Seit ich 2015 den Speicherkoog kennenlernte, bin ich jeden Sommer für einen Besuch in die Meldorfer Bucht zurückgekehrt. So auch im vergangenen. Fast hätte es nicht geklappt, denn mich ziehts nur bei Sonne in den Speicherkoog. Und die hat sich 2019 im Norden rar gemacht.
Im Ländervergleich zählte Hamburg die wenigsten Sonnenstunden und während ganz Deutschland unter Dürre litt, übererfüllte Schleswig-Holstein das Regen-Soll. Oder anders: 2019 war mal wieder ein ganz normaler Sommer hier oben. So gehört sich das eigentlich. So bin ich das gewohnt. Und so ist das für mich unterm Strich auch ok. Bloß was den Speicherkoog betrifft, ist Schmuddelwetter nicht gerade ideal.
Es gibt im Speicherkoog zum Beispiel fast keine Möglichkeit, sich bei Regen unterzustellen. Auch könnte man sich nach dem Regen ewiglang nirgends hinsetzen. Die Deichwiesen brauchen ihre Zeit, bis sie wieder getrocknet sind. Und auch wenn ich es für vorstellbar halte, dass manche Menschen gerade bei grauem Himmel gern im jüngsten Koog Dithmarschens spazieren – mich selbst ziehen dann andere Ecken deutlich mehr an.
Die Geheimnis im Speicherkoog besteht aus Licht und Stille
Ich liebe den Speicherkoog bei blauem Himmel. Dann verwandelt er sich in eine schräg-schöne Phantasiewelt. Eine, die selbst im Hochsommer entspannt bleibt. Denn man kann hier eben auch bei gutem Wetter nicht besonders viel machen. Das Zeitfenster zum Baden ist kurz. Die Wege stoßen allesamt aus Naturschutzgründen an ihre Grenzen. Gastronomisch ist das Angebot überschaubar. Im Sinne von: mit Glück hat ein Kiosk geöffnet.
Nur der Horizont ist im Speicherkoog unbegrenzt. Und das ist dann dort eben auch meine erklärte Lieblingsbeschäftigung: auf dem Deich sitzen und geradeaus gucken. An warmen Tagen stellt sich dabei so eine meditative Schläfrigkeit ein. Sie hat wohl mit der Reizarmut zu tun. Und mit der Stille.
Geräusche gibts nicht viele hinterm Deich. Und abgesehen von dem entfernten Tuckern eines Krabbenkutters hin und wieder sind alle Laute natürlich. Das Rufen der Seevögel. Das Blöken der Schafe. Der Wind. Oder natürlich die Stimmen von Menschen. Manche sind sich wohl gar nicht bewusst, wie gut man sie in der Stille hören kann. Oder sie machen sich nichts draus. Jedenfalls erfährt man ab und zu sehr Privates. Gerade von Radfahrern.
Radfahren ist eine entspannte Sache im Speicherkoog. Auf dem Deichverteidigungsweg kann man fast durchgehend am Meer bis nach Dänemark rollen. Autos sind da eigentlich nicht erlaubt. Höchstens die DLRG oder Nationalpark-Ranger oder Schäfer dürfen die Wege nutzen. Und so müssen die vier Männer, die letzten Sommer ebendort ihren Wagen abstellten, wohl eine offizielle Genehmigung gehabt haben.
Schon als die vier sich die Hemden auszogen und gegenseitig mit Sonnenschutz einsprühten, hatten sie meine volle Aufmerksamkeit. Wie sie einander aufzogen und auslachten, weil die Bäuche dicker geworden waren! So etwas würden Frauen ja niemals tun. Frauen würden sich schämen. Daher fand ich ihr Körperbewusstsein gleichermaßen wunderbar frei – wie ihr Vorhaben mysteriös.
Rätselhaftes Wattenmeer
Da stapften also vier Männer ins Watt mit folgendem Equipment: 2 Netze, ein langer Pfahl, eine Holzkiste und ein übergroßer Eimer. Sie liefen ziemlich weit hinaus. So weit, dass wir sie mit bloßem Auge kaum mehr ausmachen konnten. Selbst mit Zoom konnten wir nicht erkennen, was sie da draußen trieben.
Aber es war wohl etwas Interessantes. Denn es entwickelte sich eine Art Pendelverkehr vom Deich zu den Männern. Es sah ein bisschen aus wie eine Ameisenstraße. Nur herrscht auf Dithmarschens Wattwanderstraßen fast nirgends Gewimmel. Schon gar nicht im Speicherkoog. Irgendwann wurden wir neugierig genug, um uns selbst auf den Weg zu machen.
Etwa als wir die halbe Strecke bewältigt hatten, setzen sich weit draußen auch die vier Männer wieder in Bewegung. Offenbar war ihre Aktivität beendet. Das Watt ist am Speicherkoog keine gleichmäßige, glatte Fläche, sondern durchzogen von Prielen und Senken und Muschelbänken. So kann man nicht stur geradeaus gehen und kommt auch nicht besonders schnell voran. Wir sahen dass die Männer einen gewaltigen Bogen schlugen – für unsere Fragen also unerreichbar bleiben würden.
Hinterher, zuhause, habe ich natürlich versucht, das Rätsel zu lösen. Aber ich bin im Internet doch tatsächlich nicht fündig geworden. Auch irgendwie schön, dass nicht immer alles sofort klar ist. Aber als mir heute die Fotos wieder unter die Augen kamen, dachte ich, vielleicht weiß ja der Schwarm mehr?! Vielleicht liest hier jemand mit, der sich da auskennt – ich freue mich auf die Lösung in den Kommentaren 🙂
Was man am Speicherkoog sonst noch machen kann
Baden am Grünstrand – herrlicher, als gedacht, etwa an der Badestelle Elbersbüttel
Zur ehemaligen Hallig Helmsand spazieren – heute ein Vogelparadies
Gar nichts tun an der Badestelle Nordermeldorf.
Eine Führung ins Winterwatt – mit abschließendem Punsch & Bratwurst im Deichhaus
na da bin ich mal gespannt was die 4 dort getrieben haben. Hoffentlich kennt sich da jemand aus mit so geheimnisvollem Tun!
Einen guten Start ins neue Jahr wünsche ich dir, Barbara
Das wünsche ich Dir auch.
Moin zusammen.
Oh ja, der Speicherkoog ist wirklich schön. Man muss diese Art von Schönheit nur aushalten können. In meinen Augen ein sehr unterschätztes Paradies. Wenn man dann noch sein Telefon zuhause lässt, ist die Meditation perfekt und man kann mal wieder ungestört Selbstgespräche führen.
Was des Rätzels Lösung ist, hätte ich zumindest eine Idee. Die suchen Köder, als Wattwurm und Co zum Angeln. Wattwürmer sind mithin die beliebtesten Angelköder. Dabei stochert man mit dem Stock im Watt und treibt sie so an die Oberfläche. Ich muss aber zugeben, selbst kein Angler zu sein.
Liebe Grüße in den Süden:-)
Kai
Bin gar nicht im Süden. Sondern in Stralsund.
Kai, ich glaube, Helmuts Erklärung ist wahrscheinlicher. Aber ich wette, sie haben nebenbei auch noch ein paar Wattwürmer gesammelt 😉
Grüße in den Westen, Stefanie
Vielleicht waren die Herren Krabbenfischen. Dazu brauchst du einen „Gliep“, ist ein Netz mit langem Stiel, den schiebst du bei ablaufendem Wasser am Prielrand entlang, sieht ja auch so aus als wären die „stolzen Dickbäucher“ am Prielrand aktiv. Die Krabben springen dabei ins Netz, dann ab in den Eimer, der war ja auch dabei.
So frisch kriegst du sie nur, wenn du selber fischst, sind dann eizigartig köstlich…(machen aber auf Dauer ’nen dicken Bauch).
Das könnte sein, Helmut … wenn ich wieder zuhause bin, muss ich mal die Bilder genauer angucken. Bei der Bildersuche im Netz sieht ein Gliep schon mal ziemlich ähnlich aus. Liebe Grüße aus Stralsund, Stefanie
Krabbenfischen wa auch meine Idee. So eine nette Geschichte, Stefanie. Ich liebe den Speicherkoog und so wie du es schreibst, muss ich da unbedingt wieder hin. Ich kann das Salz beinahe riechen in deinen Geschichten und stöbere noch etwas weiter in deinem schönen Zuhause. Liebe Grüße
Liebe Andrea, dass der Speicherkoog Dir so gefallen hat, habe ich noch gut im Kopf. Es hat sich ein bisschen verändert. Offenbar hat der Sanddorn sich als zu dominant erwiesen. Gab ein ganz schönen Kahlschlag deswegen. Da muss man sich erst einmal dran gewöhnen. Trotzdem: hin musst Du mal wieder 🙂 Liebe Grüße, Stefanie
Allein vom Lesen und Bildergucken bin ich entspannt 😉
🙂 Freut mich!
Toll! Du bist einfach dazu auserkoren, über eine solche „reizarme“ Gegend spannende Geschichten zu erzählen! 🙂
Ja, das ist da Gute: wo nichts ist, hat die Phantasie viel Platz 🙂
[…] Deichhausen, Warwerort und Nordermeldorf, wo die Wildpferde wohnen. Dann weiter zum Sperrwerk am Speicherkoog und an die Badestelle Elpersbüttel, nahe der ehemaligen Hallig […]