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Von der Kunst des Spazierens auf der Halbinsel Holnis

Heute reicht es bei mir zeitlich nur für einen kleinen Spaziergang zwischendurch. Er führt auf die Halbinsel Holnis, die sich 20 Kilometer nördlich von Flensburg lang und schmal in die Förde streckt. So wird ein Rundweg möglich, der meistenteils am Strand entlangläuft. Dabei nähert man sich der dänischen Küste auf 1.700 Meter. Man glaubt, nach Broager rüberspucken zu können.

Um die Spitze von Holnis führt der „Theodor-Fontane-Wanderweg“; Fontane war in der Gegend als Kriegsberichterstatter unterwegs und erwähnt Holnis in seinem Roman „Unwiederbringlich“.

 

Steilkueste Holnis

 

Man muss dem Theodor-Fontane-Weg aber nicht in seiner gesamten Länge folgen. Das Naturschutzgebiet Holnis ist von Wegen und Trampelpfaden durchzogen, so dass man den Spaziergang seinen Möglichkeiten anpassen kann. Denn das ist ja – neben vielen anderen Vorteilen – das Gute am Spazieren: Man bestimmt Anfang und Ende und das Dazwischen selbst.

Und auch wenn man sich manchmal aufraffen muss, klopft man sich hinterher meistens auf die Schulter. Oder ist zumindest zufrieden. Jedenfalls sagt selten mal jemand: „Ich bereue, dass ich heute einen Spaziergang gemacht habe.“ Und schon der Philosoph Michel de Montaigne wusste: „Mein Geist geht nicht voran, wenn ihn nicht meine Beine in Bewegung setzen.“

 

Holnis

 

Die Kunst des Spazierens

 

Strand Holnis

 

In einigen Ländern gilt Spazieren als Zeitverschwendung. In anderen quasi als Kulturgut. In Deutschland etwa reicht die Tradition des Spazierens bis ins 18. Jahrhundert zurück. Das Bildungsbürgertum ahmte damit zunächst den Adel und dessen Promenieren in Lustgärten nach, begann dann aber bald selbst die Natur zu genießen, wahrzunehmen – und das spiegelte sich in der Kunst wieder.

Der passionierte Wanderer und Dichter Johann Gottfried Seume formulierte in seinem Spaziergang nach Syrakus : „Wer geht, sieht im Durchschnitt anthropologisch und kosmisch mehr, als wer fährt.“

 

Butterblumen

 

Kosmisch sehen“ ist ja auch so eine Formulierung über die man lange nachdenken kann. Was beim Spazieren bestens funktioniert. Ich habe leider nie den Bogen rausgekriegt, wie man meditiert. Selbst nicht als ich mal in einem Ashram in Indien war. Doch vielleicht ist Spazieren eine europäische Variante?!

 

Galloways Holnis

 

Ich funktioniere da wie Pawlows Hund. Sobald ich gehe, gehen auch meine Gedanken. Im Gegensatz zum Rumsitzen, bei dem ich eher zum Grübeln neige. Besser sagt es der Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau: „Im Wandern liegt etwas meine Gedanken Anfeuerndes und Belebendes, mein Körper muss in Bewegung sein, wenn es mein Geist sein soll.“

 

Spaziergänger befinden sich in guter Gesellschaft

 

Für viele große Künstler stellt das Zu-Fuß-Gehen ein wichtiges Ritual dar. Friedrich Nietzsche etwa galt als ausdauernder Spaziergänger. Ludwig van Beethoven pflegte immer nach dem Mittagessen einen längeren Spaziergang zu unternehmen, zu dem er auch Papier und Stift mitnahm. Charles Dickens wanderte am Nachmittag regelmäßig bis zu drei Stunden an der frischen Luft. Sören Kierkegaard kehrte von seinen Spaziergängen derart beseelt zurück, dass er sich gleich mit Hut, Spazierstock und Regenschirm an den Schreibtisch setzte und los schrieb.

 

NSG Holnis

 

Nebenbei bemerkt finde ich Spazieren im Nieselregen besser als in Gluthitze. So gesehen ist der Sommer 2015 bisher ein hervorragender Sommer. Ist eben immer alles eine Sache der Perspektive. Und zum Perspektivwechsel eignet sich kaum etwas so gut wie ein Spaziergang.

Na, denn man to: Wegbeschreibungen

 

Ziegelei Holnis

Auf den Brettern, die den Sommer bedeuten: SUP für Anfänger

 

Der Gegenverkehr kommt in Form eines Alsterdampfers. Der Trick ist, sich von der Bugwelle nicht beeindrucken zu lassen. Am besten überhaupt nicht nachdenken. Wie man auch nicht nachdenken darf, wenn man ein Tablett mit randvollen Gläsern balanciert. Sich schön rechts halten. Dabei nicht in den gewaltigen Trauerweiden verheddern, die so typisch für das Alsterufer sind.

 

Alsterdampfer

 

Die Miniwellen des Alsterdampfers laufen glucksend unter meinem Bord hindurch. Es tanzt ein wenig. Aber ich bleibe stehen. Und jetzt ist sie da: Die Freude, dass ich mich heute Abend aufgerafft habe.

„Halte das Paddel näher am Board“, korrigiert mich Tanja. Meiner Trainerin entgeht keine Fehlhaltung. Nicht bei mir und nicht bei den anderen 10 Teilnehmern des Anfängerkurses beim SUP Club Hamburg.

 

T.D.SUP

 

Statistisch gesehen wird es einen aus unserer Gruppe erwischen. „Einer von 10 fällt“, hat Tanja erzählt. Ihr selbst ist das natürlich noch nie passiert. In fünf Jahren nicht. So lange schon wechselt sie nach Feierabend – wann immer das Wetter es zulässt – von ihrem ganz normalen Schreibtisch an der Elbe auf das Board an der Alster. Ob das nicht manchmal anstrengend ist?

 

Stand up Paddling

 

„Nie“, sagt Tanja. „Ich habe noch nie keine Lust gehabt.“

Dabei war sie weder Sportstudentin noch funky Surferin, als der SUP-Virus sie erwischte. Sportlich zwar immer; aber eben auf diese normale Weise, bei der sich Spaß und Pflichtgefühl die Wage halten. Inzwischen macht sie es so, wie ich es toll finde.

Denn SUP ist für Tanja kein Frauen-Pseudo-Hobby, dem sie nachgeht, wenn grad kein anderer an ihr zerrt. Sondern richtig wichtig. Tanja lebt Stand-Up-Paddling. Dirigiert sie mal keine Anfängerkurse oder Betriebsausflüge oder Kindergeburtstage, paddelt sie zum Vergnügen los. Und im Winter steigt sie in Uggs aufs Bord.

„Ich falle ja nicht“, behauptet sie grinsend. „Deswegen brauche ich auch keine Neopren-Schuhe.“

Man sieht ihr das tägliche Wasser-Workout an. SUP ist nicht nur ausgesprochen schonend für die Gelenke sondern auch maximales Training für die Rumpfmuskulatur. Bei Tanja scheint es sich allerdings auf die Ganzkörpermuskulatur auszuwirken. Beneidenswert.

 

Anfaengerkurs

 

„Nach der Brücke rechts“, ruft sie zwei Männern weiter vorn zu. Und kümmert sich um die, bei denen es noch nicht so flutscht. Das ist das Beste am SUP-Anfängerkurs: Man darf sich von der ersten Minute an so frei bewegen, wie man es sich zutraut.

Wie gut, dass ich allein gekommen bin, denke ich. Wie gut, dass ich nicht reden muss.

Nur das Paddel ins Wasser tauchen und (schön dicht) am Board entlang ziehen. Es ist warm. Die Alster riecht dunkelgrün.

 

Alsterschwaene

 

Die Alster ist ein Sommersee

 

Eine bestimmte (gar nicht mal so kleine) Seite der Stadt begreift nur, wer sich aufs Wasser wagt. Zur Hamburger Identität gehört das Wissen, wie die eigene Stimme unter einer Brücke klingt. Wie sich das anfühlt, frisch verschossen dem neuen Schwarm im Ruderboot gegenüber zu sitzen. Das kleine Stoßgebet, er möge bitte, bitte rudern können.

 

Dame mit Hut

 

Die Alster ist ja kein x-beliebiger Fluss. Die Alster ist das Nervengeflecht der Stadt. Die baumbestandenen Läufe wie heimliche Tunnel. Die Kanäle mit den bekannten Villen und Wahnsinnsgrundstücken. Wasserstraßen, die sich durch Häuserschluchten ziehen. Und Teiche. So wunderbare Teiche.

 

Alsterteich

 

Auf einem der schönsten, dem Feenteich, sammeln wir uns. Wir lernen Eleganteres als Geradeauspaddeln. So wenig Theorie wie nötig. So viel Praxis wie möglich. Tanja ist von der zackigen Sorte. Und dann üben. Üben. Üben. Wenden. Halten. Übergreifen. Die Fachbegriffe huschen mir davon wie nervöse Stichlinge. Man vergisst sich leicht auf der Alster.

 

Trauerweiden

 

Hamburger sammeln Alstererinnerungen wie Briefmarken. Ich hänge meinen nach.

Ein Junggesellinnenabschied im Tretboot. Eine Hochzeitgesellschaft auf einem Alsterdampfer. Dieser knallheiße Tag als ich mit einem besonderen Freund von Bodos Bootssteg ablegte und langsam, langsam die Gewissheit in uns einsickerte, dass er soeben sein Studium (ausgezeichnet) abgeschlossen hatte.

Da hat uns ein Hanseat eine Flasche Prosecco vom Balkon gereicht. Einer, den wir auf der Straße bestimmt für spießig gehalten hätten. Was nur etwas über unsere eigene Spießigkeit sagt. Die Alster wird jedem Vorurteil gerecht und lässt gleichzeitig keines zu.

Und die besten Geburtstage waren immer die von Bea, wenn wir mit einer Horde Mädchen plus Quotenmann hinausgepaddelt sind. Kein besserer Moment als der, in dem man die Kanus aneinanderbindet und die Picknickkörbe öffnet.

 

Summer in the city

 

Eine/r von 10 fällt

 

Kurzer Schrei! Platsch! Direkt vor mir ist eine ins Wasser geplumpst. Tanja ist sofort neben ihr. Hilft ihr zurück aufs Brett. Ist ja gar nicht schlimm. Denn a) trägt sie unter dem T-Shirt einen Bikini (empfehlenswert) und b) nimmt sie´s mit Lachen. Ja, mir scheint sogar mit Vergnügen. Sie wird doch wohl nicht extra…?

Statistisch ist die Quote für heute erreicht. Doch die kleine Restangst bleibt, man könne selbst noch die Balance verlieren. Schlimmstenfalls irgendwo auf dem Rückweg vor den Augen des Publikums der unzähligen Ruder- und Segelclubs. Die Alster ist heute ausverkauft. Bis auf den letzten Platz.

 

Tanja

 

Als wir den Steg des SUP-Clubs erreichen, sind wir viel ruhiger als noch vor zwei Stunden. Auch wenn es für den Betrachter nicht so aussieht, fühlt man doch, dass Stand-up-Paddling was mit dem Körper macht. Nicht so, dass man angestrengt oder gar ausgepowert wäre. Nur so, dass man völlig entspannt ist.

 

Tanja SUP-Club

 

Tanja hilft Teilnehmern aus dem Wasser, nimmt Boards und Paddel entgegen, kassiert, gibt letzte Tipps, trifft Verabredungen für die nächsten Kurse, ist überall gleichzeitig, während wir Anfänger uns voneinander verabschieden. Muss man unbedingt wiederholen. Auf jeden Fall. Nach und nach schlendern die Leute zurück ins Stadtleben.

 

Sundowner

 

Es wird dunkel an der Alster. Ein Schwan zieht vorbei. Auf der Bank unter dem großen Baum flüstern sich zwei Frauen Geheimnisse zu. Es ist Sommer in Hamburg.

 

SUP Club Hamburg

 

Zu den Kursen & Preisen vom SUP-Club Hamburg hier klicken.

Der beste Weg durch die Geltinger Birk

Falls man es geschickt anstellt, wird man im Laufe der Zeiten nicht nur älter sondern auch besser. So wie die Geltinger Birk.

Die Landzunge an der nordöstlichen Spitze Angelns steht bereits seit 1934 unter Naturschutz und hat sich mit den Jahren in ein Märchenland verwandelt. Bestehend aus Schilfsümpfen, Salzwiesen, Hohlwegen, Gespensterwäldchen, Lagunen, Weiden und Zauberstränden.

 

Charlotte

Die Mühle Charlotte markiert den Eingang zur Birk

 

Man kann die Birk zum Teil mit dem Fahrrad erkunden. Aber am besten lernt man sie zu Fuß kennen.

Ein Netz von gut ausgeschilderten Wanderwegen unterschiedlicher Länge zieht sich durch das Naturschutzgebiet. Sie  tragen nette Namen wie Eule, Konik, Möwe und Hochlandrind.

Der (für uns) schönste Spaziergang kombiniert den Möwenweg (blau) mit dem Konikweg (grün) und ist knapp 17 km lang.

 

Wanderwege Geltinger Birk

Vom Startpunkt am Parkplatz bei der Mühle Charlotte führt der Möwenweg einmal um die Geltinger Birk herum. In Falshöft gibt es die Möglichkeit zur Einkehr. Bei Niebywesterfeld wechselt man auf den Konikweg, etwa in Höhe der Klapptore. Dass man Beveroe auf dem Rückweg ein zweites Mal umrundet, ist gewollt – weil zu und zu schön.

 

Ist doch seltsam: Wenn man mich als Kind sehr unglücklich machen wollte, musste man mir nur einen Sonntagsspaziergang in der Geltinger Birk vorschlagen. Heute gehört das für mich zu den besten Dingen im Leben.

Ich freue mich jedes Mal wie … ja wie ein kleines Kind. Und ich entdecke auch immer wieder Neues. Denn die Birk verändert sich, dehnt sich aus – sie ist mit mir mitgewachsen, kann man sagen.

Während ich mich normalerweise mit Neuerungen eher schwer tue, scheint mir die Birk immer wundervoller zu werden. Das gilt sogar für den Birk-Kiosk.

 

Birk Kiosk

 

Ein Kiosk im Naturschutzgebiet kann ja leicht zum Sakrileg werden. Aber der Birk-Kiosk direkt am Parkplatz gefällt mir gut.

Man kann sich dort gleich bei der Ankunft mit Infomaterial versorgen. Und schon mal die Tageskarte studieren, auf der sich so supergute Suppen und regionale Kleinigkeiten finden, wie sonst kaum in der Gegend. (Nach geschaffter Wanderung also unbedingt einkehren.)

Aber jetzt erst mal los.

 

Beveroe

Typisch für die Birk ist der Wechsel zwischen Freiflächen und Hohlwegen

 

Ein Naturschutzgebiet am Meer ist generell eine gute Sache. Bombastisch gut wirds auf der Birk bei Zick-Zack-Wetter. Das Wolkenspiel am Himmel lässt die Ostsee in den unglaublichsten Farben leuchten.

 

 

Etwa bei der Nabu-Hütte wird der Weg zum Trampelpfad und der Wind etwas frischer. Die Birk ragt wie eine neugierige Nasenspitze in die Ostsee hinein.

 

 

Die Natur ist unaufgeregt. Zu den spannenden Dingen gehört es, nach den Wildpferden Ausschau zu halten . 2002 wurden 11 Koniks in der Birk angesiedelt. Schon im ersten Jahr wurden ihnen 3 Fohlen geboren. Die Pferde leben hier wirklich wild. D.h. man weiß nie so ganz genau, wo man sie findet.

 

Koniks

 

Koniks sind genügsam. Selbst bei Schnee können sie ohne Zufütterung auskommen. Auf der Birk fühlen sie sich offensichtlich wohl. Ihr Bestand wird bei etwa 50 Tieren gehalten. Das ist nur durch Abgabe von Nachwuchs an andere Naturschutzgebiete möglich.

 

Wildpferde

 

Die Koniks sind nicht nur aus bloßer Tierliebe angesiedelt worden. Sie sollen den Bewuchs der halboffenen Weidelandschaft in Schach halten. Zusammen mit etwa 80 Galloways.

 

Hochlandrind

 

Etwas, das auf der Birk nicht nur in Schach gehalten sondern vollkommen ausgerottet werden soll: Strandrosen. Rosa Rugosa ist ein Einwanderer aus Asien und gilt als invasiver Neophyt. Aus Gründen des Arten- und Biotopenschutzes wird sie an den Küsten mittlerweile vielfach bekämpft. Sie verdrängt vor allem kleine und lichtbedürfitge einheimische Pflanzen wie Sanddorn, Stranddisteln und Bibernellrosen.

 

Strandrosen

 

Ein Jammer. Die Strandrose ist für mich so typisch für Nord- und Ostsee. Ich mag sie sehr. Und ich frage mich, was mit all den gleichnamigen Pensionen und Restaurants wird, wenn es in Norddeutschland keine Strandrosen mehr gibt?!

 

Schwanensee

 

Apropos Strandrosen: Sie schützten ja äußerst zuverlässig Dünenabschnitte, die nicht zertrampelt werden sollen. In der Birk sollte man gleich den gesamten Strand nicht betreten. Mit Ausnahme einer kleine Stelle beim Aussichtsturm ist er ganz für die 200 Vogelarten reserviert, die hier brüten.

 

Strand Geltinger Birk

 

Logischerweise hält sich nicht jeder Besucher daran. Der eine latscht durchs Brutgebiet. Der andere läßt seinen Hund frei laufen. Und der übernächste findet es nicht so schlimm, wenn ein einziges Mal ein einziges Kind (seins nämlich) unten am Wasser spielt.

 

Schafe

 

Ich würde ja verrückt werden, wenn ich Ranger wäre. Vermutlich führt das früher oder später zu Zäunen. Und dann sind wieder alle sauer.

 

Naturschutzgebiet Geltinger Birk

 

Bei Falshöft verlässt man die Ostsee und die absolute Natur für ein paar Kilometer. Aber schon kurz hinter dem Dorf schlägt man sich wieder in die Einsamkeit. Es geht über Weiden, Wiesen und Felder. Das kann matschig werden hier und da. (Ich sprach noch gar nicht von den Schuhen. Also: Es kann matschig werden.)

 

Weizen

 

An der einzigen Weggabelung muss man mal kurz aufpassen, dass man auf den Konikweg wechselt. Und zwar den, der nach rechts führt. Die anderen Wege streifen nämlich früher oder später Wohngebiete.

Auf dem Konikweg bekommt man einen guten Eindruck über die kontrollierte Vernässung der Birk. Das Ganze wirkt irgendwie urzeitlich. Und die Froschkonzerte sind grandios.

 

 

Kurz hinter der kleinen Brücke steht mal wieder eins dieser supersüßen Häuschen, die ich noch gar nicht erwähnt habe. Davon gibts eine Handvoll in der Birk. Sie sind alle entzückend und gehören alle den von Hobes.

Man kann sie mieten. Was cool ist, weil sie wunderschön liegen und zuckerniedlich eingerichtet sind. Anderseits haben speziell Wanderinnen diesen unbezwingbaren Drang, durch die Fenster luschern zu wollen. Und das könnte die Privatheit stören.

 

Ferienhaus

 

Gerade wenn man das Gefühl hat, jetzt reichts auch mit Wandern, hört man wieder die Ostsee rauschen. Man erreicht den Ausgangsweg etwa auf Höhe der Nabu-Hütte und geht die letzten 2 km, wie man gekommen ist.

 

Eichenblatt

 

Den Teil kennt man zwar schon. Aber das macht nichts. Weil das so wunderschön ist. Und darum sollte auch Leute, die überhaupt nicht gerne spazieren, ruhig mal die Birk besuchen. Selbst ein Mini-Spaziergang vom Parkplatz bis zur Nabu-Hütte ist die Anreise wert.

 

Grahlenstein

 

Schafe

Ausgezeichnet: Ein Strand und wir

Engländer haben diesen schönen Begriff hidden gem für unbekannte Schönheiten. Blogger nennen das Liebster Award. Heute kombiniere ich ein nicht ganz so bekanntes Stück Ostseeküste mit Worten von nicht ganz so bekannten Bloggern. Also von uns. Denn wir haben wieder einen Award bekommen.

Überreicht wurde er uns von Janne, die selbst so ein hidden gem ist. Sie hat ein tolles Sprachgefühl und bloggt über ihre Versuche, nachhaltig zu leben – ganz ohne zu moralisieren. Großartig.

 

Der Liebster Award

 

LiebsterAwardDer Liebster Award soll kleineren Blogs zu mehr Bekanntheit zu verhelfen. 11 persönliche Fragen werden den Nominierten gestellt. Nach Beantwortung dürfen die wiederum bis zu 11 andere kleinere Blogs nominieren. Wofür sie sich 11 neue Fragen ausdenken. Ein Schneeballsystem also oder eine Art Kettenbrief.

 

Was der Liebster Award und deutsche Strände gemeinsam haben

 

In einem Land mit (relativ) wenig Küste und 81,8 Mio Einwohnern wird es manchmal eng am Strand. Will sagen: Besonders schöne Strände haben wie besonders schöne Blogs ordentlich traffic. Manchmal gibt es aber auch viel traffic an gar nicht so besonders schönen Stränden. Und wenig an großartigen. Das liegt dann häufig an der Infrarstruktur.

So einen Strand findet man in der Region Angeln, ein paar Kilometer nördlich von Kappeln. Zwischen Pottloch und Falshöft gibt es keine Seebäder, keine Restaurants, nicht mal kostenpflichtige Parkplätze oder gar Kurtaxeabgabestellen. Nehmt irgendeine Stichstraße von der Nordstraße und Ihr gelangt an einen feinsandigen, 5 km langen Strand.

 

Wer sich nicht für Awards interessant, kann einfach Bilder gucken

Wer sich nicht für Awards interessant, kann Bilder gucken. Von 5km Strand ohne eine nennenswerte Ortschaft.

Zurück zum Liebster Award: Jannes Fragen

(von mir allein beantwortet; Volko ist im Stress.)

 

Wie duftet der Sommer?

Nach Meer. Sonnenmilch von Nivea. Und frischgemähtem Gras.

Welche Farbe hat Deine Lieblingsblume?

Kornblumenblau.

Und welche Farbe hat Dein Lieblingshimmel?

Kornblumenblau.

 

Läufst Du gern barfuß? Wo?

Jaaaaaaaa. Am Meeressaum. Und das ist ja gerade das Gute, wenn man in Pottloch losgeht. Man hat keinen Gegenverkehr.

 

 

Welche Hamburger Persönlichkeit würdest Du gern einmal treffen?

Seltsam, mir fällt keine ein. Hamburg ist so klein. Wenn man mit jemandem sprechen wollte, wüsste man immer einen, der das einfädeln könnte. Meine ich. Allerdings: eine große Sache wäre, mal mit Hans Albers auf´n Swutsch zu gehen.

Und welche würdest Du gern zum Teufel schicken?

Die Kläger gegen die Flüchtlingsunterkunft in den Sophienterrassen. Nur damit der Teufel (besser noch: seine Großmutter) mal ein paar Takte mit ihnen redet.

Denkst Du an jemand Bestimmten, wenn Du bloggst?

An andere Blogger denke ich öfter mal (jetzt gerade an Dich, Janne :-))

Welches Musikinstrument spielst Du bzw. würdest Du gern spielen können?

Gitarre würde ich gern spielen können (und jetzt denke ich gerade an jemanden, der mir eine Gitarre geschenkt hat und seitdem darauf wartet, dass ich das Spielen lerne).

Dein Sommerhit 2015?

Keine Ahnung. Ich höre viel zu wenig Musik seit einiger Zeit. Hat jemand was Schönes für mich?

Ein Wunsch, der im Juli in Erfüllung gehen soll:

Ich habe mal gelesen, wenn man erst mal 100 „gefällt mir´s“ auf Facebook hat, wird die Sache weniger einsam. Wir dümpeln da so in den 80ern rum und das ist einsam. Also im Juli wünsche ich mir noch 13 gefällt mir´s auf Facebook. (Wer das liest, kann uns helfen.)

 

Nach 5 km Einsamkeit kommt der Leuchtturm von Falshoeft

Beim Leuchtturm von Falshoeft ist es mit der Ruhe vorbei. Dafür gibts zur Stärkung für den Rückweg einen echt guten Mittagstisch beim Campingplatz. Oder Kaffee und Kuchen im Lichthof. Tortenmäßig unschlagbar.

 

Der Liebster-Award wird weitergereicht an…

 

die Frau mit dem unaussprechlichen Namen, Frau von Tdrahllov, (aber nennt sie einfach Nicole; das geht auch) für ihre Fähigkeit, Kleinigkeiten wertzuschätzen.

Maren; besonders (aber nicht nur) für ihre Bilder und Berichte aus Afrika: Von Orten und Menschen.

Ulf, der sich heute von Palermo verabschiedet – wobei ich hoffe, dass er sein Diario palermitano auch zuhause weiterführt und feinsinnig bleibt.

Alexandra und Reinhold von daheim-ist-unterwegs für die Fotos und Texte, die mir immer mehr Lust auf Ostfriesland-und-um-zu machen.

Theorie der Gartenkunst, weil der Blog ein kleines Kunstwerk ist.

Und last not least Julias kleine Fotowelt. Der erste Blog, den ich je abonniert habe.

 

Liebe Nominierte, wenn Ihr mögt (und nur dann), hier die Liebster-Regeln

– Beantwortet die 11 untenstehenden Fragen in einem Beitrag
– Ganz wichtig: Verlinkt in eurem Artikel die Person, die Euch nominiert hat!
– Sucht Euch bis zu 11 Blogs, unter 1000 Follower, nominiert und informiert sie.
– Überlegt Euch 11 neue Fragen für die neu nominierten Personen.

– Have fun.

 

 

Meine Fragen an Euch

 

1. Was sollte man jeden Sommer mindestens 1 Mal tun?

2. (Wofür) sind Regentage gut?

3. Mit welchen Worten beginnt Dein Lieblingsbuch?

4. Gibt es etwas, dass Du beim Bloggen absolut nicht verstehst und immer schon mal fragen wolltest?

5. Du wirst zu einer Bloggerreise eingeladen – welche wäre Dein Traum?

6. Was hättest Du gern schon mit 18 gewusst?

7. Kannst Du irgendwas richtig gut? Was?

8. Die schönste Liedzeile ever?

9. Welchen fiktiven Ort (Literatur, Film etc.) würdest Du gern mal besuchen?

10. Was bringt Dich regelmäßig auf die Palme (obwohl Du weisst, dass es einen großen Geist nicht wirklich stört)?!

11. Welchen Beruf wolltest Du als Kind ergreifen?

 

Die Schafe von Falshoeft sind ausgesprochen fröhlich. Denn hier beginnt die Geltinger Birk. Und davon erzähle ich dann nächstes Mal.

Die Schafe von Falshoeft sind ausgesprochen fröhlich. Denn hier beginnt die Geltinger Birk, ein wundervolles Naturschutzgebiet. Und davon erzähle ich dann nächstes Mal.

5 Tipps für Hiddensee

Sollte ich aus dem Stand zehn Orte nennen, die man in Norddeutschland unbedingt gesehen haben muss, wäre Hiddensee dabei. Ich liebe Inseln. Allein die Vorstellung von einem Stückchen Land im Meer, macht mich glücklich. Je kleiner desto besser. Je weltabgewandter desto großartiger. Je ungezähmter desto ruhiger mein Herzschlag. Diesbezüglich schneidet Hiddensee eins a ab. Weiterlesen

Leutchhturm am Dornbusch

„… nur stille, stille, dass Hiddensee nicht etwa ein Weltbad werde.“

Albert Einstein, Billy Wilder, Sigmund Freud, Franz Kafka, Erich Kästner, Gottfried Benn, Bert Brecht – um nur mal einige Inselgäste zu nennen. Und allen voran Gerhard Hauptmann, der Lokalheld, der seine Sommermonate regelmäßig auf Hiddensee verbrachte. Er schrieb:

„Wiese und Meer. Meer und Wiese und Wind. Wind, Sturm und ewig brandenden donnernde Flut! Diese Eindrücke zwingen die Seele zur Einfachheit. Alles gekünstelte, alles städtisch-kulturell-aufgedrängte fällt von ihr ab. Das ist das Gesuchte, das ist das Gesunde. Aber eingeschläfert sind unsere Nerven nicht. Im Gegenteil, sonderbar aufgestört.“

Sonderbar aufgestört. Genau so fühle ich mich. Dabei wird Hiddensee gern als Insel mit Entschleunigungsgarantie bezeichnet. Es gibt auf der Insel keine Autos, keine Beachbars, keine grellen Fassaden, keine Wellnessangebote, sogar die Restaurants schließen früh.

Warum finde ich dann keine Ruhe? Warum bin ich so sonderbar aufgestört?

 

Hafen Kloster

Morgens im Hafen von Kloster. Die einzige Laute stammen von Spatzen und Schwalben.

 

Hiddensee ist die einzige Ferieninsel Mecklenburg-Vorpommerns, die nicht über den Landweg zu erreichen ist. Drei höchst unterschiedliche Orte – Kloster, Vitte und Neuendorf – verteilen sich von Nord nach Süd über das 16 km lange, schmale „söte Länneken“ (süßes Land).

Kloster, am nördlichen Inselende, ist das kulturelle Zentrum Hiddensees. Im Schatten gewaltiger Bäume mixen sich Reetdachhäuser mit zerfallenen Gehöften und Villen, wie sie auch in Grunewald stehen könnten. Hier befindet sich Hauptmanns Haus Sanddorn. Und der Inselfriedhof, auf dem er begraben liegt.

Die Insel vertrüge nur einen großen Schriftsteller, soll Thomas Mann nach einem Besuch bei Hauptmann gesagt haben. Es heißt, er wäre eifersüchtig gewesen auf die Popularität seines Gastgebers unter den Insulanern. Und dann entwickelte er aus den Zügen Hauptmanns den skurrilen Minheer Pepperkorn für den Zauberberg.

Hiddensee war und ist eine Quelle der Inspiration, wie es vielleicht keine zweite in Deutschland gibt.

 

HauptmannHaus

Haus Sanddorn. Hauptmanns Sommerhaus ist heute ein Museum – im Inneren nahezu unverändert. Im Anbau rechts befand sich sein Arbeitszimmer.

 

Maximale Dichter- und Denkerdichte

 

Lion Feuchtwanger, Stefan Zweig, Ernst Barlach, Rainer Maria Rilke. Es kann einem schwindelig werden angesichts der großen Namen, die eng mit der Insel verbunden sind. Sie entfachen Bilderstürme in mir, so dass ich mich fühle wie eine Hochsensible auf der Jahrestagung der Exzentriker (völlig überfordert).

Wenn ich mir nur vorstelle: Der erste weibliche Kinostar der Welt, Asta Nielsen, empfing hier Gäste wie Carl Zuckmayer und Joachim Ringelnatz. Letzerer soll zu und zu gern rotweinbetrunken & nackt durch die Ostseewellen gesprungen sein. Dem Sommerhaus seiner Gastgeberin widmete er in seinem Gedicht „Insel Hiddensee“ eine Strophe:

Steht ein Häuschen in der Mitte,
Rund und rührend zum Verlieben.
»Karusel« steht angeschrieben.
Dieses Häuschen zählt zu Vitte.

 

Karusel

Das Sommerhaus Karusel (dänsich für Karussell) von Asta Nielsen

 

Vitte (gesprochen: Fitte) ist mit 650 Einwohnern der Hauptort der Insel. Der einzige mit asphaltierten Straßen und bekannt für seine unterschiedlichsten Baustile. Fischerhäuschen, Gründerzeitvillen, schlichte Reetdachkaten. Darunter keine Bausünden. Aber ein paar  Unterlassungssünden. Morbides, um das man sich gern kümmern würde. Wenn man das Geld hätte.

 

Villa zur Ostsee. In der DDR-Zeit ein Erholungsheim des FDGB

Villa zur Ostsee. In der DDR-Zeit ein Erholungsheim des FDGB.

 

Sonderbar aufgestört. Das kleine Hiddensee wartet mit allen Landschaftsformen auf, die die Ostseeküste ausmachen. Auf Steilküste folgt Sandstrand folgt Dünenheide. Schon mit dem Fahrrad ist man zu schnell, als dass der Kopf mitkommen können. Das Herz schon gar nicht. Meines jedenfalls. Zufällig sind Steilküsten, Sandstrände und Dünenheiden meine Lieblingslandschaften.

Inmitten der Dünenheide liegt der dritte Inselort, Neuendorf. Hier gibt es keine Straßen, keinen Ortskern. Nur den kleinen Hafen und Trampelpfade zwischen weit verstreuten blitzeweißen Katen und Gehöften.

 

Neuendorf Hafen

 

Auch Neuendorf hat seinen eigenen Literaturgott. Im Gasthaus Freese kämpfte Hans Fallada mit seinen Dämonen, dem Alkohol und schrieb gleichzeitig seinen berühmten Roman „Kleiner Mann, was nun?“ Das war 1933.

 

Neuendorf

 

Sonderbar aufgestört. So viel Zeitgeschichte auf so wenig Raum. Der Heimatforscher Kurt Dittmann wertete die Gästebücher von drei Pensionen aus der Zeit vor dem Naziregime aus.

Unter den Gästen befanden sich circa fünfzig hochrangige Wissenschaftler, mehr als zweihundert Maler, Bildhauer und Architekten und jeweils hundertfünfzig Schriftsteller, Musiker, Komponisten und Schauspieler.

Drei Achtel dieser Gäste mussten Deutschland während der Nazizeit verlassen, wurden ermordet oder begingen Selbstmord.

 

DoktorandenHaus

Doktoranden-Haus der Universität Greifswald in Kloster. Einstein besuchte oft die zugehörige Vogelwarte.

 

DDR-Zeit auf Hiddensee

 

Nach 1945 entdeckten viele Künstler die Insel Hiddensee wieder neu für sich. Vor allem aus dem Exil kommende Schriftsteller wie Anna Seghers. Die Tänzerin Gret Palucca besaß seit den 1960er Jahren ein Sommerhaus in Vitte. Ihr Wunsch, es möge nach ihrem Tod, zu einem Ort des künstlerischen Austausches werden, erfüllte sich nicht. Das Haus wurde 2009 abgerissen.

 

 

"Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee..." sang Nina Hagen, ohne je auf der Insel gewesen zu sein. Die Plätze in den Erholungsheimen der DDR waren heiß begehrt und streng reglementiert.

„Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee…“ sang Nina Hagen, ohne je auf der Insel gewesen zu sein. Die Plätze in den Erholungsheimen der DDR waren heiß begehrt und streng reglementiert.

 

In den 70ern sang Nina Hagen die Inselhymne „Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael“. Da war sie noch „Bürgerin der DDR“ und Schlager-Interpretin. Für den Punk auf der Insel war Feeling B zuständig. Die wichtigste Punk-Band der DDR gab legendäre Strandkonzerte – mit Strom aus der Autobatterie. Möglicherweise toleriert von der SED. Sänger Aljoscha Rompe war der Sohn eines Funktionärs, der in Kloster ein Haus besaß.

 

Morgenstimmung Kloster

Das Panorama zum Punk. Drei Mitglieder von Feeling B sind heute bei Rammstein. Der Mensch ist unergründlich.

 

Hiddensee soll ein Stück Freiheit im sozialistischen Alltag bedeutet haben. Uwe Tellkamp beschreibt im Turm das Hiddensee der 80er Jahre:

„Der Weg wurde sandig, als sie von der Hauptstraße, an der Bäckerei Kasten vorbei, in Richtung Norden abbogen. Urlauber kamen ihnen entgegen, gebräunt und aus der Zeit gefallen. Frauen in wallenden Batikkleidern, viel Holzschmuck, Armreifen aus farbigen Lederriemchen, Sandalen mit Glasperlenschnüren; pfeifenrauchende Männer mit Künstlermähnen und Jesus-Look, seltener kurzgeschorenem Haar und Proletarierjoppen à la Brecht.“

 

Rohrdachhaus

 

Die Bäckerei Kasten existiert noch. Sie befindet sich in Kloster. In den alten Regalschränken stapeln sich frische Brotlaibe und duftende Hefezöpfe. Beim Blick in die Backstube denkt man, es habe sich wohl nicht viel verändert, seit Hauptmann sich wünschte:

 

„… nur stille, stille, dass es nicht etwa ein Weltbad werde.“

 

Ein Weltbad ist Hiddensee nicht geworden. Doch die Literaten schreiben heute nicht mehr auf sondern von der Insel. Es gibt Stunden, in denen die Rückzugsorte knapp werden. Ein Tagesausflug gehört zum Pflichtprogramm der Feriengäste von Rügen, Stralsund, Dranske, Zingst und Barth. Ein Großteil pilgert zielstrebig den Betonplattenweg zum Wahrzeichen Hiddensees hinauf – dem Leuchtturm am Dornbusch.

 

 

Weg zum Dornbusch, dem Wahrzeichen von Hiddensee

Weg zum Dornbusch, dem Wahrzeichen von Hiddensee

 

In unmitelbarer Nähe liegt die Gastätte und Pension Klausner, wo das jüngste Stück Literaturgeschichte der Insel angesiedelt ist. Der Roman Kruso von Lutz Seiler sagt man, werde sich einreihen in die Werke der großen Ostseedichter. Sein Hiddensee ließe sich mit  Thomas Manns Lübeck, Walter Kempowskis Rostock und Günter Grass Danzig vergleichen.

 

Klausner

Im winzigen Haus Klaus beim Klausner logierte schon Max Kruse, Bruder des Malers Oskar Kruse, Ehemann von Käthe Kruse und Vater des Urmel-Erfinders Max Kruse

 

Sonderbar aufgestört. Ich glaube, ich habe einen Kultur-Schock erlitten. Es sind ja längst noch nicht alle aufgezählt, die auf Hiddensee malten, dichteten, tanzten, tranken, dachten. Genannt habe ich nur die, die mir derart im Kopf rumschwirren, dass ich nicht mal meine Fotos anständig sortieren kann.

Und das musste jetzt alles erst einmal raus, bevor ich mit ein paar Tipps um die Ecke kommen kann. Das dann im nächsten Beitrag. Und bis dahin: Ahoi!

SPO Boehl

Das Wunderbare an St. Peter-Ording (Ortsteil Böhl)

Also, sagt Volko, nachdem er lange Zeit gar nichts gesagt hat, welchen Strand findest Du am besten? Mmh, antworte ich. Und dann lange Zeit nichts. Denn darüber muss man erst einmal gründlich nachdenken.

Wir sind in St. Peter-Ording, der größten Sandkiste Deutschlands. Konkret im Ortsteil Böhl. Nachdem wir im letzten Jahr die Strände von Ording, Bad und Dorf besucht haben, sind wir heute an den südlichsten Strand gefahren.

In Hamburg bin ich oft erstaunt, wieviele Menschen an x-beliebigen Wochentagen nicht arbeiten müssen. In Böhl überrascht mich nun eher, wieviele von denen heute nicht hergekommen sind.

 

Strandkoerbe Boehl

 

Es ist der erste richtig heiße Tag des Sommers. Das Wetter ist besser als angekündigt. Die Sonne scheint warm; der Wind trägt genau die richtige Frische in sich. Das Holzpodest, auf dem unser Strandkorb steht, haben wir ganz für uns allein. Als wäre es unser Privatgrundstück und unser Strandkorb das Sommerhaus.

Es stimmt wohl, was man immer wieder liest: Böhl hat den ruhigsten Strand von St. Peter-Ording.

 

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In Ording und Bad ist schon deutlich mehr los, hat uns der Strandkorb-Mann verraten. Das ist eigentlich nicht zu begreifen. Speziell für Tagesausflügler ist Böhl der praktischste Strand. Der Einzige, an dem man mit dem Auto bis an die Pfahlbauten heranfahren kann. Wir haben unseres lieber jenseits des Deiches geparkt. Weil ja der Weg das Ziel usw. Auf dem Bohlenweg durch die unendlichen Salzwiesen wird jeder Schritt ein Ooom, begleitet von Vogelgezwtischer und Hummelgebrumm.

 

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Das Vogelgezwitscher ist der Soundtrack von Böhl. Der weiträumig versandete Strandabschnitt ist ein wichtiges Brutgebiet. Von April bis Juli sind die Brutgebiete gekennzeichnet und dürfen nicht betreten werden. Hunde müssen an die Leine. Drachen sind verboten, da die Vögel sie als Feinde wahrnehmen und in Stress geraten. Stress ist in Böhl jedoch absolut unerwünscht. Stattdessen watet man gemächlich durch knietiefe, badewasserwarme Priele und die beinahe ebenso warme Nordsee.

 

 

Von allen wunderbaren Dingen in St. Peter-Ording sind die Wassertemperaturen für mich das Wunderbarste. Die Ostsee zum Beispiel braucht immer eine Schönwetterperiode, bevor sie mir erträglich scheint. An der Nordsee reichen ein paar Schönwetterstunden. Fällt der Sand bei Ebbe trocken, heizt er sich richtig auf, so dass er quasi als Fußbodenheizung fungiert, wenn das Wasser zurückkommt.

 

Dont forget your rucksack

 

Ich geh mal kurz ins Wasser, is nich in Böhl. Hier muss man ins Wasser wandern. Daher ist ein Rucksack auch viel besser als eine beschwerliche Strandtasche. Kann nämlich sein, dass man Stunden unterwegs ist. Oder sogar gar nicht mehr an den ursprünglichen Platz zurückkommt.

 

Sandbank

 

Ich kanns nicht beschwören, aber ich würde schätzen, dass es bis zur Wasserlinie zwei bis drei Kilometer sind.

 

Boje

 

Könnte allerdings auch sein, dass ich mich irre. In Böhl verrutscht einem leicht die Perspektive, während man auf Wasser wandelt.

 

auf Wasser gehen

 

Es ist seltsam, aber egal wie oft ich nach St. Peter-Ording fahre – auf die gigantische Weite bin ich nie vorbereitet. Es ist vielleicht zu surreal, als dass ich das Bild eins zu eins im Kopf behalten könnte.

 

 

 

Was man nach Böhl nicht mitnehmen muss, sind Butterbrote. Denn dann könnte man nicht in der Seekiste speisen. Und das wäre verdammt schade.

 

Seekiste

 

Wie in allen Pfahlbauten-Restaurants in St. Peter-Ording ist auch das Personal in der Seekiste auf diese besonders nette Art rotzfrech und gleichzeitig total aufmerksam. Man fühlt sich einfach wohl und willkommen. (Außer im Arche Noah in Bad).

 

Strandblick

 

Als wir gegen halb neun abends zum Leuchtturm von Böhl schlendern, habe ich mich noch immer nicht entschieden, welchen Strand von St. Peter-Ording ich am besten finde.

Und Du, frage ich Volko.

Weiß ich nicht, sagt er. Aber ich glaube, irgendwie jeden.

Und dem schließe ich mich vollumfänglich an.

 

Leuchtturm Boehl

 

 Tipp zum Weiterlesen:

 

Wirklich, ich kann gar nicht genug bekommen von St. Peter-Ording. Und ich finde, die meisten Leute (besonders wir) sind viel zu selten da. Vielleicht mal ausgenommen Elke vom Meerblog. Die Reisejournalistin und Bloggerin kann als Haus- und Hofchronistin von SPO gelten. Hier gehts zu ihren ultimativen Tipps für den Sommer in Nordfriesland.

Und das Beste ist ja, dass der gerade erst begonnen hat.

 

Als ich einmal fast auf den Ochseninseln war

Irgendwann um die Jahrtausendwende, Bucket Lists waren mir noch kein Begriff, erkor ich die Ochseninseln zu einem meiner 43-places. Die Seite lief damals in der 1.0-Version. Da war nichts interaktiv. Man notierte einfach 43 Orte, die man schon gesehen hatte oder noch erobern wollte.

Letztes Jahr fiel mir die Liste wieder in die Hände. Mich überraschte,

a) wie viele Ziele in der Nähe sich darauf befanden. Und

b) dass ich es in gut 10 Jahren nicht geschafft hatte, auch nur eines davon zu besuchen. (Im Gegensatz zu den voll-weit-weg-Zielen).

Aus meinem Erstaunen entstand im Grunde dieser Blog. Seitdem habe ich ja nun schon einiges gesehen. Und neulich war ich wirklich ganz kurz davor, meinen Fuß auf die Ochseninseln zu setzen.

 

Sonderhav

Der rote Punkt markiert Annies Kiosk in Sonderhav, wo es angeblich die besten Hot Dogs Dänemarks gibt.

 

Die zwei kleinen Inseln liegen in der Flensburger Förde. Sie entstanden, als ein Riese vom dänischen zum deutschen Ufer sprang. Zwei Lehmklumpen plumpsten von seinen Stiefeln herab: Voilá – die Ochseninseln.

 

 

Angeblich setzt stündlich eine Fähre auf die Große Ochseninsel über. (Die Kleine Ochseninsel kann man nicht besuchen. Sie ist im Besitz der Dänischen Lehrervereinigung und so schön verwildert, dass ich sie viel lieber erkunden würde als die Große. Aber man kann eben nicht alles haben.)

Es hatten sich ziemlich viele Menschen am Anleger in Sonderhav eingefunden. Wandergruppen, Jungsgruppen mit Kühltaschen und Grillutensilien, Familien. Volko ließ es sich netterweise nicht anmerken, aber ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass er innerlich stöhnte. Massen sind nicht so sein Ding.

Ein bisschen erinnerte das Ganze uns an Skagens-Gren, wo Skagerrak und Kattegat zusammentreffen und Bussladungen von Touristen zur Nordspitze Dänemarks pilgern. Bussladungen sind es vor Ochseninseln zwar nicht. Aber in der Relation ist die Sandzunge vor Sonderhav ähnlich bevölkert.

Zur vollen Stunde hatten wir sie jedoch einen Moment für uns, weil alles zum Anleger trabte.

 

Sandzunge

 

Wir trabten nicht mit, weil wir längst entschieden hatten, dass wir nicht auf die Ochseninsel fahren würden. Jedenfalls nicht an diesem Tag. Wenn ich wiederkomme (und ich möchte auf jeden Fall wiederkommen), dann in dem Wissen, dass hier ordentlich was los ist. Die Große Ochseninsel wird für mich dann nur ein Zwischenziel auf einer Wanderung von Wassersleben durch den Kollund Wald sein.

Denn nun weiß ich ja, was ich vorher nicht wußte: Der Hot-Dog-Stand vor den Ochseninseln ist die Mega-Attraktion der Gegend. Da muss man sich nur mal den Wikepedia-Eintrag von Annies Kiosk  ansehen, in dem von Würstchen-Kriegen, Raubüberfällen und Hot-Dog-Meisterschaften berichtet wird. Und dass Angela Merkel hier mal ein Hot-Dog aß.

 

Anleger Ochseninseln

 

Zur vollen Stunde legte dann wirklich ein Mini-Boot auf der Großen Ochseninsel ab und steuerte auf den Anleger zu. Der Kapitän sprach irgendwas mit den Wartenden aus der ersten Reihe und kehrte dann ohne Passagiere zurück zu Insel. Selbst wenn ich noch gewollt hätte, hätte ich offenbar nicht zur Großen Ochseninsel gelangen können. (Warum, weiß ich nicht.)

Die, die eigentich gewollt hatten, zockelten alle zu Annies Kiosk. Während ich mich von der Utopie einer einsamen Insel inmitten der Flensburger Förde verabschiedete.

 

Sehnsucht

 

Stattdessen sind wir an diesem Tag nach Sonderburg gefahren. Im Gegensatz zu den Ochseninseln präsentierte sich die Stadt wie ausgestorben.

 

 

Das war eigentlich schade, denn ich hätte ja so gern einen Blick in den Vikingeklubben geworfen. Doch der war leider geschlossen. Und das Schloß kannte ich schon.

 

Wikinger Clubben

 

Manchmal ist das ulkig: Obwohl alles ganz anders läuft, als man es sich wünscht, kann der Tag trotzdem eine Wucht sein. So war das, als ich einmal fast auf den Ochseninseln war.

PS.: Morgen peile ich übrigens wieder einen Ort an, den ich schon seit über einem Jahrzehnt besuchen will: Hiddensee. Falls jemand Tipps für die Insel hat, immer her damit. Ich freue mich.

Schnogholm, Tiefkühlgemüse und der Brief meiner Urgroßmutter

Die Geltinger Bucht, die den Übergang von der offenen Ostsee zur Flensburger Förde markiert, liegt in der Region Angeln. Dort wurde ich geboren. Genau wie alle meine Eltern, fast alle meiner Großeltern und einige meiner Urgroßeltern. Also, es ist meine Heimat, würde ich sagen. (Auch wenn mein Zuhause seit fast 20 Jahren St. Pauli ist, aber das hat ja damit nichts zu tun.)

 

Ostseeblau

 

Reist man dahin, wo man herkommt, ist das irgendwie auch immer eine Begegnung mit sich selbst. Neulich in der Geltinger Bucht bin ich mal wieder davon ausgegangen, dass ich nichts Neues entdecken würde. Schließlich erstreckt sie sich gerade mal über 15 km Küstenlinie. Und ich war schon tausend Mal dort.

Ich habe mich natürlich geirrt. Als Erstes entdeckte ich einen Wegweiser, den ich nie zuvor sah.

 

Entdeckung 1: Schnogholm

 

Ernsthaft, Schnogholm. Da halte ich mich nun seit Jahrzehnten für eine phantasievolle Person – aber nie habe ich den wunderbaren Wegweiser nach Schnogholm wahrgenommen!? Mein Selbstbild wankt.

 

Ohrfeldhaff

 

Schnogholm ist eigentlich nur eine Straße. Doch fährt man sie zuende, trifft man auf den steinigen Strand von Ohrfeldhaff. In vollkommener Stille liegt er da. Als wäre er nicht von dieser Welt. Und als würde gleich der Schnockolm von Schnogholm pfeifend um die Ecke spazieren. Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Einen Kieselstein kickend.

 

Morgens in Ohrfeldhaff

 

Ich lerne daraus, dass ich öfter mal abbiegen sollte, wo ich noch nie abgebogen bin. Am allerbesten morgens, abends oder im Winter (wenn kein anderer abbiegt.)

 

Morgennebel

 

Entdeckung 2: Norddeutsche sind keine Italiener

 

Geht man dahin, wo man herkommt, tauchen Kindheitserinnerungen en masse aus dem Unterbewusstsein auf. Je älter man wird, desto dankbarer guckt man auf das, was die Eltern richtig gemacht haben. Ich habe schon als Kind irre tolle Reisen gemacht. Speziell meine Mutter hat mir beigebracht, auf Reisen das Ursprüngliche zu suchen. Sie hat ein besonderes Näschen für schrabbelige Tavernen und Trattorien in den Bergen, hoch über den Küstenorten Südeuropas, betrieben von alten Männern mit Zauberkraft im Kochlöffel. Anselmo in Ligurien. Savas auf Kreta. Das sind für mich so wunderbare Erinnerungen.

Nach solchen Orten kann man in Norddeutschland aber lange suchen. Oder ich habe einfach kein Gespür dafür. Jedenfalls habe ich in der Geltinger Bucht mal wieder festgestellt: Die traditionellen Gaststätten Norddeutschlands machen mich nicht froh. Sie servieren Tiefkühlgemüse. Und Eisbergsalast mit einer Tomatenscheibe plus Fertigdressing.

 

Spar

 

Ich kann das mit dem Tiefkühlgemüse im Jahr 2015 eigentlich nicht fassen. Muss es aber wohl endlich so hinnehmen: In Norddeutschland isst man am besten dort, wo´s etwas teuerer ist. Oder beschränkt sich auf Kleinigkeiten in Bistros, wo´s das Gleiche gibt wie in jeder x-beliebigen Stadt. Was ja nichts Schlechtes sein muss. Empfehlenswert sind beispielsweise der Kiosk in der Geltinger Birk und die Marina Lounge in Wackerballig.

 

 

(Den Jachthafen Wackerballig sollte man sich ohnehin nicht entgehen lassen. Schon allein weil man dort so schön in der alten Leuchtturmspitze des Leuchtturms von Kalkgrund sitzen kann. Und die Geltinger Birk ist sowieso ein Muss. Das erzähle ich aber ein anderes Mal, weil das absolut keine neue Erkenntnis ist.)

 

Strand bei Norgaardholz

 

Was jetzt kommt, ist auch keine neue Erkenntnis. Hat sich aber für mich in der Geltinger Bucht noch mal ordentlich intensiviert: Reist man dahin, wo man herkommt, ist das oft auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Manche finden Heimat herrlich, andere fürchterlich, einige Menschen lässt der Heimatbegriff vollkommen kalt und sehr viele sind ambivalent unterwegs. So wie ich.

Rein landschaftlich finde ich meine Heimat unheimlich schön. Besonders schön ist der Strand bei Habernis, dem nordwestlichen Ende der Geltinger Bucht.

 

SteilkuesteHabernis

 

Vielleicht sorgt genau der Kontrast zwischen Schönheit und Brutalität dafür, dass es mich so intensiv berührt, als ich dort eines Morgens auf eine Gedenktafel stoße.

 

Entdeckung 3: Ich kann so glücklich sein

 

Gedenkstein

 

Ich hatte von diesen jungen Männern noch nie gehört. Aber schon als Kind wusste ich, dass ein paar Tage zuvor 47 U-Boote in der Geltinger Bucht versenkt wurden, damit sie nur ja „der Feind“ nicht in die Hände bekam. Den Befehl gab Dönitz von Flensburg aus.

Dönitz war von Hitler in der Vorwoche testamentarisch zu seinem Nachfolger ernannt worden. Er telegrafierte dem Toten: „Mein Führer, meine Treue zu Ihnen wird unabdingbar sein.“

 

Steg Nordgaardholz

 

Während drei junge Männer also hingerichtet werden, bringt KZ-Architekt Speer seine Familie nur eine Bucht weiter in Sicherheit. Bevor er selber bei Dönitz unterkriecht. Und meine ostpreußische Urgroßmutter erreicht mit 6 Töchtern und einem Sohn ein weiteres Lager auf ihrer unendlichen Odysee. Es wird das letzte sein, bevor sie hier ein Zuhause findet. Aber das weiß sie noch nicht. Sie weiß im Moment nicht einmal, ob ihr Mann noch lebt und ihre älteste Tochter, die beim Roten Kreuz Dienst tut. Nur dass der fünfjährige Fritz von einer Granate zerfetzt worden ist, das weiß sie sehr genau.

Jeder ist seines Glückes Schmied? Dass ich nicht lache. Man hat Schwein oder unendliches Pech. So ist das. Immer gewesen.

 

Anleger Gelting Mole

 

Vielleicht hat meine Urgroßmutter ja mal hier gestanden in der Zeit, über die sie später in einem Brief an ihre jüngste Tochter schrieb:

„Inzwischen hatte ich mehrere Flüchtlingsfamilien kennengelernt. Insbesondere schlossen sich drei Schwestern aus Ostpreußen uns an. So saßen wir oft beieinander des Abends zusammen und dachten an die Heimat und unsere Lieben. Es gab so viel Not und Elend im Flüchtlingslager … Ich fuhr oft nach Kappen, Flensburg, Schleswig, las dort die ausgehängten Suchlisten und hoffte immer, von meinen Lieben oder von Bekannten etwas zu hören. … So war der 7. September hereingekommen. Frau Larsky bat mich, mit nach Kappeln zu kommen. Ich hatte aber wie so oft so geweint und wollte nicht mit verweinten Augen fahren. Frau Kaiser, die Frau, die bei uns mit lebte, war bei mir. Plötzlich kam Siegfried: „Mutti. Papa. Papa ist da.“ Ich hatte Dich gerade auf dem Arm. Ich war so bleich und erschreckt, dass Siegfried sagte: „Nein. Nein. Ist kein Papa.“ Ich guckte durchs Fenster und sah alle Kinder zur Brücke laufen. Ich lief hinterher, die Treppe herunter, brach mir die Absätze ab. Mitten auf der Brücke er; dein Vater. Wir fielen uns in die Arme. Von allen Seiten die Kinder. Die meisten Leute, die das sahen, brachen in Tränen aus. „

 

Nichts in Gelting Mole deutet darauf hin, dass hier für fünf Minuten mal die Weltgeschichte wütete. Man kann es sich auch gar nicht vorstellen. Es ist zu friedlich.

 

Gelting

 

Es soll mir immer bewusst bleiben, dass ich zu denen gehöre, die Schwein haben. Bzw eine Urgroßmutter, die es schaffte ihre Kinder nach Schleswig-Holstein zu retten. Gerade jetzt will ich das nicht vergessen, wo so viele Menschen entsetzlichem Elend ausgesetzt sind. Heimat ist nichts als Zufall. Wir haben ja gar nichts dafür getan. Wir haben es uns nicht verdient oder so, dass wir in vollkommener Sicherheit leben. Und es steht uns nicht zu, sie jemand anderem zu versagen.

 

Segelboot Gelting

In Wolfsburg steckt der Wurm

Wolfsburg, ich muss schon sagen, ist unter allen seltsamen Städten Nordeutschlands die allerseltsamste. Nicht nur, weil 95% der Wolfsburger die gleiche Automarke fahren. Sondern vor allem weil 95% der Wolfsburger Gebäude nach 1950 gebaut wurden. Bis dahin hatte die Stadt quasi nichts. Nicht einmal einen richtigen Namen. (Sie hieß: „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“).

 

 

Inzwischen steht Wolfsburg so gut wie flächendeckend unter Denkmalschutz. Was man woanders abriss, wurde in Wolfsburg aufwendigst Asbest-saniert. Kosten spielen in Wolfsburg nämlich kaum eine Rolle. Denn die haben´s ja – das allerhöchste Bruttonationaleinkommen pro Kopf in Deutschland. So können sie sich auch ein Museum vom Feinsten gönnen.

Das Kunstmuseum Wolfsburg ist wunderbar. Eine Knaller-Ausstellung jagt die nächste, der Einritt ist günstig und meistens ist man ziemlich allein mit den Kunstwerken. Zur Zeit läuft die  Ausstellung „Fichte“ des grandiosen Künstlers Erwin Wurm.

 

KunstmuseumWolfsburg

 

Der Österreicher Erwin Wurm ist witzig; aber nicht nur. Beim Betrachten seiner Werke bleibt das spontane Lächeln oft im Gesicht hängen. Man kommt ins Denken. Und kehrt ertappt zum Grinsen zurück. Wenn man einen bestimmten Sinn für Humor hat. (Den hatten gewissen Beamte aus Karlsruhe nicht. Sie verpassten einem seiner Kunstwerke im öffentlichen Raum ein Knöllchen. Er wird sich diebisch gefreut haben.)

 

 

Also, wenn Ihr in der Gegend seid – die Ausstellung läuft noch bis zum 13. September 2015. (Und falls Ihr eine Vorliebe für 60-Jahre-Ästhetik habt, lohnt sich ein Ausflug nach Wolfsburg generell. Das glaubt einem ja immer keiner. Ist aber wirklich wahr.)

 

Senfgelb