Den Sommer in Norddeutschland darf man nicht persönlich nehmen. Ich weiß das. Komme damit im Prinzip auch ganz gut zurecht. Abgesehen von diesem einen ätzenden Moment. Der Moment, in dem mir klar wird: Das wird nix mehr für dieses Jahr. Selbst wenn der Sommer ab sofort seine besten Seiten zeigt, wird er unterm Strich doch ein Unsommer bleiben, ein Nicht-Sommer.
Diesen Punkt erreichte ich am 3. August in Steinberghaff an der Geltinger Bucht (einer Unterbucht der Flensburger Förde). Ein Tag, wie der Sommer 2016 selbst. Will sagen: Unberechenbar.

Regen als Weichzeichner in Steinberghaff
Obwohl es regnete, saßen wir vor dem Strandhotel und tranken Kaffee. Ohne Schirm. Einfach so. D.h. wir wurden nass. Was wir nicht über die Maßen merkwürdig fanden. Oder beklagten. Inzwischen scheint mir das Wetter schon in Ordnung, wenn es nicht immerzu regnet sondern nur ab und zu.
Vielleicht habe ich mich in gewisser Weise dran gewöhnt, dachte ich. Mich sozusagen aklimatisiert.
Aber wir hatten auch keine Lust, ewig im Regen zu sitzen. Daher stiegen wir ins Auto, um uns um die Flensburger Förde treiben zu lassen (was ich nur jedem nachdrücklich empfehlen kann; bzw. auch schon mal empfohlen habe.).

Perfekt ausgeleuchtet: Blinde Passagiere vor Norgaardholz
Es war am Wacken-Wochende, an dem es traditionell regnet. Es regnet überhaupt traditionell bei allen Großveranstaltungen in Norddeutschland. Oder wie Oli von Landidylle schrieb: Wacken-Wetter unterscheidet sich vom Kieler-Woche-Wetter durch den Neigungswinkel des Regens und wenn man mich fragt, auch durch die schiere Masse an Wasser. Mag also sein, dass es da irgendeinen Ursache-Wirkung-Zusammenhang gibt zwischem miesem Wetter und der Eventisierung des Abendlandes.
Nichts für Feiglinge: Sommer in Norddeutschland
Glücklicherweise ist die Flensburger Förde weniger eventisiert als Hamburg oder die Lübecker Bucht. So hatten wir es nicht nur mit vertikalem und horizontalem Regen zu tun sondern auch mit Regenpausen. Und sowieso: sollte ich einen Ort nennen, an dem ich wechselhaftes Wetter ganz gut ertrage, ist es die Flensburger Förde.

Sieht fast aus wie Sommer: der Strand von Habernis
Die Flensburger Förde ist die größte deutsche Förde; etwa 40 bis 50 km (je nach Auslegung) streckt sie sich von der Ostsee ins Land hinein bis nach Flensburg. Wie ein Top-Modell also; schön lang und schmal und weitgehend naturbelassen, setzt sie nur einige, wenige gastronomische Akzente. Dagegen wirken bekanntere Ostseebäder wie Zirkusprinzessinnen, überladen mit Goldschmuck.

Drama, Baby. Gluecksburg.
Quer durch die Flensburger Förde verläuft die deutsch-dänische Grenze. Da steht man oft in der Sonne und schaut faszniniert einem dänischen Unwetter zu. Man weiß sogar in etwa, wann das Unwetter einen selbst erwischt, so dass man schon mal überlegen kann, wo man unterschlüpfen wird. Umgekehrt funktioniert es auch. Wenn man im Regen steht und die Sonne ihre Scheinwerferaugen gekonnt auf Dänemarks Wälder, Strände und Steilküsten setzt, ist das schon ziemlich großes Kino.
Sommer in Norddeutschland: Solitude in Solitüde
Die Strände der Flensburger Förde sind kurz genug, um zwischen zwei Regenschauer zu passen. Ich hatte noch einen offen; nämlich Solitüde. Und genau genommen war es ein Glücksfall, dass ich die eigentlich beliebte Flensburger Badestelle bei „schlechtem“ Wetter entdecken konnte. Da atmet Solitüde noch ein bisschen der Einsamkeit, nach der Baron Schack seinen Sommersitz 1841 benannte.

Wassersleben – der westlichste Ostseestrand Deutschlands
Auch Strände die man ganz gut kennt, bekommen bei wechselhaftem Wetter etwas Geheimnisvolles. Als wir einen Sturzregen lang im Pavillon des Hotels Wassersleben Kaffee tranken, dachte ich, dass ich eigentlich ganz fröhlich bin. Nicht, dass ich etwas gegen Sonne im Gesicht hätte. Aber ich habe auch nichts gegen plötzliche Reflexe auf der Ostsee; zu schön um wahr zu sein. Darauf warte ich wie ein Angler oder Jäger. Nur dass niemand stirbt, wenn man ein Bild schießt.

Yachthafen von Sonderborg
Und manchmal taucht die Sonne einen ja auch selbst in Licht. Für Minuten oder auch mal eine halbe Stunde. Ich hab mir angewöhnt, mich dann zurückzulehnen, die Augen zu schließen, egal was ich gerade tue oder wo ich gerade bin. Und obwohl der Sommer 2016 noch viel, viel mieser ist als der miese Sommer 2015, hadere ich dieses Jahr weniger mit dem Wetter. Der Sommer in Norddeutschland ist so ähnlich wie das Leben selbst. Große Erwartungen, ein paar Enttäuschungen, viele Grautöne und ab und zu ein perfekter Moment, der für alles Generve entschädigt.

Insel Als – am Ende der Flensburger Foerde beginnt die daenische Suedsee
Gestern schrieb die MoPo es würde nun losgehen mit dem norddeutschen Sommer. Möglicherweise allerdings in Form von Sommergewittern. Noch sei nichts sicher, sagt der Wetterexperte, noch sei alles möglich. Ganz wie im richtigen Leben.
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Ich leb und waiß nit wie lang,
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ich stirb und waiß nit wann,
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ich far und waiß nit wahin,
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mich wundert das ich [so] frölich bin.
- (Martinus von Biberach)