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Schleisteig

Fördesteig, Ostseesteig, Schleisteig, Tag 4

Die Fehlinvestition meines Lebens war die Regenjacke, die ich mir extra für Fördesteig, Ostseesteig und Schleisteig zugelegt habe. Auch am vierten Tag unserer Wanderung ist nicht eine einzige Wolke am Himmel zu entdecken. Aber ich will nicht meckern. Ausgeruht und ausgeschlafen machen wir uns auf den letzten Teil der Reise. Nur knappe 20 km werden es heute.

 

Ostseesteig

So wie die Geltinger Bucht eine Unterbucht der Ostsee ist der Ostseesteig ein Unterwanderweg des Fördesteigs (oder so ähnlich)

 

Warum es die Dreiteilung in Fördesteig, Ostseesteig und Schleisteig überhaupt gibt, ist einerseits logisch, da die Abschnitte eben die Flensburger Förde, die Ostsee und die Schlei begleiten. Andererseits  gehören die Wege zusammen, tragen das gleiche Logo, die gleiche Beschilderung. Nur die Namen ändern sich. Ich kenne überhaupt keinen anderen Langstreckenwanderweg, der es so genau nimmt. Bzw. der es so kompliziert macht. Ich meine, der Heidschnuckenweg führt ja auch nicht ausschließlich durch die Heide. Heißt aber trotzdem von Anfang bis Ende gleich. Das ist für Ortsunkundige leicht zu verstehen. Und für Touristiker leicht zu vermarkten. Aber das nur nebenbei.

 

Ein Weg, drei Namen: Fördesteig = Ostseesteig = Schleisteig

 

Jedenfalls. Den Ostseesteig haben wir gestern schon zur Hälfte erledigt. Es ist im Grunde eine ca. 10 km lange Strandwanderung (die sich auch toll als Tagestour eignen würde). Im Sommer tobt auf halber Strecke das Leben; nicht zuletzt wegen der riesigen Campingplätze von Hasselberg und Oehe-Drecht. In der Nebensaison ist rund um Kronsgaard nicht mit mehr Gesellschaft zu rechnen, als man entspannt ertragen kann. Das erste Gebäude auf dem Ostseesteig ist der Leuchtturm von Falshöft, das vorletzte Gut Oehe. Das gutseigene Café empfiehlt sich unbedingt für eine idyllischen Kaffeestunde und idealerweise Rhabarbar-Baiser-Torte. (Natürlich nicht morgens um 10.00 Uhr.)

 

 

Morgens um 10.00 Uhr auf dem Ostseesteig empfiehlt sich eher, die Aussicht zu genießen. Noch sind nur wenige Radfahrer unterwegs. Aber sie nerven schon wieder ein bisschen. Schilder über Schilder über Schilder weisen darauf hin, dass Radfahrer auf dem Deichverteidigungsweg bleiben sollen. Sie fahren natürlich trotzdem auf der Krone, die eigentlich Spaziergängern vorbehalten ist und gehen davon aus, dass alle Welt zur Seite springt, sobald sie klingeln. Dass  Radfahrer oben bleiben wollen, kann ich verstehen – vom Deich hat man die bessere Sicht auf Ostsee und Schleimünde, einer Landzunge, die das Meer von der Schlei abgrenzt.  Schleimünde steht unter Naturschutz. Hier herrscht Betretungsverbot, mit Ausnahme des äußersten Spitze, der Lotseninsel, die nur per Schiff zu erreichen ist.

 

Lotseninsel

Obwohl nicht wirklich eine Insel, sondern die Spitze einer Landzunge, kommt man nur per Schiff (von Kappeln oder Maasholm) auf die Lotseninsel

 

Den besten Blick auf die Lotseninsel hat man vom allerletzten Haus (und Schlusspunkt) des Ostseesteigs, der Vogelwärterhütte des Vereins Jordsand. Heute ist die Lotseninsel nur schemenhaft zu erkennen. Es ist schon erstaunlich. Seit 4 Tagen zeigt sich der Himmel nun strahlendblau. Aber nie gleich. Heute ist das Licht regelrecht hochsommerlich. Diffus, weich. Gnädig, möchte ich fast sagen. Denn so können wir die bittere Wahrheit drüben auf dem Schwansener Ufer nicht genau erkennen.

 

In Schleimünde wird der Ostseesteig zum Schleisteig

 

Wir sind trotzdem einmal mehr schockiert, wie die wunderschöne Landschaft zugeklotzt wird. Bisher habe ich meinen extremen Widerwillen gegen das Retorten-Ressort Olpenitz zum Teil auch persönlicher Nostalgie zugeschrieben. Ich kenne die Ecke einfach unverletzt. Und es tut mir in der Seele weh. Wir unterhalten uns darüber eine Weile mit den Vogelschützern. Es geht ihnen  ähnlich. Und auch der Urlauber, der sich dazu gesellt, ist erschrocken. Er fragt, ob es sich „da drüben um ein ähnliches Verbrechen handelt wie bei dem Koloss von Prora auf Rügen„. Und ist fassungslos, als er hört, dass es keine Altlast sondern ein Neubaugebiet ist. Man kann das einfach nicht in den Kopf kriegen. Es ist zu krass. Und es hilft nur, sich abzuwenden und den Schleisteig zu betreten.

 

Schlei

 

So wie die Flensburger Förde die schönste Förde der Welt ist, ist die Schlei der schönste Meeresarm der Welt. Sie hat etwa die Länge eines Marathons und zieht sich bis Schleswig. Der Schleisteig begleitet sie lediglich auf 13 Kilometern bis Kappeln. Schnell haben wir Maasholm erreicht. Wer noch nie in dem kleinen Fischerdorf gewesen ist, kann hier eine wunderbare, ausgedehnte Mittagspause einlegen. Wir schnappen uns nur das obligatorische Fischbrötchen von Petersen und folgen dem Weg um´s Wormshöfter Noor.

 

 

Noore sind ganz typisch für die Schlei; große, beinahe vollkommen eingeschlossene Buchten. Dieses hier zieht sich. Das liegt auch an der Radfahrerdichte. Gefühlt müssen wir öfter in die Böschung springen und sie passieren lassen, als dass wir überhaupt gehen. „Guck mal„, ruft einer begeistert seiner Frau zu, „da sind die zwei Fußgängerinnen von gestern.“ Da fällt es mir auch auf: man sieht auf Fördesteig, Ostseesteig und Schleisteig gar nicht besonders viele Wanderer. Spaziergänger schon. Aber ich kann mich nur an zwei weitere Frauen mit Rucksack erinnern, die uns gestern morgen in Steinberghaff entgegen gekommen sind.

 

 

Vielleicht wäre die heutige Etappe auch tatsächlich mit dem Rad schöner? Normalerweise gefällt mir Wandern besser, weil man mehr sieht. Radfahren ist einfach zu schnell. Doch schon seit Maasholm marschieren wir parallel zur Straße, was besonders ab Wormshöft langweilig wird, weil wir dort das Noor verlassen. Und der ewig lange Feldweg, in den wir bei Wulfshagen abbiegen, ist jetzt auch nicht gerade hochspannend. Aber das ist alles vergessen, als wir nach 5 km Gut Buckhagen erreichen.

 

 

Gut Buckhagen ist ein wunderschönes Anwesen mit tollen Sichtachsen auf Maasholm, die Schlei und der Anmutung eines englischens Landschaftsparks. Einziges Manko: es gibt kein Café. Aber die Ferienwohnungen, deren Terassen über einem Burggraben schweben, merke ich mir gedanklich für den Fall vor, dass ich irgendwan mal nicht mehr weiß, wohin mit meinem Zaster.

 

Auch keine schlechte Idee: Urlaub am Schleisteig

 

Jetzt sind es nur noch 2 km zu dem Ort, den meine Wanderpartnerin und ich von allen am sehnlichsten erwartet haben: Rabelsund, bestehend aus 3 weißen Reetdachhäusern, einem kleinen Strand und dem Bootsanleger von Gut Buckhagen. Früher gabs hier ein legendäres Ausflugslokal. Sogar Frank Sinatra hat in dem Gasthof von Rabelsund schon mal Urlaub gemacht.

 

 

Passenderweise angeln zwei ältere Damen in Wathosen Heringe und eine dritte sitzt am Strand und strickt. Von hier hat man nämlich zum ersten Mal freien Blick auf Kappeln, wo man sich gerade auf das größte Ereignis des Jahres vorbereitet, die Heringstage. Sie zelebrieren jährlich den letzten Heringszaun Europas, der sich direkt an der Schleibrücke befindet. Wo auch der Schleisteig endet.

 

Kappeln

 

Von Rabelsund aus ist der Schleisteig für Radfahrer übrigens nicht mehr befahrbar. Nur Wanderer dürfen die letzten Ausblicke auf Ellenberg und Kappeln genießen und sich auf schmalen Pfaden zurück zur Zivilisation durchschlagen. Sie kündigt sich in Form der lauten Nordstraße an. Weil wir die Nordstraße wie auch Kappeln besser kennen als unsere Westentasche, lassen wir´s hier gut sein. Allen anderen seien natürlich auch noch die verbleibenden 2 km empfohlen. Womit man sich in Kappeln typischerweise belohnt, weiß mal wieder Cornelia von „die See kocht“ am besten.

 

Raps

 

Fazit nach 4 Tagen Wandern mit Meerblick: Das Leben ist doch interessant. Hätte mir jemand vor 10 Jahren vorgeschlagen, von Flensburg nach Kappeln zu laufen, hätte ich ihn für einen seltsamen Vogel gehalten. Inzwischen denke ich, dass man sich kaum ein größeres Geschenk machen kann, als diese Wanderung auf dem Fördesteig (Ostseesteig, Schleisteig). Ich finde den Weg einfach perfekt. Nur der Raps hätte noch einige warme Tage mehr gebraucht. Aber irgendwas ist ja immer.

 

Weiterlesen, Nachlesen: Fördesteig

 

Fördesteig Tag 1 von Flensburg nach Holnis

Fördesteig Tag 2 von Holnis nach Norgaardholz

Fördesteig (Ostseesteig) Tag 3 von Norgaardholz nach Hasselberg

Fördesteig Karte und Tour als pdf

Ostseesteig

Vom Fördesteig zum Ostseesteig (Tag 3 Geltinger Bucht)

Heute werden wir das Ende des Fördesteigs erreichen, der seit 2016 nahtlos auf den Ostseesteig übergeht. Die Etappe scheint eigentlich easy. 23 Kilometer direkt an der Wasserkante. Keine Möglichkeit, sich zu verlaufen. Keinerlei Steigungen. Das Wetter ideal. Wir müssen nicht einmal das Auto bemühen, sondern wandern direkt vom Ferienhaus los. Und doch. Schon als wir den Fördesteig am Strand von Steinberghaff erreichen, spüre ich: dieser Weg wird kein leichter sein.

 

Steinberghaff

 

Zunächst kann ich mich noch mit der unfassbar schönen Kulisse ablenken. Die seichte Geltinger Bucht ist so richtig was für Lichtliebhaber. Aber ich merke, dass mit mir nicht alles in Butter ist, da mir viele Dinge verführerischer scheinen als zu gehen (ein Gefühl, das ich eigentlich nicht kenne.)

 

Morgenlicht

 

Dinge, die mir heute z.B. verführerischer scheinen:

  • mich auf einem Boot von der ganz leichten Dünung wiegen lassen
  • in den großartigsten Ruhebänken ever schaukeln
  • ein Pferd spazieren führen (reiten wäre zu krass, selbst wenn ich´s könnte)
  • auf einem Stein sitzen und auf´s Meer starren

Oder anders gesagt: Ich bin schlapp.

 

 

Beim Skilaufen heißt es immer, der dritte Tag sei der Gefährlichste. Die Muskeln sind ermüdet. Zwar ist Wandern im Flachland nicht so anstregend, dass man Muskelkater bekäme. Aber vielleicht ist es ja doch so, dass die gestrige Etappe etwas zu lang war. Vielleicht war es auch nicht hilfreich, dass ich nur 5 Stunden geschlafen habe. Und ganz sicher wäre heute der gute, alte Witz angebracht: eins der Gläser Wein gestern abend war wohl schlecht. War halt so nett beim Sonnenuntergang im Strandkorb. Fällt aber eben auch in die Kategorie: Wie bescheuert kann man eigentlich sein?!

 

Keine gute Idee: Alkohol beim Wandern

 

Es heißt, hinterher wäre man immer schlauer. Bei mir ist es aber auch häufig so, dass ich es eigentlich vorher schon besser weiß. Etwa, wenn ich etwas Zerbrechliches an einem heiklen Punkt abstelle (wo es folgerichtig irgendwann runterfällt). Und dass Alkohol zu den NO-NO´s beim Wandern gehört, ist mir genauso wenig neu wie die Tatsache, dass ich während des Wanderns viel mehr Wasser trinken und häufiger pausieren sollte.

 

 

Ich habe heute genügend Gelegenheit, mein Fehlverhalten zu überdenken. Landschaftlich ist die Geltinger Bucht ganz anders als die Flensburger Förde. Flach. Weit. Über lange Strecken baumlos. Abgesehen von 5 Häusern in Traumlage  und dem relativ verwaisten Seglerhafen in Gelting Mole lenkt nichts den Blick ab. Da wird das Gehen meditativ. Wer tagelang wandert, muss anders pausieren als auf einem Spaziergang. Wanderratgeber empfehlen alle 30 Minuten eine kurze Trinkpause; alle 90 Minuten eine längere Pause + Snack, z.B. eine kleine Banane, ein paar Nüsse oder einen Riegel.

 

Keine Pausen sind auch keine Lösung

 

Unerfahrene Wanderer trinken zu wenig, weil sie glauben, es wäre nicht nötig. Oder weil es ihrer Meinung nach zu sehr aufs Tempo drückt. Oder weil sie nicht ständig nach einer Toilette Ausschau halten mögen. (Letzteres war auf der ersten Hälfte des Fördesteigs übrigens kein Problem. Seit Langballigau aber schon.) Besonders weil heute Montag ist. Kurze Saison hin oder her – in Angeln ziehen echt viele Gastronomen den guten, alten Ruhetag knallhart durch. Einige haben sogar montags und dienstags geschlossen. Dat Strandhuus in Wackerballig zum Glück nicht.

 

 

Die oben erwähnten 90 Minuten haben wir längst rum. Aber ich nehme natürlich keinen Snack zu mir. Genauso wie ich vorher keine Trinkpause eingelegt habe. Ich habe nämlich keinen Durst, denke ich, ich habe Fuß. Vielmehr Füße. Sie sind ganz schwer. Es läuft sich nicht so super. Dass das eine mit dem anderen zusammenhängt, ahne ich (superunwissende Wanderin) nicht.

 

Grahlenstein

 

Jetzt sind es noch gute 5 km bis zu meinem Lieblingsnaturschutzgebiet. Weil die  Geltinger Birk nicht nur mein Lieblingsnaturschutzgebiet ist – und  der Weg von Wackerballig  zur Birk so nett  – wird es deutlich belebter. Es sind jede Menge Radfahrer unterwegs. Nachdem ich das xte Mal auf ein Klingeln hin zur Seite getreten und stehengeblieben bin, um Radler passieren zu lassen, frage ich mich: Warum ist das eigentlich so? Warum müssen Radfahrer nie anhalten – Spaziergänger aber immer? Ist doch eigentlich seltsam.

 

Wo der Fördesteig zum Ostseesteig wird: die Geltinger Birk

 

Der Fördesteig umläuft die Landzunge der Birk an der Wasserkante. Beim „Eingang“ empfiehlt sich hier immer eine Suppe im Birk-Kiosk (heute Erbsen-Minz-Süppchen). Suppe soll sowieso das ideale Mittagessen für Wanderer sein. Besser als Pommes mit C-Wurst. Und der Birk-Kiosk ist die letzte Einkehrmöglichkeit für viele Kilometer.

 

 

Die Birk ist der vielfältigste Abschnitt der heutigen Tour. Auch wenn wir keine Wildpferde oder Robustrinder treffen, die hier zur Landschaftspflege eingesetzt werden. Wir sehen „nur“ einen schwarzen Schwan, Ziegen mit gewaltigen Hörnern, die eher in die Alpen passen würden und die Kinderstube einer Schafsherde. Und natürlich jede Menge Vögel. Schon an den vorherigen Tagen ist mir der vielstimmige Gesang aufgefallen. Wie still dagegen die Naturschutzgebiete im Hamburger Raum scheinen.

 

Am offenen Meer beginnt der Ostseesteig

 

Bei „Birk Nack“, der Spitze der Birk, endet der Fördesteig, bzw. geht nahtlos in den Ostseesteig über. Jetzt laufen wir richtig, richtig am Meer. Offene Ostsee, sagt man hier. Man spürts. Der Wind ist kühl; im Schatten sogar kalt. Dafür hören wir die Wellen rauschen. Im Duett mit Vogelgesang die allerschönste Klangkulisse. Nach 20 Kilometern kündigt der Leuchtturm von Falshöft die Kaffeepause an. Das Café hat zwar – klar – Ruhetag. Aber wir kriegen einen aus der Thermoskanne beim Campingplatz.

 

Falshoeft

 

Was jenseits des Strandes von Falshöft liegt, wollte ich schon immer mal wissen. Und kanns dann gar nichts fassen. Da ist nichts als Strand und Strand und Strand. Über Kilometer. Feiner, weißer, menschenleerer Ostseestrand. (Nur am FKK-Abschnitt entdecken wir zwei nackte Herren.)

 

Goldsmaas

 

Die Verblüffung hilft mir auf den letzten Metern von insg. 23 km nach Hasselberg. Auf der heutige Etappe gab es nur wenige Teilstücke, die ich nicht kannte. Und das waren dann die besten. Wandern ist doch irgendwie interessanter, wenn man Neues entdeckt. Oder man müsste im Sommer den Ostseesteig wandern. Dann könnte man zwischendurch baden.

 

Pottloch

 

Körperlich bin ich heute drüber. Meine Füße schmerzen; sind total geschwollen. Ich lese auf einer Seite für Pilger, dass sich zu viel Salz im Gewebe sammelt, wenn man nicht genügend trinkt. Der Körper hält bei wenig Flüssigkeit so viel wie möglich davon im Gewebe fest, was unter anderem zu geschwollenen Füßen führt. Das Prinzip ist ähnlich wie bei sehr salzreichem Essen.

Wenn ich also weiterhin Spaß am Wandern haben will (und das will ich), lautet die Formel ab sofort: minus Wein plus Wasser = Wanderlust.

Morgen dann also hoffentlich fitter weiter: auf dem Ostseesteig zum Schleisteig.

Wandern auf dem Foerdesteig

Wandern auf dem Fördesteig: Tag 2 Holnis – Norgaardholz

Wandern auf dem Fördesteig Tag 2 von 4. Stimmung: sehr gut. Zipperlein: keine. Himmel: pastellblau. Wolken: 0. Die Kombi „3 Frauen und 1 Ferienhaus“ erweist sich als ideal. (Eine macht Frühstück. Eine geht mit dem Hund. Eine holt Eier beim Bauern.)

 

Luette Huette

 

Die Teilzeitwanderin hat heute andere Sachen zu erledigen. Vorher liefert sie uns in Holnis Drei ab. Die Anreise dauert bummelige 20 Minuten. Für den Rückweg haben wir 8 Stunden eingeplant. Wir werden schließlich nicht auf einer schnurgeraden Straße laufen, sondern Bucht um Bucht um Bucht umrunden.

 

Holnis

 

Das ist heute quasi die Bergetappe des Fördesteigs. Es geht Auf und Ab. Das merken wir schon als wir nach 2 km Bockholm erreichen. Das Ausblicke in der Straße Berglyk sind so prächtig, dass man schon mal den Weg verlieren kann. „Falls Sie uns besuchen möchten, sind sie richtig“, ruft uns ein freundlicher Herr zu. Da stehen wir bereits in seinem Garten. Er ist das sicher schon gewohnt. Der tatsächliche Weg führt zwischen 2 Hecken hindurch, so schmal, dass man im Leben nicht von selbst drauf kommen kann.

 

 

Es ist nicht nur die geschwungene Landschaft, die uns bezaubert und die Flensburger Außenförde, die heute glitzert wie in Südfrankreich. Es sind auch die typischen Knicks, derzeit vor allem der strahlende Weißdorn, der hier mannshoch blüht.

Nunmehr ist wohl nicht leichtlich ein Land zu finden, welches ein so Gartenmäßiges Ansehen hat, als Angeln. … vielleicht wird ein Gartenliebhaber nach dem neusten Geschmack die krumme Wege und Hecken noch höher schätzen, weil das Wilde in dem Künstlichen durchschimmert, und dem Reisenden immer neue Gegenstände dargestellet werden.

(Wer mehr über Knicks wissen will, findet den ganzen tollen Text zu obigem Zitat auf dbrinkschultes Blog „Theorie der Gartenkunst“ )

 

 

Nach einer ausgiebigen Runde über den Glücksburger Golfclub leitet uns der Weg hinunter an den Strand und wieder hinauf nach Bockholmwik und wieder hinunter zum Strand und zumeist über Wege, die allein Fußgängern vorbehalten sind. Was super ist. Denn so können wir den Flügelschlag der Schwäne hören, die ganz dicht über uns hinwegfliegen. Das ist viel besser als auf den Straßen, wo am heutigen Sonntag die Motorradfahrer ausschwärmen.

 

 

Am Strand sind wir für einen Moment nicht mehr sicher, ob wir richtig sind. Die Beschilderung ist heute nicht ganz so üppig gestreut wie auf der gestrigen Etappe von Flensburg nach Holnis. Und es gibt nun auch gar keinen Weg mehr. Erst als wir den Wald erreichen, ist beides wieder da. Ganz verwunschen ist der Wald von Sigum, schwer gebeutelt von den Stürmen im letzten Jahr. Bei Hochwasser oder nach langen Regenfällen, muss ein Umweg genommen werden. Selbst bei prächtigem Wetter ist es hier und da ziemlich matschig. Und traumhaft schön. Nach nochmaligen Aufstieg erreichen wir Langballigau.

 

Wandern auf dem Fördesteig Tag 2: Halbzeit in Langballigau

 

Zwischen den ersten Ferienhöfen ist der Weg ein weiteres Mal so schmal wie in Bockholm. Nur, dass er hier nicht beidseitig von Hecken begrenzt wird, sondern auf einer Seite von einem Elektrozaun. Bisschen blöd bei Gegenverkehr. „Wir machen es jetzt wie im Theater“, schlägt die Mutter einer Familie vor.  Weil Mütter ja immer alles besser wissen,  ziehen wir alle auf Kommando die Bäuche ein – und so gehts.

 

Es ist doch immer wieder interessant, wie unterschiedlich der Blick auf Orte sein kann. Meine Wanderpartnerin ist eigentlich ein geselliger Mensch – und ich nicht. Aber Langballigau gefällt ihr gar nicht – und ich mag den quirligen Hafen total. So voll wie heute habe ich ihn allerdings auch noch nie gesehen. Und weil wir ohnehin noch etwas früh für´s Lunch sind, nehmen wir nur einen Soft-Drink und schlendern über die Promenade weiter nach Westerholz. Hier müssen wir jetzt aber etwas essen. Denn danach gehts in die Einsamkeit. Das Bistro Strandgut sieht aus der Ferne so verführerisch aus, dass ich mir mehr drunter vorgestellt habe als einen Imbiss, wo beinahe alle Gäste Curry-Wurst mit Pommes essen. Wobei ich zugeben muss: das sind extrem gute Pommes mit Curry-Wurst (und günstig dazu; 5 Euro mit Meerblick, das gibts wahrscheinlich auch nur noch in Angeln.)

 

Ver-Wandern auf dem Fördesteig: Achtung in Westerholz

 

Die Wegbeschilderung führt an den Strand. Einen Weg gibt es nicht. Dafür Wackersteine. Alle Treppen die Steilküste hinauf sind als privat gekennzeichnet. Die Karte in meinem sehr unzureichenden Wanderführer ist zu grob, um weiterzuhelfen. Der Text spricht von 3 Alternativrouten. Einer müsste über die Haffstraße führen – oben angekommen, entdecken wir aber keine weitere Beschilderung. Das Handy will uns zurück nach Langballigau schicken, was nun wirklich ganz verkehrt ist und von uns auch schnell – naja, relativ schnell – erkannt wird. Also wieder an den Strand. Nochmal über Wackersteine balancieren. Nochmal alle Treppe checken. Wirklich privat. Einheimische fragen. Schulterzucken. („Ne-Treppe-nö-glaub-nich„) Zurück zum Imbiss. Noch mehr Einheimische fragen. Beide Wegen sollen möglich sein. Es kommt sehr wohl noch eine öffentliche Treppe („büschn versteckt, nech„). Oder man hünert wieder die Haffstraße hinauf, hält sich links bis „Zu den Lücken“; dort setzt die Beschilderung wieder ein. Auf diese Art ist eine – nicht unanstrengende – Dreiviertelstunde vergangen. Jetzt sind wird zum ersten Mal etwas platt.

 

 

Aber wie ist es nur herrlich auf den versteckten Pfaden nach Osterholz. Hier haben verschiedene Vereine Obstbäume gepflanzt. Im Herbst darf man sich an den Früchten sattessen. Jetzt im Frühling blühen sie um die Wette mit den Gärten des Dörfchens hoch über der Steilküste. Ein Grundstück hat eine ganz besondere Ausstrahlung. Es ist die frühere Sommerresidenz des Brücke-Malers Erich Heckel.

Auf den folgenden 5 km treffen wir keine Menschenseele. Als wir die (wie mein Wanderführer behauptet) „vielbefahrene Fördestraße“ erreichen, warten wir spaßeshalber ab, bis ein Auto kommt. Es dauert einige Minuten. Wir beten, dass die empfohlene Einkehrmöglichkeit (die einzige auf 15 km) nicht der Phantasie des Autoren entsprungen ist.

Ist sie nicht! Auch wenn das Jagdschloß Friedrichstal so aussieht, als sei es 1974 in einen Dornröschenschlaf gefallen. Die Begrüßung ist herzlich und wir kommen beim Kaffee (Kännchen, versteht sich) ins Plaudern.

 

Kirsche

 

Ob wir passionierte Wanderinnen seien? (Leider nein) Aber ob wir vielleicht dennoch wüßten, ob Wanderer üblicherweise Mehrwegbecher mit sich führten? (Keine Ahnung, leider). Sie (die Wirtin) überlege nämlich, ins Coffee-to-go-Geschäft einzusteigen. Aber das mit dem vielen Müll wolle sie nicht.

Und auch wenn ich nicht sicher bin, dass im Jagdschloss Friedrichtal nun wirklich viele, viele Pappbecher über den Tresen gehen würden, von so viel Haltung könnte sich so mancher Hot Spot eine Scheibe abschneiden.

 

 

Auf den kommenden 5 Kilometern wird der Schritt nun langsam schwer. Für´s Auge ist das auch die erste Durstrecke, denn es geht ab Kalleby durch nackte, braune Felder. Da reißt auch Gut Philipstal nichts mehr raus (zumal es ein Recycling-Hof ist). Erst als wir ins Moor von Habernis eintauchen, ist das Wandern auf dem Fördesteig wieder ein Vergnügen. (Ein sehr rasantes allerdings. Meine Wanderpartnerin zündet auf den Bohlenwegen ein letztes Mal den Warp-Antrieb, denn sie trägt kurze Hosen und in so einem Angeliter Moor scheint die Insektenwelt noch in Ordnung.) Danach sind wir eigentlich im Eimer.

 

Norgaardholz

 

Nach 9 Stunden und 4 Minuten erreichen wir die Seebadeanstalt von Norgaardholz. Eigentlich wollte uns die Teilzeitwanderin entgegenspaziert kommen, aber auf unsere inständige Bitte, hat sie das Auto mitgebracht. Wir können uns einfach nicht vorstellen, die letzten 2,5 km zum Ferienhaus noch zu Fuß zu gehen.

 

Was ich beim Wandern auf dem Fördesteig gelernt habe

 

1. Zu den KM-Angaben einer längeren Wanderung sollte man immer in Gedanken hinzuzählen, dass man vor Ort hier und da einige Schritte zusätzlich macht (sich was anguckt oder sich mal verläuft). Eigentlich standen heute 25 km an – der Schrittzähler zeigt aber 31,2. (Unbedingt bei der Planung einer Langstreckenwanderung beachten.)

2. Man kann gar nicht so viel essen, wie man gehen kann. Auch diese herrliche Tatsache verrät der Schrittzähler: wir haben heute 4.500 Kalorien verbraucht.

3. Um die Bilanz jedenfalls ein bisschen auszugleichen, bietet sich eine sehr leckere gebratene Scholle im Schwarzen Raben in Nordgaardholz an. Mit Bratkartoffeln. Selbstverständlich.

4. Das Schönste ist Angeln im Mai – aber das wusste ich vorher schon. Und ich freue mich auf den dritten Tag auf dem Fördesteig (mit der Überschrift Geltinger Bucht & Birk).

Foerdesteig

Wandern auf dem Fördesteig, Tag 1 Flensburg – Holnis

Für unsere viertägige Wanderung auf dem Fördesteig hätten wir gar keinen besseren Tag wählen können als genau diesen Sonnabend im Mai. Das wird uns schon auf dem ersten Kilometer vom Flensburger Bahnhof bis zur Hafenspitze klar. Das Glück potenziert sich (ist ab sofort eigentlich gar nicht mehr zu fassen), als wir den westlichsten Punkt der deutschen Ostseeküste erreichen. Der wolkenlose Frühlingshimmel in RAL 5012 Lichtblau spannt sich über die dunkle, seidige Flensburger Förde. Meine Wanderpartnerin und ich müssen uns erst einmal innerlich zwicken. Obwohl man beim Wandern natürlich immer das Beste hofft, wagt man (als gebürtige Schleswig-Holsteinerin) niemals, das Allerbeste zu erwarten. Man wills ja nicht beschreien.

 

Flensburg Hafenspitze

 

Eigentlich beginnt der vom NABU konzipierte Langstreckenwanderweg bereits 5,5 km zuvor an der deutschen-dänischen Grenze. Doch dafür hätten wir vom Bahnhof noch einen Bus zum Strand von Wassersleben nehmen müssen – was im Prinzip auch absolut empfehlenswert ist – aber eben nicht nach einer zweistündigen Zugfahrt von Hamburg durch den norddeutschen Frühling. Dann will man nur noch raus in die Herrlichkeit.

 

Der Fördesteig – 95 km Herrlichkeit

 

Die ganze Welt ist heute himmelblau, maigrün, gesprenkelt mit knallgelben Tupfen von Löwenzahn und erstem Raps. Und außerdem haben wir ja auch von der Hafenspitze aus noch genügend Kilometer vor uns. 90 um genau zu sein. Also dann: los jetzt.

 

 

Der Fördesteig begleitet die Flensburger Innen- und Außenförde, führt weiter an der Geltinger Bucht zur offenen Ostsee und knickt bei Maasholm zur Schlei ab, wo er in Kappeln endet. Der gesamte Weg ist unheimlich gut beschildert. Auf der Strecke gibt es eigentlich nur 3 – 4 knifflige Stellen. Die erste befindet sich gleich wenige hundert Meter hinter der Hafenspitze. Dort ist man noch so gefangen vom Zauber der Wasserkante, dass einem leicht der kleine blaue Pfeil nebst Förde-Silhouette entgehen kann, der Fördersteigwanderer am Lautrupsbach in den Volkspark hinaufschickt.

 

 

Was ist das Wunderbarste auf diesen ersten 7 städtischen Kilometern auf dem Fördesteig? Das perfekte Wanderwetter, das uns selbst bei teilweise ordentlichen Auf- und Abstiegen nicht ins Schwitzen bringt? Die prächtigen Ausblicke auf Stadt und Förde, von der die Flensburger (zu Recht!!!) behaupten, sie sei die schönste Förde der Welt? Oder die Ruhe in den Seglerhäfen, an versteckten kleinen Stränden und in den leuchtenden Buchenwäldern? Das hier so wenig los ist, hatten wir nicht erwartet.

 

 

Wir tippen, dass die Flensburger erst einmal ihre Wochenendeinkäufe erledigen. Später wird es sicher pickepacke voll werden. Umso mehr genießen wir, dass jenseits der Badeanstalt von Solitüde noch weniger Menschen unterwegs sind als zuvor. So haben wir den wunderbaren Forst Wille beinahe für uns allein. Frühlingswälder sind ja ohnehin eine Wucht, aber Buchenwälder toppen das Ganze noch einmal. Und wenn sie steil an die Ostsee abfallen, ist maximale Ästhetik erreicht.

 

Wandern auf dem Fördesteig, Tag 1: Halbzeit in Glücksburg

 

Glücksburg erreichen wir pünktlich zum Mittagessen. Tatsächlich herrscht in dem Seebad schon ein wenig Urlaubsstimmung. Hunde tollen am Strand. Segler tüdeln an ihren Booten. Kinder buddeln im Sand. Spaziergänger flanieren auf dem Fördeboulevard. Der ein oder andere Strandkorb ist vermietet. Doch alles recht entspannti-manti. Mein letzter Besuch ist noch gar nicht so lange her. Im Herbst logierten wir im Glücksburger Strandhotel – und wie immer würde ich auch heute gern länger bleiben. Ich mag die nördlichste Stadt Deutschlands einfach (obwohl sie sich gar nicht so nördlich anfühlt).

 

Gluecksburg

 

Fördesteigwanderer, die nicht ständig im äußersten Norden Nordeutschlands unterwegs sind und deshalb alles noch ein bisschen intensiver betrachten möchten als ich, könnten in Glücksburg übrigens ganz gut ihr Nachtlager aufschlagen. 1.) wären hier vom tatsächlichen Startpunkt in Wassersleben aus etwa 16 km geschafft – eine prima Distanz für einen Anreisetag – selbst wenn man erst gegen Mittag loslegen kann. 2) Bietet Glücksburg genügend reizvolle Spaziergänge, die man zusätzlich noch absolvieren könnte, wenn einem 16 km zu wenig erscheinen. Und 3.) findet man in Glücksburg garantiert ein Zimmer für 1 Nacht. Das ist längst nicht überall entlang des Fördesteigs der Fall.

 

Das Schwierigste am Fördesteig sind die Unterkünfte

 

Richtige, echte Fernwanderer – also solche mit Zelten auf dem Rücken – geraten auf dem Fördesteig nie in Schwierigkeiten. Sie müssen nicht einmal vorher die Tour abstecken. Campingplätze finden sich hier alle naselang. Hotels gibt es hingegen nur wenige. Und genau wie die zahlreichen Vermieter von Ferienhäusern und -wohnungen mögen die Hoteliers ihre Betten zwischen Mai und Oktober nicht gern für eine Nacht hergeben. Frühzeitig planen ist also Pflicht (ein Puzzlespiel wird´s trotzdem).

 

 

Wir haben das Übernachtungsdilemma mit einem Ferienhaus gelöst und einer weiteren Teilzeitwanderin, die uns manchmal begleiten, manchmal abends einsammeln und manchmal morgens zur richtigen Stelle kutschieren wird – je nachdem. Es fühlt sich zwar ein bisschen wie Schummeln an. Aber wer hat eigentlich gesagt, dass Fernwanderungen spartanisch sein müssen? Ich schon mal nicht. Außerdem liegt das Ferienhaus (das einen eigenen Beitrag verdient, der hier zu finden ist) strategisch perfekt; ziemlich genau auf der Mitte des Fördesteigs, so dass sich die Autofahrerei in Grenzen halten wird.

 

Die beste aller Notlösungen: 3 Frauen und ein Ferienhaus

 

Jedenfalls. Die Teilzeitwanderin stößt mit ihrem Hund (♥) in Glücksburg dazu. Die Stimmung ist prächtig. Die Kartoffelsuppe im Bistro Sandwig enttäuschend. (Sie schmeckt nach Kürbis & Kokos, weiß der Geier, warum. Da man im Sandwig aber am allerschönsten sitzt, mag ich´s trotzdem empfehlen. Mit den Burgern kann man nichts verkehrt machen.) Gemeinsam machen wir uns Richtung Holnis auf.  Der Weg verläuft noch eine Weile weiter am Fördeufer,  knickt dann für zwei knappe Kilometer ins Landesinnere, bevor er in Schausende wieder das Wasser erreicht.

 

 

Seit ich das letzte Mal über Holnis streifte, habe ich sehr häufig gelesen, auf der Halbinsel sei viel zu viel los. Ich hatte schon befürchtet, man dürfte einen Ausflug auf die nördlichste Spitze des deutschen Festlandes gar nicht mehr empfehlen. Aber ich finde, es könnte durchaus voller sein, als auf der Halbinsel Holnis an einem Sonnabendnachmittag im Mai bei Kaiserwetter.

 

 

Keine Ahnung, ob die Flensburger und Glücksburger alle noch beim Einkaufen sind. Oder sich auf ihren Segelbooten rumtreiben. Oder sich in ihre riesigen, riesigen Gärten mit Fördeblick zurückgezogen haben. Und überhaupt die Grundstücke! Addiere ich jedes Mal, an dem ich in meinem Leben „oh, guck mal das Haus da“ gesagt habe, komme ich zusammengenommen vermutlich nicht auf die Frequenz des heutigen Tages. Die Leute leben an der Flensburger Förde geradezu kitischig schön. So was kann es gar nicht geben, denkt man. Tut es aber eben doch.

 

Holnis

Ich habe schon vollere Orte gesehen, als die Halbinsel Holnis an einem Sonnabend im Mai gegen 16.00 Uhr.

 

Holnis streckt sich wie ein Finger weit in die Förde hinein. Fast tippt die Halbinsel dabei die dänische Südküste an. So verlaufen hier gleich zwei Grenzen; die zu unseren Nachbarn und die Grenze zwischen Flensburger Innen- und Außenförde. Man spürt es ganz deutlich, wenn man das (von außen) zauberhafte Fährhaus in Holnis Spitze erreicht hat. Der Wind wird aufeinmal frischer, die Förde schlägt jetzt Wellen und das „echte“ Ostseefeeling setzt ein.

 

Holnis

 

Auf den letzten Kilometern denke ich sogar darüber nach, meine Jacke rauszuholen. Da ich mich mittlerweile in dem Zustand befinde, wo jede zusätzliche Aktivität gut überlegt sein will, bin ich gerade erst soweit, den Rucksack abzunehmen, als unser Tagesziel auftaucht. Das Strandcafé von Holnis Drei. Dort erwarten uns Strandkörbe  – und wenn man sich da hineinkuschelt, braucht man eh keine weitere Klamotten. Es ist überhaupt ein herrliches Gefühl nach 22 Kilometern in einem Strandkorb zu sitzen. Da darf sich das Taxi, das uns zurück zum Auto in Glücksburg bringen soll, ruhig Zeit lassen.

 

Holnis Strand

 

Morgen früh wird die Teilzeitwanderin uns genau hier wieder absetzen, wo jetzt einige Ponys ihren jugendlichen Reiterinnen durchgehen. Ich bin so angenehm erschöpft. Das mag ich besonders am Wandern. Und ich freue mich schon auf die nächste Etappe.  Obwohl es schöner ja gar nicht werden kann. Sagt meine Wanderpartnerin. Aber das wollen wir erst einmal sehen. Wenn wir weiter auf dem Fördesteig wandern; an Tag 2 von Holnis nach Norgaardholz.

Seemannsgarn

Verlosung: echtes Seemannsgarn; kunstvoll gesponnen

Was ist  unwahrscheinlicher:  dass einer tatsächlich hansenhansen heißt oder dass er (ausgerechnet!) Büsum, Husum und Cuxhaven für die schönsten Orte an der Nordseeküste hält? Spontan würde ich beides für Seemannsgarn halten, aber so steht es im Klappentext des Buches „2 Möwen und ein halbes Hähnchen“ aus dem Dreimastbuch-Verlag.

 

 

Andererseits haben Cuxhaven, Büsum und Husum natürlich auch ihre Momente, besonders Husum ♥, wie ich letztes Jahr feststellte. Und da hatte ich noch nicht mal eine Ahnung von den Geheimnissen rund um die großen Nordseemetropolen. Hinter den Deichen soll sich nämlich einiges abspielen, wenn wir gerade nicht hingucken. Sagt hansenhansen.

 

hansenhansen und was er am Deich sah

 

Für hansenhansen ist die Nordseeküste bevölkert von seltsamen Wesen und skurrilen Typen. Hinter jedem Deich lauern ungeahnte Gefahren und ungeheuerliche Phänomene. Wer zum Lachen in den Keller geht, braucht das Buch nicht. Alle anderen werden gern rätseln, Buchtob Glotzquallen und Mörderschafe, der gemeine Sandkneifer und die üppige Mehrjungfrau in die gleiche Kategorie gehören wie Monsterwellen und Riesenkraken. Und so soll das sein, wenn einer Seemannsgarn spinnt – lt. Wikipedia eine Kunst, die „im Grenzbereich zwischen Wahrheit und Phantasie“ anzusiedeln ist; stets „etwas undurchsichtig, dafür aber glaubhaft-eindrucksvoll“. Das reich bebilderte Buch ist phantasievoll und vergnüglich, bietet aber auch interessante Fakten und gibt sich an einigen Stellen sogar poetisch. Genau das Richtige für einen verregneten Tag am Meer. (Sicher eignet es sich auch hervorragend, um mit Kindern „he lücht“ zu spielen). Interessant: nach diesem Buch zieht es einen ganz dringend nach Husum, Büsum und Cuxhaven. Und das ist kein Seemannsgarn.

 

Zwei Möwen und ein halbes Hähnchen
hansenhansen
Dreimastbuch Verlag
1. Auflage März 2018
Hardcover, 132 Seiten,
farbige Fotos und Illustrationen
auf jeder Seite.
ISBN: 978-398-193-640-7
€ 14,80 [D] inkl. MwSt.

 

Verlosung (Seemannsgarn & Tüdelkram)

 

Netterweise wurde uns vom Verlag ein Exemplar von „2 Möwen und ein halbes Hähnchen“ zur Verlosung überlassen. Dazu gibt es sogar noch einen Satz Postkarten mit hansenhansens Fabelwesen und ein Magnet-Lesezeichen (#ungeheuerpraktisch). Wenn Du das Set gewinnen möchtest, verrate uns einfach in einem Kommentar unter diesem Beitrag:  Welcher tierische Nordseeküstenbewohner ist Dein ganz spezieller Liebling und warum? Die Verlosung endete am 13. Mai 2018. Die Gewinner sind gezogen und benachrichtigt!

 

 

Unter allen KommentatorInnen wird das oben beschriebene Set per Zufallsgenerator einen Tag nach Einsendeschluss verlost. 2 weitere GewinnerInnen erhalten zwar kein Buch, aber immerhin den schönen Tüdelkram (also Postkartensatz und Magnet-Lesezeichen). Alle Gewinner werden per Mail benachrichtigt (falls wir dann 7 Tage nichts hören; rückt der nächste Gewinner nach.) Wir drücken die Daumen!

 

Mit etwas Glück trifft man an stillen Tagen auf dem Deich noch die sehr seltenen, singenden Schafe.

 

Warnemünde

Klassisch konditioniert: Wohlfühl-Wochenende in Warnemünde

Ich war schon entspannt, bevor wir nach Warnemünde aufbrachen. Das ist so ein Zusatz-Vorteil regelmäßiger Auszeiten und funktionert in etwa wie bei Pawlows Hunden. Gönnt man sich in wiederkehrenden Abständen eine Atempause vom normalen Leben, reicht irgendwann allein die Aussicht auf Erholung, um in Flow zu geraten. Weiterlesen

Scarborough

A Gentle Guide to Scarborough (South Bay)

Scarborough klingt nach Möwen und Wellen. Nach dem Tuckern von Schiffsmotoren und Kinderlachen. Nach Hold me now von den Thompson Twins und Slot Machines in den Spielhallen unten am Strand. Scarborough klingt nach harter Arbeit und noch härterer Arbeitslosigkeit. Klingt nach silbernen Löffeln, die in Teetassen rühren. Öffnet sich downtown – egal zu welcher Uhrzeit – für Sekunden die Tür eines Pubs, klingt Scarborough wie die betrunkenen Reste einer Party morgens um 5. Weiterlesen

vonKellenhusennachDahme

Zeit, sich warmzulaufen – von Kellenhusen nach Dahme

Wann, wenn nicht jetzt, wäre ein Spaziergang von Kellenhusen nach Dahme angezeigt?! Noch garantieren selbst die unspektakulärsten Ausflugspläne tagelange Vorfreude. Noch hält sich der Touristentrubel in der Lübecker Bucht in Grenzen. Noch gelangt man entspannt an die Ostsee, ohne auf der A1 in einen Stau zu geraten. Selbst am Wochenende.

 

 

Sonnabend, 11.00 Uhr, Kellenhusen. Erster Gedanke: Endlich.

Endlich, endlich Frühling. Endlich wieder Ostsee.

Zweiter Gedanke: Obwohl ich noch nie hier war, kommt mir Kellenhusen sehr vertraut vor. Sieht alles aus wie in meiner Kindheit. Ich mag das in gewissen Momenten. Selbst die Seebrücke (von 2006!) erinnert an ein Schulzentrum aus den 80ern. Na, dann: let´s do the time-warp again.

 

 

11.45 Uhr, Seebrückentest beendet. Ergebnis: Kellenhusen besitzt die zweitbeste Seebrücke Schleswig-Holsteins (Platz 1 geht an Heiligenhafen, Platz 3 an Grömitz). Besonders schön sind die windgeschützten Sonnenplätze am Brückenkopf – an der Ostsee ist es deutlich kälter als in Hamburg. Im Schatten friere ich sogar (trotz Winterjacke).

V. braucht einen Kaffee. Ich Auslauf.

Wir verabreden vage ein Wiedersehen in anderthalb Stunden an der Promenade von Dahme. Zwar sind es von Seebrücke zu Seebrücke gerade einmal 6 km. Doch die will ich ja nicht runterratzen, sondern genießen.

 

Wanderweg Kellenhusen

Auf einer Wanderung von Kellenhusen nach Dahme kann man nichts falsch machen.

 

12.00 Uhr auf dem Weg von Kellenhusen nach Dahme.  Spaziergängerdichte lachhaft. Stimmung ausgezeichnet. (Alltagsbeobachtung: Wege, die sich allein durch gesunden Menschenverstand erschließen, etwa weil sie stets so nah am Wasser bleiben wie möglich, werden in Schleswig-Holstein großzügig beschildert. Wege, die man leicht verlieren kann, nicht.) Rechts rauscht die Ostsee. Linker Hand zwitschern unsichtbare Vögel um die Wette, verborgen in Knicks. Und so soll das sein.

 

Verboten

Der Weg ist hervorragend ausgeschildert

 

12.15 Uhr Dahmeshöved. Beim Leuchtturm knickt der öffentliche Weg ins Landesinnere ab. Der kleine Küstenvorsprung kurz vor Dahme befindet sich offenbar in Privatbesitz. Aus Prinzip bin ich dafür nicht besonders zu haben. Doch ich will nicht meckern. Der Moment, wenn Wind und Wellenrauschen in den Hintergrund treten, ist wunderbar friedlich. Still. Und ich höre auf zu frösteln.

 

 

Auf ewig mag ich mich jedoch nicht von der Ostsee trennen, wenn ich schon mal da bin. Der nächste (einzige) Zugang zum Strand – schräg gegenüber vom Leuchtturm – ist meiner.

 

 

12.30 Uhr am Strand der Steilküste: Ich ahne, dass alle vor mir liegenden Treppen zu Privatgrundstücken führen. Früher oder später werde ich an den Punkt gelangen, wo Weitergehen beschwerlich bis unmöglich wird. Eine gewisse kindliche Neugier gepaart mit kindischem Trotz verbietet es mir umzukehren. Das wird mit traumhaften Eindrücken und Aussichten belohnt.

 

Steilkueste Dahme

 

Warnung: Verantwortungsvolle Menschen bleiben logischerweise auf dem ausgeschilderten Weg. Sie wissen: balanciert man über nasse Wackersteine, bleibt es eine Frage des Zufalls, ob man aus der Sache mit heilen Knöcheln und/oder trockenen Füßen herauskommt. (Allerdings haben sich oben an der Straße einige Hausbesitzer verbarikadiert wie sonst nur an der „dänischen Riviera“ in Sjælland. Z.T. verstellen meterhohe Holzwände den Blick auf die Ostsee. Und hätte ich  unbedingt hohe Holzwände sehen wollen, wäre ich gleich in Hamburg geblieben.)

 

 

12.45 Uhr. Ankunft in Dahme. Erster Eindruck: Dahme scheint ähnlich aus der Zeit gefallen wie Kellenhusen – vielleicht sogar noch einen Tick schmuckloser.

 

 

Zweiter Eindruck: stimmt gar nicht. Zwar dominieren auch in Dahme Bausünden aus den 60ern, 70ern und 80ern. Aber daneben findet sich (anders als Kellenhusen) doch die eine oder andere alte Badevilla. Und es gibt sogar Anzeichen für das „neue“ Jahrtausend.

 

 

13.00 Uhr auf der Promenade in Dahme. Es geht ein bisschen lebendiger zu als in Kellenhusen. Aber nicht so lebendig, als dass mir V. nicht schon von Weitem ins Auge fallen würde. Sehr praktisch, wenn einer vorausfährt und schon mal die Lunchmöglichkeiten checkt (im „Saftladen“ gibts – ja, klar – frische Säfte (lecker) und (vegane) Suppen (auch lecker)).

 

Drachen

 

14.00 Uhr. In Dahme findet heute ein Drachenfest statt. Die Phantasiefiguren schaukeln träge in der Luft; wie eben auch ein Tag am Meer sanft dahinplätschert, wenn die Sonne prächtig scheint und der eigene Schritt ganz langsam wird (man also vom Gehen zum Promenieren umschaltet.)

 

 

Zeit vergessen. Die Sonne hat inzwischen so viel Kraft, dass ich nicht einmal einen Strandkorb brauche, um mich wohlzufühlen. Es reicht auch eine Bank. Irgendwo am Promenadenende, wo die Spaziergänger immer weniger werden, der Strand aber weiß und wunderbar bleibt.

 

 

Dass es noch eine ganze Weile so herrlich weitergeht, habe ich auf Finjas Blog Nordziele gelesen. Sie empfiehlt eine Radtour Richtung Süssau und zeigt, dass selbst zur Hochsaison die folgenden Strände alles andere als überlaufen sind. Ein großartiger Plan für den Sommer. Aber zunächst will ja der Frühling gespürt und ausgekostet werden. Und dafür eignet sich der Spaziergang von Kellenhusen nach Dahme wirklich perfekt.

 

Dahme

 

Yorkshire

Dem Frühling entgegen: Tipps für die Yorkshire Coast

Yorkshire?, echote meine Lieblings-Budni-Verkäuferin und das Lächeln, mit dem sie eben noch die Shampoo- und Duschgelfläschen in Handgepäcksgröße über den Scanner gezogen hatte, bekam etwas Ratloses. Sie zögerte einen winzigen Augenblick, so als hätte sie zunächst nach einer netteren Formulierung gesucht, sich dann aber doch für die Wahrheit entschieden. Also, da beneide ich Dich jetzt ehrlich gesagt nicht. Denn wer möchte den März schon in Nordengland verbringen; konkret an der Yorkshire Coast – wo der Ostwind ungebremst auf Großbritannien trifft? Nicht die Masse, so viel ist klar. Weiterlesen