Ich musste gestern an den Bottsand denken, ein winziges Naturschutzgebiet in der Nähe von Laboe. Mein letzter Besuch ist schon eine Weile her. Es war beim ersten Lockdwon im März, einen Tag bevor sämtliche Urlauber Schleswig-Holstein verlassen mussten. Unfassbar schien damals, woran man sich nun fast schon gewöhnt hat.

Im März ist es traditionell noch relativ ruhig an der Ostseeküste. Die Saison startet fast überall erst mit den Osterferien. Die Stille im vergangenen März war natürlich um einiges tiefer als gewöhnlich. Die wenigen Touristen waren abgereist und von den Einheimischen hatte niemand einen Grund, die üblichen Frühlings-Vorbereitungen zu treffen. Es hatte etwas von vergangenen Zeiten, als die Probstei noch am Ende der Welt lag. (Probstei? Noch nie gehört? Auf Lumao gibts mehr Infos.)

Jedenfalls: vor etwa 150 Jahren modellierten Wind und Wellen am Strand von Wendtorf in der Probstei einen Landvorsprung aus Meeressand. Diesem ersten Nehrungshaken folgte ziemlich exakt alle zehn Jahre ein weiterer. 1939 wurde der damals erst 15 Hektar große Bottsand unter Schutz gestellt.

Es gab eine Menge Leute, die auf den Naturschutz pfiffen. Sie wollten trotzdem genau dort an den Strand. Über Jahrzehnte schien es unmöglich, ihnen begreiflich zu machen, welchen Schaden sie damit anrichteten. Das erinnert ein bisschen an diejenigen, die sich heute nicht an Abstandsregeln halten. Aber was will man machen? Sie verhaften?

Im Fall des Bottsands hatte irgendjemand eine wirklich gute Idee. In den 1960er Jahren, der Nehrungshaken war inzwischen schon 70 Hektar groß und Naturschutz einer wachsenden Gesellschaftsschicht wichtig geworden, verhandelte man eine neue Nutzungsverordnung. Diese räumte dem Verein der Freunde der Freikörperkultur e.V. einen Sandstreifen im nördlichen Bereich des Nehrungshaken ein. Und das brachte die Wende.

So robust wie sich die Naturschutzverächter Pflanzen und Tieren gegenüber verhalten hatten, so zartbesaitet zeigten sich nun ihre Seelen beim Anblick der Nackedeis. Es wurde ruhig an der Nordspitze des Bottsandes. Sie entwickelte sich zu einem wunderbaren Refugium bedrohter Arten aus Flora und Fauna.
Lieblingsspots in der Probstei: 3. Bottsand
Heute herrscht auf dem Bottsand weitflächig Betretungsverbot. Nur in südlicher Richtung kann man hier entlang einer Dünenkette spazieren, wie es sie nur noch sehr, sehr selten an der Ostseeküste von Schleswig-Holstein gibt.

Natürlich ist nicht alles gut geworden. Schleswig-Holstein ist kein Märchenland, sondern ganz dem Tourismus und der Landwirtschaft unterworfen. Und auch wenn das Naturschutzgebiet mittlerweile mehr als 90 Hektar misst, ist es noch immer viel zu filigran und zerbrechlich, um alle Urlauber ringsum auszuhalten.

Der Bottsand wird von massig Campingplätzen und der Marina Wendtorf beinahe erdrückt. Auch setzte ihr Bau dem Wachstum der Nehrungshaken 1972 ein Ende. Im gleichen Jahr wuchs hier eine Trabantensiedlung in den Himmel, die sich in der ländlichen Umgebung recht bizarr ausmacht. Der Fisch frisch vom Kutter an der Promenade ist allerdings prima und der Blick auf den unberührten Teil des Naturschutzgebietes wunderschön.

Ich habe mich in den vergangenen Monaten oft an den Bottsand erinnert, weil er mir ein bisschen vorkommt wie mein eigenes Leben. Es passiert so viel Hässliches und Bedrohliches auf der Welt. In Relation dazu kommt mir meine eigene Position in ihr doch recht sicher und geschützt vor. Ich will nicht sagen, dass Deutschland eine Insel der Glückseeligen ist. (Aber unterm Strich eigentlich doch).
Das Leben – ein Bottsand 🙂
Natürlich ist auch für mich seit der Pandemie nicht alles optimal gelaufen. Und zum Bloggen bin ich in letzter Zeit erst gar nicht gekommen. Ich musste ein paar Nehrungshaken bilden, könnte man sagen. Einige Schutzzäune ziehen. Davon erzähle ich dann demnächst sicher mal mehr, wie ich überhaupt wieder regelmäßiger Lebenszeichen senden werde. Bis zum nächsten Beitrag also ein herzliches Ahoi!
Lieblingsspots in der Probstei von Norden nach Süden



















