Der Rochdale Canal Tow Path ist ein Spazierweg im Souterrain von Manchester. Er führt unter Straßen, Gebäuden und uralten Brücken hindurch, windet sich um schummrige Ecken, passiert frisch gentrifizierte Luxusappartements und Bars, Bars, Bars, Bars, Clubs, Clubs und Bars. Nachts ist hier die Hölle los. Morgens braucht man keine Menschenseele zu erwarten. Höchstens vielleicht Jack the Ripper.
Ein gutes Jahrzehnt schlug am Rochdale Canal das musikalische Herz dieser ohnehin hochmusikalischen Stadt; der legendäre (inzwischen abgerissene) Club The Hacienda. Finanziert wurde er von einer Band, die bereits in den 1970er Jahren unter dem Namen Joy Divison den Ruf Manchesters als Musikmetropole maßgeblich beeinflusste. Nach dem Tod des Frontmannes Ian Curtis benannten sich die verbliebenen Bandmitglieder aus Respekt vor ihm in New Order um. 1982 eröffnet, entwickelte sich die Hacienda schnell zum Epi-Zentrum der Rave-Bewegung, die als Madchester die britische Musiklandschaft beherrschte.
Anfang der 1990er Jahre hatte der Madchester-Sound seinen kreativen Zenit überschritten. Etwa zur selben Zeit feuerte die Rockband Rain ihren Sänger und ersetzte ihn mit einem bisher eher erfolglosen Schulabbrecher und Gelegenheitsarbeiter. Liam Gallagher kam mit seinem älteren Bruder Noel im Schlepptau unter der Voraussetzung, die Band in Oasis umzubenennen. Und ich sag´s mal so: Wer musikalisch irgendwann zwischen Post-Punk und Britpop sozialisiert wurde, ist in Manchester absolut nicht falsch aufgehoben.
Auch wer zuhause nicht (mehr) besonders viel ausgeht, wird in Manchester kaum drum rumkommen. DJs gehören in den Bars und Restaurants zur festen Einrichtung. Aufgelegt wird kein Hintergrundgedudel sondern laut. Was unter die Beats gemixt wird, richtet sich nach dem Alter der Gäste. Im wunderbaren Caffé Grande Piccolino etwa Sachen aus den Achtzigern.
Wer beim Essen keine laute Musik mag, kommt zum Lunch oder Tea. Es lohnt sich wirklich: Wie viele Restaurants und Bars ist auch das Piccolino in einer Traumlocataion untergebracht. Viktorianisch-gotische Paläste ehemaliger Banken und Versicherungen aus der Zeit als Manchester noch das wichtigste industrielle Zentrum der Welt war.
Wenn es dunkel wird, wacht Manchester erst so richtig auf. Es gibt unheimlich viel live Musik und man hat den Eindruck, die ganze Stadt sei auf dem Weg zum Tanzen. Mancs (kurz für Mancunians = Einwohner von Manchester) legen übrigens Wert auf ihre Garderobe. Sie sind extrem gut angezogen oder extrem unglaublich. Aber selten unauffällig.
Am lebhaftesten ist es im Gay Village, wo man sich als St. Paulianer leicht provinziell vorkommen kann. Die schwule Community Manchesters existiert bereits seit den 1940er Jahren (damals noch illegal). Heute gilt die Canal Street mit ihren Showbühnen, Männerclubs, Frauenclubs, Transclubs, Normaloclubs als Englands bekanntestes Amüsierviertel nach Soho.
Die Canal Street liegt übrigens am Rochdale Canal, etwa dort, wo dieser Beitrag begann. Und wer nun so gar nichts fürs Nachtleben übrig hat und es lieber etwas stiller mag, folgt einfach dem Rochdale Canal Tow Path. Er führt durch die ganze Stadt, zu ihren Toren hinaus, 36 Meilen bis aufs platte Land bei Sowerby.
[…] jede Menge Künstler an, besonders Musiker. Daher wird die „Stadt des Windes“ auch oft mit Manchester verglichen. Genügend Ecken und Kanten hat sie, um dem Vergleich […]