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Musterhaft: Stein- und Graswarder

Heiligenhafen nennt sich „die Warderstadt“ aufgrund der zwei vorgelagerten Halbinseln Steinwarder und Graswarder. Einmal rundrumgewandert hat man 10 km auf dem Schrittzähler und einen guten Überblick über 100 Jahre Tourismus. Geradezu exemplarisch für die Schleswig-Holsteinische Ostseeküste.

 

Karte Heiligenhafen

 

Für Karten-Freaks (wie mich): Der grüne Nehrungshaken im Osten ist der Graswarder. Der Steinwarder ist der orangene Teil der Halbinsel oberhalb des Binnensees. Die Verbindung nach Heiligenhafen entstand erst im Laufe der Jahrhunderte durch angegespülten Sand.

 

Das Beste was hier je passiert ist: Der Graswarder

 

1895 gründete die „Deutsche Badegesellschaft Heiligenhafen“ auf dem Graswarder eine erste Ferienkolonie. Damals war er noch eine Insel; erreichbar nur über eine Holzbrücke.

 

Blick zum Graswarder

 

Heute ist der Graswarder zwar über einen Damm zu erreichen, aber immer noch so etwas wie eine Insel der Glückseligen. Denn die Jungs von der Badegesellschaft machten alles, aber auch alles, richtig.

Es gibt keine Cafés, keinen Kiosk, nicht einmal eine geteerte Straße. Da sind nur zwei Handvoll Traumhäuser, zwei Jugendherbergen, der NABU und zwei Kühe.

 

Kuehe

 

In den Dünen beim Jugendheim hocken zerknitterte Kinder in Schlafsäcken vor den Zelten. Die Betreuer sitzen beim Frühstück. Es ist ja auch erst 10.00 Uhr, die Sonne lacht und ansonsten reget sich auf dem Graswarder nichts. Kein Grund hektisch zu werden.

 

 

Genauso muss es sich die „Deutsche Badegesellschaft Heiligenhafen“ gewünscht haben. Ihr Prospekt von 1901 liest sich wie die Vision einer besseren Welt:


„… eine Reihe niedlicher Privatvillen, deren Zahl sich voraussichtlich von Jahr zu Jahr noch vergrößern wird, geben dem Landschaftsbild eine willkommene Abwechslung. Um solche Strandvillen bestens zu fördern hat die Stadt … bei Nichtspekulanten für einen Quadratmeter Baugrund nur einen Pfennig  berechnet.“

 

 

Heute gehören die Badevillen von Graswarder zu den teuersten Immobilien Schleswig-Holsteins. Mithalten können da nur noch einige ausgesuchte Anwesen auf Sylt. Ist ja auch kein Wunder. Mit der Ostsee vor der Nase und einem Naturschutzgebiet im Rücken.

Rund 220 Vogelarten steuern den Graswardern auf ihren Zügen an. Für 40 Arten sind die Salzwiesen Brutgebiet. Der Star-Wars-artige Vogelbeobachtungsturm des NABU befindet sich am Ende der Häuserreihe. Geöffnet ist von 11.00 bis 15.00 Uhr.

 

 

Wer mal auf dem Graswarder übernachten möchte, kann z.B. im Haus Nr. 9 eine Ferienwohnung mieten. Die Preise würden einem gern telefonisch mitgeteilt, verrät die Internetseite. (Das ist typisch für Schleswig-Holstein. Selbst in ihren Hochglanz-Flyern geben die Vermieter ihre Preise niemals preis. Ich frage mich, was das soll. Es hat nichts mit dem Preis an sich zu tun. Denn es gilt für einfache wie luxuriöse Unterkünfte gleichermaßen.)

 

Graswarder9

 

(Liebe Vermieter in Schleswig-Holstein, was ich Euch schon lange mal sagen wollte: Euer Übernachtungspreis interessiert mich sehr. Er ist beinahe das Wichtigste für mich. Er interessiert mich aber nicht genug, als dass ich einen Flyer mit nachhause nehmen würde, um dann ins Internet zu gehen oder Euch anzurufen. Nennt Ihr keinen Preis, lege ich den Flyer wieder zurück. Und ich denke, das machen sehr viele Normalverdiener so.)

 

Graswarder Haus 6

Also keine Preisauskunft. Dafür aber eine Insider-Info über den Graswarder 9. Volko kennt das Haus von Fotoproduktionen und hat hier auch schon übernachtet. Er weiß: Das ist nichts für schwache Nerven. Es kann schon mal sein, dass man nachts davon aufwacht, dass die Ostsee über die Veranda schwappt. Deswegen will er so ein Haus auch nicht haben. (Aber mich überzeugt er damit nicht.)

 

Haus Wotan 4

 

Schade, dass die Deutsche Badegesellschaft Heiligenhafen nicht lange existierte. 1914 war Schluss mit lustig. Zwei Weltkriege lang. Und danach hatte Heiligenhafen andere Häuser zu bauen. Die Einwohnerzahl schnellte durch Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten sprunghaft von 3.500 auf 10.000 an. Es dauerte vier Jahrzehnte, bis man sich wieder dem Tourismus zuwenden konnte. Übel nur: Inzwischen waren die 60er Jahre angebrochen.

 

Steine

 

Der Steinwarder

 

In zehn Jahren sind das hier Slums, titelte der Spiegel 1972. Gemeint waren die Betongebirge, die überall entlang der westdeutschen Ostseeküste auf die grüne Wiese geklotzt wurden. So auch in Heiligenhafen.

 

Binnensee Heiligenhafen

 

1.700 Appartements wurden ab 1969 auf dem Steinwarder gebaut. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die gern in Marzahn, Steilshoop oder dem Kölnberg leben. Und die finden vielleicht ein Appartement auf dem Steinwarder nicht schlecht.

 

Haus am See Heiligenhafen

 

Doch es handelt sich dabei wohl eher um eine klassische special interest group. Jedenfalls hängen im Schaufenster des Maklerbüros mehrere Verkaufsangebote unter 40.000,– Euro. Und im Kiki-Club scheinen die Geschäfte nicht bestens zu laufen.

 

 

Mit meinem Massengeschmack würde ich sagen: Am besten ist der Steinwarder da, wo er aufhört. Zur Ostsee hin. Und am Steilufer. Dort folgen 20 km Küste ganz ohne Ortschaften oder öffentliche Strände. Es ist ein bisschen schmerzhaft, weil man sich vorstellen kann, wie der Steinwarder mal war.

 

 

Was uns wundert: Man macht immer weiter. Am Hauptstrand, der noch nicht ganz so furchtbar zugeklotzt ist wie das westliche Ufer des Binnensees, wachsen gerade neue Appartement-Häuser in die Höhe. Dieses Mal in Hafen-City-Style. Was die Sache ja auch nicht besser macht.

 

IMG_3806

 

Doch noch gibt es Hoffnung. Das wusste schon Gandalf. In Heiligenhafen wird rund um den Yachthafen an der Zukunft gezimmert. 1.000 Segelboote können an der Marina festmachen. Streicht der Wind durch Segel, Taue, Flaggen, klingt es wie Musik.

 

Zukunftsmusik im Yachthafen

 

Der Yachthafen liegt wunderbar zwischen Innenstadt und Strand. Alles ist nigelnagelneu und piccobello sauber, ohne dabei allzu steril zu wirken. Das liegt an den Seglern. Denn Segler sind so schön entspannt. Und Boote gucken ist immer ein Vergnügen. (Ich bin baff, wie viele, viele Menschen sich ein fettes Segelboot leisten können.)

 

 

Gut gefällt mir auch der Plan eines Beach Motels nach SPO-Vorbild. In direkter Nähe zur Seebrücke soll es stehen.

Weniger überzeugt mich das halb fertige Resort; eine Ansammlung von  Ferienwohnungen und Ferienhäusern. Sie sind nicht über die Maßen abscheulich, für mein Empfinden allerdings viel zu eng aneinandergeklatscht.

Und ich muss wieder an die Badegesellschaft denken. 1 Pfennig pro Quadratmeter berechneten sie Nichtspekulanten…

Im Resort kostet ein Haus mit Handtuchgrundstück 500.000 Euro. In Ferienvermietung.  Der Bebauungsplan sieht nämlich rein gewerbliche Nutzung vor. Und d.h. man darf sein Haus nur ausnahmsweise bewohnen und muss es ansonsten vermieten.

Ich habe keine Ahnung von solchen Dingen… aber für mich klingt das, als wolle man in Heligenhafen inzwischen unbedingt Spekulanten. Ich bin mal gespannt, ob das Konzept langfristig aufgeht.

 

Vamos

 

PS.: Wer weder vermögend ist noch Segler oder Liebhaber von Bettenburgen, findet vielleicht an einer Unterkunft im Fischereihafen Gefallen. Wir finden den supergut. Aber ich zeige ihn besser erst im nächsten Beitrag (weil dieser eh schon zu lang ist).

Am Rande des skandinavischen Sommers: Wassersleben

Liebe Süddeutsche. Wenn ich als Kind mit meinen Eltern nach Italien fuhr, übernachteten wir in der Schweiz. Und ich nehme mal an, dass Ihr Euch auch zwischendrin erholen müsst, wenn Ihr nach Skandinavien reist?!

Falls Ihr also diesen Sommer über Jütland nach Norwegen, Schweden, Island oder zu den Faröern wollt, hätte ich da einen Übernachtungstipp für Euch: Wassersleben.

 

Schwaene

 

Wassersleben gehört zur Gemeinde Harrisslee und ist

a) eine Siedlung, hervorgegangen aus einem Villenviertel von Flensburg und
b) ein zuckersüßer Strand – der letzte vor der dänischen Grenze.

Die Dänen nennen ihn Sosti, was Schweinepfad bedeutet. Aber die Dänen haben ja auch enorme Ansprüche, was Strände betrifft. Für deutsche Verhältnisse ist die kleine Bucht am Ende der Flensburger Förde eine Perle.

 

Foerdeblick Flensburg3

 

Egal, wie sich Eure Fahrgemeinsschaft zusammensetzt: In Wassersleben sollte jedem etwas in den Schoß fallen, bei dem er optimal runterkommen kann.

 

Daenemark

 

Das Wasser ist seicht = warm genug für Kältempfindliche sowie sicher genug zum Rumplantschen für kleine Kinder. Es gibt einen Yachtclub, ein feines Hotel mit gutem Restaurant und Partner-Golfplätzen, aber auch günstige Unterkünfte und einen „Erholungswald“ inkl. Trimm-Dich-Pfad. Das ist so ein typisch norddeutscher Laubwald in Hanglage mit unheimlich viel Buchen, wo die Sonne goldene Tupfen auf das Moos malt  (dann habt Ihr sowas auch gleich mal gesehen).

 

 

Falls ihr pubertierende Kinder im Gepäck habt, die lieber shoppen wollen: Flensburg ist nur einen Kilometer entfernt. Und solche, die genervt sind, weil sie echt keine Lust auf Familienurlaub haben, finden im Flensburger Hafen ausreichend roughe Ecken, um ihren Weltschmerz auszuleben (und ein paar geile Fotos für Facebook zu schießen). Hunde dürft Ihr übrigens auch mitbringen.

 

 

Nur einen Schilfgürtel weiter beginnt Skandinavien – in Form des dänischen Waldes von Kollund. Er befindet sich in Privatbesitz, so dass keine öffentliche Straße hindurchführt. Dafür ein herrlich stiller Waldpfad.

 

Kollunder Wald

 

Der Grenzübergang Schusterkate besteht aus einer schmalen Fußgängerbrücke. Und ist damit eine der kleinsten Grenzanlagen Europas. Der Waldpfad ist übrigens Teil des Gendarmstien, einem beliebten Wanderweg, der auf 74 km von Padborg auf die Insel Alsen führt. (Schwupps auf die indernaehebleiben-Bucket-List.)

 

Schusterkate

 

Während sich alle Mitfahrer nach ihrer Facon vergnügen, können die, die sich verantwortlich fühlen, die Weiterreise vorbereiten. Kronen tauschen, ein letztes Mal ohne Tankautomat tanken oder sich dem klassischen Versorgungstourismus hingeben. Zwar hat der alte Grenzübergang Küpfermühle etwas von einer Geisterstadt. Doch wie überall, wo Skandinavien an Deutschland grenzt, findet man  Spritbutiken en masse.

 

DerSchwanweitetseineFluegel

 

Am nächsten Morgen könnt Ihr dann ganz entspannti-manti Eure Flügel weiten, um zu Eurem Fährhafen in Hirtshals oder Frederikshavn aufzubrechen. Selbst die Hamburger hinken Euch dann zwei Stunden hinterher.

 

Foerdeblick Flensburg

 

Und falls Ihr nun gar nicht aus Süddeutschland seid, sondern aus dem Osten, Westen oder Norden, könntet Ihr ja auch mal einfach nur so hinfahren. Lohnt sich nämlich!

 

Foerdeblick Flensburg2

Die Seebrücke von Heiligenhafen

In Schleswig-Holstein lautet die Frage aller Fragen: Ostsee oder Nordsee!? In letzter Zeit habe ich auf Blogs häufiger gelesen, dass gerade Menschen, die nicht am Meer leben, die Nordsee vorziehen. Sie hat eben einfach mehr Wumms und mehr Weite. Es gibt aber auch ein paar Dinge, die für die Ostsee sprechen. Beispielsweise Seebrücken.

Die gibt es nämlich so nicht an der Nordsee. (Zwar wird in der Liste der Seebrücken Deutschlands auch Juist geführt, aber wenn man mich fragt, ist das eher eine Mole.) Ein echtes Seebrücken-Vorzeigeexemplar findet man in Heiligenhafen.

 

SeebrueckePanorama

 

Auf den ersten Blick wirkt sie gar nicht so besonders spektakulär. Und genau das ist ihre Stärke. Die Seebrücke von Heiligenhafen ist kein Fremdkörper. Sie fügt sich in die Landschaft ein. Dabei hat sie es architektonisch in sich. Sie verzweigt sich. Wechselt unvermutet die Richtung. Verläuft teilweise zweigeschossig. Und so verläuft sich auch die Menge der Besucher in überraschende Winkel und Ecken, die man oft ganz für sich hat. Kurz: Sie macht richtig Spaß.

Seebrücken überspannen in ihrem Ursprung die Strecke von der Küste bis zu dem Punkt, an dem das Wasser tief genug ist, damit Schiffe andocken können. D.h. sie reichen weit ins Meer hinein. Die Heiligenhafener Seebrücke ist 435 Meter lang. So liegt man auf ihren Sonnendecks wie auf einem Ozeanriesen. Es ist doch wenig auf der Welt so wunderbar, wie ein warmer Juniwind, der noch einen Tick Meereskühle in sich trägt. Und dazu das Geräusch der Wellen, die gegen gewaltige Pfeiler klatschen.

 

 

Trotz ihrer beachtlichen Länge reicht die Seebrücke nicht tief genug in die Ostsee, als dass Schiffe an ihr festmachen könnten. Das Wasser läuft flach auf den Strand von Heiligenhafen zu. Daher auch die herrliche Farbe der Ostsee. Statt einem Bootsanleger findet man am Seebrückenende einen Badeplatz.

 

BadestelleSeebrueckeHeiligenhafen

 

Jack Ass auf norddeutsch

 

Das Gute am Älterwerden ist, dass man nicht mehr jeden Scheiß mitmachen muss. Ich würde beispielweise zur Zeit nicht in die Ostsee springen, nur weil meine Freundinnen das sagen. Sie ist nämlich noch grauenhaft kalt. Das dachten auch die fünf Jungs auf dem Bild. Man konnte es in ihren Gesichtern lesen. Aber da hatten sie schon viel zu lange und viel zu laut herumgetönt.

Und echt: Hut ab. Sie wollten zwar ab einem gewissen Zeitpunkt alle absolut nicht mehr. Aber sie habens alle getan. Mehrmals. Unter Fluchen und gegenseitigem Beschimpfen.

 

 

Noch so ein Highlight der Seebrücke: Ihre Lage. Heiligenhafen liegt an der Spitze der Halbinsel Wagrien. Direkt gegenüber von Fehmarn.

 

In der Ferne: Die Fehmarnsundbruecke

In der Ferne: Die Fehmarnsundbruecke

 

Vorn voraus liegt die Insel. Im Rücken der Warder.

 

Heiligenhafens bekanntester „Stadtteil“: Der Graswarder mit seinen alten Badevillen

 

Die beiden Spielplätze auf der Seebrücke werden stark von Erwachsenen frequentiert. Väter blockieren besonders die Geräte, mit denen man Meerwasser in die Höhe kurbeln, pumpen oder schöpfen kann.

 

SpielplatzSeebrueckeHeiligenhafen

 

Die Meereslounge

 

MeeresloungeSeebrueckeHeiligenhafen2

 

In der rundherum verglasten Meereslounge ist es warm und still. Man verfällt automatisch in  Meditationsmodus. Stunden kann man da sitzen und die Wellen betrachten. Oder lesen. (Ich empfehle die Schweigeminute von Siegfrid Lenz).

 

 

Die Ostsee-Lounge

 

Gastro und Amusement auf Seebrücken sind an sich nichts Schlechtes. Ich bin zum Beispiel schwer verliebt in die schrabbeligen Piers von Blackpool. Die Engländer sind erfinderisch. Auf ihren Piers ging es vor allem darum, die Landesgesetze zu umgehen. Draußen auf dem Meer durfte der Schnaps konzessionslos fließen.

In Heiligenhafen hat man darauf verzichtet. Was ebenso wunderbar ist.  Stattdessen befindet sich die dazugehörige Schnapsbude (neudeutsch Lounge) direkt am Zugang der Brücke. Am Strand also. Wo ein Beachclub ja auch hingehört.

 

OstseeLounge2

 

Es gibt eine kleine Speisenkarte. Die Getränkeauswahl ist gut. Die Musikauswahl bestens. Strandkörbe sind inkludiert. Das Leben kann ja eine Freude sein. Aber Vorsicht: Was woanders Spatzen, sind in der Ostsee-Lounge Möwen. Also die sieben Sachen besser gut bewachen.

 

 

Man kann sich natürlich auch einfach so in die Dünen hauen. Rechts der Seebrücke sind sie am Schönsten.

 

DuenenvorGraswarder

 

Dünen sind ja vielleicht noch besser als Seebrücken. Da ist man so herrlich geschützt. Vor eigentlich allem.

 

StrandHeiligenhafen

 

Und während man ab und zu in die Sonne blinzelt, kann man sich überlegen, ob man morgen vielleicht mal an die Nordsee fährt. Das „andere Meer“ ist in Schleswig-Holstein schließlich immer nur einen Katzensprung entfernt. Und Dünen findet man überall.

 

IndenDuenen

 

Da wäre sie also wieder, die Frage aller Fragen. Nordsee oder Ostsee? Was meinst Du?

11 Fragen 11 Antworten

Wir sind nominiert. Große Freude. Besonders da Suzy und Lars Blogger von der ganz-weit-weg-Reisen-Sorte sind. Bis zum Horizont und weiter…. bloggen die 2. Nicht nur geographisch. Sondern auch inhaltlich. Womit ich meine: Die machen aufregende Dinge. Dass sie dennoch unseren Mikrokosmos-Blog mögen, freut uns sehr.

 

Liebster Award

 

Der Liebster Award ist eine Art virtueller Kettenbrief. Das Ziel ist, kleineren Blogs zu ein wenig mehr Bekanntheit zu verhelfen. 11 persönliche Fragen werden den Nominierten gestellt. Nach Beantwortung dürfen die dann wiederum 11 Lieblingsblogs nominieren. Wofür sie sich 11 neue Fragen ausdenken.

 

11 Fragen von Suzy & Lars
11 Antworten von Stefanie & Volko

 

1. Zelt oder Luxushotel? Und warum?

Beides mal. Aber beides nicht am liebsten. Unsere Auszeiten sind kurz. Unsere Arbeitsphasen dazwischen herausfordernd. Am schnellsten kommen wir runter, wenn wir für uns sind und uns um wenig kümmern müssen. Dafür sind Ferienhäuser und -appartements perfekt. Ein zweites Zimmer ist cool (weil unsere Biorythmen denkbar unterschiedlich sind).

 

2. Wofür gibst Du beim Reisen immer gerne Geld aus? Und wofür nie?

 

Richtig gern lassen wir eher Geld zuhause. Für unsere Katzensitterin.

Und für Kunst- und Kultureinrichtungen geben wir vor Ort gern was aus. Weil es uns da gut angelegt scheint.

Ansonsten denken wir über Geld eigentlich wenig nach, wenn wir unterwegs sind. Allerdings sind unsere Wünsche auch ziemlich bescheiden. Es geht uns ja gerade darum, der Reizüberflutung zu entkommen.

Was wir nie tun: Shoppen.

 

3. Wenn Du einen Deiner Blogbeiträge verfilmen könntest, welcher wäre das?

 

Das sind zwei, die zusammen einen ganzen Tag ergeben. Helgoland Part I + II.

 

Lange Anna

 

Robben Island und Helgolands beste Stunden.

 

4. Welches Abenteuer eines anderen Reisenden hat Dich am meisten inspiriert?

 

Die Erlebnisse von Dan Kieran in Hamburg Rahlstedt. Mein Lieblingszitat des britischen Reiseschriftsteller und Slow Travelers:

Beim langsamen Reisen geht es darum, all den Touristenkram zu vergessen. Im Moment zu leben. Es geht darum, die Angst zu überwinden, etwas zu verpassen.

 

5. Was ist Deine größte Stärke beim Bloggen?

 

Kontinuität, würde ich sagen. Die kommt vermutlich daher, weil es uns gut tut, in der Naehe zu bleiben und darüber zu berichten. Wir haben mit unserem Blog etwas gefunden, bei dem wir beide das tun können, was wir gerne tun. Und das auch noch gemeinsam.

Das ist ein echter Glücksfall, denn wir haben sehr unterschiedliche Temperatmente und Vorlieben.  Beim Reisen und Bloggen sind wir wohl das, was man intrinisch motiviert nennt. Wir brauchen also keine irgendwie geartete Belohnung von außen, um am Ball zu bleiben.

 

6. Welches Ziel hast Du für 2015 mit Deinem Blog?

Zum einen ist natürlich der Weg das Ziel. Wie in 2014 schon, möchten wir uns auch dieses Jahr wieder monatlich ein paar Tage Zeit nehmen, um Gegenden in der Naehe (neu- oder wieder-) zu entdecken.

Toll wäre, wenn wir irgendwann den Blog selbst so inspirierend finden, dass uns ein Media-Kit angemessen scheint. Das hat ja viel mit Besucherzahlen zu tun. Deswegen versuche ich gerade, Facebook zu verstehen.

 

7. Wie oft/wie lange verreist Du durchschnittlich pro Jahr?

 

Nicht so viel, hätte ich spontan geantwortet. Monatlich nur ein paar Tage. Aber jetzt habe ich gerade mal nachgezählt. Im ersten Jahr waren wir 38 Tage unterwegs. In diesem Jahr sind wir schon zur Halbzeit bei 33. Das ist wohl doch nicht ganz wenig.

 

8. Was stört Dich auf Reisen am meisten?

 

Gar nichts. Unsere Reisen sind so kurz, dass wir Schwieriges oder gar Ärgerliches interessiert beobachten können.

 

9. Und was beflügelt Dich am meisten?

 

Natur. Stille. Das Meer. Bestimmtes Licht. Orte, die aus der Zeit gefallen sind.

 

10. Was machst Du in Deinem wahren Leben (also beruflich)?

 

Ich arbeite als Kommunikationstrainerin. D.h. ich gebe Seminare, halte Vorträge, berate Personen und Unternehmen in Kommunikationsfragen. Volko ist Fotograf und Kunsttherapeut.

 

Streetart St. Pauli

 

11. Hast Du ein Lebensmotto? Wenn ja, welches?

 

So ein Motto-Typ bin ich eigentlich nicht. Aber in letzter Zeit mache ich mir öfter mal Gedanken darüber, warum „nett sein“ so verpönt ist. Ich mag nette Menschen. Und bin auch selber gern nett.

In diesem Sinne also: Nett ist die schöne Schwester von Freundlich.

 

Vielen Dank an Suzy und Lars für die Fragen.
Hat Spaß gebracht.

 

And these are the nominees of the in-der-naehe-bleiben-Jury

Berlin goes Northern England

Deichlamm

Faraway42

Hinnerk & Henrijke

Jetzt bloggt die auch noch

Roll-the-Planet

Schiffsmeldungen

Text und Sinn

Watt und Meer

Zettelwahnsinn

Und in Klammern (Romika Masulzke)

Frau Masulzke steht in Klammern, weil sie kein Liebster-Award-Fan ist. (Was eventuell auch für andere von uns Nominierte gilt?!). Sie wurde bereits mit einem Award bedacht, wollte aber keinen Druck auf andere ausüben (= nominieren).

Deshalb sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gesagt: Es wird nichts Schreckliches geschehen, wenn Ihr nicht mitmacht. Ihr müsst den Beitrag nicht sieben Mal abschreiben, keine Schokolade, Postkarte oder Markstücke an mich schicken. Und kein Schicksalsschlag wird Euch treffen, wenn Ihr die Kette unterbrecht.

Wenn Ihr keine Lust habt, seht den Award einfach als mein Zeichen, dass ich mich immer über Beiträge von Euch freue.

 

LiebsterAward

 

Wenn Ihr Lust habt, hier noch mal die Liebster-Regeln:

 

– Beantwortet die 11 Fragen, die Euch gestellt wurden.
– Ganz wichtig: Verlinkt in eurem Artikel die Person, die Euch nominiert hat!
– Sucht Euch bis zu 11 Leute, die unter 1000 Follower haben, nominiert sie und informiert sie.
– Überlegt Euch 11 neue Fragen für die neu nominierten Personen.

 

Unsere 11 Fragen an Euch

 

1. Du hast einen Tag lang Besuch vom Mars: Was würdest Du Deinem Gast auf der Erde zeigen wollen?

2. Wenn Du 1 Sache auf der Welt ändern könntest, was wäre das?

3. Welchen Ort ganz bei Dir in der Nähe hast Du am liebsten?

4. Entscheide Dich für eine Möglichkeit: Wärest Du auf einer Party lieber over- oder underdressed?

5. Was war Deine schlimmste Modesünde?

6. War Dir schon einmal etwas unangenehm, nachdem Du es gebloggt hast?

7. Welcher Filmtitel beschreibt Dich und Dein Leben am besten?

8. Welchen Deiner Blogbeiträge magst Du am liebsten?

9. Welcher Song funktioniert bei Dir sofort als Ohrwurm, obwohl Du ihn grauenhaft findest?

10. Wann und von wo aus stöberst Du am liebsten auf anderen Blogs?

11. In eigener Sache: Was denkst Du über Hamburg (ganz ehrlich)? (Diese Antwort würden wir gern irgendwann mal in einem Beitrag verwursten, falls das ok für Dich ist).

Herzlichen Dank für´s Mitmachen.

Man liest sich!

Stefanie & Volko

 

Ein Bauwagen in Norgaardholz

Sternhöh heißt die Straße, die sich von Steinbergkirche durch hügelige Felder und Wiesen an die Ostsee schlängelt. Eine Handvoll Häuser, ein paar Kühe, Meerblicke bei jeder leichten Steigung. Herrlich.

Der letzte Hof vorm Strand gehört Wiebke Busch und Stefan Voigt. Auf ihrem Grundstück steht der Bauwagen, den wir für die nächsten Tage beziehen werden. Die beiden haben ihn selbst gebaut. Nach allen Regeln der Baubiologie. Der kleine Garten ist auf diese verwilderte Art angelegt, die nur jemand hinbekommt, der sich echt mit Pflanzen auskennt. Wiebke ist ausgebildete Landwirtin und Gärtnerin.

 

Garten

 

Begrüßt werden wir von Stefan. Viel zu quatschen gibt es eigentlich nicht, denn alles Wissenswerte über den Bauwagen, haben unsere Gastgeber aufgeschrieben. Eine Broschüre liegt auf dem Mini-Tisch in der voll ausgestatteten Mini-Küche.

Volko fragt nach WLAN.

„Gibt’s hier nicht“, sagt Stefan. „Extra nicht. Es soll ja ein Ort zum Runterkommen sein.“

Bilde ich es mir ein oder schwingt da ein leichter Tadel mit?

 

Badekarren

 

Ich bemühe mich, mein totales Entsetzen zu verbergen, als Stefan die Tür zum Badekarren öffnet. Eine astreine Dusche ist eingebaut. Ein Bewegungsmelder sorgt automatisch für Beleuchtung, wenn man nachts mal raus muss. Soweit alles easy-peasy. Aber da gibt´s auch noch etwas, das man eigentlich nur flüstern kann: Eine Komposttoilette.

Aaah. Sage ich. Und ich sehe in seinem Gesicht, dass mein Schrecken offensichtlich ist.

Ich vermute, dass wir unser Etikett jetzt weg haben. So was wie „typisch Hamburger“ oder „typisch Stadtmenschen“ oder „voll verspannt“.  Na, sei´s drum. Ist egal. Denn 1.) stimmt es. Und 2.) werden wir Stefan ohnehin nicht noch einmal sehen.

Noch wissen wir es nicht – aber wir werden NIEMANDEN in den nächsten 6 Tagen in unserem Refugium sehen. Auch nicht in der Ferne. Denn da ist nichts. Wirklich nichts.

 

Nichts vor der Tuer

 

Erster Eindruck vom Bauwagen: Alles sieht haargenau so aus wie auf der Airbnb-Seite.  Macht gar keinen Sinn, das noch mal zu fotografieren. Lieber schnell ab an den Strand.

Hinter dem Schmiedegarten windet sich die Sternhöh noch über zwei Hügel. Nach ein paar hundert Metern geht es rechter Hand ins Dorf Norgaardholz. Links wird die Sternhöh zum Nordstern.

 

Nordstern

Der Nordstern; eine ehemaliges Ausflugslokal

Strand Norgardholz

Hinter dem Nordstern liegt die Ostsee

 

Am Strand von Norgaardholz

 

Norgaardholz liegt am nördlichen Ende der Geltinger Bucht und somit am Anfang der Flensburger Förde. Spiegelglatt und seicht ist die Ostsee hier. Darüber wölbt sich ein Himmel so blau, dass das Wasser beinahe karibisch wirkt.

 

OstseeNorgardholz

Waitingforfish

AmStrand

Moewe

AngleriinAngeln

StrandbeiNorgardholz

 

Zu sagen, es sei ruhig am Strand von Norgaardholz, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. Still, trifft es besser. Friedlich. Und dass obwohl sich in unserem Rücken ein Campingplatz befindet. Und eine Seebadeanstalt. Dass es so etwas überhaupt noch gibt.

 

CampingplatzNorgardholz

 

Es ist der schönste Arbeitsplatz der Welt, sagt die Frau vom Kiosk der Seebadeanstalt. Heute sei allerdings ganz schön was los. Es ist Pfingsten. Am Vormittag hat sie bereits 7 (!) neue Wohnmobile in Empfang genommen. Und sie würde noch weitere erwarten. Aber sie freue sich darauf. Sie möge es, wenn die Urlaubssaison beginne. Und schauen Sie mal, direkt gegenüber liegt Sonderburg. An klaren Tagen kann ich das Schloss sehen.

 

Anbaden in Norgaardholz

Anbaden in Norgaardholz. Am Horizont Sonderborg.

 

Sonderburg liegt in Dänemark. Die Grenze verläuft mitten durch die Förde. Eigentlich ist es mehr eine Verbindung. Jüten haben hier über Jahrhunderte gelebt. Das sieht man. Und hört man. Angeliter Ortschaften enden auf -by (Dorf), -rup (Siedlung), -gaard (Hof). Die Stimmung ist doet genauso entspannt wie bei unseren dänischen Nachbarn.

Vielleicht liegt es daran, dass Tourismus in Angeln weitgehend auf Hotelanlagen und Erlebnisgastronomie verzichtet. Unterkünfte werden vor allem privat vermietet. Ansonsten kommen in erster Linie Segler und Camper. Also Menschen, die Ruhe und Natur schätzen.

 

Und ueber uns der Himmel

 

Camper sind ein ruhiges Völckchen, lese ich in einer Touristen-Umsonst-Zeitung, während ich meinen Kiosk-Filterkaffee trinke. Der Artikel hält ein paar Benimm-Regeln für Campingplätze bereit; verfasst von einem Fachmann des Camping-Verbandes. Lärm ist unerwünscht, schreibt er. Doch man dürfe ruhig Musik auf einem Kofferradio hören. Jedenfalls bis zur Abendruhe.

Mit Blick auf die Luxus-Wohnmobile auf dem Campingplatz hinter mir, vermute ich, dass keiner der dortigen Camper ein Kofferradio auftreiben konnte. Jedenfalls kommt kein Pieps vom Platz. Nur das Lachen und Fluchen von vier kleinen Jungs auf dem Fussballfeld nebenan ist zu hören. Und das verhaltene Kreischen einiger älterer Mädchen, die sich in die Ostsee wagen. Gerade mal so leise wie Möwen.

 

Seilbahn

 

Die beste Seilbahn der Welt steht in der Seebadeanstalt von Norgaardholz.

 

SeilbahnNorgardholz

 

Ja, gut, ich sitze auf einem Plastikstuhl. Das Polster ist unsagbar gemustert. Aber mir gefällts hier trotzdem besser als in einer Strandbar mit Lounge-Möbeln. Ich erwäge sogar kurz, in der kommenden Tagen die Sanitäranlagen des Campingplatzes zu nutzen.  Aber das ist auch keine Alternative zur Komposttoilette. Gewisse Dinge teile ich einfach nicht gern.

 

Strandspaziergang

 

Um es mal vorweg zu nehmen: Diese Gedanken werden mich die gesamte Zeit beschäftigen. Ich wünschte, ich wäre anders, aber so ticke ich nun mal. Ich mache zwar irgendwie meinen Frieden damit. Aber nicht so richtig. Ich bin kein cooler Outdoor-Freak.

 

Hundefreude

 

Ich brauche eine Weile und einen langen Spaziergang am Strand, bis mir in den Kopf kommt, dass ich auf der norwegischen Hüttentour (von der ich seit Jahren träume) ebenfalls ohne Wasserclosett (wunderbares Wort) werde auskommen müssen. Kann man ja schon mal Toleranz entwickeln.

 

Nordsternstrand

 

Und dann dauert es noch mal länger bis mir wieder einfällt, wie das in Indien war. Oder in Südamerika. Oder auf französischen Autbahnraststätten. Auf Festvials. Oder irgendwo auf der Reeperbahn.

 

Ruhe

 

Mir muss keiner was über Verdrängung erzählen. Aber das Gehirn ist doch eine seltsame Sache. Jedenfalls meins. Und eine Komposttoilette ist wirklich nicht so schlimm. Wenn man nicht ich ist.

 

Sonne

 

Zurück im Bauwagen liegt unser kleiner Garten in der Abendsonne.  Der Wagen riecht nach frischem Holz und draußen riecht es nach Gras und Wald und Meer. In ein paar Stunden wird sich ein Sternenhimmel über der Sternhöh auftun, wie ich ihn so in Deutschland noch nicht gesehen habe. Und weil wir weder Kofferradio noch WLAN haben, kommen die Rehe ganz nah.

Ich bekomme eine klitzekleine Ahnung wie Thoreau das gemeint hat in Walden

Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näher zu treten, zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hätte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen müsste, dass ich nicht gelebt hatte. Ich wollte nicht das leben, was nicht Leben war; das Leben ist so kostbar. Auch wollte ich keine Entsagung üben, außer es wurde unumgänglich notwendig.“

 

 

Also… ich würde natürlich auch gern dem wirklichen Leben näher treten. Und vielleicht kann man Camping ja sogar lernen?!

Das Schönste ist Angeln im Mai

Neukirchen. Nur mal so als Beispiel. Um zu zeigen, warum wir hingerissen sind von Angeln. Man könnte auch jeden anderen Ort nehmen. Aber nehmen wir einfach mal Neukirchen. Weil man ja irgendwo anfangen muss. Und Neukirchen ein guter Ort für einen Anfang ist.

JaIch bin schon ziemlich oft an der Abzweigung nach Neukirchen vorbeigefahren, ohne den Ortsnamen auch nur zu registrieren. Habe mich nie gefragt, was in Neukirchen so geht. Habe mir noch nie Zeit genommen, um Angeln so wahrzunehmen, wie ich fremde Landschaften wahrnehme. Wenn ich im Urlaub bin. Im Ausland. Irgendwo ganz weit weg.

Eben nicht mehr zielgerichtet irgendeinen Punkt ansteuern. Sondern sich treiben lassen. Und in Neukirchen halten. Beim letzten Haus im Dorf den Wagen abstellen. Um mal zu gucken. Nur mal so als Beispiel.

NeukirchenAngeln

 

Am meisten erstaunt mich, dass ich so erstaunt bin. Ich sollte wohl gar nicht so verzaubert sein, so überwältigt, so über die Maßen geflasht von der Schönheit Angelns.

Ich bin hier nämlich geboren. Meine gesamte Familie ist hier verwurzelt. Ich dachte auch, ich kenne die Gegend. Einigermaßen. Aber jetzt merke ich, dass eigentlich ahnungslos bin.

Von Neukichen zum Beispiel habe ich noch nie etwas gehört.

Strand Flensburger Foerde

 

Ich hatte keine Ahnung, dass Herzog Johann der Jüngere 1618 aus der „Wildnis am Strande“ einen Handelsplatz in Konkurrenz zu Flensburg errichten wollte. Ich wusste nicht, dass er darüber verstarb. Dass seine Erben sich zerstritten und Neukirchen vergaßen. Dieses Dorf, das abgeschieden von der Welt 360 Jahre ums Überleben kämpfte. Bis 1978 Butterfahrten nach Dänemarkt einen kurzen Aufschwung brachten, von dem heute nur noch die Reste der Anlegestelle erzählen. Und dass das Dorf 1994 erneut in einen Dornröschenschlaf fiel. Das war mir alles unbekannt. Dabei habe ich jahrelang nur 25 km entfernt gelebt.

 

AnlegerNeukirchen

 

Angeln liegt ganz oben in Deutschland. In einem Dreieck zwischen Kappeln, Flensburg und Schleswig. Die Südgrenze der Region ist die Schlei. Östlich reicht Angeln an die Ostsee. An die „offene“ Ostsee sagen die Leute hier. Denn weiter nördlich schmiegt sich die Landschaft an die Flensburger Förde. Und danach kommt nur noch Dänemark. („Dein gelobtes Land“, macht Volko sich über mich lustig.) Manchmal ist die dänische Küste so nah, dass man glaubt, rüberspucken zu können.

 

StrandNeukirchen

 

Sechs Tage lang waren wir an der Küste Angelns unterwegs. Und abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen musste ich gar nicht so tun, als sei das Alles neu für mich. Weil das meiste tatsächlich neu für mich ist. Die Naturstrände an der Flensburger Förde etwa – die haben mich früher überhaupt nicht interessiert.

 

Naturstrand

 

Strände müssen weiß und breit sein, dachte ich früher. Mit Steinen, Tang, Quallen (eigentlich mit allem was typisch ist für die Ostsee) konnte ich wenig anfangen. Wie kommt es nur, dass ich jetzt genau anders herum denke? Vielleicht hat das was mit dem Alter zu tun. Vielleicht guckt man nicht so hin, wenn man jünger ist.

 

Austernfischer

 

Angeln ist von einer zurückhaltenden Schönheit. Die Gegend protzt überhaupt nicht. Die haut mich trotzdem aus den Socken. Und ich möchte das unbedingt festhalten. Kann den Blick gar nicht abwenden. Und Volko gehts genauso.

Für uns ist Angeln das Schönste, was wir bisher in Norddeutschland gesehen haben.

Man möchte hier ja ewig stehen und der Stille lauschen. Dem leisen Wellenschlag der Ostsee und dem Wind in den Bäumen. Gleichzeitg zieht es einen immer weiter. Man will wissen, was hinter dem nächsten Steilufer liegt, was am nächsten Strand los ist, wie es in der nächsten Bucht aussieht.

 

Heiraten in Neukirchen

 

Einen knappen Kilometer von Neukirchen entfernt liegt die „Neue Kirche“ von 1622. Die könnte auch in Dänemark stehen, finde ich. Überhaupt ist in Angeln alles so dänisch. Nur diesen gewissen schleswig-holsteinischen Tick lieblicher.

 

Kirche Neukirchen

 

Vom Kirchhof windet sich eine Holztreppe die Steilküste hinunter zum Strand.

 

Neukirchen-Quern

 

Und falls hier einer mitliest, der gerade mit dem Gedanken spielt, auf Hawaii, in Las Vegas oder jedenfalls auf Sylt zu heiraten: Denk noch mal drüber nach. Guck Dir mal den Trauplatz am Strand von Neukirchen an. Nur mal so als Beispiel. Weil das ein echt guter Ort für einen Anfang ist.

 

Heiraten am Strand

 

Und nun zum Wetter

Es gibt viele schreckliche Formulierungen in norddeutschen Wetterberichten. Eine meiner Schlimmsten: Für die Jahreszeit zu kühl. Noch bin ich nicht so weit, mein Geld in praktische Funktionsklamotten zu investieren. Aber ehrlich: ich habe schon mal drüber nachgedacht.

Die Bild behauptet nämlich schon seit März: Der Sommer fällt ins Wasser. Das nenne ich unseriös. Denn wie man weiß, weiß im März kein Mensch, wie das Wetter im Sommer werden wird.

Aber man kennt das ja: Oft wiederholt die Bild Unseriöses so lange, bis es stimmt. Selbstverfüllende Prophezeiung und so. Und hinterher waschen sie dann ihre Hände in Unschuld, weil sie ja schließlich nur schreiben, was die Leute lesen wollen.

Ich kenne zwar keinen, der versessen auf Schlechtwetter-Prognosen wäre. Doch schon haben glaubhaftere Publikationen nachgezogen. Jedenfalls was das Pfingstwetter betrifft.

So die SHZ: Pfingsten wird es „verhalten frühlingshaft“  (ein Synoynm für „zu kühl für die Jahreszeit“). Das Hamburer Abendblatt glaubt an „ein Wetter wie im April“ (geschickt; denn damit hat man natürlich immer Recht). Privatradiosender sprechen von „Sonne-Regen-Mix“ (albernste aller Wortschöpfungen).

Mmh.

 

Vorsaison Helgoland

 

Aprilwetter Ende Mai.  Mmh. Mmh. Mmh.

Ausgerechnet wenn wir das erste Mal glampen. Kein Tippfehler. Glamping meint Glamouröses Camping. Ein aufgewärmter Reisetrend aus düsteren Kolonialzeiten. Glamping-Unterkünfte sind schick bis ultra-schick – mit einem winzigen Quäntchen Luxusverzicht, so dass man sich ganz abenteuerlich fühlt. Und natürlich glampt man ökologisch korrekt. Auch das ja ein Trend.

 

Whatever the weather: Pfingsten wird geglampt

 

Gleich gehts los. Wir kampieren bzw glampieren in einem stylo-Bauwagen in Ostseenähe; ganz weit oben in Schleswig-Holstein. Was mich nachhaltig beschäftigt, ist nicht der angekündigte Regen an sich, sondern die Tatsache, dass Spinnen es nicht gern feucht haben. Meine Theorie: Sie werden sich in unserem Glamping-Wagen einrichten. Großer Gott.

 

Schleimuende

 

Abgesehen davon muss man das mit dem Regen an der Küste nicht so tragisch sehen.

 

Warum ich auch bei Regen gern an der Küste bin

 

Ich bin dem Regen einige Jahrzehnte ziemlich konsequent und erfolgreich aus dem Weg gegangen. Inzwischen lass ich das. Denn er hat auch seine Vorzüge. Zum Beispiel:

  • Bei schlechtem Wetter bleiben die Tagesausflügler aus Hamburg und Berlin zuhause. Was gut ist. Tagesausflügler aus Hamburg und Berlin sind nämlich die Heuschrecken unter den Küstentouristen. Sie haben meistens ihre Lieblingsstrände, an denen sie sich 1a auskennen. Und so besetzen sie beim ersten Sonnenstrahl sämtliche Spitzenplätze: In Bars, Restaurants, Parkplätzen, Zeltplätzen und am Strand sowieso. Bleiben sie weg, ist es eigentlich viel schöner in Norddeutschland. Meine Meinung.
  • Wenn es regnet, hat man richtig viel Platz am Strand. Dann findet man die Weite, wegen der man ja eigentlich ans Meer fährt (die aber bei Überfüllung oft fehlt).
  • Die Luft fühlt sich herrlich an nach einem Regenschauer. Und alles riecht ganz intensiv.
  • Man bekommt keinen Sonnenbrand. Sondern eine gesunde Gesichtsfarbe.
  • Falls man in einen Wahnsinns-Regen gerät, ist das auch irgendwie cool. Mal wieder so richtig durchnässt nachhause rennen, unter die heiße Dusche springen und sich dann aufs Sofa kuscheln. Das mag ich sehr.
  • Am Strand ist es nie matschig. Und es gibt keine Pfützen. Strände funktionieren in etwa wie Katzentoiletten. Schon Sekunden nach dem Regen sind sie wieder trocken.
  • Wenn die Sonne nicht scheint, kann man liegenbleiben. Es gibt Dinge, die ich nur im Urlaub und nur bei Regen mit gutem Gewissen tun kann: Ausschlafen. Denken. Lesen. Gar nichts tun. Noch mal auf die andere Seite drehen. Ist doch herrlich. Zuhause fallen mir immer langweilige Sachen ein, die ich stattdessen tun sollte (aufräumen, arbeiten, zum Sport gehen etc.). Nicht dass ich´s dann auch täte, aber allein die Gedanken können mich schon stressen.

Unterm Strich hat Regen also einen echten Mehrwert. Und vermutlich habe ich sogar noch ein paar Pluspunkte für Schietwedder vergessen?!

 

Die Wahrheit über norddeutsches Wetter

Falls eine Pfingstreise Richtung Norden bei Euch ansteht: Nicht vermiesen lassen. Das wird super! Wahrscheinlich sogar das Wetter. Denn seit heute morgen sagt wetter.de: Das Wochenende wird doch gar nicht so schlecht in Norddeutschland. Wetter.com sieht es düsterer. Wetter.online wärmer.

Und die Wahrheit ist: Sie wissen es nicht

Die Wetterberichte stimmen eigentlich nie. Höchstens mal zufällig. Das Wetter in Norddeutschland ist unbeständig. Und Unbeständigkeit ist keine Einbahnstraße. Am Meer wird der Himmel nicht nur sehr plötzlich dunkel. Er wird auch genauso plötzlich blau. Und manchmal hat man ihn dann ganz für sich allein.

In diesem Sinne: Schöne Pfingsten!

 

Das Alte Land; eine Annäherung

Seit einiger Zeit sendet der Deutschlandfunk sonntags die Reihe 12 Mal Deutschland. Journalist Jörg-Christian Schillmöller und Fotograf Dirk Gebhardt durchqueren das Land Stück für Stück der Breite nach. Vom westlichsten zum östlichsten Punkt. Jeden Monat ein paar Tage. (Wovon sie übrigens auch bloggen.)

„Warum“, wurden sie vergangenen Sonntag gefragt.

„Weil wir es nicht kennen“, lautete die Antwort.

Und das ist ja genau der Punkt.

Es erstaunt mich immer wieder, wie wenig ich eigentlich von meiner näheren Umgebung kenne. Und auch wenn ich meine, etwas zu kennen, nehme ich oft nur das Offensichtliche wahr.

Beispiel: Das Alte Land

 

Elbufer

 

Das Alte Land grenzt ans südliche Hamburg und ist das größte Obstanbaugebiet Europas. Folglich geben Obstbauern hier seit Jahrhunderten den Takt an. Die über die Maßen verzierten Fachwerkfassaden ihrer Obsthöfe knallen einem derart ins Auge, dass man gar nicht mehr sieht, was links und rechts davon liegt.

Das ist besonders krass rund um die Gemeinde Jork, von der ein Altländer Freund mal behauptet hat, sie sei der Trafalgar Square des Alten Landes. Interessiert man sich nicht brennend für Fachwerkfassaden, kann einem das Alte Land schon mal langweilig vorkommen.

Als wir letzte Woche zur Elbinsel Lühesand fuhren, haben wir mal versucht, das Offensichtliche auszublenden, um den kleinen Dingen mehr Raum zu geben.

Das Alte Land beginnt kurz hinter Finkenwerder an der wohl hässlichsten Brücke Norddeutschlands. Unharmonischer als das Este-Sperrwerk geht eigentlich nicht.

 

Estesperrwerk

 

Jenseits der Brücke wird dann aber alles gut. Zum Einen, weil man vom Anleger Cranz den wohl besten Blick nach Blankenese hat. (Wie viele Hamburger haben auch wir einen Faible für den Blick nach Blankenese. Eine Art irrationaler Besitzerstolz.)

 

Cranz

Alles wie immer: In Blankenese scheint die Sonne

 

Blankense

Wie niedrig Niedrigwasser ist, sieht man am besten im Alten Land

 

Elbe bei Ebbe

Bei Niedrigwasser sind die Altländer fein raus. Ihre Este mündet in die Elbe und garantiert freie Fahrt.

 

Auf der anderen Seite des Sperrwerks liegt die Sietas-Werft. Am Esteufer windet sich ein Wanderweg über Cranz nach Buxtehude. Er ist total verwunschen, so dass ich ihn am liebsten direkt bis zum Ende gelaufen wäre. Kommt auf meine Liste. Zumal man zum Startpunkt mit der Fähre aus Blankenese anreisen kann.

 

Sietas Werft

Die Sietas-Werft strömt eine unfassbare Melancholie aus

 

Danach beginnt das Alte Land so richtig. Allein der Name haut mich um. Altes Land. Es klingt wie eine Phantasie.

In Hamburg wird man Jahr für Jahr im Frühling von Abendblatt und NDR daran erinnert, dass „jetzt Millionen von Bäumen blühen.“ Aber irgendwie schaffe ich es nie, mir das mal anzugucken. Die Hauptattraktion – die Kirschblüte – ist auch schon wieder vorbei.

Dafür ist aktuell die Apfelblüte dran. Mir persönlich gefallen Apfelblüten noch besser, weil nicht so poppig.

 

Apfelbluete

 

Und wirklich es sind Millionen. Allerdings darf man wohl keine alten, knorrigen Apfelbäume erwarten. Oder gar romantische Streuobstwiesen. Jedenfalls haben wir nur Apfel-Sträucher-Plantagen gesehen.

Das macht sicher Sinn. Denn an einem Strauch muss man nicht hochklettern. Den kann man ganz easy im Vorbeigehen abernten. Aber ein bisschen enttäuschend war es schon.

(Nur weils grad passt: Die Äpfel aus dem Alten Land sind 1a. Endlich mal ein Produkt, das man wirklich nicht aus Australien einfliegen lassen muss. Ich persönlich liebe ganz normale Elstars. Es gibt aber auch für exquisitere Geschmäcker die unglaublichsten Sorten.)

 

Apfelstrauch

 

Notiz auf meiner „Muss-ich-mal-rausfinden“-Liste: Gibt es irgendwo im Alten Land richtige Apfelbäume? Also jetzt nicht Einzelne. Die gibt es natürlich. Sondern diese Millionen unter denen ich gerne mal spazieren würde.

Wovon es im Alten Land definitiv Millionen gibt sind Radfahrer. Jenseits von Kopenhagen oder Amsterdam habe ich noch nie so viele Radfahrer gesehen. Echt jetzt.

Sie alle scheinen irgendwann im Laufe des Tage am Lühe-Schulau-Anleger eine Rest einzulegen, um Bratwurst oder Backfisch zu essen. Pferdewurst ist ein großer Renner.

 

Luehe-Schulau

Was dem Griechen seine Taverne, ist dem Altländer sein Imbiss

 

Abgesehen von der Pferdewurst mag ich die Stelle. Sie erinnert mich sehr an das List meiner Kindheit. Da gab´s ja früher auch nur schrabbelige Imbissbuden. Schön unprätensiös finde ich das. Und den Auto-Kennzeichen nach finden sich hier auch Einheimische ein. Was ja immer ein gutes Zeichen ist.

 

Angeln an der Elbe

Früher war die Elbe ein Drecksgewässer. Darum freue ich mich heute so sehr, wenn ich Angler sehe.

 

Noch was, das es im Alten Land massenweise gibt: Leuchttürme. Oft stehen sie gar nicht am Elbufer sondern irgendwo mittendrin in einem der Schnuckeldörfer. Die Leuchtturm am Deich sind mir aber die liebsten.

 

Leuchtturm

 

Sie gefallen mir deshalb am besten, weil der Deich im Alten Land für mich der schönste Deich Norddeutschlands ist. Sein Gras ist nicht struppig und mickerig. Sondern wie eine Sommerwiese.

 

Deichsitzen

 

Auf dem Deich zu sitzen, ist eine große Sache. Man weiß gar nicht ob man lieber sitzen bleiben möchte oder loslaufen. Jedenfalls um die nächste Ecke. Nur um mal zu gucken, ob man dort die Nordsee schon riecht.

Und irgendwann werde ich das mal machen.

Einfach nur, weil ich es noch nicht kenne.

 

Elbe Altes Land

Grashüpferinsel Lühesand

Lummerland, Nimmerland, Saltkrokan… Die besten Geschichten spielen auf Inseln.

Die Mystischste unter ihnen war für mich immer die Grashüpferinsel, obwohl dort wenig passierte. Es war nur heiß und seltsam und die Grillen zirpten.

Genauso war es vergangenen Montag auf Lühesand.

 

Elbufer

 

 

Elbinsel Lühesand

 

Lühesand ist eine 124 ha große Elbinsel im Alten Land. Sie ist nur per Boot zu erreichen und ein perfekter Ort, wenn man mal Lust auf das ganz große Garnichts hat.

Garnichts gibt’s auf Lühesand nämlich im Überfluss – im allerbesten Sinn.

Das Auto lässt man am Treffpunkt Sandhörn bei Grünendeich stehen. Die Parkgebühr ist am Kiosk zu entrichten. Aber nicht am Montag. Montags ist geschlossen. Da erholen sich die Sandhörner von den Hamburger Sonntagsausflüglern.

 

 

Soll uns Recht sein. Genau wie die Tatsache, dass an Mai-Montagen nicht gerade massenweise Leute nach Lühesand übersetzen wollen.

D.h. wollen wollen schon einige. Vornehmlich Fahrradfahrer. Die machen dann aber ein langes Gesicht, wenn sie am Anleger erfahren, dass Räder auf dem Festland bleiben müssen.

Lühesand ist verkehrsmittelfrei. Lärmfrei. Stressfrei. Frei.

 

Anleger Luehesand

 

Der Pächter der Insel steuert die Fähre selbst. Um 12.00 Uhr bringt er die Inselbesucher vom Festland zur Insel. Genau wie er um 12.00 Uhr die Insulaner zum Festland bringt. Und sein Inselgasthaus öffnet er auch um 12.00 Uhr.

Was anderen unmöglich scheint, ist für Holger Blohm kein Grund, hastig zu werden. Auf Lühesand ticken die Uhren eben anders.

 

Faehre Luehesand

 

Inseln sind in der Kinderliteratur oft Methaphern für ewige Kindheit und Jugend.

Lühesand funktioniert ganz ähnlich. Schon vor dem ersten Inselschritt ist sie da – diese Neugier, was einen wohl erwartet. Irgendetwas Besonderes wird kommen, denkt man. Und so ist das.

Falls man ein Picknick dabei hat (oder ein Zelt oder was), stehen praktischerweise Transportmittel am Anleger zur Verfügung.

 

Transport Luehesand

 

Verschlungene Pfade ziehen sich über die gestreckte, 3 km lange Schlickwattinsel. Ganz allein mit sich und permanentem Elbblick findet man schnell zu ihrem Takt (Slow. Very very slow.)

 

Luehesand Anleger Zwo

Campingplatz Luehesand

 

„Hier war es warm, Bienen summten über den Blumen, und rundherum stand der dichte Gestrüppwald und hielt Wache. Über der Lichtung winkten grüne Birkenblätter, ein luftiges grünes Dach, durch das der Himmel hineinschauen konnte. Es war makellos. Mummintroll hatte das Vollendete gefunden! Niemand vor ihm war hier gewesen. Die Lichtung gehörte ihm. Er setzte sich vorsichtig ins Gras und machte die Augen zu. Das sichere Versteck, das war immer eine seiner ganz ernsten Idee gewesen, er hatte immer danach gesucht und viele gefunden. Aber noch nie so ein feines wie dieses. Es war sowohl verborgen wie offen. Nur die Vögel konnte ihn sehen, der Boden war warm. Er seufzte.“

(aus „Mumins wundersame Inselabenteuer“ von Tove Jansson)

 

Elbinsel Luehesand

Segelschiff Tolkien

 

Ganz umrunden kann man die Insel nicht. Der Südzipfel ist Naturschutzgebiet und für seltene Pflanzen und Vögel rerserviert. Der NABU lädt im Sommer allerdings zu Führungen ein.

Am nördlichen Inselende befinden sich eine handvoll Ferienhäuser. Sie stammen noch aus der Nachkriegszeit, als der Wohnraum so knapp war, dass alles Kreative erlaubt wurde.

 

Luehesand Ferienhaus

 

Fest wohnen darf niemand auf Lühesand. Die Überflutungsgefahr ist inmitten der Elbe zu groß. Zelten und Campen hingegen ist erlaubt.

 

Festplatz Luehesand

 

Kreuz und quer haben sich Bauwagenbewohner & Dauercamper quer über die Insel verstreut. Man ist hier nicht unbedingt für Gartenzwergmentalität zu haben. Ein junger Vater erzählt uns, er habe seine halbe Kindheit hier verbracht. Heute genießt seine Tochter die Inselfreiheit genau wie er früher.

 

Insel Luehesand

 

Die liebsten Inselbewohner sind mir die Rehe. Etwa 40 sollen es sein. Wenn ihnen danach ist, schwimmen sie ans Festland. Habe ich gar nicht gewusst: Rehe sind hervorragende Schwimmer.

 

Reh auf Luehesand

 

Erzählt hat uns das mit den Rehen die Frau des Pächters/ Fährmannes/ Campingplatzbereibers/ Gastwirtes. Holger Blohm regelt die Dinge auf Lühesand schon in der dritten Generation.

Gasthaus Lühesand

 

Inselgasthaus Luehesand

 

Viel scheint sich nicht verändert zu haben, seit Holger Blohms Großvater die Geschäfte auf Lühesand in den 1930er Jahren übernahm. Aber das ist ja gerade das Wunderbare.

 

Gasthaus Luehesand

 

Wie wir da in der stillen Mittagshitze auf der Terasse sitzen, kommt es mir ganz unwirklich vor, dass dieser Ort in direkter Nähe zu Hamburg existiert. Lühesand ist auf die charmanteste Art im Gestern geblieben.

 

Gaststaette Luehesand

 

Eine ungeheure Neuerung steht jedoch in diesem Sommer noch an. Gerade wird im Naturschutzgebiet ein wenig herumgeholzt, um Platz für die neusten Bewohner zu schaffen. Der Wildwuchs war so vorangeschritten, dass einige Vogelarten nicht mehr zum Brüten kamen. Um sie wieder anzulocken, soll zukünftig eine Herde Galloways die Sache in Schuß halten.

Logisch, dass das wieder ein Altländer regelt, dessen Großvater bereits Kühe auf der Insel weiden ließ. Damals, in der Nachkriegszeit. Seitdem ist eine Menge Wasser die Elbe hinuntergeflossen. Doch auf Lühesand scheint alles beim Alten zu bleiben. Vielleicht heißt es ja deshalb Altes Land – weil hier nichts und Niemand so schnell verloren geht!?

 

Grashuepferinsel Luehesand

 

Alle wichtigen Infos zu Fähr-Abfahrtszeiten und Gasthaus-Öffnungszeiten gibts auf der Hompage Lühesand: Klick

An Englishman In St. Annes

Unsere letzten Stunden in Nordengland verbrachten wir in Lytham St. Annes, einem altmodischen Seebad in Lancashire.

Als wir aus dem Auto stiegen, steuerte ein älterer Herr auf mich zu. Er war wie aus dem Ei gepellt. Einer von der Sorte, bei der man denkt, er habe sich ausnahmsweise fein gemacht. Vielleicht Landwirt, dachte ich. Weil er so aussah, als gehöre er zum Ensemble von „Der Doktor und das liebe Vieh“.

Ob ich ihm behilflich sein könne, fragte er und zeigte zum Parkautomaten. „Ich bekomme es leider nicht hin. Ich habe so etwas nämlich noch nie bedient.“

 

St. Annes Beachpark

 

Ich murmelte etwas von „complete stranger myself“ und hoffte inständig, dass das Ding bei mir funktionieren würde. Ich wollte diesen Herren, der noch nie in seinem Leben ein Parkticket gezogen hatte, auf gar keinen Fall enttäuschen.

Er reichte mir die abgezählten Münzen. Seine Hände waren nicht die Hände eines Schreibtisch-Mannes. Das Ticket zu ziehen, bekam ich tiptop geregelt. Es war ein ganz normaler Parkautomat.

Als er mich dafür überschwänglich lobte und mich „my love“ nannte und sagte, ich habe seinen Tag gerettet, denn ohne mich hätte er zweifelsohne den wunderschönen Nachmittag auf dem Parkplatz verbringen müssen – rührte mich das halb zu Tode.

Und ich wurde leicht wehmütig. Weil dies unser letzter Spaziergang in Nordengland war.

 

St. Annes Beach

 

Am Strand von St. Annes

 

Es war wirklich ein wunderschöner Nachmittag. Warm und windstill. Auf der Promenade reckten vereinzelte Herrschaften die Gesichter zur Sonne wie zufriedene Wasserschildkröten.

Ein Schild am Strandzugang verbot das Mitbringen von Alkohol. Blackpool schien nicht Meilen sondern Lichtjahre entfernt.

Und ich dachte an die vielen Mini-Bekanntschaften, die wir in den vergangenen Tagen gemacht hatten. Nur kurze Gespräche zumeist. Doch die hatten uns so seltsam nachdrücklich berührt.

Kürzeste Liebe, hat Ringelnatz das mal genannt.

 

Pier Lytham St. Annes

 

Vom Pier her wehte gedämpftes Kreischen an mein Ohr. Zunächst dachte ich an aufgeregte Möwen.

Aber im Näherkommen wurde mir klar, dass es sich um Gitarren handelte. Jemand musste dort drinnen die Boxen auf Anschlag gedreht haben. Jemand der Heavy Metall liebte.

Wie beinahe jeder Pier in Nordengland beherbergt auch das Schmuckstück von St. Annes eine überdimensionierte Automatenspielhalle. Sie war vollkommen verwaist.

Und das war wieder so ein typisch englischer & herrlich irritierender Moment, der gleichzeitig seine Logik hat. Das Klientel in St. Annes scheint nicht unbedingt aus Headbangern zu bestehen.

 

St. Annes Pier

 

Warum man Engländer lieben muss

 

Man kann die Engländer natürlich nicht alle über einen Kamm scheren. Das gilt für jedes Volk. Für die Engländer aber ganz besonders. Weil sie über die Maßen individuell sind.

FearlessClothingGrundsätzlich hüte ich mich davor, Leute anzustarren. Treffe ich, sagen wir mal, Herbert Grönemeyer auf der Straße, gucke ich in die andere Richtung.

Doch in England habe ich mich immer wieder ertappt, meine Augen einfach nicht abwenden zu können. Manchmal blieb mir sogar der Mund offen stehen. Diese Gesichter. Diese Attitude. Diese Outfits. Ihr gesamtes Leben scheint sich in ihrem Äußeren zu spiegeln. Schön, wäre das falsche Wort.

Aber genau so muss Beethoven das gemeint haben, mit seiner Ode an die Freude: Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt.

Einen guten Eindruck bekommt man immer im April beim Ladies Day in Aintree. (Besonders Frauen  gefällt es sicher, das mal anzuklicken.)

 

Dockhouse Cafe St. Annes

 

Und apropos Ode an die Freude. Vor unserer Englandreise hat mich die Europaskepsis der Briten immer irgendwie empört. Jetzt finde ich es eher schade, dass sie nicht so richtig dazu gehören mögen.

Ich sag nicht mehr: Sollen sie doch austreten. Dann werden sie schon sehen, was sie davon haben. Sondern hoffe das Beste.

Wir möchten auf jeden Fall noch einmal wiederkommen; in den Norden im Westen. Irgendwann.

Bis dahin lese ich bei Steffi mit, die ganz wunderbar über die Erfahrungen einer Berlinerin in Yorkshire schreibt.

 

Beach Lytham St. Annes