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Frühling, Sommer, Herbst und Steinberghaff

Steinberghaff

Der kleine, verschwiegene Strand von Steinberghaff liegt  – wie viele Strände in Angeln – ein wenig ab vom Schuss. Daher wird er in erster Linie von Eingeweihten angesteuert. Oder von Leuten, die zwanghaft jedem Wegweiser „Zum Strand“ folgen müssen. Es gibt einige solcher Wegweiser „Zum Strand“ entlang der B199, die hier oben „Nordstraße“ genannt wird.

Es lohnt sich immer, ihnen zu folgen, denn alle Strände sind ausgesprochen entzückend; auf diese zurückhaltende Art, die der Gegend zu eigen ist. Der Strand vor Steinberghaff ist der heimeligste. Er befindet sich etwa auf halber Strecke zwischen Kappeln und Flensburg. Von dort geht es 2,5 km durch Felder und Dörflichkeit direkt zum Strandhotel.

 

 

Das Strandhotel markiert das nördliche Ende von Steinberghaff. Das Haus liegt etwas erhöht; nach Norden abgeschirmt von Baumriesen. Es wurde wohl über die Jahrzehnte sukzessive kaputtrenoviert. Alles, was neu ist, schein zu rabiat gegen den zarten Zauber, der an einigen, wenigen Stellen noch durchschimmert. Etwa in Gestalt kleiner Holzpavillons, die einst als Erfrischungsbuden fungierten. Dem Hörensagen nach wird der Pavillon des Biergartens zur Weihnachtszeit als Glühweinausschank genutzt. Aber ich kenne ihn nur verrammelt. Genau wie ich auch noch nie jemanden auf der sogenannten „Sand-Terrasse“ liegen sah, die ausschließlich Hotelgästen vorbehalten ist.

 

 

Meine Lieblingsbank steht unter meinem zweitliebsten Baum von Steinberghaff – direkt neben der Sand-Terrasse des Strandhotels. Es ist eine alte Kastanie, wie sie sich Herr Sumsemann nicht schöner wünschen könnte. Von der Kastanie zu meinen Lieblingsbaum mag es vielleicht 1 km sein. Diesen Kilometer kann ich maximal im Schlendertempo zurücklegen. Denn wenn ein Strand so klein ist wie der von Steinberghaff, werden alle Details bedeutsam. Dann begrüßt man jeden Findling und jedes Seegraskissen wie alte Bekannte und nimmt sich Zeit zu einem kleinen Gedankenaustausch.

 

 

Wo der Weg in den Wald abnickt, sollte man unbedingt noch ein wenig weiter am Strand über Wackersteine balancieren. Bis zu der wunderbaren Eiche, meinem Lieblingsbaum. Er streckt sich ein bisschen schräg in die Welt. Und es ist unmöglich zu sagen, ob er im Frühling, Sommer oder Herbst am schönsten ist. Vielleicht ist auch der Winter seine beste Zeit. Ich werde das hoffentlich irgenwann einmal überprüfen können.

 

 

Im Rücken der Eiche spannt sich ein überdimensionales Holztor über gleichermaßen empfehlenswerte Pfade. Sie führen in den Wald hinein, zum Gut Östergaard hinauf oder die Küste hinunter. Ich weiß nicht, wer das Tor errichtet hat oder warum. Doch ich muss hier immer an das Ende von Susanna Tamaros bekanntestem Roman denken. (Denn das ist ja das Geheimnis von Stränden: auch die kleinsten bieten Platz genug für große Gefühl.)

 

 

„Und wenn sich dann viele verschiedene Wege vor dir auftun werden und du nicht weißt,
welchen du einschlagen sollst, dann überlasse es nicht dem Zufall, sondern setz dich, und warte. Atme so tief und vertrauensvoll, wie du an dem Tag geatmet hast, als du auf die Welt kamst, lass dich von nichts ablenken, warte, warte noch. Lausche still und schweigend auf dein Herz. Wenn es dann zu dir spricht, steh auf, und geh, wohin es dich trägt.“

 

Baum

Oktoberfest in Norddeutschland

 

16 Kommentare

  1. Juliane Jantosch sagt

    Wie schön, dass jemand etwas in Worte fassen kann, was man selbst genauso empfindet.

  2. Supertoll, die Idee mit den 3-Jahreszeiten-Fotoserien! Und Deine geneigten Leser freuen sich schon, wenn es irgendwann die 4. Jahreszeit zu sehen gibt 🙂

  3. Da fällt mir jetzt noch der wunderbare Sketch „Die vier Jahreszeiten“ von Karl Valentin ein (der bei Euch im Norden vielleicht unbekannt ist?!).

    Der Sänger betritt die Bühne und singt die erste Strophe:
    „Wie herrlich ist’s doch im Frühling,
    im Frühling da ist mir so wohl.
    O wär es immer nur Frühling,
    im Frühling da fühl ich mich wohl.
    Der Frühling, der hat so was Eignes,
    der Frühling besitzet die Kraft.
    O bliebe es immer nur Frühling,
    der Sommer gibt Mut uns und Kraft.“

    Diese Strophe wird wiederholt für den Sommer und den Her-bst.

    Bei der Zeile „Wie herrlich ist’s doch im Winter“ beginnt dann das Publikum zu randalieren und die Vorstellung wird abgebrochen.

    Darauf sagt der Sänger, mehr zu sich selbst:
    „Und grade der Winter wäre so schön gewesen!“

    😉

    • Hahahaha. Als Norddeutsche muss man echt erst mal älter werden, bevor man Karl Valentins Humor so richtig zu schätzen weiß. (Geht mir jedenfalls so. Ich konnte früher den Hype gar nicht verstehen. Heute merke ich erst, wie großartig und zeitlos Valentin ist.)

  4. Martina sagt

    Der letzte Kommentar könnte meiner sein….
    Gerade dieser Bericht mit der Textzeile aus dem Buch von S.Tamaro…hat auch mich berührt.
    Du schreibst selbst wunderbar….kannst Gefühle, Stimmungen …die Orte so gut beschreiben….
    Danke auch von einer Martina aus dem heute früh so kühlen, aber sonnigblauenhimmel Hamburg

    • Vielen Dank für Deinen Kommentar, liebe Martina. Freut mich zu hören, dass das Wetter in Hamburg gar nicht so schrecklich ist. Ich muss heute nämlich zurück (nach einem tollen Inselurlaub). Liebe Grüße, Stefanie

  5. […] vier Jahre brauchte ich zum Beispiel um vom Frühling, Sommer, Herbst und Steinberghaff zu bloggen. Für das bereits damals erhoffte Winterbild dauert es bis heute, also weitere fünf. […]

  6. […] Die Kirche auf Kegnæs wurde etwa zeit- und baugleich unter Herzog Johann dem Jüngeren erbaut. Sie steht in Sønderby – womit wir uns jetzt langsam meiner Lieblingsbank nähern. So wie die „Hauptstrasse“ von Sønderby direkt aufs Meer zuläuft, tut sie es auch drüben in Deutschland in Steinberghaff. […]

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