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26 h allein in Stralsund und die 99 Besonderheiten der Stadt

Stralsund

Und da waren sie wieder meine 3 Probleme: Ich hatte kein Auto. Niemand hatte Lust, mit mir einen Kurztrip zu unternehmen. Und das Wetter war unheimlich mies. Doch zum Glück gibt es ja Stralsund. Die ehrwürdige Hansestadt am Strelasund geht einfach immer.

 

Stralsund Bahnhof

Seit 1935 schmücken die riesigen Wandgemälde von Erich Kliefert das Bahnhofsgebäude von Stralsund

 

Stralsund liegt gegenüber der Insel Rügen, etwa auf halber Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Die im Januar dort aus dem Zug steigen, sind in der Überzahl Matrosen. Halbe Jungs noch. Marinetechnikschule steht auf ihren Mützen. Erster Eindruck: die Stadt ächzt an nassnebeligen Wintertagen nicht gerade unter Overtourism.

 

Allein? Im Winter? Nach Stralsund? Wozu eigentlich?

 

 

Fast wäre auch ich zuhause geblieben. Schon seit November habe ich Für und Wider abgewägt. Fand 1.000 Gründe, warum es gerade nicht passt. Bei Solo-Trips spüre ich immer einen kleinen irrationalen Widerstand. Ihn zu überwinden ist mir schon mal besser gelungen als in den vergangenen zwei Jahren. 2020 – das ist mein guter Vorsatz – soll es aber wieder damit klappen, jeden Monat eine kleine Reise in die Nähe zu unternehmen.

 

Es war schon immer mein Traum mit leichtem Gepäck zu reisen, eine kleine Reisetasche, lässig getragen, mit der man raschen, aber nicht eiligen Schrittes beispielsweise eine Flughalle durchquert, an einer Menge nervöser Menschen vorbei, die sich an schweren Reisekoffern abschleppen – jetzt gelang es mir zum ersten Mal nur das absolute Minimum mitzunehmen… Die Tasche wurde so leicht wie mein leichtsinniges Herz…

(aus „Reisen mit leichtem Gepäck, Tove Jansson)

 

Auch bei schlechtem Wetter will ich Norddeutschland bereisen. Besonders wenn ich »keine Zeit« habe. Oder niemanden, der mich begleitet. Denn ich weiß ja um den speziellen Flow, der Alleinreisenden vorbehalten ist. Er stellt sich selbst bei den kleinsten Solo-Abenteuerchen ein. Auch wenn es, wie mein Stralsund-Besuch, nur eine Übernachtung dauert. Meiner Erfahrung nach profitiert man davon wochenlang – bis zum nächsten Kurztrip. Mindestens.

 

Strelasund

Promenade am Strelasund: Im Sommer brauche ich nichts als das Meer. Allein an nebeligen Wintertagen schon. Der 2 km lange Spaziergang von der Hafeninsel zum Strandbad ist dann aber trotzdem toll. Und so still.

 

Reist man in Begleitung, wird das Reiseziel zu einer Art Bühne für das eigene Stück. Ist man allein unterwegs, geht man mit dem Ort in Beziehung. Man muss sich stärker auf ihn einlassen und ist auch ein bisschen darauf angewiesen, dass er mitmacht. Grad im Winter ist es wichtig, ein Ziel mit Schietwetter-Alternativen anzupeilen. Es braucht dort ein paar schöne Sachen, die auch im Dunklen funktionieren. Vorherige Recherche und ein guter Reiseführer sind für Alleinreisende daher nie verkehrt.

 

Buchtipp: Stralsund – die 99 besonderen Seiten der Stadt

 

Sandra Pixberg lebt auf Rügen – mit Blick auf die Altstadt von Stralsund. Die Autorin plaudert also direkt aus dem Nähkästchen, wenn sie in die gloriose schwedische Vergangenheit führt  oder zu den heimlichen Highlights von heute. Schnell wird beim Lesen klar: was Stralsund an Geschichte, Kultur, Kunst, Gastroperlen und Shoppingtempelchen zu bieten hat, ist für die Größe der Stadt im Grunde vollkommen übertrieben. Ein Kurztrip daher auch zu kurz (aber immer noch besser als gar nicht hinzufahren).

 

 

Stralsund ist wie Lübeck – bloß kleiner & krasser. Der alte Kern in Insellage hat sich bei der kleineren Hanseatin seit dem 13. Jahrhundert wenig verändert. Daher wurde die Stralsunder Altstadt zusammen mit der Altstadt von Wismar zum Unesco Welterbe erklärt. Die kostenfreie Welterbe-Ausstellung in der Ossenreyerstraße ist ein toller Einstieg um ihre Bedeutung zu verstehen. Bei allen anderen Programmpunkte kann man sich getrost auf den Reiseführer von Sandra Pixberg »Stralsund: Die 99 besonderen Seiten der Stadt« verlassen.

 

Was man in Stralsund gesehen haben muss

 

Bei gutem Wetter könnte man auch ganz ungeplant durch die wunderbare Symbiose von Meer & Backsteingotik treiben. So wie Imke vom Blog Crappy Radio Stations and Candy Bars an ihrem Stralsund Wochenende im Herbst. Hat man Pech mit dem Wetter, hat man Glück. Denn dann erfreut das wunderbare Deutsche Meeresmuseum, dessen Exponate und Aquarien in der ehemaligen Kirchenhalle eines ehemaligen Klosters unterbracht sind, umso mehr.

 

Ozeaneum Stralsund

Top-Highlight für Schietwetter: das Ozeaneum zählt jährlich mehr als eine halbe Mio Besucher. Fast niemand von denen kommt im Januar.

 

Der Publikumsliebling Ozeaneum punktet mit meiner persönlichen Lieblingseite von Stralsund. Die Hafeninseln wurden 1860er Jahren aufgeschüttet. Man kann sie also als Neubaugebiet der Altstadt bezeichnen. Hier ist die Stadt klar, kantig und maritim. Hier liegen Kutter mit Fischbrötchen-Verkauf vor Anker, reihen sich klassizistische Fassaden an verspielte Kontorhäuser und mächtige Speicher.

 

 

Ich nehme mal an, dass die Hafeninsel im Sommer der place-to-be ist. Im Januar sind nur wenige Touristen unterwegs. Gerade so viele, dass man sich nicht verloren fühlt. Dafür sind die Unterkünfte sehr günstig und man bekommt selbst in den beliebtesten Fischrestaurants einen Platz. Und allein für den Sonnenunter- wie -aufgang jenseits von Rügen lohnt sich der Trip nach Stralsund.

 

Gorch Fock

Was nicht alle mittelalten Nord-West-Deutschen wissen (jedenfalls ich nicht): die ECHTE Gorch-Fock liegt in Stralsund. Beim gleichnamigen Segelschulschiff aus Schleswig-Holstein handelt es sich um ein Schwesternschiff, das Jahrzehnte nach der Gorch-Fock I gebaut wurde.

 

Was für Stralsund im Januar spricht

 

In einem der ältestens Speicher auf der Hafeninsel befindet sich das empfehlenswerte Hotel Hafenspeicher. Für mein tolles Einzelzimmer mit Sundblick habe ich 59,– gezahlt. Extra-Bonbon: in einem verglasten Häuschen auf dem Dach befindet sich ein Aufenthaltsraum – dort kann man gemütlich bei Regen den großartigem Blick auf die Altstadt genießen.

Während  Hauptstädter mit dem Zug 3h für die Anreise benötigen, haben es Hamburger mal wieder einen Tick besser. Von Hamburg rauscht der ICE über Schwerin, durch ein Seenland und Rostock in nur 2h45 nach Stralsund. Das Ticket habe ich zum Supersparpreis von 31 Euro geschossen. Januar ist eben auch Schnäppchenzeit bei der Bahn – und eine Platzreservierung kann man sich sparen.

Das Buch Stralsund – die 99 Besonderheiten der Stadt von Sandra Pixberg habe ich vom Mitteldeutschen Verlag als kostenfreies Rezensionsexemplar bekommen. Keine Schleimerei jetzt: es hat mir den letzten Schubs gegeben, wirklich nach Stralsund zu reisen. Alles, was ich dort unternommen habe, habe ich der Autorin nachgemacht. Und wenn ich das nächste Mal nach Stralsund komme, nehme ich mir  die Schönwetter-Tipps vor 🙂

 

Stralsund

Wer allein reist, braucht Bücher (alle anderen ja eigentlich auch)

11 Kommentare

  1. Ralf Jöckel sagt

    Stralsund ist eine Stadt,die mich auch interessieren würde-und auch zu einer Jahreszeit,die touristisch sehr überschaubar ist.
    Nebensaison ist preiswerter und deutlich ruhiger = genau nach meinem Geschmack.
    In Stralsund bin ich einmal umgestiegen,als ich auf die Insel Hiddensee gefahren bin-dort ist es ebenfalls sehr,sehr schön.
    Aber erstmal geht´s Ende Februar auf die Hallig Nordstrandischmoor =dieselbe Prozedur wie jedes Jahr zur Lammzeit.
    Wie immer ein sehr,sehr interessanter Bericht !!!

    • Lieber Ralf, Hiddensee finde ich auch toll. Wir sind damals über Rügen auf die Insel gereist und ich kann mich noch gut erinnern, dass ich auf der Brücke beinahe einen Schrecken bekommen habe, wie schön das Panorama von Stralsund ist. (So ruhig wie Nordstrandischmoor ist es wahrscheinlich aber selbst im Januar nicht ;-)). Einen schönen Sonntag, Stefanie

      • Ralf Jöckel sagt

        Hallo Stefanie
        wie wäre es denn,wenn Du und Volko mal für ein Wochenende Ende Februar/Anfang März auf die Hallig kommt ?
        Da sind fast immer Quartiere frei-Ihr könnt bei Familie Siefert einfach meinen Namen nennen-ich bin da Stammgast.
        Ein Bericht über „eine Halligfahrt“ (frei nach Theodor Storm)liest sich hier auch bestimmt schön

  2. Ralph sagt

    Hallo Stefanie,
    die Hafeninsel im Sommer ist natürlich etwas belebter aber definitiv nicht überlaufen. Selbst zu den größeren Veranstaltungen wie dem Hafenfest und dem Seglartraeff ist es immer noch angenehm entspannt. Ich kann auch das Hotel Hiddenseer empfehlen, direkt vor dem Lotsenhaus mit tollem Blick auf die Gorch Fock und den Rügendamm (Turmzimmer oder Studio buchen!). In der Altstadt ist das Haus Mönchstr. 38 interessant. Es ist das größte Exponat des Stralsundmuseums, über 600 Jahre alt und von Keller bis Dach begehbar. Auch die Frankenstr. 28 ist sehenswert, ist aber in Privatbesitz und hat daher keine festen Öffnungszeiten. Für mich ist Stralsund immer der „Opener“ für einen längeren Urlaub; 2-3 Tage Stralsund und danach mit der Fähre nach Hiddensee oder nach dem Seglartraeff mit dem Segelboot nach Rostock zur Hanse Sail.
    Viele Grüße
    Ralph

    • Lieber Ralph,

      herzlichen Dank für die tollen Tipps. Schön zu hören, dass die Hafeninsel nie aus allen Nähten kracht. Das muss schon toll sein, dort draußen zu sitzen, wenn es wärmer ist. Ganz liebe Grüße, Stefanie

  3. Liebe Stefanie, ich bin noch am Schauen, was ich als kleines Highlight in den März einbauen könnte. Da kommt DeinTipp in die ganz enge Auswahl. Inclusive Hotel Hafenspeicher. Ein Glashaus auf dem Dach ist so ganz nach meinem Geschmack, denn ich bin bekennender Dachterassen-Fan! Liebe Grüße, Ulrike

    • Liebe Ulrike – raus (im Sinne von Terasse) kann man da aber leider nicht. Andererseits würde man bei schönem Wetter ja sowieso eher richtig raus gehen. Zumal Rügen nur eine kurze Radtour entfernt ist – nur für den Fall, dass im März der große Frühling ausbricht. Ich kann Dir Stralsund als März-Highlight sehr empfehlen. Komm gut in die Woche, Stefanie

  4. Ja, man sollte wie Du die positiven Seiten des Alleinereisens sehen. Ich kenne Stralsund bisher auch nur nur vom zahlreichen Umsteigen zwischen Berlin und Hiddensee, also hauptsächlich den Hafen, und dachte mir jedesmal, wie schön es wäre, wenn man etwas Zeit hätte, die ganze Stadt zu besichtigen (ohne Gepäck). Und ich wußte gar nicht, daß die Erfinderin der Mumins auch andere als Kinderbücher geschrieben hat.

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