1733 wurden in der Hafeneinfahrt von Cuxhaven drei ausgemusterte Schiffe versenkt, um ein Seezeichen zu sichern. Das vorderste Schiff soll den Namen Olivia getragen haben. Im Volksmund bald nur noch Oliv genannt. Genuschelt klingt das in etwa wie ein plattdeusches „old Leev“ – Alte Liebe. Und so heißt die Anlage bis heute.
Lange Zeit wurde die hölzerne Schönheit als Anleger genutzt. Heute fungiert sie nurmehr als Aussichtsplattform. Cuxhaven hat sich derweil zum größten deutschen Seeheilbad entwickelt. Keine Destination an der Nordseeküste kann mehr Übernachtungen verbuchen. Schaut man in die Tourismusstatistiken, stellt man jedoch fest: bei Hamburgern steht Cuxhaven nicht gerade hoch im Kurs.
Zu schlecht erreichbar über nicht enden wollende Bundesstraße. Zu dicht das Gedränge an den Stränden. Zu uncharmant die dominierenden Bettenburgen im Stil der 60er, 70er, 80er und dem Schlimmsten von heute. (Sagen vielleicht nicht alle Hamburger; doch man hört das schon von Vielen.)
Warum ein Tagesausflug nach Cuxhaven eine gute Idee ist
Aber ein paar Gründe sprechen eben doch dafür, sich auf den Weg nach Niedersachsen zu machen. Zum Beispiel: hier befinden sich die einzigen Meeresstrände, die von den Landungsbrücken aus bequem und regelmäßig mit dem Schiff zu erreichen sind. Besser könnte ein Tagesausflug wohl kaum beginnen.
Wir sind vergangene Woche bereits zum zweiten Mal mit dem Halunder Jet die Elbe hinunter gebraust – und gingen noch beseelter von Bord als beim ersten Mal (warum, das zeige ich extra; demnächst). Nach zweieinhalb Stunden traumhafter Elbansichten, betraten wir – historisch gesehen – schon wieder Hamburger Boden.
Lange gehörte die Hafensiedlung Cuxhaven zu Hamburg. Der Amerika-Hafen sogar bis in die 1990er Jahre. Wer sich für Hamburgensien interessiert, ist daher richtig. Oder man läßt sich einfach von der Ferienstimmung anstecken. Am Anleger Alte Liebe ist immer was los. Hier starten die Ausflugsdampfer nach Helgoland, Neuwerk und Sylt, zu den Bohrinseln oder Seehundsbänken.
Ebenfalls an der Alten Liebe startet auch ein prima Wasserkantenweg durch Strandbäder von Cuxhaven, Kurteile genannt. Auf der gesamten Strecke wird man nur an 2 Stellen für wenige Meter mit Autos konfrontiert. Cuxhaven ist nicht nur total verbaut, sondern auch schön verkehrsberuhigt, also leise.
Die Kurteile Döse, Duhnen und Sahlenburg ziehen sich 12 km die Küste hinauf. Das könnte man auf einem Tagesausflug locker laufen (zurück dann ggf. mit dem Linienbus ab Sahlenburg). Mir persönlich scheint es nicht ideal. Teile der Kurteile läßt man lieber schneller hinter sich, als die Füße tragen. Aber das ist Geschmacksache. Genau wie der Spielzeugzug, der durchaus als Verkehrsmittel gemeint ist.
Perfekt ist die Strecke für eine Hop-on-hop-off-Radtour mit Blick aufs Wasser. (In 800 m Entfernung zur Alten Liebe findet sich ein Radverleih.) Meerblicke werden mir nie langweilig. Schon gar nicht in Cuxhaven. Die Kurteile punkten mit ganz unterschiedlichen Landschaftsformen. Und da ist so manches dolle Ding dabei.
Der erste Kurteil, Döse, ragt wie eine Speerspitze ins Wasser. Auf der östlichen Seite schmiegt sich der Grünstrand an die Elbe. An der Westseite liegen Dünen und Wattenmeer.
Cuxhaven Döse
Viel hat die Elbmündung bei Döse nicht mehr mit einem Fluss zu tun. An ihrer Mündung ist die Elbe unfassbare 18 km breit. Und von gewaltiger Schönheit. (Sagt die Hamburgerin in mir.)
An der Spitze von Döse ragt das Wahrzeichen Cuxhavens in den Himmel: die Kugelbake. Das 28 m hohe Seezeichen markiert den nördlichsten Punkt Niedersachsens. Und gleichzeitig die Grenze zwischen Elbe und Nordsee. Selbstverständlich gehört der Pilgerdamm zur Kugelbake zum Pflichtprogramm.
Von dort scheinen die großen Pötte wirklich zum Greifen nah, denn man steht hier dicht an einer der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt. Eigentümlich und eindrücklich ist das bei Ebbe. Dann scheinen die Strandläufer nur wenige Meter neben den Schiffsgiganten übers Watt wandern.
Besonders Hamburger tun gut daran, Strand und Watt auf sich wirken zu lassen. Sie sind nämlich nicht ganz unschuldig daran, dass das Cux-Watt von massiver Verschlickung/ Versandung/ Verlandung bedroht ist. Fragt man Auskenner ist die Lage recht dramatisch. (Sehr schön nachzulesen auf Christians Blog Wasser und Eis).
Der Sandstrand von Cuxhaven ist nicht besonders breit, aber 5 km lang. Wo der Sand am allerhellsten leuchtet, liegt Duhnen, das touristische Epizentrum offenbar. Hier konzentrieren sich etwa die Hälfte der jährlich fast 4 Mio Übernachtungen.
Cuxhaven Duhnen
In Duhnen wurde der für Cuxhaven so typische wilde Architekturmix auf die Spitze getrieben. In Einzelfällen findet sich Gelungenes. Insgesamt will einem die Bebauung jedoch nicht in den Kopf.
Die Cuxhavener Städteplanung zu verstehen, fällt doppelt schwer, wenn man sich Zeit für die sehenswerten Infotafeln an der Promenade genommen hat. Historische Aufnahmen belegen, wie viel Erhaltenswertes seit den 1970er-Jahren abgerissen und durch Funktionales ersetzt wurde. Immerhin: das gastronomische Angebot ist breit gefächert. Für´s Lunch eignet sich Duhnen prima. Zumindest außerhalb der Saison. Im Sommer, an Brücken- oder Feiertagen sollen die Restaurants vollkommen überfüllt sein.
Wenn man Glück hat – so wie wir – knippst irgendeiner den Herbst an, während man speist. Das passt so richtig zum Look der weiten Salzwiesen, die sich an Duhnen anschließen. Ihr Betreten ist weiträumig untersagt. An wenigen Stellen führen jedoch Pfade zum Wasser hinunter. Hier findet man dann tatsächlich Stille – und mit noch mehr Glück eine Bank.
Oberhalb der Salzwiesen liegen die Cuxhavener Küstenheiden. In ihrer Ausdehnung und Ausprägung sind sie einmalig in Deutschland. An der Beobachtungsplattform in der Duhner Heide startet und endet ein Entdeckungspfad. Der 2 km lange Rundkurs ist Fußgängern vorbehalten und erklärt die Besonderheiten der geschützten Landschaft an 12 Infostationen.
Geführte Wanderungen durch Salzwiesen und Küstenheide werden im nahegelegenen Watttenmeer-Besucherzentrum angeboten. Auf 3 Etagen finden sich Dauer- und Einzelaustellungen sowie Veranstaltungsräume und eine Bibliothek.
Cuxhaven Sahlenburg
Die Daueraustellung ist kostenfrei und schon allein aufgrund der tollen Architektur und dem einmaligen Blick aus den Panoramafenstern den Besuch wert. Hier hat man übrigens schon wieder Hamburg vorm Balkon. In Form der Insel Neuwerk.
Abgesehen vom Wattenmeer-Besucherzentrum ist auch Sahlenburg architektonisch wahrlich keine Perle. Ein Pluspunkt ist allerdings der Wernerwald, der einzige Wald an der deutschen Nordseeküste im direkten Übergang zum Wattenmeer. Deshalb lohnt es sich über den Ort hinaus weiter zu fahren, auch wenn die Teerpiste endet. Dort duftet es herrlich nach Kiefern.
Oder man setzt sich noch ein bisschen an den Strand. Den letzten von Cuxhaven und der letzte für gute 100 km. Denn eben der ist ja der Grund, warum diese nördlichste Ecke Niedersachsens so überaus beliebt ist. Sich einen Tag für die Schokoladenseite von Cuxhaven Zeit zu nehmen, ist unserer Meinung nach auch wirklich eine gute Idee. Nur den Wunsch, irgendwo zu bleiben, den spürten wir nicht.
Lohnt sich eine Übernachtung in Cuxhaven?
Interessanterweise meldete sich der Impuls später. Leise wenigstens. Da hatten wir die Räder längst abgegeben und machten auf dem Weg zum Bahnhof noch einen kleinen Umweg über den Fischereihafen. Den hätte ich mir gern mit mehr Zeit angesehen. Alles schien mir so schön schrabbelig und als könnte man noch etwas entdecken. Ob das so ist, werde ich hoffentlich irgendwann einmal erfahren.
Offenlegung: Der Reiseveranstalter regiomaris organisierte unsere An- und Abreise. Für die Hinfahrt mit dem Halunder-Jet und die Rückfahrt mit dem metronom haben wir nichts bezahlt. Auf der Internetpräsenz findet man noch ganz andere Tipps für Cuxhaven. Denn vielfältig ist Niedersachsens Nordspitze alle Mal.
Ja, Cuxhaven, auch hier ändert sich sich wie überall Vieles – der Küstenbereich leider nicht zum Guten.
https://www.rettet-das-cux-watt.de/
gibt ebenfalls einen guten Überblick über das Geschehen.
Dank für den schönen Bericht, bin auf den Halunder gespannt.
Ludwig
Vielen Dank für den Link, Ludwig. Ist schon echt traurig das Ganze. 🙁
Hallo aus Ostfriesland,
Dein Bericht erinnert mich an einen Tages-Ausflug von Stade nach Cuxhaven (bei Minus 5 Grad), bei strahlendem Sonnenschein, vor 4 Jahren.
Und ich überlege gerade, ob wir jetzt mal nachschauen, wie wir Cuxhaven auch von Ostfriesland erreichen können (mit der Bahn).
Denn Deine Schilderungen machen Lust darauf … DANKE für die schönen Bilder und die vielen Infos.
Herbstliche Grüße,
Margot
Liebe Margot, mit der Bahn finde ich die Anreise nach Cuxhaven auch toll. Der Bahnhof wurde gerade in einen sogenannten Bürgerbahnhof verwandelt: https://buergerbahnhof-cuxhaven.de/index.php. Das Konzept finde ich echt interessant. Vielen Dank für Deinen Kommentar und liebe Grüße, Stefanie
Liebe Stefanie. Danke für Deine Info zum Bürgerbahnhof. Wir sind (trotz vieler Unkenrufe 🙂 ) begeisterte Bahnfahrer. Daher freue ich mich sehr über Deinen LINK und ich werde mich einlesen. Liebe Ostfriesland-Grüße, Margot
Ein sehr informativer Beitrag. Für mich auch mit neuen und interessanten Infos, z.B. bzgl. Hamburg.
Alle sonstigen Aussagen, inbesondere die Bebauungs-Kritik empfinde ich genauso.
Wirklich toller Reisebericht!
Dankeschön 🙂
noch ein wald: http://cuxpedia.de/index.php?title=Brockeswald von hamburger senator und amtmann in ritzebüttel barthold heinrich brockes angelegt 😉
Spannend. Danke für die Ergänzung.
Ein schöner Bericht, liebe Stefanie. Ich mag es, wenn der Wald direkt am Meer endet. Das ist auch auf der dänischen Als so, dort gibt es die Kombination Mini-Steilküste / Kieselstrand / Meer. Den Duft von Wald UND Meer gleichzeitig in der Nase zu haben, das ist einfach unschlagbar.
Schönes Wochenende!
Martina
Als (und Aero) muss ich jetzt aber echt mal (und bald) genauer unter die Lupe nehmen. Ich denke das jedes Mal, wenn Du davon schreibst. (Und freu mich dann, dass noch so tolle Dinge in der Nähe auf Entdeckung warten). Grüße von Sylt, Stefanie
Sehr schöner Bericht. Komme ursprünglich aus Bremerhaven, jetzt Geestland und habe das alles „vor der Tür“…ich möchte es nicht missen…:o)))
Das kann ich mir gut vorstellen, liebe Pamela. (Geestland habe ich übrigens noch nie zuvor gehört. Aber gleich mal nachgesehen… man lernt doch echt nie aus). 🙂
Eine Gemeinde aus 16 verschiedenen Orten(Dörfer). Den Namen gibt es noch nicht lange. Zwei Gemeinden haben sich zusammengetan.
Ich liebe es auch durch solche Dörfer zufahren und das Landschaftsbild zu genießen…:o))
Wie hübsch die verschiedenfarbigen Strandkörbe bei der Kugelbake!
Das gibts wirklich selten. Gefällt mir auch sehr.
Hallo Stefanie,
mein Highlight in Cuxhaven war (schon vor einigen Jahren allerdings) die Hapag-Halle am Hafen mit einer Ausstellung zur Auswanderung und der speziellen Stimmung des Aufbruchs in die Neue Welt. Abends war ich dennoch nicht traurig, wieder wegzufahren aus Cuxhaven…
Liebe Grüße
Anke
Liebe Anke, genau so ging es mir vor etwa 6 Jahren auch. Seitdem war ich nur „auf der Durchreise“ (nach Neuwerk und Helgoland) in Cuxhaven. Und irgendwie hat sich dabei dann doch eine Neugier entwickelt, noch mal näher hinzusehen. Leider haben wir die Hapag-Hallen dieses Mal nicht geschafft. Ich hätte sie gern auf dem Blog gezeigt. Liebe Grüße zurück, Stefanie
[…] (und sonstwohin vermutlich auch regelmäßig). Warum sich ein Tagesausflug nach Cuxhaven lohnt, ist hier nachzulesen. Allerdings ist das eher etwas für Pläne & Träume – der Halunder-Jet ist […]
[…] eine Radtour in Cuxhaven empfehlen die Nordexperten vom Blog in der Nähe bleiben […]