm zu radeln, ist auch keine schlechte Sache.

Die Entdeckung der Einfachheit auf Wangerooge

Sich einer Insel nähern. Auf einer windgeschützten Bank an Deck eines Dampfers. Die Hände in den Taschen. Das Gesicht der Sonne zuwenden. Die Augen schließen. Das Stampfen des Schiffsmotors. Die Schreie der Möwen. Salz in der Luft.

 

 

Wir sind auf dem Weg nach Wangerooge, der östlichsten bewohnten Insel Ostfrieslands. Von den sieben Perlen im niedersächsischen Wattenmeer ist sie die zweikleinste. Gerade mal 8,5 km lang. Zwischen einem und 2,2 km breit. Gut zu überblicken in drei Tagen. Kein Grund hastig zu werden.

 

Krabbenkutter

 

Das Schnelle ist ohnehin am Festland geblieben. Das Komplizierte auch. Dieses Wochenende soll es ganz einfach werden: in einer Jugendherberge. Und weil uns das so fremd ist, fühlt es sich an wie ein Workshop für Simplifying.

 

Seehundsbank

 

Simple Living, Downshifting, Minimalismus. Fragt man Zukunftsforscher Matthias Horx steckt hinter dem Trend zum Einfachen Leben ein fundamentaler Wertewandel. Er bedeutet die Befreiung von unnötigem Ballast für ein Mehr an Lebensqualität, an Sinn, an wirklichen Beziehungen, an jener Kreativität, die aus Langsamkeit wächst. Was das betrifft, gleicht der Hafen von Wangerooge der Pole Position.

 

Schmalspurbahn

 

Unser Schiff war das letzte von insgesamt zweien, die heute Wangerooge anpeilten. Das Leben richtet sich auf der Insel nach der Natur, bzw. der Tide. Und das ist auch gut so, denkt man. Die Ruhe ist göttlich.

 

HafenWangerooge

 

Wer auf der knapp einstündigen Fahrt von Harlesiel nach Wangerooge noch nicht runtergekommen ist, wird am Hafen daran erinnert, seine innere Uhr auf Inselzeit zu stellen.

 

Guter Rat

 

Hektik hat hier genauso wenig Platz wie Autos. Ein Zug bringt die Urlauber ins Inseldorf, das ganz ohne eigenen Namen auskommt, da es das einzige Dorf auf der Insel ist.

 

 

Wir haben es noch einfacher. Denn wir bleiben im Westen Wangerooges. Wo es beinahe nichts gibt, außer einigen Schullandheimen, einer Sternenwarte, einem Leuchtturm und die Jugendherberge im Westturm. Das 55 Meter hohe Wahrzeichen Wangerooges war schon von Land aus deutlich zu erkennen. Jetzt ist er nur noch einen kurzen Spaziergang entfernt.

 

Weststrand

 

Sich einer Jugendherberge nähern. Auf einem Weg, der sich durch Dünen und Salzwiesen schlängelt. Das Gepäck ist leicht, weil man nur das Notwendige dabei hat. Noch einmal den Sommer riechen. Und feststellen, dass Rucksäcke keinen Krach machen. Ganz anders als Rollkoffer.

 

Duenenweg

 

Ist doch seltsam: Ich kenne ein paar Hostels auf dieser Welt, war schon im Ashram, skandnavischen Wanderheimen und Pilgerherbergen. Aber seit Jahrzehnten habe ich keinen Fuß in eine deutsche Jugendherberge gesetzt. Dabei ist mir schon häufig aufgefallen, dass sie stets an den allerschönsten Plätzen liegen.

 

Jugendherberge Wangerooge

 

Als Erwachsener in die Jugendherberge?

 

Wir sind keine Asketen. Für uns darf es gern gut aussehen, gut schmecken, sich gut anfühlen. Und irgendwie assoziiere ich Jugendherbergen vor allem mit Früchtetee aus gewaltigen Blechkannen.

 

Neubau Jugendherberge

 

Ums mal vorweg zu nehmen: Gewaltige Blechkannen gibt’s nicht mehr. Dafür aber Holunderbrause. Statt strenger Herbergseltern empfangen uns zwei gut gelaunte Sympathieträgerinnen an der Rezeption. Katja Garbe und Sigrid Schlumm haben 7 Monate Hochsaison hinter sich. Aber sie wirken, als wären sie selbst im Urlaub.

„Das macht die Insel“, sagt Sigrid Schlumm. „Man wird ruhig hier.“

Glauben wir sofort. Da muss man nur mal die Kinder beobachten, die überall herumwuseln. Die scheinen alle so zufrieden. So ausgeglichen. Fast zu schön, um wahr zu sein. Selbst das Huhn auf der kleinen Wildblumenwiese wirkt entspannt.

 

Spielplatz

 

Unser Doppelzimmer liegt im 7. Stock des Westturms. 125 Stufen ohne Fahrstuhl. Und ja, es hat Etagenbetten (ich schlafe oben, d.h. ich muss nicht einmal den Kopf heben, um bis Spiekeroog zu sehen). Das Bad ist super. Die Laune auch. Nichts wie raus in die Herrlichkeit.

 

BlicknachSpiekeroog

 

Der Wilde Westen Wangerooges

 

Die Sturmspitze der Insel ist das Westdeck. Hier wütet die Nordsee am heftigsten. Hier verändert sich die Silhouette mit jedem Orkan. Wangeroge sieht übrigens aus wie ein kleines Sylt um die Achse gedreht. Diesem Vergleich folgend, wären wir in List. Das Westdeck ist ein besonders guter Platz, um Vögel zu beobachten.

 

 

Ans Westdeck schließt sich der Weststrand an. Er zieht sich über die gesamte Brandungsseite der Insel. Nach einer knappen Stunde würde man das Wangerooge-City erreichen. Das heben wir uns aber für morgen auf. Nur so viel: Es ist ein ausgsprochen kurzweiliger Spaziergang. Nie haben wir so viele Schiffe von einer Insel aus gesehen.

 

Auf Reede

 

Drei wichtige Schiffahrtswege führen an Wangerooge vorbei. Direkt am Horizont liegen die fettesten Pötte auf Reede. D.h. da ist eine Art Parkplatz im Meer. Die Liegeplätze in den Häfen sind teuer. Und so wartet man auf den richtigen Zeitpunkt, um möglichst auf den letzten Drücker zur Löschung zu kommen.

 

 

Wir sind Stiller

 

Deine Stille ist mir irgendwie zu laut, hat neulich eine von mir geschätzte Person gesagt. Und wer das verstehen kann, ist im Westen Wangerooges nicht gut aufgehoben. Hier gibts nicht viel Zerstreuung. Ein Café, einen Kiosk und ganz am Ende noch das Inselgasthaus. Mit Plastikstühlen zwar. Doch sei´s drum. In der Wärme der Dünen ist das Inselgasthaus perfekt für einen Sundowner. Uns kann es nämlich gar nicht still genug sein.

 

 

Das Inselgasthaus ist berühmt für seine süßen sowie herzhaften Pfannkuchen. Und Birnen, Bohnen und Speck. Es ist ein wunderschöner Fleck, wie das gesamte Inselinnere. In seiner Urwüchsigkeit erinnert es uns sehr an Dänemark. Trotz Herbstferien kann man überall für sich sein.

Katja Garbe von der Jugendherberge hat uns erzählt, dass sie den Winter über bleiben wird; obwohl die Jugendherberge schließt. Sie hat Respekt vor den Monaten, in denen es noch stiller werden wird. Aber sie freut sich auch schon darauf. Ich kann sie genauso verstehen, wie jemandem, dem das zu wenig Action ist. Ich selber bin wohl irgendwas dazwischen.

 

 

Einen Speisesaal betreten. Überhaupt nichts erwarten. Und dann von einem imposanten Riesen namens (ehrlich) Herrn Brummer Fischfilet serviert bekommen. Denken, dass es schmeckt, als hätte die eigene Oma es gebraten. Genauso reinhauen wie die Kinder an den Nebentischen. Die ladyliken Holländerinnen, die zum Inselhopping hier sind. Der rüstigste 80jährige der Welt (ein Pastor) mit seiner gemischten Truppe. Das junge Paar. Und all die Eltern sowieso.

Kann sein, dass manche des Preises wegen in der Jugendherberge einchecken. (Unser Zimmer kostet 45 Euro pro Nacht und Person inklusive 3 Mahlzeiten). Aber ich glaube, genauso viele sind hier, weil sie ihren Kindern etwas Wertvolles vermitteln wollen. Oder vielmehr ermöglichen. Denn die Kinder sind ohnehin auffallend höflich und engagiert und fröhlich. Laut nur, wenn sie sich über irgendwas kaputtlachen. Das gehört sich ja auch so. Aber kein Kind nervt seine Eltern, weil es irgendetwas anderes haben oder tun will. Mir kommt das so gleichberechtigt vor. Alle nehmen Rücksicht.

 

Sogar das Wetter. Der Blick aus unserem Zimmer ist gigantisch.

 

 

Auf diesen Moment muss übrigens niemand verzichten. Auch wenn man nicht in der Jugendherberge wohnt, kann man sich den Schlüssel zum Turm ausleihen. Eine Spende wird gern gesehen. Die (geschätzten) 175 Stufen lohnen sich tausendfach. In der allerhöchsten Turmspitze befindet sich ein kleiner Raum mit Falltür. Dort saust der Wind ums Gemäuer und man fühlt  sich so geborgen in der Wärme, wie ich mir das Leben als Leuchtturmwärter vorstelle.

 

Turmspitze

 

Als wir uns später noch ein Bier holen ( ja, das gibts in Jugendherbergen) sind Sigrid Schlumm und Katja Grabe noch immer im Dienst. Und immer noch gut gelaunt. Das macht wohl die Insel.

 

Sonnenuntergang9

 

Wie wir da so auf dem Westdeck die dunkelschwarze, stille Nordsee betrachten, denke ich, Jugendherbergen heißen Jugendherbergen, weil sie für die da sind, die Jugend in sich spüren.

Ach, sind wir froh, dass wir hier sind. Und das ist ja erst der Anfang.

 

PS.: Die Jugendherbergen im Nordwesten haben uns zu diesem Aufenthalt eingeladen. Wir fühlten uns von vorn bis hinten verwöhnt. Vielen Dank.

Reusen

Warum auch kleine Blogs interessante Kooperationspartner sind

Bloggen heißt Teilen. Trotzdem habe ich schwer überlegt, ob ich diesen Beitrag überhaupt schreiben soll. Nicht, weil ich mein Wissen nicht teilen möchte. Sondern weil ich mich frage, ob ich möglicherweise die Einzige auf der Welt bin, die keine Ahnung hatte, dass auch kleine Blogs interessante Kooperationspartner sind.

Genug der Rechtfertigung. Dieser Text ist für Dich, wenn Du

  • nicht massenweise Leser hast, aber einen schönen Blog.
  • keine Social-Media-Ikone bist, aber doch irgendwie aktiv.
  • Dich fragst, wie man zu Kooperationen kommt.

(Und falls Du nicht mal mit dem Begriff Kooperation etwas anfangen kannst: Kooperationen sind Gegengeschäfte. Der Blogger bloggt über das, was der Kooperationspartner kostenfrei zur Verfügung stellt. Waren oder Dienstleistungen oder Reisen. Bekannte (professionelle) Blogger werden dafür logischerweise bezahlt. Immerhin liefern sie dem Kooperationspartner nicht nur die Berichterstattung sondern auch gleich noch die entsprechende Zielgruppe.)

Aber was ist mit Bonsai-Blogs? Also, kleinen, liebevoll gehegten Blogs? Ab wann eignet sich so ein Blogger als Kooperationspartner? Und warum? Das fand ich lange undurchschaubar.

Wie viele Klicks braucht man eigentlich, um interessant zu sein?

Bestimmt viele, dachte ich. Mehr als wir haben jedenfalls.

Dann erhielten wir vor einigen Wochen die Anfrage eines Reiseveranstalters. Es war ein typischer WTF-Moment, denn es handelte sich um eine Reise nach Griechenland.

Griechenland ist natürlich grandios. Aber nicht ganz unser Thema. Eigentlich ist es das Gegenteil unseres Themas.

Egal. Es war für mich der Startschuß, um selbst mal aktiv nach Kooperationen Ausschau zu halten. Eine ganz einfache Möglichkeit ist facebook.

Wo man Kooperationen findet

Im echten Leben hasse ich Akquise. Auf facebook ist das anders. Dort stöbere ich sowieso gern in den Gruppen, die Blogger-Kooperationen eintüten. Meine Lieblingsgruppe ist „Bloggerinnen und Blogger gesucht„. Dort werden die unterschiedlichsten Blogs für die merkwürdigsten Produkte gesucht.

Es erinnert mich an diese Anzeigen in der Yellow-Press, (von denen ich gar nicht weiß, ob es die noch gibt). Früher waren sie immer auf Halbseiten zu finden. Die Älteren erinnern sich vielleicht? Portable Toiletten, Röntgenbrillen, Treppenlifte,  Phantomas-Masken. Und ab und zu war da auch mal was dabei, das man sich glühend wünschte (ich sag nur: Sea-Monkeys).

Zurück zu facebook. Egal, ob Du Food-Blogger, Buch-Blogger, regionaler Blogger, Bastel-Blogger, Technik-Blogger, Reise-Blogger, Foto-Blogger oder sehr-seltsame-Dinge-Blogger bist, es gibt garantiert jemanden, der in Deiner Nische Kooperationen anbietet. Auch wenn Dein Blog klein ist. Aus unterschiedlichsten Gründen, von denen ich hier nur mal 3 nenne.

  1. Sie finden Deinen Blog gut

Die erste Anfrage, auf die ich mich zu reagieren traute, war die Einladung des  Automuseums Prototyp.

Ich dachte, sie würden uns vielleicht mal zu einer Ausstellung einladen. Statt dessen gabs das volle Wohlfühl-Programm: 1.) eine Museumsführung an einem Montag (also dem Tag an dem weltweit alles Museen geschlossen sind). 2.) eine Einladung ins Fahrerlager und VIP-Zelt auf einem Oldtimer-Rennen.  Und  3.)  durfte Volko als Sahnehäubchen im Porsche 356 A Speedster auf die Strecke gehen. Ziemlich besondere Sachen also.

 

Black Beauty
Warum das Automuseum uns dafür auswählte (und nicht einen größeren Blog), war ganz einfach. Ihnen gefiel, was wir machen. Sie mochten unseren Stil. Unsere Texte und besonders die Fotos. Interessant waren für das Museum nicht unsere Besucherzahlen; schon gar nicht unsere facebook-„Fans“.

Fans haben die nämlich selbst. Viel, viel, viel mehr als wir. Und genau denen wollten sie mit unserem Beitrag etwas bieten.

 

2. Sie finden Dich gut

 

Eins war nach dem Automuseum klar:  So eine Kooperation ist aufwändig. Für beide Seiten. Und deswegen fühlt man sich (wir uns) auch stärker verpflichtet. Es ist ein bisschen wie arbeiten. In einem tollen, schlecht bezahlten Job. Darum sollte man auch nicht alle nur erdenklichen Kooperationen eingehen. Sondern nur solche, die einem wirklich Spaß bringen.

Im Grunde lässt man sich am besten nur dorthin einladen, wo man auch ohne Einladung hinfahren würde.

 

Ellenbogenstraße

 

Im allerbesten Fall hat man am anderen Ende mit Menschen zu tun, die selber bloggen. So ist uns das mit Sanda Lachmann von den Jugendherbergen im Nordwesten gegangen. Die klärte nämlich auf heiterbisstuermisch.de ungefragt fast alle meine Fragen.

Wieder war nicht die Reichweite entscheidend. Dieses Mal ging es um die innere Einstellung der Blogger. Sozialverträglich sollten sie sein, naturverbunden, reiselustig. Was uns ganz gut beschreibt.

Ich war übrigens total baff, wie schnell und verbindlich die Kommunikation läuft. So was kenne ich aus dem „normalen“ Arbeitsleben gar nicht. Wo die analoge Geschäftswelt monatelang rumhünert, scheint im Bloggerkosmos alles ruckzuck zu gehen.

Und so erkunden wir gerade unsere erste ostfriesiche Insel, wenn dieser Beitrag erscheint (und während ich schreibe, freue ich mich schon total).

 

3. Du erkennst, was Dein Kooperationspartner braucht

 

Auch unser dritter Kooperationspartner suchte keine Social-Media-Experten. Sondern Ausflugstipps für den Blog der Region. (Ich sag noch nicht, wohin es geht. Aber im November werden wir wieder in eine Gegend reisen, die uns schon lange interessiert hat.)

Das Gesuch war sehr konkret formuliert: Pro Tipp von 500 Zeichen erhält man eine Hotelübernachtung inklusive Verpflegung. Das Konkrete gefiel mir. Man kann sich ganz genau überlegen, wie lange man für 500 Zeichen braucht. Und dann ermessen, ob die Hotelübernachtung einen entsprechenden Gegenwert darstellt.

Umso erstaunter war ich, dass wir laut Kooperationspartner die ersten waren, die wirklich auf das Angebot eingegangen waren. Zumal das Gesuch schon ein halbes Jahr im Netz herumschwirrte. Zwar hatten sich viele Blogger gemeldet. Aber offenbar mit ganz anderen Vorstellungen.

Es gibt also durchaus Vorteile, wenn man noch ganz old-school-mäßig liest – statt Texte nur zu scannen.

Es gibt sicherlich auch Vorteile, wenn man scannt. Genau wie es auf jeden Fall Vorteile gibt, wenn man superviele Leser hat oder eine facebook-Ikone ist.

Unterm Strich scheint es mir aber so zu sein: Das Netz ist groß genug für alle.

 

PS.: Man kann das Ganze natürlich auch anders herum angehen. Man kann sich selber überlegen, mit wem man kooperieren möchte. Das haben wir inzwischen auch schon getan. Aber das erzähle ich vielleicht ein anderes Mal (falls es jemanden interessiert).

Alles im Fluss am Köhlbrand

Der avisierte Abriss der Köhlbrandbrücke im Jahr 2030 erfüllt viele Hamburger mit Wehmut. Dabei ist sie selbst ein Symbol für den ständigen Abschied und das ständige Wiederanfangen. Denn ein Hafen ist ja immer Wandel.

Obwohl weithin sichtbar, war der Zugang zur Köhlbrandbrücke nie leicht zu finden. Dahinter steckte Absicht. Man verzichtete komplett auf Ausschilderung, um den Verkehr in Maßen zu halten.

 

Renovierungsstau

 

Erst seit die Brücke renoviert wird und nur noch einspurig befahren werden kann, ist es selbst für Ortsunkundige ganz easy: Von der A7 und der Hafencity weisen jetzt nämlich Stau-Warnungen den Weg.

 

underthebridge

 

Dementsprechend ist nun wochentags immer Stau auf der Brücke. Wer´s nicht so mit Höhe hat, kann da leicht Zustände kriegen. Besser läufts am Sonntag. Wenn der Hafen sich ausruht, hat der Hafentourist freie Fahrt. Dann kann man auch mal in aller Ruhe nachsehen, was unter der Brücke so los ist; etwa in Neuhof.

 

 

In Neuhof lebten einmal 3.000 Menschen. Und heute keiner mehr. Die wunderschöne Siedlung aus den 1920erJahren wurde in den 1970ern abgerissen. Es war nicht die erste Vertreibung vom Köhlbrand. Und nicht die letzte.

Der Köhlbrand, ein Mündungsarm der Süderelbe, ist so was wie das Gegenteil der Hafencity. Während in der Hafencity in unfassbarem Tempo urbaner Lebensraum entsteht, wurde der Köhlbrand über Jahrzehnte entvölkert.

 

koehlbrandbrueckevonunten

 

Auf der südlichen Seite der Köhlbrandbrücke, in Waltershof, befand sich früher ein 800 Meter langer Sandstrand. Die Arbeiterwohlfahrt betrieb hier eine Ferienkolonie für Kinder. 10 Pfennig kostete die Überfahrt von St. Pauli.

 

Waltershof Hamburg

 

Selbst wenn der Strand nicht längst durch Hafenerweiterungen verschwunden wäre, würde man dort inzwischen wohl nicht mehr so gern baden gehen. Durch Waltershof dröhnt die A7. Und das nicht zu knapp.

 

Waltershof

 

Einer der seltsamsten Ort im Hafen ist sicher Altenwerder. Das Dorf wurde für einen Containerterminal plattgemacht. Die letzten Einwohner kämpften bis 1998. Am Ende ist nur die Kirche St. Getrud übriggeblieben.

 

St. Gertrud

 

Die Kirche von Altenwerder liegt im absoluten Nirgendo zwischen Autobahn und Containerterminal. Zwei mal monatlich findet ein Gottesdienst statt. Ab und zu lädt die Gemeinde zum Tag der offenen Tür oder Konzerten. Heiraten darf man dort auch noch. Eine schöne Tradition sind die Bäume der Hoffnung, die auf dem Kirchplatz traditionell von den Hochzeitspaaren gepflanzt werden.

 

 

Erstaunlicherweise haben wir die Stimmung am Tag der offenen Tür als fröhlich empfunden. Obwohl die ausgestellten Bilder und Filme natürlich nachdenklich machen. Die Liebe der Altenwerder Bevölkerung zu ihrer verlorenen Heimat spiegelt sich in jedem Dokument.

 

Altenwerder

 

Rund um die Kirche ist ein kleines Biotop entstanden. Das ist auch ein verwirrender Gedanke. Wo mal Parkplätze waren, wuchert heute wieder die Natur.

 

 

Unterm Strich ist es nun mal so: Im Hafen ist nichts für die Ewigkeit. Manchem Wandel weint man keine Träne nach. Anderes erfüllt mit Wehmut. Neubauten entstehen, alte Hafenbecken verschwinden, Schuppen werden umgenutzt und an anderere Stelle fallen dafür riesige Areale wieder brach. Ist eben alles immer im Fluss. Am Fluss.

 

Spiegelung

Nordwärts auf dem Wild Atlantic Way

Anita und Claudia von Aktiv-durch-das-Leben haben zur Blog-Parade gerufen: Dein schönster Urlaub ever, lautet das Thema. Schwere Frage das. Und abhängig von der Tagesform. Ist einem kalt, sehnt man sich nach Sonne. Findet man alles öde, möchte man Abenteuer. Während man sich in hektischen Zeiten nach Ruhe und Einsamkeit sehnt.

Alles könnte man in Donegal finden, dem nördlichste County Irlands. Darüber haben wir bereits an anderer Stelle berichtet. Nicht aber über den Weg dorthin auf dem Wild Atlantic Way.

Man erreicht die Westküste von Dublin aus gesehen am schnellsten, indem man die grüne Insel der Breite nach quert. Typisch deutsch freut man sich anfänglich über die leerste Autobahn der Welt (die M6). In knapp 2 Stunden ist man in Galway.

Spätestens dort tritt man wie von selbst auf die innere Bremse. Der Wunsch nach möglichst viel wird zum Wunsch nach möglichst langsam. Und in unserem Fall noch zu möglichst nördlich. Ab jetzt ist der Weg das Ziel.

 

Connemara

 

Tag 1: Unterwegs nach Connemara

 

Connemara ist eine wild-romantische Region mit Heidelandschaften, düsteren Mooren, Traumstränden und Bergen.  Die erste Rast an einem x-beliebigen Strand fasst zusammen, was Irlands Norden ausmacht.

 

Hundknochenstrand

 

 

a) In Irland ist es wärmer, als es aussieht. (Wärmer jedenfalls als in Hamburg. Das liegt am Golfstrom.)

b) Im Norden Irlands trifft man viel weniger Touristen, als erwartet. (Warum, kann ich mir nicht erklären.)

 

 

Kylemore Abbey & Victorian Walled Gardens

Kylemore Abbey & Victorian Walled Gardens

 

Als Etappenziel bietet sich Letterfrack an; direkt im Connemara Nationalpark und nur 5 Minuten entfernt von der ältesten Benediktinerinnenabtei Irlands mit den berühmten ummauerten Gärten.

Den Nationalpark sollte man sich für den Abend aufsparen. Wenn die Berggipfel in der untergehenden Sonne zu funklen beginnt, versteht man, warum.

 

 

Die Iren sind bestens auf Roadtripper und Wanderer eingerichtet. Ein Zimmer findet man außerhalb der Hochsaison immer und überall. Die irische Gastfreundschaft wird besonders in Independent Hostels großgeschrieben.

(Wer noch nie in einem Hostel gewohnt hat, keine Angst. Da steigen nicht nur „junge Leute“ ab und in fast allen Hostels gibt es Einzel- oder Doppelzimmer mit eigenem Bad; Fachjargon: en-suite.). Übernachtungstipp: die Letterfrack Lodge von Mike, dem besten Gastgeber ever.

 

NPConemarra

 

Tag 2: Unterwegs nach Mayo

 

Der erste Morgen im Urlaub ist immer etwas ganz besonders Feines. Für den ersten Morgen in Connemara gilt das hoch zehn. Jedenfalls wenn man menschenleere Strände und türkises Wasser mag.

 

 

Nur ein paar Kilometer von Letterfrack liegt Lettergesh;  laut BBC „One of 50 places in the world to see before you die“.  Golfen geht in Lettergesh so: Man schlägt ab Richtung Atlantik. Und läßt seinen Hund die Bälle zurückbringen.

 

Tully

 

Weiter gehts entlang des einzigen Fjords Irlands, dem Killary Harbour. An seinem Ostende träumt das kleine Örtchen Leenane vor sich hin. Rund um die alte Steinbrücke findet man viele traditionelle Pubs. In schön miefig-dunkel-holzgetäfelter Atmosphäre treffen sich Einheimische zum Lunch.

 

Fjord

 

Die optimale Reisegeschwindigkeit liegt für uns in Irland bei 100 km pro Tag. Die sind erreicht am Achill Sound – über den sich die Brücke nach Achill Island spannt.

Die Insel gehört bereits zum County Mayo und ist sowas wie Irland in Miniaturformat. Man könnte hier auch gleich seinen ganzen Urlaub verbringen. So wie Heinrich Böll, der auf Achill ein Cottage besaß und sein Irisches Tagebuch verfasste.

Achill ist für irische Verhältnisse aber auch sehr gut besucht. Wer die Einsamkeit schätzt, wird es zu wuselig finden.

 

Keem Beach auf Achill Island

Keem Beach auf Achill Island

 

Was sich auf Achill Island ganz besonders lohnt ist die Panoramastraße mit ihren rauen Klippen, weißen Sandstrände, hohen Bergen und ausgedehnten Hochmooren. Außerdem das Slievemore Desterted Village, ein Geisterdorf am Fuße des höchsten Berges der Insel. Die Wanderung zu seinem Gipfel wird mit fantastischem Ausblick belohnt. (Weniger spekatkulär ist Bölls Cottage. Das Haus wird von einer Stiftung betreut und ist typisch deutsch komplett von der Außenwelt abgeschirmt.)

 

Tag 3 : Unterwegs nach Sligo

 

Die phantastische (phantastische, phantastische) N59 führt ins Landesinnere Mayos. Die Weite und spröde Schönheit ist unbeschreiblich.

 

 

Im Ballycroy Nationalpark fühlt man sich wie im Wilden Westen. (Mag allerdings sein, dass wir es nur so empfunden haben, weil man überall auf Hinweise von John Wayne stößt. Er dreht hier allerdings keinen Western sonder den „Quiet Man“.)

 

Ballycroy Nationalpark Visitors Center

Ballycroy Nationalpark Visitors Center

 

Bei den Céide Fields geht es wieder ans Meer. Bei Downpatrick Head hat der Atlantik Tortenstücke aus Klippen geschnitten und gewaltige Löcher (blowholes) in die Küste gebohrt. (Sie sind abgesperrt. Trotzdem unheimlich.)

 

Down Patricks Head

Downpatrick Head

 

Fischen geht in Downpatrick Head so: Man befestigt 10 Haken an seiner Leine. Taucht sie ein, zwei Minuten in den Atlantik. Und zieht sie dann wieder raus – mit mindestens fünf Fischen an der Angel.

 

 

Nördlich von Downpatrick Head wird die Küste lieblich. Fast schon niedlich. Fast schon englisch. Und nirgendwo ein Mensch. Ich finde das herrlich.

 

Mayo

 

Noch dünner besiedelt als das County Mayo ist das County Sligo. Abgesehen vom Etappenziel, dem Surferparadies Strandhill. Das Wahrzeichen Sligos, der Tafelberg Ben Bulben, ist von Sligo gut zu sehen.

 

 

Tag 4: Unterwegs nach Donegal

 

YeatsAm Fuß des Tafelberges, in Drumcliff, liegt William Butler Yeats begraben.

„Wirf einen kalten Blick/ auf das Leben, auf den Tod/ Und dann, Reiter/ zieh weiter.“

Die Worte aus Yeats Gedicht „Ben Bulben“ begleiten einen noch lange.

Denn kurz hiner dem kleinen Friedhof von Drumcliff beginnt Donegal. Die ruhigste, einsamste und wunderbarste Grafschaf Irlands, wo das Tor zur Feenwelt liegt. Wo einen gar nichts mehr von der inneren Einkehr ablenkt. Wo man ganz ehrfürchtig wird, weil die Landschaft überwältigend ist.

Aber das haben wir ja schon an anderer Stelle erzählt.

 

Donegal

5 Dinge, die Hanseaten so tun

Manche sagen, Hanseat könne man nur qua Geburt werden. Andere meinen, es käme viel mehr auf die innere Haltung an. Man denke nur mal an Helmut Schmidt.

Sich als Hanseat fühlen, kann aber jeder. Am leichtesten gelingt es in Hamburgs Mini-Mitte; also der Innenstadt. Man muss sich lediglich die Spitalerstraße et al. wegdenken und auf die Dinge konzentrieren, die typisch hanseatisch sind. Was wir Sonnabend getan haben.

 

Die Big Five, die Hanseaten so tun

 

1. Hanseaten sind ihrem Theater treu

 

Hamburg tut sich schwer mit Kunst. Da braucht man gar nicht neidisch nach Berlin gucken. Schon der Blick auf viel kleinere Städte (Frankfurt, Köln etc.) ist beschämend. Einzige Ausnahme: die darstellende Kunst.

ThaliaDie Staatstheater der Stadt (Thalia, Schauspielshaus, Staatsoper) sind dem Hanseaten heilig. Ihm gelingt es spielend,  Abos für alle drei in seinen Terminkalender zu integrieren. Und schafft es daneben auch, die bemerkenswerten Off- und Privatbühnen zu besuchen (allen voran Kampnagel).

Wir, als Hanseaten-Azubis, müssen es uns immer wieder hinter die Ohren schreiben: Hamburgs Bühnen machen glücklich. Sonnabend haben wir unsere Karten für Jonathan Franzen im Thalia abgeholt. Ist zwar nur eine Lesung. Aber glücklich macht es uns dennoch. Und nehmen uns ganz fest vor, in dieser Spielzeit wieder mehr ins Theater zu gehen.

 

2. Hanseaten speisen mit Blick auf die Alster

 

1190 stauten die Hamburger ihre Alster zu einem See. 1616 trennten sie ihn in zwei Hälften, die Innen- und Außenalster. So wurden aus nur zwei Flussufern acht unterschiedliche Panoramen mit einer Gemeinsamkeit: das sind richtig feine Adressen mit richtig feinem Ausblick.

 

Alsterfontaene

 

Ein Lunch mit Blick auf die Alsterfontäne hat für Hanseaten einen nie versiegenden Zufriedenheitsfaktor. Man freut sich einfach der Aussicht wegen. Und im Restaurantschiff  friends am Ballindamm über das Mittagsmenue. Bestehend aus Udon-Suppe mit Hühnchen, Avocado-Lachs Tempura, Limettenmousse mit Sesamcrumble für – festhalten – € 9,90.

 

 

Einziger Nachteil: Das Essen im friends ist so reichhaltig und der Ausblick so wunderbar, dass man ewig sitzenbleiben möchte. Die Lust auf´s Shoppen schrumpft auf Null. Besonders bei uns, deren Skala eh nur bis 0,5 reicht.

Shoppen ist ohnehin nicht hanseatisch. Der Hanseat geht einkaufen. Wenn er etwas braucht. Und das macht er natürlich nicht irgendwo.

 

3. Hanseaten sind ehrwürdige Kaufleute

 

Ich will gar nicht viel Worte über die Gleichmacherei der Städte durch die immer gleichen Handelsketten verlieren. Das Problem ist durchgekaut. Und man bekommt halt nur so viel Vielfalt, wie man zu unterstützen bereit ist.

Noch gibt es sie immerhin, die liebevollen Spezialgeschäfte, die ihren Waren Wert zumessen.

 

Alstertor

 

Eins davon ist Dr. Götze Land & Karte. Das Elysium für Reisende, ob in Gedanken oder real. In Deutschlands größter geografischer Fachbuchhandlung gibt es Landkarten, Seekarten, historische Karten, neue Karten, Stadtpläne, Reiseliteratur, Globen, Atlanten, Kalender, Fotobände, Schnickschnack auch und den Duft der großen, weiten Welt mit einer Prise Bibliotheksgeruch.

 

 

Und wenn man dann nach langer, langer Zeit den Laden mit einer Panoramakarte von Norddeutschland verlässt, weiß man sehr genau, warum amazon einfach nicht schockt. Nie schocken wird. Was eine prima Überleitung ist zu

 

4. Hanseaten setzen auf Traditionen

 

Was haben die Hamburger gebangt, als die Renovierung des Hotel Reichshof am Hauptbahnhof angekündigt wurde. Dabei war´s natürlich nötig, denn der Lack ganz gewaltig ab.

Und wie man jetzt endlich wieder sehen kann, ist das Wesentliche wunderbar geblieben. Und das, was nach 100 Jahren nicht mehr so wunderbar war, fabelhaft aufgemöbelt worden.

 

Hotel Reichshof

 

Prädikat: Unbedingt hingehen. Unbedingt bezaubern lassen von der Atmosphäre, dieses altehrwürdigen Hauses in der Kirchenalle. Das beides gleichzeitig ist: richtig elegant & richtig entspannt.

 

 

Täglich um 16.00 Uhr wird Martha´s Afternoon Tea in der Lobby serviert; mit Scones, Sandwiches, Petit Fours und zubereitet mit Wasser aus der hoteleigenen Quelle. Genau wie der erstklassige Kaffee.

 

Coffeetime

 

Die Besonderheit des Reichshofs besteht darin, dass man trotz vieler moderner Elemente in alte Zeiten abtaucht. Vielleicht in das London der Jahrhundertwende. Denn den Vergleich mit der englischen Metropole liebt der Hanseat seit jeher. Daher auch der hanseatische Hang zum Understatement.

 

5. Hanseaten bleiben auf dem Teppich

 

Der hanseatischste aller Orte befindet sich nicht in der Innenstadt. Sondern da wo Hamburg unspektakulär und provinziell ist. Im Partykeller eines Reihenhaus in Langenhorn. Da amüsierten sich schon Giscard D`Estaing und Henry Kissinger. Und an der Klingel steht Helmut Schmidt.

Letztlich sind Hanseaten Händler. Weit gereist und gewieft. So sehr sie ihre freie und Hansestadt auch lieben, wissen sie doch: Hamburg ist nicht die schönste Stadt der Welt. Und Arroganz ist schlecht fürs Geschäft.

 

Nordnordfriesland: Unsere Landschaft gewordene Bucket-List

Letztens hatten wir erstmals den Eindruck, in einer Gegend ohne jeglichen Charme gelandet zu sein. Das war in Nordnordfriesland (also Südtondern).

Ich hatte mich schon häufiger gefragt, wie es sich wohl dort lebt, wo alle immer nur wegwollen. Denn Nordnordfriesland ist das Drehkreuz zu den nordfriesischen Inseln und Halligen und wird daher von vielen Touristen lediglich im Vorbeifahren wahrgenommen.

Wir starteten in Klanxbüll. Dort, wo man sich als Syltreisender immer so freut, weil es gleich auf den Hindenburgdamm geht. Dieses Mal aber waren wir gekommen, um die Küste in südlicher Richtung abzufahren.

 

Karte

 

And equal it goes loose: Der Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog

Koog nennt man Land, das der See abgerungen wurde. Vereinfacht gesagt, errichtet man einen Deich im Meer und entwässert das Land dahinter so lange bis es trägt. Es gibt zauberhafte Kooge. Das sind diejenigen, die für den Küsten- oder Naturschutz errichtet wurden.

Und es gibt Kooge, die exzessiv wirtschaftlich genutzt werden. So einer ist der Friedrich-Wilhelm-Lübke Koog. Sein Namensgeber war der ältere Bruder vom tüdeligsten aller Bundespräsidenten und selbst Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.

In den 1950er Jahren ließ er den Koog errichten, um Flüchtlinge aus den Ostgebieten anzusiedeln. Was wir kaum glauben mochten. Denn die Ödnis machte uns sprachlos. Man stelle sich einen unendlichen braunen Acker vor mit Wellblechhallen und Windrädern, Windrädern, Windrädern.

 

Suedwesthoern

 

Warum ich das so ausführlich schreibe, hat damit zu tun, dass es unserem Eindruck nach auf den folgenden 30 Kilometern überall so aussah. Wir konnten uns für fast nichts hinterm Deich erwärmen. Und selbst davor war es…. mmh… schwierig.

Ich sags mal so: Die Küste Nordnordfrieslands ist bei Hang zu traurigen Gedanken nicht unbedingt zu empfehlen. „Oder gerade“, sagte Volko, der immer das Gute an einer Situtation sucht. „Vielleicht wenn man einen sehr tragischen Liebesroman verfassen möchte. Oder einen düsteren Krimi“.

Wer das also vor hat, dem sei Südwesthörn ans Herz gelegt.

 

BadestelleSuedwesthoern

 

In Südwesthörn steht das hässlichste Schöpfwerk der Welt. Und dahinter befindet sich die nördlichste Badestelle Deutschlands, die auch nicht gerade der Inbegriff von Leichtigkeit ist.

Nordseebad

 

Allerdings führt dort auch der beste aller Stege ins Wattenmeer. Die Planken schwingen bei jedem Schritt. Wasser schwappt einem über die Füße. Und das Tollste ist, dann man ein kleines (mini) bisschen auf Sylt und Föhr zuläuft.

 

Steg

 

Nordnordfriesland ist eine Landschaft gewordene Bucket-List

Denn man hat sie ja alle immer vor sich, die Inseln und Halligen, (von denen wir die meisten noch nicht kennen.) Und so sammelten wir im Laufe des Tages erstaunliche 10 Dinge, die wir gern einmal tun würden.

Von Südwesthörn etwa kann man (1.) zu Fuß nach Föhr laufen. Nur geführt, versteht sich. Denn das Wattenmeer ist unberechenbar.

Föhr gilt ja als friesische Karibik und wir würden zu gern mal wissen, ob da was dran ist. Gern würden wir auch die klassische (2.) Wanderung von Föhr nach Amrum unternehmen wollen. Schon irre der Gedanke, dass man hier von Insel zu Insel zu Hallig marschieren kann. Zurück nähmen wir die Fähre nach Dagbüll.

 

FaehreDagebuell

 

Dagebüll: das Fenster zur Nordsee

Dagebüll liegt gut 10 Kilometer südlich von Südwesthörn und man kennt es vom Wetterbericht. Nähert sich der Nordseeküste ein Orkan, steht zwangsläufig ein Wettermensch mit Puschelmikrophon auf der Mole von Dagebüll, weil die so schön dramatisch ist. Selbt bei gar nicht viel Wind knallt das Meer recht heftig an die Kaianlagen. Weswegen die Parkautomaten auf Podesten stehen.

 

 

Wie so viele Ortschaften in Nordnordfriesland befand sich Dagebüll früher mal auf einer Hallig. Und irgendwie haben die Dagebüller das Gefühl konserviert, von der Welt abgeschnitten zu sein. Obwohl sich Züge, Bussen und Autos in langen Schlangen vor den Fähren einreihen, sieht Dagebüll so aus, wie man sich ein verlassenes, belgisches Seebad vorstellt.

 

 

Drei Dinge sind aber toll an Dagebüll. Die Badehäuschen, die es nur hier gibt. Die Inseln und Halligen am Horizont. Und die (schwupps – auf die In-der-Nähe-bleiben-Bucket-List) (3.) Lorenbahn nach Oland.

 

 

Die Lorenbahn darf nur nutzen, wer auf Oland übernachtet. Darüber habe aber ich eh schon nachgedacht, seit  Meermalerin Julia den kleinsten Leuchtturm Deutschlands präsentierte. Und wenn man schon mal auf Oland wäre, könnte man auch gleich (4.) eine Wattwanderung auf die größte Hallig, Langeness, unternehmen.

 

Wanderin

 

Wer nicht so gerne wattwandert, ist richtig in Schlüttsiel, einem weiteren melancholischen Hafen knapp 10 km südlich von Dagebüll.

 

Hafen Schluettsiel

 

Schlüttsiel, Mekka der Halligtouristen

 

Schluettsiel

 

Am Schönsten soll der 5) Ausflug nach Hallig Gröde zur Halligfliederblüte sein. Ich kenne nur Hallig Hooge und Volko war sogar noch nie auf ner Hallig, denn er ist ja aus Süddeutschland. Also nicht traumatisiert wie Grundschüler aus Schleswig-Holstein.

Die werden nämlich traditionell (mit Pech zwei, drei Mal) gezwungen, auf Hooge im Regen von Warft zu Warft zu latschen. Inzwischen würde ich sie auch noch mal freiwillig besuchen. Denn ich möchte zu gern mal (6.) einen der großen Außensände erleben. Von Hooge könnte man z.B. nach Jeppsand gelangen.

 

Gepaeckwagen

 

In Schlüttsiel hatten wir dann genug von traurigen Häfen. Ich schätze, für´s nördliche Nordfriesland muss man geboren sein. Obwohl es auf seltsame Art inspirierend war,  blieb dieser Küstenabschnitt für uns eben einer, von dem man in erster Linie wieder wegwill. Und weil wir eher Leute sind, die gern irgendwo ankommen, steuerten wir noch mal 10 km südlich zur

Hamburger Hallig, eine Hallig für Anfänger

Streng genommen ist die Hamburger Hallig keine Insel, da sie mit einem Damm mit dem Festland verbunden ist. Aber gerade das ist das Gute, denn so kann man allerfeinst 4 km durch Salzwiesen fahren. Am besten natürlich mit dem Fahrrad. Der Verleih befindet sich direkt am Deich im Informationszentrum.

Damm Hamburg Hallig

Auf der Hamburger Hallig gibt es nur zwei Warften: Die des NABU, mit dem passenden Namen Schafwarft. Und die Warft ohne Namen, mit dem Restaurant Hallig Krog.

 

Schafwarft

Der Hallig Krog hat von Anfang April bis Ende Oktober geöffnet und ist der Hauptanziehungspunkt aller Ausflügler.

Wer nicht so für Massenaufläufe zu haben ist, sollte sich dadurch aber nicht von einem Ausflug auf die Hamburg Hallig abhalten lassen.

Es ist dort wirklich schön und wie immer braucht man nur zwei-, dreihundert Meter in eine x-beliebige Richtung gehen und schon hat man die Sache für sich.

 

Hamburger

 

Die Hamburger Hallig ist Teil der ehemaligen Rieseninsel Strand, die in den großen Flut von 1634 auseinandergerissen wurde. Schon oft zuvor war die Insel Strand überflutet worden. Beispielswiese 1362, als das legendäre Rungholt unterging.

 

Watt

 

Was von Strand übrig blieb, kann man von der Hamburger Hallig aus erkennen (und auf seine Bucket-List setzen):

(7)  Nordstrandischmoor; noch so eine Hallig auf die man mit einer Lore reist sowie die Inseln 8) Pellworm (edit: erledigt) und 9) Nordstrand (edit: erledigt).

Um die Sache rund zu machen, fehlt nur noch 10) eine Kutschfahrt von Nordstrand zur  Hallig Südfall, (wo nur 2 Menschen leben, was ich voll niedlich finde.)

Karte2

 

Was uns auf der Hamburger Hallig aufgefallen ist: Abgesehen von der Husumer Bucht haben wir inzwischen die gesamte Nordseeküste Schleswig-Holsteins besucht. Fehlt also nicht mehr viel, bis wir hier unser erstes Best Of posten.

Sonnabendabend in Tönning

Töning ist eine Kleinstadt an der Eider. Wer aus Hamburg nach St. Peter Ording fährt, kann sie nicht verfehlen. Denn es führen ja nicht gerade viele Wege auf die Halbinsel Eiderstedt. Von Süden kommend, überquert man zwangsläufig den zweitgrößten Fluss Schleswig-Holsteins in Sichtweite des Hafens von Tönning.

 

Hafenansicht

 

Menschen wie wir (die es direkt an den Strand zieht), lassen Tönning für gewöhnlich links liegen. Nachdem uns Ulrike aber neulich neugierig gemacht hat, sind wir endlich mal eingebogen. Das war auf dem Rückweg von Westerhever.

Wir hatten Hunger, jedoch keine Lust auf das Gewusel von St. Peter Ording. Im Moment teilt sich Norddeutschland nämlich auf. In ausgewählten Hochburgen tobt die Saison noch wie im Juli. In anderen Gegenden sind bereits die Bürgersteige hochgeklappt. Tönning ist etwas dazwischen.

 

Fassade

 

Womit ich meine: Tönnig ist genau richtig, wenn man einen Tag am Meer in Ruhe ausklingen lassen möchte. Da waren ausreichend Menschen und gastronomische Angebote um sich wohlzufühlen. Aber nicht so viele, dass es unangenehm gewesen wäre. Und schon gar kein Touristen-Nepp. Das nahmen wir jedenfalls an. Denn in den kleinen Fischrestraurants am Hafen speisten jede Menge Einheimische. Was ja immer ein gutes Zeichen ist.

 

Hafen Toenning

 

In allen Restaurants stand „Scholle satt“ auf der Karte; die Preise schwankten zwischen 14 und 16 Euro (was man als Hamburger kaum glauben kann). Aber so war´s. Und wenn Schleswig-Holsteiner ein Gericht „satt“ anbieten, dann meinen die das auch so.

 

Scholle satt

 

Für den Anfang wurden uns 6 Schollen serviert; also 3 pro Person. Und wir wurden während des Essens mehrmals gefragt, ob es noch einige Schollen oder Bratkartoffeln mehr sein dürften. Die Tönniger an den Nebentischen wünschten das durchaus (noch so was, das man als Hamburger kaum glauben kann).

 

Markplatz

 

Nach dem Essen spazierten wir  „Tönning rund“. Der Weg ist praktischerweise mit Fisch-Graffitis auf dem Asphalt markiert. Aufsteller mit historischen Fotografien erzählen von Tönnings wechselvoller Geschichte. Man sieht aber auch so, dass Tönning mal richtig bedeutend war. Einer der wichtigsten Häfen an der kontinentaleuropäischen Nordseeküste.

 

Marktplatz Toenning

 

Davon zeugt beispielsweise das alte Packhaus. Heute wird es als Kulturzentrum genutzt und verwandelt sich im Dezember in den längsten Adventskalender der Welt. So steht es im Guiness-Buch der Weltrekorde und ich stelle mir das sogenannte Tönniger Weihnachtsereignis sehr, sehr stimmungsvoll vor.

 

Packhaus

 

Noch stimmungsvoller finde ich die Eider. Der Weg von der Innenstadt zum Strandbad ist wie gemacht für einen Abendspaziergang. Bei Niedrigwasser liegt auf dem Süßwasserwatt ein ganz bestimmter Goldschimmer.

 

Eider

 

Am liebsten wären wir immer weitergelaufen. Bis zum Eidersperrwerk oder dem Katinger Watt. Doch da ja selbst an der Westküste die Tage langsam merklich kürzer werden, heben wir uns das für ein anderes Mal auf.

 

Rotlichtviertel Nordseestuben

Westerheversand

Die Sandbank von Westerhever

Zu den 100 Dingen, die man zwischen Nord- und Ostsee mal getan haben sollte, gehört das Fotografieren des Leuchtturms von Westerhever. Das habe ich bei Nine gelesen. Sie hakt die 100-Punkte-Liste des Radiosenders RSH so nach und nach ab. Was ich gespannt verfolge. Nach eineinhalb Jahren in der Nähe haben wir einige Dinge davon natürlich schon erledigt. Zum Beispiel den Leuchtturm von Westerhever fotografiert.

 

Leuchtturm Westerhever

 

Was wir verpasst hatten, als wir den Leuchtturm von Westerhever fotografierten, wollten wir dieses Jahr unbedingt nachholen. Nämlich den Strand von Westerhever sehen, bei dem es sich um eine galaktische Sandbank handelt.

Auf unterschiedlichsten Tourismusseiten wird behauptet, man müsste bei Hochwasser eine halbe Stunde durch knietiefes Wasser waten, um auf die Sanbank zu gelangen.

Die Vorstellung fand ich cool, aber wir machten den Anfängerfehler auf den ultimativen ultraheißen Sommertag ohne weitere Verpflichtungen zu warten. Der kam nicht.

Zum Glück erinnerte mich Nines Beitrag daran, dass man den Norden eben nehmen muss, wie der Norden eben ist. Unbeständig. Und so machten wir uns vergangenen Sonnabend auf den Weg.

 

Aussendeich

 

Westerhever liegt ein paar Kilometer nördlich von St. Peter Ording. Das Auto muss man in der Nähe des Deiches auf einem kostenpflichtigen Parkplatz abstellen. Von dort sind es etwa zweieinhalb Kilometer bis zum bekanntesten Wahrzeichen der Halbinsel Eiderstedt.

Auf dem Parkplatz parkten Massen und Busse. Sie alle wollten den Leuchtturm von Westerhever fotografieren. Einer Informationstafel entnahmen wir, dass die Leuchtturm-Führungen für die kommenden zwei Tage bereits ausgebucht waren. Und dass es Viertel vor Hochwasser war.

 

Moewenschritte

 

Als wir durch die Salzwiesen trabten, thematisierten wir ohne Ende, wie kalt das knietiefe Wasser wohl sein würde. Aber gut war schon mal, dass alle Welt irgendwann links zum Leuchtturm abbog, während wir zu den Wenigen gehörten, die geradeaus liefen.

 

Salzwiesen

 

Am Ende trafen wir dann aber nicht auf Wasser sondern auf eine Eiderstedt-typische Wüstenweite. Vielleicht lags am Ostwind? Vielleicht hielt er die Nordsee in Schach? (Das wäre ein schöner Grund den Ostwind ein wenig mehr zu lieben. Normalerweise mag ich ihn nicht. Denn Ostwind ist oft kalt.)

 

Westerhever Strandweg

 

Holzpfähle markieren den Weg, den man gehen müsste, wenn Land unter wäre. Man kann an den dunkleren Absätzen gut erkennen, dass die Pfähle tatsächlich manchmal von der Nordsee umspült werden. Bei uns war aber alles knochentrocken. Bis zur Rettungsinsel brauchten wir 20 Minuten. Inklusive der üblichen Eiderstedt-Pausen, in denen man fassungslos stehenbleibt. Weil der Strand einen beinahe umhaut.

 

Rettungsinsel Westerhever

 

Wäre Gabi nicht schon mit Norbert und Dirk hier gewesen, hätte ich angenommen, der erste Mensch zu sein, der diesen Strand je betreten hat.

 

Gabi

 

Warum wir derart für uns waren, kann ich mir nicht erklären. Wir haben schon ab und zu mal jemanden am Horizont entdeckt. Doch wirklich nicht sehr viele. Da sag noch mal einer, es gäbe keine einsamen Strände in Deutschland.

 

Notruf

 

Bei Hochwasser und Ostwind ist die Sandbank von Westerhever exakt eine halbe Stunde breit und eine ganz Stunde lang. Das habe ich Schritt für Schritt vermessen.

 

Stefanie

 

Praktisch ist, dass man sich auf der Sandbank nicht verlieren kann. Auch wenn man ein höchst unterschiedliches Tempo fährt, behält man seine Begleitung immer im Blick.

 

Sonnenbad

 

Oben: Volko beim Sonnenbad. Unten: Ich bei der Vermessung der Welt.

 

Sandbank Westerhever

 

Die Nordsee gluckerte so leise vor sich hin. Schwärme von Möwen und Nonnengänsen flogen auf. Und ab. Es war unfassbar schön. So dass mein Bedauern nicht schwimmen gehen zu können (weil: zu kalt), sich in Grenzen hielt.

 

Moewenschwarm

 

Wenn man mich fragt, ist die Sandbank von Weserhever eine viel größere Attraktion als der Leuchtturm. Aber Menschen sind natürlich unterschiedlich. Ist ja auch gut so.

 

weitweg

 

Für mich war das jedenfalls ein toller Ort, um mich vom norddeutschen Sommer 15 zu verabschieden. Ich habe lange auf zwei-drei Wochen Schönwetter am Stück gewartet. Und komme nicht umhin, die Vergeblichkeit endlich anzuerkennen. Ehrlich, ich habe schon bessere Sommer erlebt. Dieser bestand in meinen Augen aus kurzen Hitzeanfälle zwischen ziemlich viel Regen.

 

Strandgut

 

Interessanterweise habe ich auch schon andere Meinungen über den Sommer 2015 gehört. Offenbar bin ich in dieser Hinsicht die Dame mit dem halbleeren Glas (obwohl ich mich immer bemühe, das halbvolle zu sehen). Sei´s drum: Tschüß Hochsommer 2015! War trotzdem irgendwie schön mit Dir.

 

WieimTraum

 

Apropos Abschied: Auf dem Rückweg machten wir noch einen kurzen Abstecher zum Hafen im Tümlauer Koog. Hier blickt man über die letzte nicht eingedeichte Bucht an der Westküste Schleswig-Holsteins – bis zum Leuchtturm von Westerhever.

 

Ruhe

 

Angesichts der Einsamkeit und Schrabbeligkeit kann man sich nicht vorstellen, dass der Hafen zu St. Peter Ording gehört. Ein richtig guter Platz zur inneren Einkehr. Es ist so unglaublich still.

 

Hafen St. Peter Ording

 

Stille erhoffe ich mir übrigens auch von unserem nächsten Kurztrip in die Nähe. Im Oktober werden wir zum allerersten Mal in unserer Funktion als Blogger auf eine Reise eingeladen. Aufregende Sache für uns. Also, ich freu mich auf den Herbst. Aber vorher warte ich noch auf zwei-drei Schönwetter-Spätsommer-Wochen am Stück.

Das macht man eben so als Norddeutsche. Glaube-Liebe-Hoffnung, das ist unser Prinzip.

 

Its A Mans World: das Automuseum PROTOTYP & Stadtpark-Revival

Zum ersten Mal leuchten seine Augen etwa 3 Sekunden nachdem wir das Automuseum PROTOTYP betreten haben. So lange braucht sein Blick, um über geschätzte 20 Schöheiten hinwegzugleiten, um an etwas Grasgrünem Anker zu werfen. „Wow“, sagt Volko. „Sein Erster.“

„Wessen?“, denke ich.

„Spa 1991“, sagt Volko. „Ardennen-Achterbahn. Eau Rouge. Sein einziges Rennen für Jordan. Er hat irgendwo in einer Jugendherberge übernachtet. Aber Willi Weber wohl nicht. Der kam ja angeblich aus einem anderen Millieu.“

„Wer?“, denke ich.

Und Volko spult nun Daten ab, die mir schleierhaft bleiben. Wovon redet er da? Woher weiß er das bloß alles?

„So was weiß ein Mann eben“, sagt Volko. Es ist der erste Klischee-Schnack, den ich in beinahe 10 Jahren je von ihm gehört habe.

Aber das hier ist etwas anderes. Das hier ist das Museum der Jungsträume. Der Männerphantasien. Das hier ist für solche gemacht, die bei Steve McQueen und James Dean nicht „Hach“ seufzen sondern vor allem an ihre Autos denken. Und wissen, dass er, der sein allerstes Formel-1-Rennen in Spa 1991 fuhr, natürlich Michael Schumacher ist.

So was weiß ein Mann eben.

 

Automuseum Prototyp

 

So was weiß eine Frau übrigens manchmal auch. Jedenfalls Carolin Peiseler vom Automuseum PROTOTYP. Sie hat uns in das Haus in der Hafencity eingeladen. Wir dürfen für das Stadtpark-Revival (ein Autorennen) recherieren. Dass Frauen ihren Männern zuliebe ins Auomuseum kommen, kennt sie schon.

„Männer besuchen uns wegen der Technik. Frauen finden über die Ästhetik und die Geschichten einen Zugang.“

Ästhetik wird überhaupt groß geschrieben in der ultraschicken ehemaligen Gummi-Fabrik von 1904. Gäbe es eine Auto-Vogue, hier säße die Redaktion. (Beim Klicken auf die Galerie, werden die Bilder größer.)

 

 

Wer Ästhetik sagt, muss auch Porsche sagen. Hier der Typ 64 von 1939; hergestellt nach den frühen Plänen des Käfers für ein Propagandarennen von Berlin nach Rom. Es ist der Wagen 2 von insgesamt 3 je gebauten.

 

Berlin-Rom

 

Die Geschichten im Automuseum handeln von Konstrukteuren, Rennfahrern, Grafikern, Filmemachern, Fotografen und natürlich Autos, Autos, Autos. Nicht nur Protoypen sondern auch Serienwagen, Rennwagen, Eigenbauten und Unikate.

 

Automuseum Hamburg

 

Das alles ist liebevoll medial aufbereitet. Da gibt es beispielsweise ein Kino, eine Bibliothek, eine Schrauberwerkstatt, einen Porsche 356 Speedster-Fahrsimulator und eine Audiobox, um Motorengeräusche so laut zu hören, wie es sich nun einmal gehört. Nicht Geräusche, berichtigt mich Volko, es sind Klänge. Eine Sinfonie. Und dann schaltet er noch einmal den Ferrari an. 12-Zylinder.

 

Prototyp Hamburg

 

Vergesst die Ohrenstöpsel beim Stadtpark-Revival nicht, rät uns Carolin, als sie uns die hauseigene Rennabteilung zeigt. Normalerweise werden diese Räume für Parties und Fotoshootings vermietet. Jetzt werden Formelwagen auf ihren großen Auftritt beim Stadtpark-Revival vorbereitet.

 

RennabteilungAutomuseum

 

Das Stadtpark Revivial findet seit 1999 jährlich Anfang September statt. Auf einer historischen Strecke, auf der in den 1930er bis 1950er Jahren das Hamburger Stadtparkrennen ausgetragen wurde, jagen sich Rennmaschinen und Sportwagen.

Du musst was über den Geruch schreiben, sagt Volko. Und atmet tief ein, während wir durch das Fahrerlager traben.

Also schön: Es riecht nach Benzin. Und es ist laut. Sehr, sehr laut.

Erinnert mich total an meine Kindheit, sagt Volko vergnügt.

 

Porsches

 

Selbstverständlich trägt Volko keine Ohrenstöpsel. Würde er nie machen. Denn er will es ja hören. Und fühlen.

Es ist beinahe auf den Tag 45 Jahre her, dass der Rennsportvirus Volko infizierte. Dass war am 5. September 70 in Monza. Er erinnert sich an Italienische Männer die ihn hoch über die Balustraden hoben, damit er sein erstes Formel-1-Rennen sehen konnte. Die ihn mit Weintrauben fütterten. Und an eine plötzliche Stille.

Es war das Rennen, bei dem Jochen Rindt tödlich verunglückte. Warum ihn das Erlebnis nicht abgeschreckt hat, kann Volko mir nicht erklären.

Jochen Rindt selbst hat mal gesagt: Keiner von uns weiß, wie lang er lebt. Jede Stunde bringt uns näher an das Ende unserer Tage. Darum sollten die Menschen die Zeit nützen. Du hast in meinen Augen die Pflicht, möglichst viel möglichst schnell zu tun.

Its A Mans Philosophy.

 

 

Autorennen sind Heldenverstaltungen. Auch das Stadtpark-Revival. Unten Tom Kristensen. Der Däne ist mit neun Gesamtsiegen der erfolgreichste Pilot des legendären 24-Stunden-Rennen von Le Mans.

 

Silberpfeil

 

Die Stimmung im Fahrerlager ist bestens. Das Automuseum PROTOTYP ist mit verschiedenen Wagen und Fahrern am Start. Beispielsweise mit dem Wendler. Dem echten Wendler (dem Porsche) und nicht dem aus dem Dschungel.

 

Wendler

 

Oliver Schmidt, Gründer des Automuseums PROTOTYP im Otto Mathé Fetzenflieger und im Porsche 718/2.

 

Fetzenflieger

 

Einige Autos im Automuseum sind Leihgaben, wie der Veritas Meteor von Stefan. Der Rheinländer weiß, dass sein Wagen in der Hafencity gut aufgehoben ist. Sonst hätte er ihn auch nicht für eine Sonderausstellung zur Verfügung gestellt. Immerhin gehört er zu den letzten drei Modellen auf der Welt. Beim Stadtpark Revival fährt Stefan den Wagen natürlich selbst.

 

Veritas

 

In seinem Alter, sagt der 52jährige Ex-Unternehmer, habe man vielleicht noch zwanzig richtig gute Jahre. Ein paar mehr, wenns phantastisch läuft. Er kennt viele Unternehmer, die mit über 70 noch rund um die Uhr arbeiten. Und dann ist das Leben irgendwann vorbei. Er hat darum einen Cut gemacht. Alles verkauft. Worum es ihm jetzt geht, möchte Volko wissen.

Stefan: Nette Menschen. Gutes Essen. Freizeit. Und Autos… Autos…. Autos….

Volko: Welches ist Deine Traumstrecke?

Stefan: Der Wagen ist schon in Monaco gefahren. Aber ich noch nicht. Das wäre noch mal was. Rennsport ist meine Leidenschaft. Und irgendwann muss sich ein Mann auch seine Träume erfüllen. Ich bin nach Hamburg gekommen, um mein Auto auf dieser alten, ehrwürdigen Stecke auszuprobieren. Und es ist ganz phantastisch.

Volko: Hast Du früher auch schon Rennsport gemacht?

Stefan: Dazu bin ich leider nicht gekommen. Aber ich hole das jetzt seit einigen Jahren nach. Ich fahre nur Oldtimer-Rennen. Nürburgring. Nordschleife. Etc. Was jeder mal gesehen haben sollte, ist 1. Hamburg. 2. die Hamburger. Und 3. das Automuseum PROTOTYP. Hamburg finde ich gut, weil man hier auch mal eine Zigarre in der Bar rauchen darf. Und mit den Leuten komme ich gut zurecht. Man sagt ja immer, die Norddeutschen wären kühl. Aber das stimmt überhaupt nicht. Man kommt leicht mit ihnen ins Gespräch. Wir Rheinländer sind ja auch ganz spaßig.

Da die beiden gerade beim Spaß sind, möchte Volko von Stefan noch wissen, ob auch seine Frau eine Leidenschaft für den Rennsport hat?

Und Stefan so: Ja, äh, öh, ich denke mal, weniger. Und grins, grins, grins.

 

Stefan beim Stadtpark Revival

 

Tja, its a mans world. But it would be nothing – NOTHING – without a women and a car.

 

Porsche356

 

Die Frau, die Volkos Welt an diesem Tag perfekt macht, ist Carolin Peiseler vom Automuseum PROTOTYP. Denn sie organsiert das Auto bzw. den Beifahrersitz. Volko geht mit Ulrich Schmidt im Porsche 356 A Speedster auf die Strecke. Das Leuchten in seinen Augen: unbezahlbar.

 

 

Übrigens: Der Porsche 356-Welt widmet das Automuseum PROTOTYP ab dem 13. November die Sonderausstellung Very Important Porsches. Wenn man mich fragt: Das ist ein hervorragendes Nikolausgeschenk für einen Mann.

 

VIP

 

Automuseum PROTOTYP
Shanghaiallee 7

Geöffnet Di – SO von 10.00 bis 18.00 Uhr

Eintritt: € 10,–

Kinder: € 4,50