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Ich urlaube halbtags: Rundwanderung auf dem Priwall

Priwall

Italienische Gefühle waren das Letzte, was ich mir von einer Rundwanderung auf dem Priwall versprochen habe. Doch als ich über den Markt von Travemünde zur Fähre schlendere, wehen mich so alte Erinnerungen an. Es ist kurz nach 08.00 Uhr. Und schon unheimlich warm.

Die Marktstände verwandeln die Vorderreihe an der Trave in eine Duftgalerie. Es riecht nach südlichen Früchten und frischem Gemüse, nach Brot, Kräutern und geräuchertem Fisch.

In den Cafés und Restaurants werden gerade erst die Tische hergerichtet. Körbe mit Sonderangeboten und Kleiderständer werden die vor die Geschäfte gerollt.

Und es geht doch nichts darüber, ab und zu seine Vorurteile zu überprüfen. Denn dass ich an einem hochsommerlichen Morgen freiwillig und vollkommen entspannt durch Travemünde flaniere und mich dabei wie im Urlaub fühle, hätte ich nicht gedacht.

 

88 km jenseits von St. Pauli: Urlaubsgefühle und der  Priwall

 

Normalerweise meide ich die Lübecker Bucht in der Hochsaison. Sie ist mir dann zu voll, zu laut, zu unromantisch. Nur ist in diesem heißen Sommer ja nichts normal. Er ist ein einziger Ausnahmezustand. Da ist mir die Hauptsache, dass ich regelmäßig eine Meeresbrise spüre. Und wenn man wenig Zeit hat, bleibt Hamburgern gar nichts anderes übrig als Timmendorf oder Travemünde ansteuern. Denn dort ist man eben am schnellsten.

 

Priwall

 

Ich war drauf eingestellt, mich an der Fähre in eine lange Schlange einzureihen. Aber es sind nur wenige Autos, Radfahrer und Fußgänger, die mit mir über die Trave schippern. Gleich beim Anleger schickt mich ein Wegweiser auf den  „Rundweg Südlicher Priwall„. Der 8,5  km lange Spaziergang rund um die Halbinsel eignet sich hervorragend für heiße Tage. Er führt einmal um die Halbinsel und endet am Strand. Besser geht es ja eigentlich nicht.

 

 

Hat man erst einmal die Seniorenresidenz Rosenhof auf der Rosenhofpromenade passiert, übernimmt die Natur. Der Weg führt dicht an der Trave entlang mit Blick auf den Skandinavienkai, wo Fähren nach Malmö, Trelleborg, Liepaja oder Windau ablegen. Ich träume mich auf den Dampfer nach Helsinki. Es fällt mir gar nicht schwer, denn in die Einsamkeit von Finnland habe ich mich schon oft gesehnt – und auf den ersten 1,5 km begegnet mir keine Menschenseele.

 

 

Erst an der Inselspitze treffe ich auf ein gut gestähltes, älteres Paar, das hier seine Morgengymnastik absolviert. Auf dem anschließenden Bohlenweg durch mannshohes Schilf kommt mir ein Jogger entgegen. Allmählich verklingen die Schiffsmotoren in der Ferne. Das Zirpen der Grillen wird zum lautesten Geräusch.

 

 

Die Wetterpropheten haben für heute einmal mehr den großen Regen angekündigt. Ich hoffe, sie behalten Recht. Anfang August sollte ein Naturschutzgebiet aus Feuchtwäldern, Brackwasserröhrichten und Salzwiesenresten doch sicher nicht so herbstlich aussehen, so verdorrt – so griechisch. Denke ich. Um gleich darauf in eine Szenerie der Geschwister Löwenherz zu stolpern.

 

Priwall

 

Die 4 Mädchen, die in der Pötenitzer Wiek mit ihren Pferden schwimmen, sind die letzten Menschen, die ich auf dem südlichen Teil der Rundwanderung auf dem Priwall sehe. Und da es affenheiß ist und der nördliche Teil ohnehin durch bebautes Gebiet führt, kürze ich ab – direkt an den Strand.

 

 

Es ist etwas ernüchternd, dass ich dafür das Schrecklichkeitsprojekt „Priwall Waterfront“ passieren muss. Nicht nur, weil sie (wer immer „sie“ auch sind) so furchtbar phantasielos und unsensibel bauen. Mich gruselt auch die Vorstellung von 1.500 zusätzlichen Betten (also Leuten).

 

Priwall Strand

 

Noch kann man am Strand des Priwalls ganz gut atmen. Und baden! Ich tue das auch einige Mal auf meinem Weg den Strand hinauf und wieder hinunter. Denn die Ostsee ist warm wie das Mittelmeer. Wie ungewohnt das ist, ohne zu zögern ins Wasser zu schlendern. Und ohne Zittern hinaus. Das Abtrocknen übernehmen Sonne & Wind.

 

 

Es ist erst Mittag, als ich mit der Personenfähre von der Südermole zurück nach Travemünde übersetze. Sie pendelt noch bis Oktober im Minutentakt von einer Promenade zur anderen. Und falls bis dahin noch einmal sehr heißes Wetter & ein sehr voller Schreibtisch bei mir zusammentreffen, weiß ich, wo ich spontan halbtags urlauben kann.

 

Leuchtturm Travemuende

 

Rundwanderung auf dem Priwall und dann? …. Weiterwandern

 

Wer einen ganztägigen Urlaub einrichten kann, hat 2 tolle Möglichkeiten:

Vom Priwall aus ab in die herrliche Einsamkeit von Pötenitz.

Von Travemünde aus über die idyllische Brodtener Steilküste nach Niendorf oder Timmendorf.

9 Kommentare

  1. ist da die Hin- und Herfahrt (bei den derzeitigen Autobahnbaustellen) nicht genau so lang wie deine Wanderung??
    Seit diesen Übertunnelungen um HH herum, graust es mich immer in Ri Norden zu fahren….nur meine A23 ist da noch recht beschaulich

    • Kann ich gut verstehen, Eva! Es ist meiner Erfahrung nach eine Sache des Timings. Ich bin zum Glück recht flexibel in meinen Arbeitszeiten, so dass ich nicht im Feierabendverkehr los muss. Die konkrete Fahrt nach Travemünde hat mich aber nicht mehr Minuten gekostet als normalerweise (nämlich exakt 55 von Tür zu Tür an einem Donnerstag zwischen 07.00 und 08.00 Uhr). Komm gut in die Woche, Stefanie

  2. Hab ich’s mir doch gedacht! Als wir letzten Sommer vom Travemünder Skandinavienkai nach Finnland gefahren sind, hätten wir noch ein paar Stunden „Vorprogramm“ brauchen können. Hab ich mir gedacht: Könnt ich mal bei Stefanie suchen gehen. Hab’s dann aber nicht mehr geschafft. Jetzt weiß ich, was wir verpasst haben 😉

  3. Moin Stefanie,
    schön ist das eigentlich in Travemünde und eigentlich auch auf dem Priwall bis auf… Du hast es genannt. die Invasoren, ähm, Investoren (oder auch das Gleiche) verstehen nicht die Seele dieses Landes und machen Stück für Stück das kaputt, was es eigentlich ausmacht. Und so werden diese Oasen immer weniger, bis sie dann grau und gammelig sind und für die zurückbleiben, die hier zuhause sind.
    Wollen wir hoffen, dass genau diese Investoren nicht Eure kleinen Fluchten lesen und uns einfach unseren Frieden lassen:-)
    Lieber Gruß
    Kai

    • Recht haste, Kai. Auf dem Priwall werden die Schachtelbauten von der Sparkasse auch als „Geldanlage“ angepriesen. Da ist echt der Wurm drin. Wohnungen sind ja was anderes als Goldbarren. Trotzdem (gerade!): ein schönes Wochenende!

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