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Länger bleiben

Hallig Langeness

Man stelle sich eine störrische Grassteppe vor. Eine, über die der Wind streift, die Wolken ziehen und rundherum das Meer. So in etwa wirkt die jüngste und größte der Halligen auf den ersten Blick, die Hallig Langeneß.

Jedenfalls ist das jetzt im Frühling so, wenn die Ringelgänse über die Fennen herfallen. Die Hallig ist ein einziges Schnattern. Kaum einen Grashalm scheinen sie stehen lassen zu wollen. Sie brauchen Reserven für die Weiterreise nach Norden. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an die Gesellschaft der Tiere gewöhnt.

 

Ringelgaense

 

Es reichen einige Stunden. Dann wird das anfängliche Staunen über hunderte und hunderte Vögel zu einer Art Hintergrundglück. Eins, das den gesamten Halligbesuch begleitet und beständig den Wunsch aufkommen lässt: Ich würde gern länger bleiben. Vielleicht bis zum Sommer, um zu sehen, wie die Salzwiesen sich bunt färben und die Nordsee sich genügend erwärmt, damit selbst ich mich hineinwage.

 

Warf Langeness

 

Andererseits hat die Vorsaison auch ihre Vorzüge. Bis zu 300 Tagesgäste schwappen im Sommer auf die Hallig, erzählt der Mann am Kiosk gleich beim Fähranleger. Mit uns landeten nicht einmal 10 auf der Rixwarf. Warum man sich auf Langeneß – und offenbar nur auf Langeneß – das t bei den Warften spart, kann er mir auch nicht sagen. Aber es ist auch nicht mein Hauptinteresse. Das liegt jetzt eher auf Fischbrötchen und der besten Bank der Hallig.

 

Rixwarf

Zweitbeste Bank der Hallig

 

Die beste Bank der Hallig ist eine Sandbank, die man von der zweitbesten Bank gut sehen kann. Draußen vor der Rixwarf ist das halligeigene Begrüßungskomitee stationiert. Einer der vielen Gründe, um die recht lange Überfahrt von Schlüttsiel an Deck zu verbringen. Also, dicke Jacke nicht vergessen! Selbst wenn auf dem Festland schon Sommergefühle herrschen.

 

Lieblingsplätze und Anfängerfehler auf Hallig Langeneß

 

Das mit der Jacke ist eine Sache, die ich nach etlichen Schiffsreisen endlich verinnerlicht habe. Ich weiß, dass man manchmal ewig dem Wind trotzen muss, bevor man einen Schweinswal durch die Wellen springen sieht. Oder eben die größten und niedlichsten Raubtiere Deutschlands.

 

Seehundsbank

 

Bis zu 150 Robben und Seehunde lassen sich bei Ebbe hier die Sonne auf´s Fell scheinen. Sagt der Mann am Kiosk. Und weil man ja nie auslernt, notiere ich auf der Liste meiner Anfängerfehler im Geiste: Reise nie nach Langeneß ohne ein Fernglas.

 

Vogelbeobachtung

 

Das gilt selbst für Personen, die sich nicht für Vogelkieks und Schweinswalwatching begeistern können (falls es solche Personen gibt). Denn auf Langeneß spürt man zwar, dass man sich auf einem kleinen Stück Land im Meer befindet. Gleichzeitig liegt in jeder Himmelsrichtung was zum Gucken.

 

Ein Tag auf Hallig Langeness

 

Allein auf dem – wie ich finde – schönsten der etlichen Wanderwege, einem 5 km langen, unbefestigtem Rundpfad um die Westspitze, kommt man in den Genuß von Hallig Hoge, Amrum und Föhr (der Insel, die von Langeneß betrachtet, wie Manhattan wirkt. (Wahlweise auch wie Cuxhaven, von Neuwerk aus gesehen.))

 

Ankers Hoern Langeness

 

Dieser schönste Wanderpfad ist auch für Tagesausflügler:innen gut zu schaffen. Er startet direkt am Fähranleger auf der Rixwarf und wenn man nur einige Stunden auf der Hallig hat, geht man ihn am besten im Uhrzeigersinn.

 

Leuchtturm Nordmarsch

Beim Leuchtturm erwischten mich skandinavische Gefuehle.

 

Dann liegen die Einkehrmöglichkeiten am Ende der kleinen Tour. Und relativ am Anfang der fabelhafte Leuchtturm Nordmarsch auf der nicht mehr bewohnten alten Peterswarf. Jenseits stapft man weiter durch Salzwiesen, immer dicht an der Halligkante, an einem Naturhafen vorbei und trifft möglicherweise niemanden. Denn die meisten Halliggäste scheint es dorthin zu ziehen, wo es etwas zu essen gibt.

 

 

Zunächst das Anker´s Hörn, die feinere Adresse der beiden Hallighotels. Auf der Mayenswarf fällt von den Zimmern bis zur Speisekarte alles etwas moderner aus als im bodenständigeren Gasthof Hilligenley. Ein Dilemma für Tagesausflügler:innen. Denn beide sind auf ihre Art den Besuch wert.

 

 

Überhaupt ist ein Tagesausflug so eine Sache. Die ohnehin recht lange Anreise dauert gar nicht so selten länger als avisiert. Die Flut kommt zwar pünktlich. Aber der Wind macht den Unterschied. Kann schon mal sein, dass die Fähre sich im Watt festfährt. Dann wartet der Kapitän auf mehr Wasser unter dem Kiel und die ohnehin zu kurzen Stunden schnurgeln auf ein noch kleineres Zeitfenster zusammen. Zeit aber ist neben einer dicken Jacke das Wichtigste auf einem Eiland. Egal, wie klein. Man muss dort übernachten, um den Zauber wirklich zu erfassen.

 

Ketelswarf

Die Ketelswarf ist mit Museum, Tourismusinfo und der wunderbaren Kookenstuv das gefühlte Hallig-Zentrum

 

Bleibt man über Nacht, kann man sich ein Fahrrad schnappen und 10 Kilometer geradeaus rollen – oder strampeln. Je nachdem wie stürmisch der Tag ausfällt. Dann hat man Zeit, das Infozentrum der Schutzstation Wattenmeer zu besuchen, eines oder beide der Hallig-Musseen zu besichtigen, Halligbutter im Hofladen auf der Honkenswarf zu kaufen, die Kirchenstille auf der Kirchwarf zu genießen oder Erdbeerbowle auf der heimeligen Ketelswarf zu trinken. Man könnte auch irgendeinem Pfad folgen, die alle am Wasser enden. Und auf´s Meer gucken.

 

2 Tage auf Hallig Langness

 

Früher oder später läuft man dann irgendwo Leuten über den Weg, die man schon auf der Fähre gesehen hat. Dann sagt man »Moin» und vielleicht noch etwas Launiges, weil man sich ja in gewisser Weise kennt. Beim dritten Mal, wahrscheinlich passiert es beim Abendessen, kommt man miteinander ins Gespräch.

 

Austernfischer

 

Auf der Terrasse im Gasthof Hilligenley unterhält man sich jedenfalls über alle Tische hinweg. Wieso auch nicht. Man ist schließlich unter sich. Die Tagesgäste sind längst weg. Die Sonne knallt ins Gesicht. Die Ringelgänse schnattern. Das Wort führen die, die schon länger als eine Nacht auf der Hallig sind. Als Neuankömmling lauscht man gebannt den Antworten auf die wichtigste aller Fragen: Und was haben Sie heute gemacht?

 
HalligExpress
 

Die einen waren auf Wattwanderung. Die anderen auf Hallig-Kreuzfahrt. Es ging nach Oland und Gröde. Die dritten haben sich das halligeigene e-Mobil geliehen, um Warf für Warf abzuklappern. Und während man sich eben noch für ungeheuer versiert gehalten hat, weil man eben nicht den Anfängerfehler beging, bloß ein paar Stunden für Langeneß zu reservieren, dämmert es allmähmlich, dass man gar nicht so klug ist. Ich würde gern länger bleiben , denkt man zum tausendsten Mal. Mindestens noch eine zweite Nacht.

 
Hallig Langeness
 

PS.: Zwei Nächte wären vermutlich auch viel zu wenig für Hallig Langeneß. Da braucht man bloß einen Blick auf Helmut Wieges fantastische Halligbilder zu werfen.

11 Kommentare

    • Geht mir ähnlich. Bloß nicht bei dem aktuellen Wetter. Insofern kann man heute den Tag mit gutem Gewissen und gutem Buch oder guter Zeitung auch ganz schön auf dem Sofa verbringen 🙂 Dir auch ein schönes Wochenende, Stefanie

  1. Ich kann aus eigenem Erleben das Motto: „Länger bleiben“ nur wärmstens empfehlen.
    Langeneß habe ich auch schon besucht und damals eine Ferienwohnung bei Fiete Nissen gebucht,dem ehemaligen Postschiffer der Halligen.
    Der ist zudem ein Original,spielt u.a. volkstümliches Laientheater.
    Wenn ich mich recht erinnere,war ich eine Woche dort – eigentlich noch immer zu kurz.
    Ich habe kein Problem damit,4 Wochen auf einer Hallig zu verbringen-so geschehen im Februar/März 2022 zur Lammzeit auf Lüttmoor.
    Langeweile hatte ich keine Sekunde lang.
    Im Juli geht´s wieder auf die Hallig zur Halligfliederblüte,dann sind auch die Bienen dort zu Gast.
    Die Halligen sind herrlich,wenn man mal so richtig entspannen und abschalten möchte,man sollte Ruhe und viel Natur mögen.
    Grüße aus Duisburg
    Ralf

    • Lieber Ralf, ich könnte mir so einen Monat auch total gut vorstellen – vielleicht nicht unbedingt im Februar ;-). Für den Moment würde mir schon ein Mini-Trip zur Halligfliederblüte reichen. Das muss sehr schön sein. Vielleicht krieg ich das ja noch unter. Sonst nächstes Jahr. Ist immer gut, wenn man was hat, auf das man sich freuen kann. Liebe Grüße, Stefanie

  2. Moin Mojn, Ihr Lieben.
    Wahrscheinlich seit Ihr jetzt auch wieder irgendwo an der Küste unterwegs.
    Ich schüttele immer wieder den Kopf, warum ich bisher immer noch nicht auf Langeneß gewesen bin, wo uns oft doch nur das Watt trennte. Dein Artikel hat mich mal wieder auf den Boden der Sehsüchte gebracht und ab heute zähle ich, wie lange ich noch Zeit vergeude, mich dort auf die Bank zu setzen.
    Liebe Grüße nach Hamburg.
    Kai

    • Lieber Kai – ich bin fassungslos: ich glaube, das ist der erste Schleswig-Holstein-Trip, den ich Dir voraus habe. Hat nur 8 Jahre gedauert, einen Ort zu finden, den Ihr noch nicht besucht habt 🙂 Liebe Grüße ins kleine Königreich, Stefanie

  3. Oh Stephanie, wie mich das freut! Ist ein sehr schöner Beitrag geworden. Habe ihn leider erst heute entdeckt.
    Wann wart ihr denn hier? In den ersten Mai-Wochen? Leider war ich zu der Zeit auf großer Radtour – schade.
    Solltet ihr mal wieder planen nach Langeneß zu reisen, gebt sehr gern vorab Bescheid.
    Helmut

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