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Wind

Das Katinger Watt, meine Familie und ich

Normalerweise wäre ich nicht um halb sieben in Hamburg aufgebrochen, um bei einer Regenwahrscheinlichkeit von 80% im Katinger Watt zu spazieren. Aber heute ist nicht normalerweise. Heute ist Familienurlaub angesagt.

Kein Familienurlaub mit kleinen Kindern (wo man als Elternteil schön bestimmen kann, was passiert und was nicht). Sondern der jährliche Kurztrip mit meiner Mutter und ihren beiden Schwestern. Also insgesamt vier äußerst erwachsenen Frauen.

Und daher spaziere ich präventiv. Ich bin extra zwei Stunden vor den anderen angereist. Man kann nämlich nie wissen, ob man überhaupt noch zum Spazieren kommt, wenn die drei Damen erst mal eintrudeln.

Genau wie man nie wissen kann, ob es in Schleswig-Holstein bei einer Regenwahrscheinlichkeit von 80% regnen wird. Besonders wenn ein ordentlicher Wind geht, könnte der Tag genauso gut mit strahlendem Sonnenschein enden. Das Wetter ändert sich im Minutentakt. Was eine hübsche Analogie auf die Atmosphäre in (vielen) Familien ist.

 

Aussichtsturm Katinger Watt

Aussichtsturm Katinger Watt mit Blick auf den Eiderdamm

 

Das Katinger Watt ist in seiner heutigen Form etwa so alt wie ich. Und längst kein Watt mehr sondern trockengelegt und durch den Eiderdamm vor Überflutungen geschützt. Heute wird es zu einem Drittel landwirtschaftlich genutzt, der Rest ist bewaldet oder wird von Wasser- und Grünlandflächen eingenommen, die vorrangig dem Naturschutz dienen.

 

Eiderpril

 

Und da sieht man mal, dass die Natur viel flexibler ist als der Mensch. Während sich eine Landschaft offensichtlich ändern kann, werde ich in meiner Familie seit Urzeiten auf die Rolle der leicht waldschratigen Person festgenagelt. Alles aufgrund einer unbedachten Äußerung, die ich vor Jahrzehnten getätigt habe.

Damals sagte ich, mir würde es reichen, wenn man sich einmal im Jahr trifft. Was zugegeben nicht besonders nett klingt. Aber ich meinte damit 1.) nur Feste. Und 2.) genieße ich inzwischen vielleicht von allen am meisten, wenn wir zusammen sind. Aber ich kriegs natürlich trotzdem regelmäßig aufs Butterbrot geschmiert. Gern auf plattdeusch. Eenmol in´t Johr, sagen sie dann und Hehehe.

 

Eidersperrwerk

 

Zurück zum Katinger Watt. Seit ich vor etwa eineinhalb Jahren vom Eidersperrwerk aus den schmalen Damm links der Eider gesehen habe, wollte ich unbedingt mal drauf laufen. Ich hab´s bisher nicht hingekriegt. Wie man ja die meisten Dinge nicht hinkriegt, wenn man sie „irgendwann mal“ machen will.

„Irgendwann mal“ never happens, man. Umso toller finde ich, dass wir dieses Jahr zum dritten Mal unsere gemeinsame Reise hinkriegen. Bei 3 Malen kann man schon von Tradition sprechen. Und ich freu mich schon auf die anderen.

Aber erst mal muss ich meine Waldschratigkeit ausleben. Man erreicht den Damm über einen kleinen Stichweg kurz hinter dem Hafen. Von einem Mini-Parkplatz (für ca. 5 Autos) schlängelt sich ein Pfad vorbei an einem See bis zur Eider.

 

Eidersperrwerk

 

Der dazugehörige Parkplatz ist nicht ausgeschildert, aber leicht zu finden: er liegt direkt gegenüber der Zufahrt zum Restaurant Mahre. Es wäre das Einzige, womit man meine kleine Tante (im Gegensatz zur Großen) zu einem Besuch im Katinger Watt überreden könnte. Besonders weil man im Mahre ein Picknick ordern kann. Sowas liebt sie; während sie Spazierengehen hasst. Bei mir liegt die Sache genau anders herum.

Aktualisierung 2019: Das Mahre hat leider seine Pforten für immer geschlossen. Mir bleibt nur die Hoffnung, das irgendwann ein ähnlich gute Gastronomin wie die bisherige etwas Neues an gleicher Stelle wagt. 

 

 

Eigentlich ist es also völlig unmöglich, dass wir auf Reisen etwas finden, das uns gleichermaßen gefällt. Wären wir Freundinnen, kämen wir bestimmt nicht auf die Idee, zusammen wegzufahren. Unsere Interessen sind einfach zu unterschiedlich. Weil wir mehr als Freunde sind, machen wir´s trotzdem; ziemlich oft sogar.

 

Eiderdamm

 

Nicht, dass das immer voll easy wäre und ohne kleinere Situationen abginge. Schließlich ist man mit seiner Familie häufig nicht gerade zimperlich und gleichzeitig extrem zart besaitet. Und man ertappt sich immer mal wieder dabei, in pubertäre Verhaltensweisen abzugleiten. Etwa dass man urplötzlich zornig wird wie eine Fünfzehnjährige. Weil da bestimmte Knöpfe gedrückt oder Sachen gesagt werden, auf die man schon immer allergisch reagiert hat.

 

Blumen am Deich

 

Dennoch – oder gerade deshalb – bin ich gern en famille unterwegs. Unter dem Strich kann man nämlich feststellen, dass das Verständnis füreinander mit den Jahren besser und besser wird. Genau wie das Katinger Watt.

Mehr Infos gibts beim Nabu und bei Watt & Meer.

 

Bergziegen

Kleines Naturwunder für Zwischendurch: Liether Kalkgrube

Über die Liether Kalkgrube stolperte ich virtuell, als ich die Liste der 77 nationalen Geotope auf Wikipedia entdeckte. Man ahnt ja gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. Es sei denn, man interessiert sich brennend für Steine. (Was bei mir nicht der Fall ist.)

Schleswig-Holstein ist mit 4 Geo-Heiligtümern auf der Liste vertreten. 3 davon sind echte Promis: die Wattenmeerküste, die Insel Helgoland und das Morsum Kliff auf Sylt. Ich kenne sie gut und schätze sie enorm. Von der Liether Kalkgrube hatte ich hingegen noch nie gehört. Dabei liegt sie mir am nächsten, nämlich in Klein Norderende (wovon ich auch nie gehört hatte) bei Elmshorn.

 

Liether Kalkgrube

 

Somit eignet sich die Liether Kalkgrube bestens für einen kleinen Ausflug zwischendurch. Zwischen zwei Jobs, zwischen zwei Regengüssen oder wenn man sich gerade auf der A23 Richtung Hamburg befindet und eine Staumeldung im Radio verlesen wird. Dann ist es besser, in Tornesch abzuzweigen und die Kalkgrube zu suchen (was ohne Navi nicht ganz leicht aber auch nicht unmöglich ist).

 

Liether Kalkgrube

Gipsgebirge

 

In der Liether Kalkgrube wurde seit den 1920er Jahren (na klar) Kalk abgebaut. Bereits Jahrzehnte zuvor bohrte man hier zur Rohstofferkundung tief: 1.383 Meter um genau zu sein – was in den 1870 Jahren der tiefsten Bohrung der Welt gleichkam.

 

Frosch

 

Seit 1991 steht die Liethter Kalkgrube unter Naturschutz. Wie in vielen Naturschutzgebieten geht es nicht darum, den Original-Zustand der Landschaft wieder herzustellen. Denn dann würden deutsche Naturschutzgebiete beinahe nur aus (Ur)-Wald bestehen.

 

Liether Kalkgrube

 

Es geht vielmehr darum, die Pflanzen und Tiere zu schützen, die sich seit der Nutzung durch den Menschen angesiedelt haben. Einwanderer, die sich nun seit 100 Jahren recht wohlfühlen in der Liether Kalkgrube.

Seit Anfang Juni siedlen die neusten Zugereisten am Nordhang, auch Rote Wand genannt.  Burenziegen sollen das steile Gelände vor Überwucherung schützen (= alles aufessen, was sie finden können).

 

Liethter Kalkgrube

 

Weil ich mich wie gesagt nicht so irre für Steine interessiere, kann ich nicht genau sagen, was das Wahnsinns-Ding an der Liether Kalkgrube ist. Außer dass sie richtig herrlich ist. Man könnte es aber besser wissen, denn da sind jede Menge Info-Tafeln, die alles ganz genau erklären. Und es gibt natürlich auch eine Internetpräsenz. Das Einzige was ich mir geo-mässig gemerkt habe: Diese Findlinge stammen aus Småland.

 

Findlinge

 

Ansonsten habe ich mich auf die Stille konzentriert. Und das Klima. Unten im Kessel war es geradezu heiß; also so ähnlich wie Stuttgart). Auf dem Panorama-Rundweg war es herrlich kühl und duftete nach Wald. Die Eindrücke reichten, um mich eine knappe Stunde vergnügt zu halten.

 

Liether Kalkgrube

 

Die Liether Kalkgrube ist also wirklich was für Zwischendurch. Oder für den Feierabend. Man kann sich und sein Fahrrad sogar vom HVV in die Nähe bringen lassen (bis Tornesch oder Elmshorn).

 

Nordstrand

Für Inselbegabte: Lauter gute Sachen auf Nordstrand

Im letzten Beitrag über Nordstrand schrieb ich, auf der Insel sei ganz und gar nichts los. Und wer hier öfter mitliest weiß wohl, dass ich kaum ein größeres Kompliment zu vergeben habe. Neue Leser wissen das natürlich nicht. Deswegen weise ich heute noch mal ausdrücklich auf die Dinge hin, die mich auf Nordstrand nachdrücklich beeindruckten. Über allem steht dabei: Je klarer und unverfälschter ein Ort, desto mehr Raum läßt er den eigenen Gedanken. Diesbezüglich ist Nordstrand ist ganz weit vorn. Beziehungsweise oben.

 

Oben Nordstrand

Auf Nordstrand finden sich selbst Orientierungslose zurecht

 

Klarer gehts nicht. Die Inselorte auf Nordstrand heißen Norden, Süden, Westen und Oben. Und England.

 

England Nordstrand

Quite nice: In England gibts ein Hundehotel

 

Mein erklärter Lieblingsplatz ist das Holmer Siel. Logisch. Denn es liegt im Norden von Nordstrand. Und den Norden mag ich immer am liebsten. Besonders das Licht.

 

Holmer Siel

 

Über das Holmer Siel  werden 32.500 ha Binnenland entwässert. Werden die Speicherbecken bei Niedrigwasser entleert, zischt und brodelt es wie verrückt. Könnte ich stundenlang drauf starren.

 

Holmer Siel

 

Bei bestimmtem Licht und gewisser Phantasie werden die Schaumkronen zu Eisschollen und das Holmer Siel zu einem entlegenem ostasiatischen Hafen.

 

Holmer Siel

 

Hinterrücks ist es lieblicher. (Sonnen)-baden kann man am Holmer Siel nämlich auch. Jedenfalls bei Flut. Und natürlich Radfahren.

 

Badestelle Holmer Siel

 

Nordstrand ist wie gemacht für´s Radfahren. Keine Erhebungen und viel Meerblick. Eine supergute Rundtour ist die Beltringharder Route. Sie umrundet das größte Naturschutzgebiet Schleswig-Holsteins und passt zum Land zwischen den Meeren wie das Fischbrötchen auf die Faust.

 

Holmer Siel

 

Links Nordsee, rechts Lagune – so geht es über Kilometer. Das ist nicht nur wunderschön sondern auch praktisch. Pfeift der Wind an der Nordseee zu heftig, wechselt man einfach auf die sanfte Laguneseite.

 

Beltringharder Koog

 

Die Rundtour ist 24 km lang und gut ausgeschildert. Wem die Strecke nicht reicht, dehnt sie bis zur Hamburger Hallig aus.

Nordstrand ist die einzige Insel der Welt, die alle fünf Möglichkeiten bietet, eine Hallig zu erreichen.

Neben der Radtour auf die Hamburger Hallig wären da noch die Lorenbahn nach Nordstrandischmoor

 

Nordstrandischmoor

Nordstrandischmoor: 18 Einwohner und eine Zwergschule

 

Schiffsreisen, z.B. nach Hallig Hooge

 

Hallig Hooge

Bis zu 5 Mal pro Jahr heisst es auf Hallig Hooge: Landunter

 

Kutschfahrten nach Südfall und natürlich Wattwanderungen (aber nur geführte!).

 

Hallig Suedfall

Far, far away leben zwei Menschen auf der winzigen Hallig Suedfall

 

Die Pferdekutschen brauchen von Fuhlehörn auf Nordstrand bis zur Hallig Südfall etwa eine Stunde; die Wattwanderer knapp 2. Wer auf dem Weg genau hinhört, vernimmt bei ruhigem Wetter die Kirchenglocken der untergangenen Stadt Rungholt.

 

 

Rungholt lag auf der Insel Strand, die im Jahr 1632 durch die Zweiten Marcellusflut zerstört wurde. Übrig blieben lediglich Pellworm, Nordstrandischmoor und Nordstrand. (Das ist nicht ganz richtig. In den Kommentaren klärt eine echte Insulanerin die Zeiten und Fluten!)

Da es den wenigen Überlebenden nicht gelang, die verlorenen Gebiete wieder einzudeichen, lockte Friedrich der III, Herzog von Gottorf, Ausländer mit zahlreichen Privilegien ins Land; u.a. dem Recht eine Kirche zu bauen. Und so errichteten Niederländische Katholiken den Theresiendom, die niedlichste aller Kirchen.

 

Theresiendom

 

Der Pfarrer sitzt gern im Strandkorb vom Theresiendom und löst Kreuzworträtsel. Genauso gern zeigt er aber auch seine Kirche. Leider habe ich kein Foto vom entzückenden Altar: Also hin und selber ein Bild machen.

Witzig: 1979 diente der Theresiendom als Kulisse für den Film „Der Pfarrer von St. Pauli“ mit Curd Jürgens. Genau wie das Strandcafé Halligblick.

 

Restaurant Halligblick

 

So will man an der Nordsee zu Abend essen: Im Strandkorb mit Blick aufs Meer gibts lecker Fisch & Bratkartoffeln und eisgekühlten „Bommelunder“ (wie die Bedienung sagte).

Wobei das mit dem Meerblick zur Zeit so eine Sache ist. In Norderhafen entsteht gerade der sicherste Deich von allen. Er ist an düstere Klimaprognosen angepasst und wird dementsprechend breit. Das prädestiniert ihn zur Flaniermeile.

Wenn Ende des Jahres alles fertig ist, lockt der Deich mit verglasten (also windgeschützten) Verweilzonen, Spielplätzen und Beleuchtung. Im Moment ist die Nordsee aber noch auf Kilometer abgesperrt.

 

Norderhafen

 

Mein Tipp: Trotzdem hinfahren. Bald. Ich hab auf Nordstrand dauernd an Volkos Lieblingszitat aus dem Film Blow up denken müssen:

What about all the buildings going up around the place? Already there are queers and poodles in the area. I saw some in the couple of minutes I was there. It’ll go like a bomb.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Insel ganz kurz vorm Boom steht. Also schnell los, bevor alle anderen da sind.

 

Für weitere Überzeugungsarbeit hier noch ein paar Links zu den üblichen Verdächtigen unter den Nordfriesland-LiebhaberInnen:

Nordstrand mit Hund: Elke und Julchen vom Meerblog schwärmen über das Hundeparadies.

Inselglück for a day gibt´s bei Ralph und Claudia von MeerArt.

Und für nicht ganz so Spontane erzählt Ulrike von Watt & Meer vom  Winter auf Nordstrand. (Bei Ihr könnt Ihr übrigens auch eine frischrenovierte Ferienwohnung auf der Insel mieten).

Festung Wilhelmstein

Dadrauf muss man erst mal kommen: Der Wilhelmstein im Steinhuder Meer

Eine Zwergenbastion für einen Kleinststaat inmitten eines Mini-Meeres: Das ist der Wihelmstein, die künstliche Festungsinsel im Steinhuder Meer und erklärtes Lieblingsausflugsziel für Leute, die nicht gern stundenlang spazieren gehen. Denn der Wilhelmstein misst nur 100 mal 100 Meter. Weiterlesen

Pellworm

Precious Little Diamond: Pellworm

Pellworm ist der meist unterschätzte Ort Schleswig-Holsteins (wenn nicht der Welt) zumindest aber der Nordfriesischen Inseln. Wenigstens in meiner Wahrnehmung ist es so: Alle waren schon mal auf Sylt. Wer noch nicht auf Amrum war, will  irgendwann hin. Und Föhr holt seit einigen Jahren gewaltig auf. Aber Pellworm? Pellworm vergisst man ja schon beim Aufzählen der Nordfriesischen Inseln. Ach ja, und Pellworm, schiebt man dann nach. Geschweige denn, dass man je auf der Insel gewesen wäre. Weiterlesen

Nordstrand

Zeit für ganz und gar nichts: Nordstrand

„Was willst Du DA denn?“, wurde meine Freundin Merle gefragt, als sie erzählte, sie würde mit mir übers Wochenende nach Nordstrand fahren. „Da ist ja GAR NICHTS los!“ Und was soll ich sagen; die Person hatte vollkommen Recht.

Vergangenen Freitag brach ich voller Erwartungen und gleichzeitig extra entspannt in Hamburg Richtung Nordstrand auf. Merle würde erst am Abend anreisen. Vor mir lag also ein Tag, an dem ich nur tun musste, was mir gerade in den Sinn kam.

Ich begann mit einem Zwischenstopp auf der Hochbrücke, die bei Hohenhörn den Nord-Ostsee-Kanal überspannt. Etwas, was ich schon ewig hatte tun wollen. Denn ich hab was übrig für Grenzgebiete. Und den Nord-Ostsee-Kanal kann man ja als die Grenze nach Garnichts bezeichnen.

 

Nord-Ostsee-Kanal

 

Auf dem kleinen Weg, der sich vom Parkplatz zu einem Aussichtspunkt unter dem Brückpfeiler schlängelt, erwischte mich eins der besten Gefühle: mit einem Kapuzenpulli war ich zu warm angezogen. Dabei war es noch nicht einmal 10. So was nennt man perfektes Nordseewetter.

In entsprechender Stimmung fuhr ich weiter. Nein, tuckerte ich weiter. Denn auf der Strecke von Hamburg nach Nordfriesland wird seit einigen Jahren auf verschiedenen Baustellen mit maximal 3 Bauarbeitern gearbeitet, so dass der Verkehr über weite Teile gedrosselt verläuft. Hat man erst einmal Husum erreicht, ist jeder Gedanke an Schnelligkeit nur noch irreale Erinnerung.

 

Deich

 

Direkt vor Husum liegt die Halbinsel Nordstrand. In Schleswig-Holstein nennt sich jede Ecke, die weiter als 50 cm ins Meer ragt, Halbinsel – aber Nordstrand ist wirklich eine, also fast vollständig von Wasser umgeben. Man erreicht sie über einen knapp 5 km langen Damm durch die Nordsee.

Nordstrand ist eine Marschinsel. D.h. sie liegt etwa in Höhe des Meeresspiegels und besitzt keine natürlichen Erhebungen. Man muss sich das vorstellen wie eine riesengroße Wiese durchzogen von Deichen und Gräben.

Um unsere Ferienwohnung in Norderhafen zu erreichen, durchquerte ich Nordstrand in Gänze. Abgesehen von „Zimmer frei“-Schildern an Privathäusern entdeckte ich keinerlei Hinweis auf touristische Einrichtungen.

 

Norderhafen

 

Norderhafen selbst ist eine kleinere Ansammlung von 60er-Jahre-Gebäuden. Es wirkt, als hätte man damals auf größere Touristenmengen gesetzt, die aber nie eintrafen.

Beim Blick vom Balkon stellte ich fest: Hier ist gar nichts los. Dabei liegt nur 1 km entfernt der Hafen von Strucklahnungshörn (laut Wikipedia ein Spot mit wichtiger touristischer Bedeutung).

 

Strucklahnungshörn

 

Tatsächlich gibt es in Strucklahnungshörn einen Fischbrötchenstand (der einzige, den ich auf Nordstrand entdeckt habe. Mag sein, es liegt an der Vorsaison.) Die Dame vom Fischbrötchenstand jedenfalls gab Wikipedia Recht. Für sie sei es daneben aber auch noch der schönste Platz der Insel. Sie käme sogar in der Freizeit oft an den Hafen. Vor allem am Abend.

 

Fischbrötchen

 

Außer dem Fischbrötchenstand gibt es in Strucklahnungshörn noch ein leerstehendes Gasthaus und ein Kassenhäuschen mit offenem Unterstand für wartende Passagiere. Ich geriet selbst ein bisschen aus dem Häuschen, weil mir das alles so unverfälscht vorkam. Geradezu unschuldig.

 

Op de Diek Nordstrand

 

Eine Ecke weiter befindet sich der wichtigste Strand von Nordstrand: Fuhlehörn. Wie bei allen Badestellen auf Nordstrand handelt es sich um einen Grünstrand. Bei Fuhlehörn ist er aber teilweise mit Sand aufgeschüttet. Ab 15.06. öffnet am Parkplatz ein Kiosk, las ich auf einem Zettel, der neben der Socke angebracht ist, in die man freundlicherweise die Strandkorbgebühr legen soll.

 

Fuhlehörn

 

Ich schlenderte ein wenig ins Watt hinaus. An der Wasserkante hatte die Nordsee etwa 25 Grad. Und ich glaube, das war der Moment in dem ich aufhörte in komplizierten Sätzen zu denken.

 

Watt

 

Als ich hungrig wurde, fuhr ich zum Süderhafen, um im Watt´n Grill einen Burger zu speisen (der lecker war). Im Hafenbecken wurde gebadet. Keine Ahnung, ob es offiziell erlaubt ist.

 

Süderhafen Nordstrand

 

Inzwischen war ich ausreichend auf Inseltempo heruntergefahren, um einen sehr langsamen Deichspaziergang anzutreten. Ich entschied mich aus keinem besonderen Grund für die Badestelle am Holmer Siel.

 

Nordstrandischmoor

 

Zur Seeseite blickte ich auf die Hallig Nordstrandischmoor. Landeinwärts sah ich die Lagune des Beltringharder Kooges.

 

Beltringharder Koog

 

Wie überall auf Nordstrand sind auch die Strandkörbe am Holmer Siel eingezäunt, um sie vor Schafen zu schützen. Oder vielleicht ist es auch anders herum. Die Schafe werden vor den Menschen geschützt.

 

Deichwiesen

 

Jedenfalls geben sich die Schafe auf Nordstrand angemessen selbstbewusst. Sie zeigen wenig Scheu und eigentlich ist es viel besser, die eingezäunten Bereiche hinter sich zu lassen und sich mitten zwischen die Schafe zu setzen.

 

Schafe

 

Schafe sind Nordstrandurlaubern gar nicht so unähnlich. Beide Spezies sitzen unheimlich gern auf dem Deich und machen gar nichts.

 

Schafe auf Deich

 

(Wobei Schafe die professionelleren Deich-Sitter sind. Man kann sich eine Menge von ihnen abgucken, was Entspannung betrifft.)

 

Deichsitting

 

Ich übte mich im Deichsitting und hörte diese Vögel singen, die man nur in Meeresnähe hört (ich wette, es liest jemand mit, der weiß welche ich meine) und ansonsten: GAR NICHTS.

 

Boote

 

Als es an der Zeit war, besuchte ich eines der insgesamt 2 Lebensmittelgeschäfte von Nordstrand. Und zwar das neben dem kleinen Theresiendom.

 

Theresiendom

 

Über dem reetgedeckten Gemeindehaus flatterte eine Flagge mit der Aufschrift: Eine Insel für die Seele.  Und so ist das, dachte ich, als ich wenig später nach Husum fuhr, um Merle vom Bahnhof abzuholen.

 

Husum

 

Und es war zu seltsam: Noch am Morgen hatte ich Husum als liebenswert verschlafen wahrgenommen.  Nach nur einigen Stunden auf Nordstrand kam es mir nun so vor, als wäre in Husum viel zu viel los. Ich atmete richtig auf, als wir mit einsetzender Dämmerung zurück auf Nordstrand waren.

 

Nordstrand Oben

 

Dem Rat der Fischbrötchendame folgend, setzten wir uns mit einer Flasche Wein an den Hafen von Stucklahnungshörn, wo GAR NICHTS los war. Und das war perfekt. Denn nichts hatte mir in der letzten Zeit so gefehlt wie GAR NICHTS. Und der Sommer. Aber der war ja auch da.

 

Sonnenuntergang

 

PS.: Dass auf Nordstrand gar nichts los ist, heißt nicht, dass man nicht jede Menge unternehmen könnte. Darüber gibts demnächst noch mal einen ausführlichen Beitrag mit ordentlich Tipps. Heute wollte ich bloß schon mal alle abschrecken, die nichts mit gar nichts anfangen könnnen. Ich weiß auch nicht … Nordstrand ist irgendwie so liebenswert, dass man der Insel nur Gäste wünscht, die das auch erkennen können.

 

Vanilla Manchester

Immer der Musik nach: Manchester

Der Rochdale Canal Tow Path ist ein Spazierweg im Souterrain von Manchester. Er führt unter Straßen, Gebäuden und uralten Brücken hindurch, windet sich um schummrige Ecken, passiert frisch gentrifizierte Luxusappartements und Bars, Bars, Bars, Bars, Clubs, Clubs und Bars. Nachts ist hier die Hölle los. Morgens braucht man keine Menschenseele zu erwarten. Höchstens vielleicht Jack the Ripper.

 

Rochdale Canal Tow Path

 

Ein gutes Jahrzehnt schlug am Rochdale Canal das musikalische Herz dieser ohnehin hochmusikalischen Stadt; der legendäre (inzwischen abgerissene) Club The Hacienda. Finanziert wurde er von einer Band, die bereits in den 1970er Jahren unter dem Namen Joy Divison den Ruf Manchesters als Musikmetropole maßgeblich beeinflusste. Nach dem Tod des Frontmannes Ian Curtis benannten sich die verbliebenen Bandmitglieder aus Respekt vor ihm in New Order um. 1982 eröffnet, entwickelte sich die Hacienda schnell zum Epi-Zentrum der Rave-Bewegung, die als Madchester die britische Musiklandschaft beherrschte.

 

 

Anfang der 1990er Jahre hatte der Madchester-Sound seinen kreativen Zenit überschritten. Etwa zur selben Zeit feuerte die Rockband Rain ihren Sänger und ersetzte ihn mit einem bisher eher erfolglosen Schulabbrecher und Gelegenheitsarbeiter. Liam Gallagher kam mit seinem älteren Bruder Noel im Schlepptau unter der Voraussetzung, die Band in Oasis umzubenennen. Und ich sag´s mal so: Wer musikalisch irgendwann zwischen Post-Punk und Britpop sozialisiert wurde, ist in Manchester absolut nicht falsch aufgehoben.

 

Rain Bar Manchester

 

Auch wer zuhause nicht (mehr) besonders viel ausgeht, wird in Manchester kaum drum rumkommen.  DJs gehören in den Bars und Restaurants zur festen Einrichtung. Aufgelegt wird kein Hintergrundgedudel sondern laut. Was unter die Beats gemixt wird, richtet sich nach dem Alter der Gäste. Im wunderbaren Caffé Grande Piccolino etwa Sachen aus den Achtzigern.

 

 

Wer beim Essen keine laute Musik mag, kommt zum Lunch oder Tea. Es lohnt sich wirklich: Wie viele Restaurants und Bars ist auch das Piccolino in einer Traumlocataion untergebracht. Viktorianisch-gotische Paläste ehemaliger Banken und Versicherungen aus der Zeit als Manchester noch das wichtigste industrielle Zentrum der Welt war.

 

John Rylands Library

Keine Bar sondern das beste Beispiel viktorianischer Gotik: die John Rylands Library

 

Wenn es dunkel wird, wacht Manchester erst so richtig auf. Es gibt unheimlich viel live Musik und man hat den Eindruck, die ganze Stadt sei auf dem Weg zum Tanzen. Mancs (kurz für Mancunians = Einwohner von Manchester) legen übrigens Wert auf ihre Garderobe. Sie sind extrem gut angezogen oder extrem unglaublich. Aber selten unauffällig.

 

unscharf

 

Am lebhaftesten ist es im Gay Village, wo man sich als St. Paulianer leicht provinziell vorkommen kann. Die schwule Community Manchesters existiert bereits seit den 1940er Jahren (damals noch illegal). Heute gilt die Canal Street mit ihren Showbühnen, Männerclubs, Frauenclubs, Transclubs, Normaloclubs als Englands bekanntestes Amüsierviertel nach Soho.

 

Gay Village Manchester

 

Die Canal Street liegt übrigens am Rochdale Canal, etwa dort, wo dieser Beitrag begann. Und wer nun so gar nichts fürs Nachtleben übrig hat und es lieber etwas stiller mag, folgt einfach dem Rochdale Canal Tow Path. Er führt durch die ganze Stadt, zu ihren Toren hinaus, 36 Meilen bis aufs platte Land bei Sowerby.

Nordsee-Krimis: Der Meister von Valandsiel

In Ferienappartments- und häusern stöbere ich zu gern in den Bücherregalen, deren Inhalt oft fifty-fifty von Besitzern wie ehemaligen Gästen stammt. So jedenfalls meine These. Denn häufig entspricht die Hälfte des Angebots einer bestimmten Vorliebe (die in etwa mit der Einrichtung korrespondiert) und der Rest ist wild durcheinander gewürfelt. Was niemals fehlt sind Nordsee-Krimis. Und Ostsee-Krimis. Je nachdem wo man sich gerade befindet.

 

In der Regel lege ich Nordsee-Krimis und Ostsee-Krimis aus Gründen der Fremdscham nach wenigen Seiten zur Seite. Denn ich sehe sie vor meinem inneren Auge bereits in einer ZDF-Verfilmung (mit Christine Neubauer oder Veronica Ferres in der Hauptrolle. Von meinen GEZ-Gebühren! Etwas worüber ich mich stundenlang aufregen kann. Weil es doch ganz wunderbare Schauspielerinnen in Deutschland gibt. Aber das ist ein anderes Thema.)

 

Und so ging ich eher skeptisch an den Krimi respektive Thriller heran, den uns der blanvalet Verlag freundlicher Weise zur Rezension überlassen hat. Da er in der Gegend spielt, die ich am Wochenende besuchen werde, dachte ich neulich, es könne nicht schaden, das Buch mal kurz anzulesen, ob es sich zur Kurzurlaubslektüre eignet.

 

Der Jungfrauenmacher von Derek Meister

 

Der Jungfrauenmacher ist der erste Teil einer Serie um den Valandsieler Polizeichef Knut Jensen und Homecomingqueen Helen Hennig. Die ehemalige Profilerin erkennt sofort die Handschrift eines Serienmörders, als der Sturm eine seltsam zugerichtete Fraueneiche an den Strand spült. Und während das Ermittlerduo die Fäden mühselig aufrollt, verschwinden wieder zwei Mädchen aus Valandsiel.

 

Sturm

Krimis sollten nicht „lustig“ sein und brauchen schlechtes Wetter

 

Dass Autor Derek Meister Film- und Fernsehdramaturgie studiert hat, merkt man. Seine Settings sind ungeheuer bildhaft. Auch wenn der fiktive Ort Valandsiel ein bisschen zu schön ist, um wahr zu sein. Dort gibts dort einen Sandstrand (wie sonst nur in St. Peter-Ording), Steilküsten und Klippen (wie sonst nur auf Helgoland) eine Seebrücke (wie sonst nur an der Ostsee), genau wie ausgedehnte Kiefernwälder, sogar eine Wanderdüne (wie sonst nur auf Sylt) und einen Leuchtturm auf dem Cover, den man glatt mit dem Leuchtturm von Westerhever verwechseln könnte.

 

Der JungfrauenmacherDoch das soll keine Kritik sein. Es gibt viel zu viele Nordsee-Krimis (und Ostsee-Krimis), in denen dünne Plots mit Originalschauplätzen aufgewertet werden sollen. Vermutlich damit jedenfalls alle, die schon mal an den enstprechenden Schauplätzen waren, die Bücher lesen. Derek Meister hat das aber nicht nötig. Der Jugenfrauenmacher ist richtig gut durchdacht, würde überall funktionieren und Valandsiel ist eine Art nette Dreingabe. Es ist ein Fall, bei dem man hinterher denkt, man hätte auch von selbst auf den Mörder kommen können. Aber man ist eben nicht draufgekommen. (Ich zumindest nicht). Insofern wäre meine einzige Kritik, dass ich das Buch nicht mehr zur Seite legen konnte. Und weit vor meinem Kurztrip nach Nordfriesland durchgelesen hatte.

 

Der Jungfrauenmacher
Preis: 9,99 €
Seitenanzahl: 413

Lieber hätte ich den Jungfrauenmacher ja an der Nordsee gelesen. Und da traf es sich prima, das vor zwei Wochen der zweite Teil der Reihe erschien.

 

Die Sandwitwe von Derek Meister

 

Der Sommer ist fast vorbei, als eine erneute Mordserie über Valandsiel hereinbricht. Innerhalb weniger Tage tauchen mehrere Tote auf, bizarr inszeniert und offenbar an fein gesiebtem Sand erstickt.

Als Leser erlebt man den zweiten Fall aus verschiedenen Perspektiven. Zum einen aus der Sicht von Knut Jensen und Helene Hennig, die neben der Ermittlungsarbeit mit eigenen Geschichten klarkommen müssen (was ab und zu nervt). Und aus der Sicht eines mutmaßlichen Opfers. Eine Frau wird einem Haus gefangen gehalten, das mehr und mehr von Sand geflutet wird. Auf einer dritten Ebene wird die Motivation des Mörders beleuchtet. Sie reicht weit in die Vergangenheit und der Grund für den resultierenden Rachefeldzug  ist für mein Gemüt fast ein bisschen zu schrecklich.

 

Wanderduene List

 

Auch im zweiten Teil schreibt Derek Meister so schnell, dass sich die Seiten quasi von selbst umblättern. Wieder vermag er zu überraschen, ohne dabei die innere Logik der handelnden Personen zu vergessen. Die Spannung hält Meister auch dadurch, dass in Valandsiel jeder jederzeit über die Klinge springen kann.

 

Die SandwitweNicht ganz so prima sind die Protagonisten gelungen. Sie sind alle ein bisschen over the top und wirken daher konstruiert. Genau wie das Hickhack zwischen Knut und Helen, das mir schon im ersten Teil eher albern vorkam. Aber egal. Allzu viel Raum nimmt das nicht ein.

Und Krimis sind ja sowieso die Chips der Literatur. Sie sind gut, wenn man nicht mehr aufhören kann.

Auch die Sandwitwe habe ich in einem Rutsch durchgelesen. Und nehme mir für den dritten Teil  (der sich bereits in den beiden ersten Büchern ankündigt) vor: Den besorge ich mir erst, wenn ich an der Nordsee bin.

 

Die Sandwitwe
Preis: 9,99 €
Seitenanzahl: ich bin nicht sicher (wir erhielten vom Verlag eine „unkorrrigiertes Leseexemplar“. Es hat 383 Seiten; sieht aber ganz anders aus als das „echte“ Taschenbuch.)

 

Juni in Norddeutschland: 6 Sachen, die Du einplanen solltest

Juni in Norddeutschland ist großartig; beinahe so schön wie der September, bei dem es sich um meinen Lieblingsmonat handelt. Dafür liegt im Juni keine Melancholie in der Luft, denn kein Schwein denkt jetzt an den Herbst. Doch auch wenn der Sommer gerade erst beginnt, gibt´s Sachen, die ich nicht auf die lange Bank schieben möchte, weil sie am besten (oder ausschließlich) im Juni funktionieren.

Nachdem ich im Mai mal wieder in die gute, alte Zeitfalle getappt bin und viel zu wenig von den Dingen da draußen mitbekam, hab ich im Juni vorgesorgt. Freizeit geplant, was ja einigermaßen absurd klingt, aber bei uns offenbar nicht anders läuft (schon gar nicht spontan).

Es ist einfach so: Wenn ich das Beste eines Monats nicht verpassen will, muss ich den Terminkalender zücken und mir selbst gegenüber verbindlich werden. Falls es Dir ebenso geht, kommen hier (gerade noch rechtzeitig zum Planen) …

 

6 Sachen, die Du vielleicht im Juni in Norddeutschland erleben möchtest

 

Nordsee im Juni

Der Juni ist ein Nordseemonat

 

1. Der Moment, wenn Du das erste Mal kopfüber ins Meer tauchst

 

Im Juni wird angebadet. Sehr junge Menschen, sehr alte Menschen und Wikinger wagen sich in die Ostsee. Der Rest springt in die Nordsee. Die ist gnädiger. Bei Ebbe (und gleichzeitigem Sonnenschein) heizt sich das Watt auf und funktioniert bei einsetzender Flut quasi als Fußbodenheizung. Die von oben wie unten erwärmte Nordsee ist meistens Mitte Juni für normale Menschen erträglich.

Mit Glück verschlucke ich mich schon am ersten Juni-Wochenende an Salzwasser. Ich verbringe es mit einer Freundin auf einer ehemaligen Nordseeinsel. Falls das Wetter nicht mitspielt, ist es egal, denn wir sind a) beide nicht aus Zucker. Und b) ist ja schon allein die Tatsache, mit einer Freundin an der Nordsee zu sein, prächtig genug. (Wir planen es seit November. So viel zur Spontanität.)

 

Salzwiesen

Durch Salzwiesen kann man auch bei Regen (Gummi)-stiefeln

 

2. Ein Gefühl wie Große Ferien

 

Der Duft von frisch gemähtem Gras, von Erdbeeren, Regen auf Asphalt,  Sonne auf der Haut, Holzkohle, Pommes am Strand, Sonnencreme – und schwupps: fühlt man sich wieder wie ein Kind.

Marcel Proust hat das Phänomen in seinem Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ beschrieben. Gerüche können stärkere Erinnerungen auslösen als alle anderen Sinnesempfindungen.

Als gebürtige Landeier beamen uns aber auch stille Tage oder Stunden in der Provinz verlässlich zurück in die Zeiten, als Sommer und Ferien noch endlos schienen.

 

Was man verloren glaubte, kann man in Norddeutschland noch finden

Was man verloren glaubte, kann man in Norddeutschland noch finden. Hier: Schulhof von Gelting.

 

Umso mehr freuen Volko und ich uns über die Einladung vom Reiseland Niedersachsen.  Denn im Flächenland gibts ja bekanntlich besonders viel Provinz.

In der zweiten Juniwoche werden wir in Niedersachsen ein Meer umrunden. Den ganzen Tag Radfahren auf unbekannten Wegen – das ist noch so was, das sich wie Große Ferien anfühlt und perfekt in den Juni passt.

 

3. Und in der EM-Bar Deines Vertrauens alle so: Yeah!

 

Täusche ich mich oder ist das allgemeine Interesse an der EM dieses Mal denkbar gering? Kann trotzdem nicht schaden, sich schon mal nach einer geeigneten Location umzugucken. Denn manche Leute wird man ab 10. Juni wieder mal nur treffen können, wenn man bereit ist, mit ihnen Fußball zu gucken.

 

WM 2014

 

Dann braucht der (nicht ganz so fußballverrückte) Mensch einen Ort mit guten Drinks, freundlichem Service, ordentlicher Sicht und Shots bei jedem Tor der deutschen Mannschaft. Gibt’s z.B. alles in der Möwe Sturzflug auf St. Pauli.

 

4. Einsame sommerliche Ostseestrände

 

Einsame, sommerliche Ostseestrände gibt’s in Deutschland nicht gerade wie Sand am Meer. Im Grunde findet man sie nur wochentags, wenn kein Bundesland Schulferien hat. Dieses Jahr ist es bis zum 22. Juni möglich – und dann erst wieder ab 13. September.

Wo´s einsam ist, läßt sich mit Google Maps in Erfahrung bringen. Oder hier auf dem Blog. Vielleicht kommt im Laufe des Junis noch ein Lieblingsstrand dazu. Aber das müssen wir spontan gucken (ist also unwahrscheinlich).

 

Strandzugang

 

Wer´s gar nicht besonders einsam braucht, sondern auch mit erträglicher Belebung leben kann, ist im Juni beinahe überall an der Ostsee richtig. Das Beste: Noch sind die Einheimischen nicht gestresst von den Touristen. Noch vermieten sie ohne zu meckern für ein oder zwei Nächte. (Im Juli und August ist das längst nicht immer der Fall. Und die Preise ziehen auch ganz schön an.)

Das Wetter kann im Juni richtig schön sein an der Ostsee. Richtig heiß. Und falls man dann irgendwie doch in die Ostsee will, obwohl sie einem eigentlich viel zu kalt ist, hilft der gute, alte Beachball-Trick. Beachball muss man ambitoniert und mit den Füßen im Wasser spielen. Dann hat man sich spätestens nach 30 Minuten an das eisige Grauen gewöhnt. Und läßt sich (vielleicht mit einem gewagten Hechtsprung) reinplumpsen.

 

DuenenvorGraswarder

 

5. Die hellsten aller hellen Tage

 

Am 21. Juni scheint die Sonne in Flensburg 86 Minuten länger als in München. Leider, leider feiert man bei uns ja nicht Mittsommer wie in Schweden. Dafür aber in Dänemark. Ein sehr guter Grund um mal wieder bei den Nachbarn vorbei zu schauen.

Zu St. Hans am 23. Juni lodern an allen Stränden des Königreichs gewaltige Feuer. In manchen Orten finden Fackelumzüge statt. Restaurants bieten spezielle Buffets an. Was man nicht findet sind Tanzveranstaltungen mit Eurobeats oder Bratwurststände.

 

VL_1540

 

Wer (wie ich) zu St. Hans (im Süden) arbeiten muss, findet hoffentlich (wie ich) noch eine Lücke im Terminkalender zum Ausgleich und Trost. Und sei es nur für einen Feier-Abend an der Nordsee.

 

6. Wenn in Ording die rote Sonne im Meer versinkt

 

Ende Juni geht die Sonne in St. Peter-Ording um 22.04 Uhr unter. Für Hamburger (Schleswig-Holsteiner und manche Niedersachsen) lohnt sich das sogar, wenn man erst nachmittags aufbricht. Ich werde allerdings früh losfahren und dafür länger bleiben. Eine kleine Frauenreise setzt den Schlusspunkt im Juni 2016. Von langer Hand geplant versteht sich. Denn die anderen 3 sind genauso unspontan wie ich. (Kann es vielleicht sogar sein, dass Spontanität vollkommen überbewertet ist?)

 

Sankt Peter Ording

Sankt Peter Ording

 

Die Strandkörbe werden am Strand von Bad (bei den anderen weiß ich es nicht) netterweise abends nicht verschlossen. Und wenn man da mit seinen Lieblingsleuten ein, zwei Sundowner nimmt, dann gibt es eigentlich keinen besseren Gedanken als diesen: Der Sommer fängt gerade erst an.

Und falls es regnet – denkt man sich eben das Gleiche.

 

Wenn die Sonne versinkt in St. Peter Ording