Ein Freund von uns hat festes Quartier in Hohwacht bezogen. Seit vergangenen September pendelt er zwischen Hamburg und Meer; zwischen Alltag und Aufatmen mit Ansage. Ein Lebensstil, den sich ja sehr viele Leute vorstellen können, wenn man sich mal so umhört. Und auf den wir sehr gespannt waren, als wir unseren Freund neulich besuchten.
An einem Tag mit Heldenwetter führte er uns von Hohwacht ins benachbarte Sehlendorf. (Die Bilder zeigen genau den Weg.)

Die Hohwachter Bucht zieht sich grob gesagt von Kiel nach Fehmarn. Besonders die namensgebende Gemeinde Hohwacht hat ihren angenehm verschlafenen Charme retten können. U.a. weil seit mehr als 60 Jahren die Regel gilt: Kein Haus darf die Baumkronen überragen. (Was für ein Unterschied zu Grömitz, wo wir an diesem Morgen aufgewacht waren.)
Erste Erkenntnis: Es macht einen Unterschied, ob man einen Strandspaziergang als Tagestourist auf einem Großparkplatz beginnt. Oder ob man sich im geschützten Garten eines Freundes trifft.
Besonders wenn noch eine Freundin des Freundes vorbeischaut, um den Hamburgern Hallo zu sagen. Mit der man eine Weile über vergangene Zeiten, uralte Birnenbäume und Komposthaufen schwadroniert – bevor man gemächlich ans Wasser schlendert.
Jedenfalls waren wir (fünf Menschen und ein Hund) über die Maßen entspannt. Und gingen gaaanz langsam.

5 Freunde und ein Hund ist eine ziemlich gute Zahl zum Spazieren. Man redet mal mit diesem, mal mit jenem; mal läuft man mit dem Hund vorweg; mal lässt man sich allein zurückfallen, um den eigenen Gedanken nachzuhängen. Ich dachte (unter anderem) über den Traum vom Haus am Meer nach.

Der Traum vom Haus am Meer

Der Traum vom Haus (Häuschen, Wohnung, irgendwas) am Meer wird von so vielen Menschen geträumt, dass er beinahe zum Klischee geworden ist; mindestens aber überbeansprucht scheint.
In den Hochrechnungen zur Bevölkerungsentwicklung kommt Schleswig-Holstein deshalb recht glimpflich davon. Man geht davon aus, dass sich in den nächsten Jahren, relativ viele, realativ gut versorgte Rentner aus anderen Bundesländern diesen Traum erfüllen werden.
Ich bin gespannt, ob die Rechnung aufgeht.

Meine Zweifel nähren sich aus zwei Umständen.
1. kann sich schon jetzt kaum ein normaler Rentner ein Haus am Meer leisten, wohlversorgte Generation hin oder her. Spekulanten, Investoren und anderes (tschuldigung) Gesocks haben die Preise längst explodieren lassen. (Schönes (erschreckendes) Video vom NDR; u.a. auch aus Hohwacht. Die Ostsee: Verkauftes Paradies?). Es scheint mir zumindest nicht undenkbar, dass ganz Schleswig-Holstein irgendwann ein einziges Kampen wird. Mit Häusern, die lediglich ein paar Ferienwochen im Jahr genutzt werden und ansonsten leer stehen.

2. geht es (bestimmt nicht allen aber) sicher doch auch anderen Menschen wie mir: ein Traum ist oft nur ein Symbol für etwas ganz anderes.
Volko und ich können uns nämlich auch auf den Traum vom Haus am Meer einigen. Allerdings immer mit dem Zusatz „irgendwann mal, wenn wir älter sind; vielleicht in zehn Jahren oder so“. Das denken wir nun aber schon seit zehn Jahren oder so.

Ähnlich ging mir das mit dem Heiraten und Kindern.
Ich konnte mir stets vorstellen, „in ein paar Jahren“ zu heiraten und Kinder zu bekommen. Ja, ich fand es lange sogar selbstverständlich, dass es „in ein paar Jahren“ geschehen würde. Doch ich hatte nie den dringenden Wunsch, es jetzt zu tun. Bis mir irgendwann dämmerte: Will ich wohl doch nicht wirklich.
Kann sein, dass ich mit dem Haus am Meer gerade an einen ähnlichen Punkt gerate.

Bekäme ich ein Haus am Meer geschenkt, meine Güte, ich würde es nehmen. Aber eigentlich gefällt mir viel besser, immer wieder woanders zu sein. Seit wir bloggen hat sich nämlich herausgestellt, worum es mir bei der Haus-am-Meer-Sache eigentlich geht. Und zwar: Ruhe.

Mein Job besteht vereinfacht gesagt aus Reden & Zuhören. Und ich genieße auf unseren Trips, dass ich genau das nicht muss. Weil ich niemanden kenne.
Würde ich jemanden kennen, liefe es doch wieder auf aufmerksames, höfliches Reden & Zuhören hinaus.
So bin ich einfach gestrickt. Und dann wäre die ganze schöne Unangestrengtheit dahin.

Es ist für mich auch keine Option, an meiner Persönlichkeit zu arbeiten, um irgendwann eine zu werden, die allen möglichen Leuten vor den Kopf stößt, weil sie weder reden noch zuhören mag.
Ich denke, wenn man irgendwo festes Quartier bezieht, muss man den Wunsch haben anzukommen – nicht nur geographisch sondern auch sozial.
Das Gegenteil wäre a-sozial und darüber freuen sich Einheimische in der Regel nicht.

Ort und Mensch müssen einfach zusammenpassen. So wie bei unserem Freund und Hohwacht. Der ist nämlich angekommen; eingebettet in ein soziales Gefüge, ganz nach seinem Geschmack. Vielleicht weil er als Engländer eine ähnliche Attitüde an den Tag legt wie der klassische Schleswig-Holsteiner.

Schleswig-Holsteiner sind ja schon speziell im Umgang. Wer zu viel Distanz aufbaut (etwa den Großstädter gibt), wird nicht besonders ins Herz geschlossen. Aber auch zu wenig Abstand kann fatal sein. Ich kenne überaus sympathische Menschen, die mit ihren Integrationsversuchen gescheitert sind.

Wem die Integration gelingt, hat´s allerdings gut. Denn Liebe hat in Schleswig-Holstein viel mit Essen zu tun. Man redet bekanntlich nicht allzu viel und allzu gefühlig an der Küste – man tischt lieber sehr gute Sachen auf. An der Seite unseres Freundes ist uns das gleich zweimal passiert.
Das zweite Mal geschah es in Sehlendorf. Im Dünenhuus lud man uns zur Fischsuppe ein. So was erlebt man als gemeiner Tagestourist in der Regel nicht. Leider war ich schon supersatt, da wir bereits in Alt-Hohwacht zu Mittag gegessen hatten. Aber die, bei denen noch was ging, versicherten: Große Sache.

Was unser Mittagessen im Strandhotel von Hohwacht betrifft, kommt hier eine fette Unterlassungssünde: Wir haben keine Fotos davon. Bzw nur solche, wo mindestens einer von uns (besonders ich) so bescheuert aussieht, dass er (oder ich) es garantiert nicht hier auf dem Blog sehen möchte.
Also können wir das Strandhotel nur wörtlich loben: Wir haben quasi die gesamte Fischkarte durchprobiert – und keiner von uns Fünfen ließ auch nur ein Fitzelchen auf dem Teller. Was absolut nicht an kleinen Portionen lag. (Der Hund bekam eine eigens zubereitete Eierspeise).

Dass mit den Fotos holen wir nach. Denn wir wollen den Strand von Hohwacht natürlich auch noch mal in die andere Richtung ablaufen. Vielleicht wenn die Birnen im Garten unseres Freundes reif sind. Ist schon praktisch, so ein Freund mit Haus am Meer.