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Der geheime Garten alter Obstsorten in Haseldorf

Apfelbluete

Letzte Woche habe ich eine Wind- und Wettertour zum Garten alter Obstsorten in Haseldorf unternommen. Ich hatte es auf dem Zettel, seit wir vergangenen Sommer auf dem Elberadweg nach Glückstadt gefahren sind.

 

Wedeler Marsch

 

Schon damals wäre ich lieber im Schneckentempo durch die holsteinischen Elbmarschen geschlendert, weil links und rechts vom Deich die verheißungsvollsten Stichwege und Trampelpfade in üppige Natur führen. (Links vom Deich ist hier möglich (und nicht Elbe), weil wir vom Elbvorland sprechen; einer weitläufigen, irre schönen Auenlandschaft, die noch überfluten darf.)

 

Binnenelbe

 

Wirklich geheim ist der Garten alter Obstsorten nicht. Auf Höhe des Haseldorfer Hafens weist binnendeichs sogar ein Schild auf den Spazierweg zum Garten. Nur spazierte doch niemand außer mir und das löst immer so ein Heimlichkeitsgefühl aus, wie ich finde. Spätestens als ich über den Zauntritt in den Garten kletterte, kam ich mir vor, wie im Märchen.

 

Binnenelbe

 

Oder vielleicht nicht wie im Märchen sondern wie in einer Erinnerung. Nicht, dass meine Großeltern eine Plantage besessen hätten, die von Schafen beweidet wurde. Doch die 4 Obstbäume in ihrem Garten durften genauso knorrig und von Moos bewachsen sein wie die 489 Exemplare im Garten alter Obstsorten in Haseldorf.

 

Garten alter Obstsorten

 

Der Garten alter Obstsorten in Haseldorf

 

Apfelbaum

 

Ich kannte vorher weder den Englischen Prinzen noch Stina Lohmann, nicht das Juwel aus Kirchwerder oder die anderen 180 Obstsorten, die aus den Supermärkten so gut wie verschwunden sind. 125 Apfel-, 37 Birnen-, 25 Pflaumen- und 7 Kirschsorten werden in Haseldorf bewahrt. Der Garten ist eine der größten öffentlichen Obstsammlungen in Deutschland.

 

Apfelbaum

 

Öffentlich bedeutet nicht nur, dass jeder jederzeit willkommen ist – sondern auch, dass alle herzlich eingeladen sind zuzugreifen, wenn es an die Ernte geht. Die Pflanzenschilder verraten die Pflückzeiten der Früchte. Los geht’s Ende Juli mit den Kirschen und auch schon ersten Apfelsorten wie dem Stark Earliest. Bis Ende November könnte man jede Woche kommen und eine andere Sorte probieren.

 

Pflaume

 

„Leider gibt es einige Gäste, die so viel pflücken, dass für andere nichts übrig bleibt“, steht auf einem Aushang geschrieben. Daher mussten Regeln festgelegt werden. Nicht mehr als 10 kg pro Person, keine Handwagen, Schubkarren oder ähnliches.

Schubkarren? WTF?  Mal vom Karma ganz abgesehen, stelle ich es mir viel besser vor, von der Hand in den Mund zu rauben. Am liebsten auf einer karierten Decke sitzend, im Schatten eines alten Baumes, umgeben von Schafen.

 

Gartenbank

 

Ich nehme mir also vor, Haseldorf noch einmal zur Erntezeit beehren. Zumal ich schon wieder auf zwei Dinge gestoßen bin, die ich in der Gegend unbedingt noch mal sehen/ machen möchte. Das scheint ein Gesetz der Marschen zu sein.

 

 

PS.: Weil wir das Thema hier ja letztens hatten, habe ich auf dem Rückweg noch mal kurz bei den Schachblumenwiesen in Hetlingen vorbeigeschaut. Das Gelände ist sehr viel kleiner als das Junkernfeld in der Seevetalniederung. Dafür ist nichts eingezäunt. Also: auch empfehlenswert.

 

schachblumen hetlingen

beten scheef, hett gott leef

 

PPS.: Der beste Weg nach Haseldorf führt über Wedel. Vom Bahnhof geht es runter an die Elbe und dann immer am Deich lang. So kommt man aus etwa auf 14 km. Wanderer können von Haseldorf den 598er zurück nach Wedel nehmen. Ich persönlich würde sagen, Radfahrer have more fun, aber das ist Geschmacksache.

 

Wedeler Marsch

Wedeler Marsch

 

Wenn Ihr also den Garten alter Obstsorten mit dem Rad oder zu Fuß ansteuert, habe ich noch einen Tipp, für den es sich unbedingt lohnt, sich vom Elbblick loszureissen. Auch wenn es schwer fällt.

 

Elbe

 

Auf dem Weg liegt ein Ziel: die Carl-Zeiss-Vogelstation

 

Nonnengans

 

Im Moment ist die Carl-Zeiss-Vogelstation nicht zu überhören. Und es ist auch nicht zu übersehen, dass die Wedeler Marsch ein wichtiges Rastgebiet für Zugvögel ist. Das Schutzgebiet des Nabu liegt etwa einen Kilometer hinter der Gaststätte Fährmannsand.

 

 

Am Rande der Wasserzonen befinden sich drei Beobachtungshütten – sogenannte Hides. Echt eine feine Sache.

 

Carl-Zeiss-Vogelstation

und am Ende des Weges liegt ein Hide am See

 
Meinen besten Moment hatte ich, als auf dem Weg zum Hide eine Horde Schwalben über mir tanzte. Ich war viel zu beeindruckt, um zu fotografieren. Hab´s aber als besonderes Erlebnis in meinem Kopf abgespeichert.
 

Jetzt bin ich wohl irgendwie vom Thema abgekommen. Wie ich eben auch in den holsteinischen Marschen gern vom Weg abweiche. Was ich eigentlich sagen wollte:

Im Garten alter Obstsorten in Haseldorf stehen die ersten Bäume in voller Blüte, während andere noch nicht einmal Knospen entwickelt haben. Er hat also von jetzt bis zur letzten Ernte im November seine beste Zeit.

 

Wolken

16 Kommentare

  1. Liebe Stefanie,

    immer wieder frage ich mich, woher du deine Infos nimmst? Wie du auf all deine Tipps für Ausflüge in der näheren und weiteren Umgebung kommst??
    Nun lebe ich schon so lange hier und denke, dass ich einiges kenne, aber du weißt mit jedem Beitrag wieder etwas Neues, etwas Schönes und die Liste („da muss ich unbedingt auch mal hin“) wird immer länger. 🙂

    Vielen Dank für all die schönen Inspirationen, Infos und wunderschönen Fotos.

    Liebe Grüße Eva

    • Ach, das freut mich, Eva. Genauso soll der Blog ja auch sein. Ich glaub, ich bin irgendwie so gefiltert, dass ich alle möglichen Hinweise aufschnappe. So wie Du vermutlich alte Apfelkuchenrezepte für alte Apfelsorten witterst wie der Fuchs die Gans. Komm gut in die Woche und liebe Grüße, Stefanie

  2. Wie schön! Und zur Erntezeit darf man tatsächlich kommen und sich ein paar Äpfel pflücken? Das ist ja eine nette Idee. Die Namen der unterschiedlichen Sorten klingen herrlich, so schade, dass man sie im Laden kaum bekommt. Zu meinen Kindheitserinnerungen gehört z. B. der leckere, süß-säuerliche Glockenapfel, den ich richtig vermisse. Deinen Tipp muss ich mir unbedingt merken!

    Liebe Grüße, Martina

    • Ja, Du sollst sogar kommen! Das ist extra so gedacht. Und gilt auch für Kirschen, Pflaumen und Birnen.
      Mit dem Elbkind könnt Ihr da auch gut festmachen. Vom Haseldorfer Hafen ist es 1 km (aber so weit südlich
      seit Ihr vermutlich selten bis nie?)

  3. Tamara Weishaupt-Bülk sagt

    Liebe Steffi,

    Ich kann mich nur Evas Kommentar anschließen!
    Einfach total inspirierend!

    Warum war ich bicht dabei, habe ich sofort gedacht.

    Liebe Grüße
    Mari

  4. Danke, Stefanie, für diesen schönen Beitrag und für den ersten Lacher meines Tages: Beten scheef, hett Gott leef – da fühlte ich mich doch sofort in meine Kindheit katapultiert, wo mein Vater diesen Spruch immer wieder schmunzelnd anbrachte. Muss ich auch dazuschreiben, wenn mal wieder in einem meiner Sonnenuntergangsfotos das Meer aus dem Bild läuft! Liebe Grüße von der Insel, Carmen

  5. Wunderschön, liebe Stefanie. Wenn ich Deine Beiträge lese, bin ich immer für ein paar Minuten dabei. Du kannst einen so schön in Gedanken mitreisen lassen. Ich finde die Idee so schön, dass man sich da in der Erntezeit einen Apfel nehmen darf und war erschüttert, dass es dann doch wieder Menschen gibt, die tatsächlich mit Handkarren anreisen, um alles abzugreifen. In so einer Idylle mit Habgier anzukommen ist kaum nachvollziehbar. Sie sollten Deinen Beitrag lesen, dann wissen sie, wie schön es ist auf einer karierten Decken einen oder zwei Äpfel zu essen <3 DANKE <3

    • Ich fürchte, die mit den Handkarren sind dafür nicht so empfänglich. Mir ist so ein Verhalten auch sehr fremd. Auf dem Schild wurde auch gebeten, dass man die Leute anspricht, wenn man sie säckeweise einsacken sieht. Obwohl ich so etwas normalerweise nicht tue, würde ich es dort vermutlich mal machen….

  6. Da hätten wir uns fast getroffen. Leider kam Freunden etwas dazwischen, so fahren wir nächsten wahrscheinlich dorthin. Eine tolle Sache und vor allem, die Haseldorfer Marsch hat so viel zu bieten. Und so viel Geschichte.
    Lieber Gruß

    Kai

  7. […] Wem ein Spaziergang nicht programmfüllend scheint, kann sich Hetlingen ja mal fürs Frühjahr vormerken – dann blühen hier die Schachbrettblumen auf einem Feld am Ortsrand. Der Rundweg ist dann ausgeschildert – er liegt praktischerweise direkt an der Zufahrt zur Schanze. Mehr darüber – und Tipps für das benachbarte Haseldorf und Wedel findet Ihr hier. […]

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