Norddeutschland, Südlicher
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Mein erster See in Brandenburg

Letzte Woche war ich aus beruflichen Gründen in Zeuthen, einer Gemeinde am Rande Berlins. Zeuthen besitzt einen S-Bahn-Anschluss an die Hauptstadt – jedoch kein Taxi-Unternehmen. Das kann insofern ungünstig sein, da Zeuthen sich gut 5 km am Zeuthener See entlang zieht.

Besonders ungünstig ist das, wenn man sonntagnachts (mit dem Gepäck für eine ganze Woche) aus der S-Bahn steigt. Denn in Zeuthen werden die Bürgersteige bei Einbruch der Dämmerung nicht nur hochgeklappt. In Zeuthen gibt es nicht mal überall Bürgersteige.

 

Ufer

 

Während der 22 Minuten, die ich vom Bahnhof bis zum Ziel benötigte, ahnte ich, dass ich an prächtigen Viillen vorbeischritt. Es war seltsam. Ich roch den See, doch ich sah ihn nicht. Das geschah erst am nächsten Morgen. Und es war genauso schön, wie ich es mir vorgestellt hatte.

 

Bootshaus

 

Höre ich Brandenburg, denke ich immer an den Film „Was nützt die Liebe in Gedanken“. Und wirklich weht durch Zeuthen ein Hauch Weimarer Republik. Die Bäume wachsen grandios in den Himmel. Die Villen sind gewaltig, ihr Baustil für mich exotisch. Die Straßen noch alle mit Kopfsteinen gepflastert.

 

Villa

 

In Zeuthen wurde mir klar, dass Brandenburg für mich nicht zu Norddeutschland gehört. Als wir zu bloggen begannen, hatten wir uns vorgenommen, das zu bereisen, was Wikipedia als norddeutsche Regionen bezeichnet. Also auch Brandenburg. Aber irgendwie hat in der Naehe bleiben mit Brandenburg nichts zu tun. Inhaltlich ist Brandenburg in weiter Ferne. (Wir müssen unsere Kategorien überdenken).

 

Zaun

 

Was für mich unfassbar war: Man kommt in Zeuthen kaum irgendwo an den See heran. Das Ufer besteht aus 5 km Privatbesitz am Stück. Ab und zu durchbrochen von schmalen Stichwegen zum Wasser –  mit minimalem Ausblick. Denn die Großgrundbesitzer links und rechts achten auf Sichtschutz. Was Zeuthen seine „Promenade“ nennt, ist etwa 200 Meter lang. Vielleicht 250. Und selbst dort, darf man keinen einzigen Bootssteg betreten.

 

Promenade Zeuthen

 

Ich habe mal scharf nachgedacht. Mir fällt weder in Schleswig-Holstein, noch in Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen oder Niedersachsen irgendeine Gegend ein, in der die Uferlinie (am Meer, am Fluss, am See) über mehrere Kilometer nicht zugänglich wäre. Selbst an der Elbchaussee oder auf Sylt wäre das undenkbar. Mal abgesehen von Naturschutzgebieten oder militärischen Anlagen. Was ja beides der Allgemeinheit dient.

 

Bootssteg

 

Am Erstaunlichsten war, dass die Berliner und Brandenburger mit denen ich gearbeitet habe, überhaupt nichts mit meiner Fassungslosigkeit anfangen konnten. Vielleicht habe ich da eine erste kulturelle Eigenheit der Norddeutschen entdeckt? Freiheit ist an der Küste natürlich immer ein Thema.

 

Abendstimmung

 

An einem Brandenburger See urlauben möchte ich trotzdem noch sehr gern. Aber dann will ich zielgerichtet dorthin, wo die Natur niemandem gehört. Bzw. allen. Dort will ich (ich zitiere Anke Denks von 3Sat online) „durch einsame tiefgrüne Wiesen streifen und flachsblonde Felder und tiefsinnig sein“.

 

Schilf

 

Bis es soweit ist, lese ich aufs Inkas Blog blickgewinkelt über den Zauber brandenburgischer Seen. Und treibe mich ansonsten an den Meeren herum.

 

Seeblick

12 Kommentare

  1. HannoverblickOst sagt

    Hm, nicht zugänglich. Das kenne ich in einigen Teilen von Irland. Ich dachte, da könne man schön querfeldein laufen, um an die Küste zu kommen Aber überall Zäune. Da war ich ebenfalls überrascht und auch enttäuscht. Die Idee mit dem Hausboot ist cool.

    • Ehrlich, in Irland? War das im Süden? Ja, Inkas Hausboot-Urlaube finde ich auch immer toll. Nur die Spinnen… was das angeht habe ich irgendwie einen Knall.

      • HannoverblickOst sagt

        Ja, das war in der Nähe von Cork. Und was die Spinnen angeht. Ab einer bestimmten Größe muss ich das auch nicht unbedingt haben 🙂

  2. Ganz wundervoll Stefanie! Na ja, vieles ist vielleicht schon zu selbstverständlich geworden und wir vergessen leicht, dass es auch schöne Fleckchen Erde gibt, die wenige ganz für sich allein haben. Es sei ihnen gegönnt : ) Das Zitat von Anke Denks ist wunderschön! Liebe Grüße, Jutta

  3. Erika Stumm sagt

    Na, mit dem Gönnen ist das so eine Sache- ich dachte immer Gemeinnutz geht vor Eigennutz und Natur ist für mich etwas, was allen gehören sollte, womit ich nicht den Kleingarten am Haus meine, Aber Seen ,Wälder und Berge sollten für jedermann zugänglich sein. Aber du hast Recht, Steffi, wenn dem nicht so ist, bleiben wir eben weg. Es gibt so viel zu sehen. Liebe Grüße Erika

    • Also, Kleingärten waren das nicht 🙂 Eher Parks. Auf facebook schrieb jemand, dass es das Problem wohl häufiger in Brandenburg gibt. Ja, da singen wir doch lieber mit Fettes Brot & Konsorten die alte nordish-by-nature-Weise „hier gibt es nur Flachland, aber deshalb einen weiten Horizont.“ Liebe Grüße, Stefanie

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