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Alles im Fluss am Köhlbrand

Der avisierte Abriss der Köhlbrandbrücke im Jahr 2030 erfüllt viele Hamburger mit Wehmut. Dabei ist sie selbst ein Symbol für den ständigen Abschied und das ständige Wiederanfangen. Denn ein Hafen ist ja immer Wandel.

Obwohl weithin sichtbar, war der Zugang zur Köhlbrandbrücke nie leicht zu finden. Dahinter steckte Absicht. Man verzichtete komplett auf Ausschilderung, um den Verkehr in Maßen zu halten.

 

Renovierungsstau

 

Erst seit die Brücke renoviert wird und nur noch einspurig befahren werden kann, ist es selbst für Ortsunkundige ganz easy: Von der A7 und der Hafencity weisen jetzt nämlich Stau-Warnungen den Weg.

 

underthebridge

 

Dementsprechend ist nun wochentags immer Stau auf der Brücke. Wer´s nicht so mit Höhe hat, kann da leicht Zustände kriegen. Besser läufts am Sonntag. Wenn der Hafen sich ausruht, hat der Hafentourist freie Fahrt. Dann kann man auch mal in aller Ruhe nachsehen, was unter der Brücke so los ist; etwa in Neuhof.

 

 

In Neuhof lebten einmal 3.000 Menschen. Und heute keiner mehr. Die wunderschöne Siedlung aus den 1920erJahren wurde in den 1970ern abgerissen. Es war nicht die erste Vertreibung vom Köhlbrand. Und nicht die letzte.

Der Köhlbrand, ein Mündungsarm der Süderelbe, ist so was wie das Gegenteil der Hafencity. Während in der Hafencity in unfassbarem Tempo urbaner Lebensraum entsteht, wurde der Köhlbrand über Jahrzehnte entvölkert.

 

koehlbrandbrueckevonunten

 

Auf der südlichen Seite der Köhlbrandbrücke, in Waltershof, befand sich früher ein 800 Meter langer Sandstrand. Die Arbeiterwohlfahrt betrieb hier eine Ferienkolonie für Kinder. 10 Pfennig kostete die Überfahrt von St. Pauli.

 

Waltershof Hamburg

 

Selbst wenn der Strand nicht längst durch Hafenerweiterungen verschwunden wäre, würde man dort inzwischen wohl nicht mehr so gern baden gehen. Durch Waltershof dröhnt die A7. Und das nicht zu knapp.

 

Waltershof

 

Einer der seltsamsten Ort im Hafen ist sicher Altenwerder. Das Dorf wurde für einen Containerterminal plattgemacht. Die letzten Einwohner kämpften bis 1998. Am Ende ist nur die Kirche St. Getrud übriggeblieben.

 

St. Gertrud

 

Die Kirche von Altenwerder liegt im absoluten Nirgendo zwischen Autobahn und Containerterminal. Zwei mal monatlich findet ein Gottesdienst statt. Ab und zu lädt die Gemeinde zum Tag der offenen Tür oder Konzerten. Heiraten darf man dort auch noch. Eine schöne Tradition sind die Bäume der Hoffnung, die auf dem Kirchplatz traditionell von den Hochzeitspaaren gepflanzt werden.

 

 

Erstaunlicherweise haben wir die Stimmung am Tag der offenen Tür als fröhlich empfunden. Obwohl die ausgestellten Bilder und Filme natürlich nachdenklich machen. Die Liebe der Altenwerder Bevölkerung zu ihrer verlorenen Heimat spiegelt sich in jedem Dokument.

 

Altenwerder

 

Rund um die Kirche ist ein kleines Biotop entstanden. Das ist auch ein verwirrender Gedanke. Wo mal Parkplätze waren, wuchert heute wieder die Natur.

 

 

Unterm Strich ist es nun mal so: Im Hafen ist nichts für die Ewigkeit. Manchem Wandel weint man keine Träne nach. Anderes erfüllt mit Wehmut. Neubauten entstehen, alte Hafenbecken verschwinden, Schuppen werden umgenutzt und an anderere Stelle fallen dafür riesige Areale wieder brach. Ist eben alles immer im Fluss. Am Fluss.

 

Spiegelung

12 Kommentare

  1. das ist wirklich wehmütig mit der Köhlbrandbrücke…wo ich doch bei der Eröffnung drübergelaufen bin…und jahrelang mein Touristen-Geheimtip (nachts über die Köhlbrandbrücke fahren)…Gibt es noch die Hausboote unter der Brücke?

    • Bist Du echt? Dann kann ich die Wehmut verstehen. Aber es wird ja eine größere Brücke geben (durch die dann auch alle Schiffe passen :-))

      Hausboote habe ich übrigens noch nie da gesehen. Wo denn?

      Liebe Grüße, Stefanie

  2. Also auf dem ersten Foto sieht die Brücke aus wie ein schwankendes Schiff! Grandios! Die Geschichte hinter der Brücke und Hafen ist ja leider nicht so grandios… Erinnert mich ein wenig an das Dorf Doel in Belgien, in dem immer noch fünf bis zehn Menschen ausharren und sich gegen die Ausbreitung des Antwerpener Hafens wehren. Ich werde bei Schwarzweiß-Aufnahmen aus den 50ern/60ern ja immer nostalgisch und finde alles VIEL schöner als heute. War es das wirklich? Wandel freut den einen und betrübt den anderen. Aber ob alles noch größer werden muss…? Ich meine eine größere Brücke, um größeren Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen? In Antwerpen ist das Argument: mehr Docks für mehr Kapazität…
    Mir gefällt die Kirche und die Idee, dass es dort diese kleine Insel gibt, die immer wieder mit Leben gefüllt wird. Und die Natur, die sich de Welt zurückerobert. So hat alles mehr als nur EINE Seite. Spannender Ort. Ich muss einmal dorthin! Bis 2030 sind es ja noch ein paar Jährchen. Sonnige Grüße in den Norden, Jutta

  3. Hallo Jutta, mir gehts wie Dir: Die Fotos aus den 50er und vor allem den 60er Jahren finde ich auch wunderschön. Musik und Mode aus den Sixties fand ich eh schon immer toll. Seit einigen Jahren kann ich auch viel mit der Architektur anfangen. Das hat alles so etwas Klares. Die Realität stelle ich mir aber hier und da etwas … äähhm … bleiern vor.

    Ob sich viele Menschen über den Wandel im Hafen freuen, weiß ich nicht. Ich glaube, diejenigen die dort arbeiten, haben nicht so romantische Gefühle was den Hafen betrifft. Sondern machen sich existenzielle Gedanken. Wenn Hamburg im Geschäft bleiben will, muss der Hafen wachsen. Ob es richtig ist – oder ob sich die Stadt ganz neu erfinden sollte, ist ein anderes Thema.

    Die Köhlbrandbrücke jedenfalls ist mittlerweile zu niedrig für größere Schiffe. Hin und wieder gibts auch mal einen Unfall; der dann Millionen kostet.

    Wie gesagt: Das sind total schwierige Fragen.

    Aber die Brücke schwankt nicht 🙂 Das jedenfalls kann ich mit Sicherheit sagen.

    Liebe Grüße in den Westen
    Stefanie

  4. Hallo Stefanie,
    wie habt ihr denn das 1. Foto gemacht??
    So oft dachte ich beim Drüberfahren schon: „jetzt müsste man aussteigen und Fotos machen können“ (genau das denke ich auch oft, wenn ich im Sommer so kurz nach 5 Uhr morgens in Ri Elbtunnel fahre und da die wunderschönsten Sonnenaufgänge erlebe und man nirgendwo anhalten kann/darf. 🙁
    Die Kirche von Altenwerder steht auch noch auf dem Besuchsprogramm….wie soooo Vieles.
    Danke für die tollen Fotos und Einblicke.
    Liebe Grüße Eva

    • Moin Eva,

      das geht mir früh morgens am Elbtunnel ähnlich. Ich habe schon oft gedacht, man müsste mal freiwillig (und mit Zeit) so früh hin. Am besten zu Fuß.

      Für das Foto von der Köhlbrandbrücke eignet sich wohl am besten der Sonntag. Aus der City kommend geht es noch mal rechts zum Roßhafen ab, wenn man eigentlich schon auf der Brücke ist. Fährt man vom Roßhafen wieder zurück hat man immer unheimlich lange Rot an der Ampel – so dass man mal kurz aus dem Auto springen kann, um zu fotografieren.

      Oder man kommt gleich mit dem Fahrrad. 🙂 Gerade rund um Altenwerder ist die Ausschilderung für Radfahrer ganz toll. (Da war auch so ein Hinweis zum Aussichtspunkt Moorburg – hat mich total interessiert. Ging aber nicht mit dem Auto. Vielleicht sehe ich es dann ja mal bei Dir 🙂 )

      Liebe Grüße und einen schönen Tag,
      Stefanie

  5. Liebe Stefanie, das sind ja superschöne Bilder von der Köhlbrandbrücke! Zur Eröffnung bin ich auch rübergelaufen; wir sind damals extra aus Uelzen angereist.
    Später lag der Köhlbrand auf meinem Arbeitsweg (an den Burchardkai) und ich hatte mich immer über Stau auf der Brücke gefreut. Dann durfte man als Fahrer auch mal die Aussicht über den Hafen genießen, die man ja sonst immer nur erhaschen konnte.
    In Altenwerder waren wir öfter nach der Arbeit Joggen. Ein Kollege hatte dort mal seine Turnschuhe neben dem Auto vergessen und die standen doch tatsächlich nach einer Woche immer noch da! Im Nirgendwo… LG Ulrike

    • Oh – arbeiten am Burchard-Kai ist natürlich toll. Stau auf der Köhlbrandbrücke ist allerdings nicht mein Fall. Ich krieg da immer panische Gedanken 🙂

      Falls es nicht an den Turnschuhen selbst lag, passt das in mein Bild von Altenwerder. Irgendwie sehr friedvoll da. Komischerweise.

      Grüße an die Nordsee, Stefanie

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