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Heiligendamm, die weiße Stadt am Meer

Kurhaus Grand Hotel Heiligendamm

Ich bin in Schleswig-Holstein geboren und habe einen krötenartigen Instinkt entwickelt, der mich regelmäßig an die Strände meiner Kindheit und Jugend zieht. Das Unbekannte bleibt daher viel zu häufig auf der Strecke. Dazu gehörte bis heute Deutschlands 1. Seebad: Heiligendamm.

Über die längste, älteste und schönste Lindenallee des Landes nähern wir uns der Stelle, an der Herzog Friedrich Franz I am 21. September 1793 das erste Badehaus Deutschlands gründete. Dazu inspiriert wurde er auf seinen Reisen nach England. Heute scheint Heiligendamm allerdings das genaue Gegenteil von beispielsweise Brighton.

Denn Heiligendamm präsentiert sich uns nicht als turbulenter Badeort, nicht einmal als Dorf – sondern als ein mehr oder minder verlassenes Gesamtkunstwerk klassizistischer Bade-, Logier- und Gesellschaftshäuser an einem einsamen Strand der Mecklenburger Bucht. (Streng genommen ist Heiligendamm ein Ortsteil von Bad Doberan, aber dazu später.)

Aber das ist ja gerade das Zauberhafte. Das Romantische. Hier meint man, allein auf der Welt zu sein. Und die Welt ist ein Caspar David Friedrich Gemälde.

 

Steilküste Heiligendamm

 

Volko, der sich aus visuellen Gründen gern zu Äußerungen hinreissen lässt wie: „Vielleicht haben wir Glück und es regnet“, ist beglückt: Dichter Nebel verschluckt die wenigen (richtig wenigen) Spaziergänger. Der Wald reicht bis an die Steilküste heran. Unten am Strand beträgt die Sichtweite keine 30 Meter. Völlig unvermutet taucht das Grand Hotel vor uns auf.

Heiligendamm

 

Ja, doch, da drinnen scheint es Leben zu geben. Nur kommt es uns seltsam entfernt vor. Das einzige Geräusch wird von einem welken Blatt verursacht, das der Wind zum Kurhaus weht. Einst verbrachte der europäische Hochadel seine Sommer in Heiligendamm. Angeblich hat sogar die Zarenfamilie hier logiert. Man braucht gar nicht viel Phantasie, um ihre Geister  durch den Kurpark wandeln zu sehen.

 

Seebrücke Heiligendamm

 

Das gilt besonders nahe den quasi-Ruinen der sogenannten Perlenkette. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Baudenkmäler ist dem Verfall preisgegeben. Die prächtigen Villen sterben in direkter Nachbarschaft zum 5-Sterne Luxushotel. Einige stehen zum Verkauf. Für andere gibt es Abrissgenehmigungen. Das reibt sich. Das ist skurril. Das deprimiert. Und gerade darum sollte man es mal gesehen haben.

 

Haus Hirsch

Haus Hirsch

 

Schon viel zu lange läuft eine Schildbürgernummer zwischen den Behörden um dem Besitzer (Jagdfeld, dem bis vor kurzem auch noch das Grand Hotel gehörte). Gegenseitig wird man sich vor, die Restaurierungsarbeiten zu verunmöglichen.

 

Haus Anker Heiligendamm

Haus Anker

Villa Adler

Villa Adler

 

Während die Perlen verrotten, wird in Medien und Netz  gezetert, angeklagt und beleidigt, was das Zeug hält. Das scheint mir eine echte Provinzposse, die so gar nicht zur erhabenen Ausstrahlung des Ortes passen will und von der man sich nur angewidert abwenden kann. Nicht nur Jagdfeld ist schwer zu verstehen.

 

heil_012

 

Teilweise verhält sich auch die andere Seite lächerlich. Beispielsweise streitet eine Bürgerinitiative dafür, dass alle Welt über das Grundstück des Hotels zum Strand latschen darf. Als könne man nicht genauso gut außen rum gehen. (Und als würde irgendein Mensch Unsummen für ein Hotel ausgeben, dass keinerlei Privatsphäre bietet.) Nein, wirklich, das alles ist ärgerlich. Man darf gar nicht drüber nachdenken.

Es gibt ohnehin Besseres zu spüren in Heiligendamm. Konzentriere man sich lieber darauf.

 

heil_013

 

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