Verlässt man Hamburg auf der A7 in südlicher Richtung, landet man nach 730 km irgendwo zwischen Ingolstadt und München. Reiste man ebenso weit nach Norden, erreichte man Kap Lindesnes, den südlichsten Festlandpunkt von Norwegen, wo die Nordsee majestätisch wie ein Ozean wirkt und im 17. Jahrhundert das erste Leuchtfeuer des Landes errichtet wurde.
Man hatte Lindesnes Fyr eigentlich mit Kohle betreiben wollen. Doch die Lieferung aus England ließ auf sich warten. Also wurden am 27. Februar 1656 als Notlösung 30 Kerzen hinter Bleiglas entzündet. Das Licht schien wohl nicht besonders hell und schon gar nicht weit. Jedenfalls beschwerten sich eine Menge Seeleute beim König. Immerhin mussten sie Abgaben für das unsichtbare Leuchtfeuer entrichten. Und so gab man die Sache wieder auf.
70 Jahre blieb es dunkel auf der Halbinsel Lindesnes. Aber ganz ideal war das eben auch nicht an diesem sturmumtosten Küstenabschnitt. 1726 machte man sich ein zweites Mal daran, den Seefahrern ein Zeichen zu setzen; nun tatsächlich mit Kohle.
Die Kohle musste regelmäßig durch die Wildnis geschleppt werden, die für Reisende so herlich ist, für Kohlenträger aber natürlich weniger. Um überhaupt Männer für die schwere Arbeit zu gewinnen, lockte man mit 3 Rationen Schnaps pro Tag. Seitdem brennt Lindesnes Fyr kontinuierlich.
Der heutige Leuchtturm stammt von 1915. Noch immer schauen 2 Leuchtturmwärter im Wechsel nach dem Rechten. Es sind die letzten beiden von ganz Norwegen. Und auch wenn sie sich nicht mehr um das Feuer kümmern, sondern bloß um den ganzen Rest – es gibt defintiv schlechtere Jobs. Die gesamte Station ist Teil des Küstwerk Museums und steht unter Denkmalschutz.
Heute gehört Lindesnes Fyr zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten von Südnorwegen. Doch das ist relativ. Norwegen ist groß. Gewaltig. Vom Südkap bis zum Nordkap 2.518 km lang. Und bloß von etwas mehr als 5 Mio Glücklichen besiedelt, von denen beinahe ein Drittel im Großraum Oslo lebt.
Jenseits von Kristianssand: Lindesnes Fyr
Zwar heißt es, dass diese Ecke des Landes eine bei Norwegern höchst beliebte Feriengegend ist. Auch planen viele Ausländer, die mit der Fähre nach Kristiansand kommen, hier einen ersten Aufenthalt ein. Doch als wir Lindesnes Fyr erreichen, an einem Freitag Ende Mai um viertel nach 12 Uhr, kann man nicht von Menschenmassen sprechen.
Wir teilen die historische Musuemsgebäude, die Bunkeranlagen, Bootsanleger und natürlich den Leuchtturm selbst nur mit wenigen Besuchern. Wanderwege unterschiedlicher Länge ziehen sich an den Klippen entlang und auf Anhöhen hinauf. Als mittelschwer eingestuft, scheinen sie Norddeutschen quasi wie knifflige Gebirgspfade. Doch nirgends ruft ein Schild: Achtung. Und selbst die schroffeste Abbrauchkante ist nicht abgesperrt.
Das Recht auf Natur ist in Norwegen im Gesetz verankert. Es basiert auf dem uralten allmannsretten. Jedermannsrecht. Es besagt, dass alle sich draußen überall aufhalten dürfen. Sogar auf größeren Ländereien, die sich im Privatbesitz befinden. Und überall darf man alles machen, was man will – solange man Natur, Tiere und Mitmenschen mit Respekt behandelt.
Müll in der Landschaft gibt es zum Beispiel in Norwegen nicht. Dabei findet man weder besonders viele Abfalleimer noch Hinweisschilder, wie wir sie aus England oder Irland kennen, die auffordern seinen Kram doch bitte wieder mit nachhause zu nehmen. Vermutlich gibt es unter Norwegern einfach nur ein Bewusstsein, was anständig ist und was nicht. Ein Bewusstsein, das in Deutschland ja leider fast vollständig verlorengegangen scheint.
Auch ob Besucher nun wirklich in die Fjellhalle kommen, um ihren Eintritt für den Leuchtturm zu zahlen, wird am Kap Lindesnes nicht kontrolliert. Der hypermoderne Milleniumbau beherbergt neben einer Ausstellung, ein kleines Cafe und einen wunderbaren Kinosaal. Fast könnte ich das Wahnsinnswetter bedauern. Denn der Saal ist direkt in den rohen Fels geschlagen und es laufen die prächtigsten Naturfilme.
Doch die echte Natur ist natürlich noch besser und die Außenanlage groß und spannend genug, dass sie für einen stundenlangen Besuch ausreicht (und außerdem weiß ich ja auch noch gar nicht, dass sich der Himmel auch am nächsten Tag strahlendblau präsentieren wird. Und am übernächsten. Und überübernächsten auch. Und wenn einem Norwgen eines beibringt, dann, den Moment auszukosten.)
Und wie ich da so stehe am Südkap von Norwegen, muss ich daran denken, wie normal man das findet, wenn ein Hamburger für einen Tag nach München reist. Für einen Geschäftstermin, eine Messe, einen Vortrag oder sogar ein Fußballspiel. Das nickt man einfach so ab. Wenn aber einer erzählte, dass er morgen nach Norwegen fährt. Bloß so. Um einen Leuchtturm zu sehen. Dann würde man ihn wohl für seltsam halten. Vielleicht sogar verschroben. Dabei ist es ja in Wahrheit genau anders herum.
Infos Lindesnes Fyr
Lindesnes Fyr liegt 84 km westlich von Kristianssand und ist gut über die E39 zu erreichen. Allein für die Fahrt sollten 2 Std eingeplant werden. Weil man ja auch mal halten mag. Bzw ständig. Denn nach jeder Kurve wartet eine weitere unfassbare Landschaft.
WoMo-Fahrer sind fein raus. Für sie ist ein eigener Platz zur Übernachtung reserviert. Ein tolles Erlebnis! Die Gebühr beträgt rund 10 Euro. Toiletten/ Waschräume sind vorhanden. Taschenlampe nicht vergessen – dann kann man nachts durch die düsteren Bunkeranlagen stromern. Oder über die Klippen. Oder wo man sonst so hin will.
Im alten Leuchtturmwärterhaus wird eine Ferienwohnung vermietet. Mehr dazu auf der offiziellen Homepage des Lindesnes Fyr.
Mit herzlichem Dank an Color Line, die unsere Recherchereise nach Südnorwegen unterstützt haben.
Definitiv schöner als Ingolstadt 🙂
Oh – ich wollte aber um Himmels Willen nichts gegen Ingolstadt gesagt haben! (Nur gegen die Tatsache, dass man – besonders für die Arbeit – oft viel mehr Strecke auf sich nimmt, als für das eigene Vergnügen/ Wohlbefinden). Das kam mir beim näheren Nachdenken nämlich sehr falsch, geradezu schräg vor.
Das ist Balsam für die Augen. Wunderschön!
Liebe Grüße von Bord, Martina ⛵️
Von Bord! Wie herrlich, Martina. Ich wünsche Euch eine schöne Zeit.
Ein informativer und wieder mal mit viel Engagement verfasster Reisebericht. Beeindruckende Fotos. Vielen Dank dafür!
Aber sehr gern, Fred (die Tastatur bewegte sich quasi von allein – weil ich so hingerissen bin von Norwegen.)
Wahnsinnig schöne Bilder von einer spektakulären Landschaft. Und so ein schöner Reisebericht dazu. Man will sofort die Koffer packen. Aber von hier sind es ja leider 2 mal 730 km – das ist schon wirklich „In die Ferne reisen“.
Stimmt – Süddeutsche brauchen natürlich mehr als einen Tag. Mindestens ein Wochenende 😉 (Uns geht das im Gegenzug mit Italien so). Ganz liebe Grüße in die Ferne. Stefanie
Die Bilder machen Lust mal wieder nach Norwegen zu Reisen. Ein schönes Fleckchen Erde hast du da für uns toll aufbereitet. Danke für den schönen Reisebericht.
LG Kerstin
Liebe Kerstin, Du warst also schon mal in Norwegen? Ich war als Erwachsene bisher nur in Oslo. Auch eine großartige Sache. Aber die wilde Westküste hat mir persönlich noch viel, viel besser gefallen. Gehört auf jeden Fall zu den schönsten Landschaften, die ich je gesehen habe. Vielleicht ist es sogar die schönste. Danke für Deinen Kommentar. Und ein schönes Pfingstwochenende, Stefanie
Hallo, mein Mann hat euch in Mandal getroffen. Nun durfte ich euren Bericht lesen. Er ist sehr schön und treffend geschrieben. In der Tat könnte ich Stunden damit verbringen Geschichten über den Weg nach Lindesnes und die direkte Umgebung und Lindesnes selbst zu erzählen. Eines wäre mir noch wichtig: die Erwähnung der Fotoausstellung aller Leuchttürme Norwegens… Eigentlich nichts Besonderes von den Worten her, könnte der Leser denken….. Aber…. Diese Ausstellung ist in einer Höhle auf dem Gelände. Sie ist sehr feucht und trotzdem hängen dort tolle Fotografien und es ist Licht in dieser Höhle. Das ist auch Norwegen…. Sie nutzen die Gegebenheiten und machen tolle Sachen daraus.
Ganz liebe Grüße
Martina
Hallo Martina,
wie schön von Dir zu hören. Wir sind ja ganz beeindruckt von Eurer Lebensführung. Thomas hat uns den besten Rat der Welt gegeben: „Haltet an, wenn Ihr was Schönes seht. Hetzt nicht.“ Das haben wir beherzigt. Und das war einfach toll. Vielen Dank auch noch mal für Deinen Tipp mit der Fotoausstellung. Die fand ich superschön. Überhaupt ist Norwegen das Land schlechthin für Leuchtturm-Fans. Ganz liebe Grüße, Stefanie
[…] kommt natürlich weg, wer seine Unterkunft selber mitbringt. Dass Camper beim Lindesnes Fyr dem Leuchtturm am Südkap von Norwegen, lediglich 10 Euro pro Nacht zahlen, habe ich neulich schon b…. Es geht aber auch zum […]
Oh, das war ich erst kürzlich und es gab Sturm – keinen blauen Himmel! Definitiv ein Ort zum Wiederkommen … Leuchtturmwärterhäuschen … ja, das wäre schön : ) Liebe Grüße, Jutta
[…] wir am Lista Fyr ein. Der Leuchtturm aus den 1830er Jahren gibt sich um einiges schlichter als Lindesnes Fyr. Wir hatten das beeindruckende Leuchtfeuer am Südkap von Norwegen gerade erst am Vortag besucht. […]
[…] zieht sich von der schwedischen Grenze im Süden bis zur russischen Grenze im Norden. Der Älteste, Lindesnes Fyr, wurde 1655 am Südkap errichtet. Die Besten befinden sich auf einsamen Inseln. Die Schönsten […]
Hier auch noch ein kleiner Detailteufel:-)
Liebe Grüße von Kai
https://mare.photo/lindesnes-fyr/
[…] will. Oder wenn man eine Attraktion außerhalb der Stoßzeiten erleben möchte. So haben wir z.B. den Lindesnes Leuchtturm am Südkap eine Nacht lang mit nur Wenigen geteilt. Eine unvergessliche […]