An einem ziemlich kalten Sonntag Ende März stieß ich bei der Suche nach einer Webcam für Scharbeutz auf die Seite der Tourismus Agentur Lübecker Bucht. Die Agentur bewirbt nicht etwa die Lübecker Bucht sondern nur die Strände zwischen Neustadt und Scharbeutz – mit dem Slogan „der Strand Deines Lebens“.
Ich fand das irgendwie witzig, weil mir spontan niemand unter 90 einfiel, der einen bestimmten Strand als „Strand seines Lebens“ bezeichnen würde. Ich kenne nur Menschen mit verschiedenen Stranderinnerungen; oft verteilt über die ganze Welt. Einer schöner als der andere. Jeder zu seiner Zeit.
Andererseits war es vielleicht doch ganz gut getextet (catchy, wie der Werber sagt). Denn ich dachte von da an den ganzen Tag über Strände und das Leben nach. Und auch wenn Scharbeutz sicher nicht der Strand meines Lebens ist, gehört er doch zu meinem Leben dazu.
Vielleicht lag mein Gegrübel aber auch gar nicht am Claim. Sondern an Maikes Blogbeitrag über den Strand ihrer Kindheit, der mich ein paar Tage zuvor inspiriert hatte, mal wieder nach Scharbeutz zu fahren.
Besuchst Du den Strand Deiner Kindheit noch? Wieso (nicht)?
Jedenfalls: Die Webcam von Scharbeutz zeigte ähnlich mieses Wetter wie in Hamburg. Also fuhr ich los. Scharbeutz kann ich nämlich seit einigen Jahren nur noch ganz früh morgens oder bei miesem Wetter ertragen. Ansonsten ist es mir zu voll.
Ich stellte mein Auto an der Grenze zu Timmendorf ab; genau dort, wo ich es etwa ein Jahr zuvor abgestellt hatte, um nach Travemünde zu laufen. Dieses Mal wollte ich in die andere Richtung gehen – nach Sierksdorf. (Es sind übrigens exakt 7 km, falls es mal jemand nachlaufen will.)
Das Wetter war genauso mies wie erwartet. Scharbeutz allerdings viel, viel, viel voller als erhofft. Also wirklich wahn-sin-nig voll. Brechend voll. Im Epi-Zentrum, beim neuen Bayside Hotel, fühlte ich mich wie auf dem Hamburger Dom. Auf eine gruselige Art war ich fasziniert. Aber ich hatte nicht das Bedürfnis, die Seebrücke zu betreten (was bei mir höchst selten vorkommt).
Was wollen die bloß alle hier, dachte ich leicht empört. Noch dazu bei diesem miesen Wetter. (Dann fiel mir auf, dass ich ja auch da war. Bei diesem miesen Wetter.)
Und während ich den langgestreckten Ort passierte, entfernte ich mich nicht nur räumlich sondern auch innerlich. Rein optisch muss ich zugeben, dass Scharbeutz besser aussieht als in der früheren 80er Jahre Pracht. Aber gefühlsmäßig ist für mich da nicht mehr viel zu holen.
Als ich Haffkrug erreichte, war Scharbeutz von einem Strand meines Lebens zum Lebensabschnittsstrand geschrumpft. Doch was soll´s. Strände verändern sich eben. Genau wie Menschen sich verändern.
In unserem Herzen, Schatz, da ist für viele Platz: Lebensabschnittsstrände
Lebensabschnittsstrände habe ich viele. Interessanterweise erinnere ich mich an jeden einzelnen ganz genau. Anders geht mir das zum Beispiel mit den dazugehörigen Urlaubsorten oder den Unterkünften; die hab ich meist nur schemen- und/ oder bruchstückhaft im Kopf.
Die Strände meines Lebens entdeckte ich wellenartig: Ausgehend von den Liegestuhlreihen in Italien in der frühen Kindheit folgten im Teenageralter ganz Südeuropa, mit der Volljährigkeit die USA und ab dem Studium tat ich es dann nicht mehr unter 10 Stunden Flugzeit und tropischem Klima.
Erst in meinen späten 30ern wurde ich wieder neugierig auf den Norden; zunächst auf vermeintlich spannendere Gegenden wie Litauen oder Island. Aber dann verkleinerte sich mein Radius rapide – bis zu diesem Blog. Wie eine Welle sich ja auch am Ende zurückzieht. (Mag sein, sie baut sich irgendwann wieder auf.)
Die Strände Schleswig-Holsteins und Dänemarks haben mich allerdings konstant begleitet und werden es hoffentlich auch immer tun. (Was bei einer Schleswig-Holsteinerin kein großes Wunder ist.) Und meine aller-aller-aller-älteste Strand-Erinnerung stammt aus Sierksdorf.
Genau da stand ich nun ein bisschen rum. Und suchte nach Emotionen. Fand aber nicht so recht welche. Ein klares Zeichen, dass es Zeit ist zu gehen.
Was nun die Strände meines Lebens betrifft, habe ich mich auf dem Rückweg dann doch noch festgelegt. Es gibt sehr wohl zwei Strände, die für mich wichtiger als alle anderen: 1. Der Strand, an dem ich mich gerade befinde. Und 2. der Strand, den ich als nächstes entdecken werde.
Und vielleicht – falls Du ein Lebensabschnittsstrandtyp bist – passt das ja auch für Dich?!
Liebe Stefanie,
du machst dir ganz schön viele Gedanken, machst es dir nicht leicht.
Das gefällt mir.
Und ‚fürs an Strand gehen bei miesem Wetter‘ bewundere ich dich…ich bin ja eher der Schönwettertyp. 😉
Ganz liebe Grüße
Eva
Hallo Eva, dann hast Du´s aber auch nicht leicht (Süddeutsche, Schönwettertyp und dann auch noch Norddeutschland) 🙂
Ein schönes, sonniges Wochenende wünsche ich Dir
Stefanie
Hey Stefanie,
ich mag viele Strände. Es gibt vielleicht auch tatsächlich so Lebensabschnittsstrände bei mir.
Aber es gibt auch einen Strandabschnitt, der wird immer mein Lieblingsstrand bleiben, und das ist der Strand zwischen Wenningstedt und Kampen am Roten Kliff. Auf der einen Seite das Meer, auf der anderen Seite das Rote Kliff. Es geht nicht besser.
Viele Grüße
Marianne
alleinereisenjetzt. wordpress.com
Moin, Moin, nach Jerausalem, liebe Marianne, Du hast Recht: das rote Kliff ist wirklich ein wunderbarer Ort. Gehört auf jeden Fall zu meinen Lieblingslebensabschnittsstränden. Heute sehe ich die Ecke nur noch im Winter. (Was auch großartig ist). Liebe Grüße, Stefanie
Lebensabschnittsstrand – wieder so ein tolles Wort! Habe bzw. kenne ich auch. Darunter ganz große Lieben, sei es wegen des Strandes selbst, sei es wegen der gedanklichen Verbindung mit Lebensabschnittsmenschen. Seit vielen Jahren habe ich auch so etwas wie einen Gebrauchsstrand: St. Peter Ording. Dorthin fahre ich, wenn ich „jetzt gleich“ Meer brauche und einigermaßen sicher sein will, etwa vorhandene größere Menschenansammlungen doch jedenfalls hinter mir lassen zu können.
Stimmt, Maren, SPO ist die ganz sichere Bank für maximales Strandvergnügen. Witzigerweise hat´s mir dort gar nicht so gefallen, als ich jünger war. An der Ostsee war der Sand immer viel weicher und das Wasser klarer. Inzwischen ist das auf dem Festland auch unser Favorit. (Wobei wir uns nie entscheiden können, welchen wir am besten finden.)
Ach wie schön, Strände meines Lebens. Da gibt es so einige. Rimini, bella Italia – als ich noch mit den Eltern verreiste. Und viele im Norden, später dann. Scharbeutz gehört auch dazu. Dein Text regt zum Nachdenken an und inspiriert. Ich schaue gern bei euch vorbei.
Vielen Dank, Sabine, das freut uns. Du bist strandmäßig also auch in Italien sozialisiert. Das scheint echt vielen so zu gehen. Liebe Grüße, Stefanie
Alles im Leben hat seine Zeit, das gilt eben auch für Strände. Und ein Lebensabschnittsstrand hat ja auch was, finde ich.
Liebe Grüße aus Dyvig ??, Martina ☀️⛵️
Aaaaah, es wurde angesegelt 🙂 Ahoi nach Dänemark!
Hallo Stefanie,
ein ganz toller Beitrag…ich habe meine gesamten Jugendjahre die Sommerferien in Scharbeutz verbracht…damals mit dem Käfer anreisend aus dem Ruhrgebiet eine Weltreise…heute aus Hamburg mit dem überteuerten tiefergelegten Familienlifestylekombi ein Klacks…wenn nicht gerade die anderen 2,1 Millionen Hamburger dasselbe vorhaben…also fahre ich nur noch Montags 🙂 …Freiberufler :-)…aber es geht mir wie dir…Scharbeutz ist schicker…und voller geworden…ich trete die Flucht an : Wustrow oder Albeck…am liebsten aber Hiddensee…da gehtdie letzte Fähre um 18.00 und die Tours sind alle weg…bis auf mich natürlich 🙂
Lieber Gruss, Jürgen
Oh, ja, Hiddensee nach der letzten Fähre! Haben wir letzten Sommer auch gemacht. Das war wirklich so was von schön. Danke für Deinen Kommentar und liebe Grüße, Stefanie
Super! Gut geschrieben und sehr angenehm zu lesen, zumal ich gerade selber meine ersten Erfahrung mit dem Scharbreutzer Strand gemacht habe. Vor allem den Teil “brechend voll“ musste ich mit einem Schmunzeln auch in meinen Beitrag einbauen. Zu lesen hier:
http://draufunddran-derblog.de/sahara-okawango-delta-great-barrier-reef-scharbreutz/
Gruß,
Kaddy
Hallo Kaddy, vielen Dank für Deinen Kommentar. Witzigerweise fahren wir morgen nach Scharbeutz (ist einfach am nächsten und unsere Zeit derzeit knapp). Mal sehen, was passiert – sooo viele Bundesländer haben ja nicht mehr Ferien. Und nun guck ich mal, was Du dort so erlebt hast. Liebe Grüße, Stefani e
[…] sich die Restaurants in der Lübecker Bucht bereits recht früh. Während ich mich an die (hüstel) Neuorientierung von Scharbeutz nicht recht gewöhnen kann, gehörte in Timmendorf Schicki-Micki schon immer dazu. […]
hallo stefanie, dein schreibstil ist sehr amüsant, mir gefällts! an irgendeiner stelle erwähnst du, dass sich bremerhaven in den letzten jahren gemacht hätte, korrekt? wo genau? gruss, goetz
Hallo Goetz, freut mich, freut mich 🙂 Bremerhaven erwähne ich zum Beispiel hier: http://www.indernaehebleiben.de/bremerhaven-kurztrip/ Meintest Du den Beitrag? Liebe Grüße, Stefanie
danke, stefanie! das hat sich zwischenzeitlich geklärt. hatte deinen bremerhaven report noch im anschluss gelesen…. ich hasse jedoch tristesse. somit muss ich der stadt fernbleiben. dann doch lieber und gerne – antizyklisch! – nach scharbeutz! immer werktags, vor dem morgentlichen berufsverkehr od direkt im anschluss. aber wie du selbst und richtigerweise schreibst, sind die schönsten momente die des frühen morgens, wenn die saison noch gar nicht richtig losgelegt hat und die paar urlauber schlafen, und man die promenade und das meer für sich allein hat! vielleicht noch ein latte u. ein franzbrötchen vom bäcker auf die hand – perfekt! spätestens mittags dann wieder auf der freien a1 runter gen süden, während sich die autos auf der linken seite höhe lübeck und reinfeld wie gewohnt langsam durch die baustellen hochquälen.. PS. träumst du noch von deiner strandvilla in timmendorf? Sag mir, wenn du dein haus gefunden hast. vielleicht können wir zusammenlegen;-) du eg, ich og??
[…] fühlt sich Scharbeutz in den Morgenstunden noch „wie früher“ an. Erst gegen 09.00 Uhr verwandelt es sich in das heutige Babel, wo auch noch die letzte Baulücke […]
[…] keinen Sand mehr sehen – geschweige denn einen Platz für sein Handtuch finden. Und seit einem ziemlich kalten Sonntag im März vor vier Jahren meide ich die Gegend auch im Winter. Denn am Wochenende sind Teile der Lübecker Bucht selbst dann […]
[…] sich gelassen, wird es mit jedem Schritt nach Norden etwas unprätentiöser und sogar leerer. Bis man irgendwann wieder das Gefühl hat, atmen zu können. (Jedenfalls im Winter und bei schlechtem […]
[…] in 55 min vom Hamburger ZOB nach Timmendorf. Wer´s lebendig mag, wandert die Promenade hoch nach Sierksdorf. Wer nicht ganz so viele Gastronomiebetriebe braucht, stiefelt die Bucht runter nach Travemünde […]
Wir haben seit März 2016 unsere Ferienwohnung im Mira Mare unten links (wenn man vom Strand aus guckt). Mein Mann ist hier immer mit seinen Großeltern und Eltern gewesen, auch als in unserer jetzigen Wohnung noch die Segelschule untergebracht war. Ich bin dann irgendwann dazugekommen und kann nur sagen: ein wunderbarer Strand- und Lebensabschnitt, wenn nur nicht die bekloppten, überwiegend Harleyfahrer wären und uns das nette Sitzen auf der Terrasse lautstark vermiesen würden. Aber sonst, vor allem im Frühling, Herbst und Winter- besser geht es kaum!
Liebe Brigitte,
das muss toll sein. (Also, abgesehen von den Harleys).
Liebe Grüße an den Strand
Stefanie