Neulich stolperte ich über ein Magazin, dessen Titelbild mir vage bekannt vorkam. Doch ich brauchte eine Weile, bis ich dahinter kam, wo ich das Motiv schon einmal gesehen hatte. Dabei kenne ich die Balkone von Damp schon mein ganzes Leben. Sie finden sich sogar in einigen älteren Beiträgen hier auf dem Blog.
Vielleicht erkannte ich die markante Fassade nicht sofort, weil ich Damp noch nie unter der Überschrift „Nachhaltigkeit“ gelesen hatte. Doch genau dafür sprechen einige Gründe.
Der Zeit voraus: Damp 2000
Damp liegt in der Landschaft Schwansen. Sie erstreckt sich im nordöstlichen Schleswig-Holstein zwischen Schlei und Ostsee, Kappeln und Eckernförde. Namensgeberin ist ein uraltes Gut. Der Löwenanteil wurde aber erst Ende der 1960er Jahre aus dem Acker gestampft – damals noch unter dem futuristische Namen Damp 2000. Ein skurriler Kunstort, so hat das Andrea vom Blog Anwolf mal treffsicher genannt.
Anfang der 1970er aber lag Damp voll im Trend. Ja, war sogar dem Zeitgeist voraus. Jedenfalls ist es so in der ersten Einstellung des Werbefilms von 1973 zu lesen. Allein die Existenz des Clips spricht für eine gewisse Modernität. Wobei ich mich frage, wozu er eigentlich gedreht wurde. An Internet war nicht einmal zu denken und im Fernsehen wird der Streifen wohl kaum gelaufen sein. Vielleicht im Kino. Oder auf Fachmessen?
Jedenfalls: Als Kind kam mir Damp durchaus so aufregend vor wie das ferne Jahr 2000. Wobei ich auch erinnere, dass die Kulisse auf den ersten Blick immer etwas spannender schien, als auf den zweiten. Irgendwie passierte da nicht wirklich was in den verheissungsvollen Betonpyramiden. Irgendwie war immer alles geschlossen. Damp 2000 das war viel kalte Luft; ein grauer Sonntag im November.
Gott sei Damp
Gut möglich, dass ich Damp tatsächlich bloß an Winter-Sonntagen besucht habe. Denn dorthin fuhren wir nur, um ins Wellenbad zu gehen. Das allerdings war für mich so ziemlich das Höchste. Etwas ganz Besonderes. Um Welten besser als die kalte Ostsee. Und auf ähnliche Weise funktioniert Damp bis heute. Die Attraktionen sind natürlich mit den Jahrzehnten und der Zeit gegangen; heißen nun Enteckerbad, Funhalla oder Wikinger-Golf. Aber nach wie vor finden Kinder das so toll, dass sie überhaupt keinen Fuss aus dem Resort (wie es heute genannt wird) setzen wollen. Und deswegen wirkt Damp an grauen Wintertagen noch immer herrlich ausgestorben.
Diese wunderbare Tristesse muss man natürlich mögen. Das dämmerte den nordrheinwestfälischen Investoren schon während der Bauphase. Denn so gut, wie sie es sich anfangs gedacht hatten, kam das Mammutprojekt bei der Bevölkerung gar nicht an. Im Gegenteil. Und bald wurde zur Sicherheit: es würden sich außerhalb der Hochsaison nicht genügend Gäste nach Damp locken lassen, um die exorbitanten Kosten für Infrarstruktur und Betrieb zu decken.
Mit dem B-Plan enstand dann tatsächlich etwas, das sich bis heute nachhaltig gelohnt hat. In einem der Gebäude zog die ersten sportmedizinische Klinik Deutschlands ein. Dass somit qualifizierte Arbeitsplätze entstanden, hab ich schon immer als Plus verstanden. Seit ich erlebt habe, wie eine mir liebe Person ihren Reha-Aufenthalt in Damp unheimlich genossen hat, habe ich auch gar nicht mehr viel gegen die Brutalbauten zu sagen. Denn wenn man schon angeschlagen ist, dann doch wenigstens am Meer.
Und apropos Brutalbauten. 7.000 Hochhausbetten sehen vielleicht nicht so hübsch aus wie eine schnuckelige Reetkate in Alleinlage. Aber sie bedeuten auch weniger, viel, viel weniger Flächenfraß (hässlichstes aller Worte und großes Problem an den Küsten). Man muss nämlich überhaupt nicht nach Brasilien schielen, um in Fußballfeldern zu denken. In Schleswig-Holstein etwa wird täglich die Fläche von drei Fußballfeldern versiegelt. Jeden Tag. Und daran haben Ferienhäuser und -wohnungen keinen kleinen Anteil.
Und eben das macht Damp zu einem wirklich nachhaltigen Urlaubsziel. Ich wurde darauf schon mal in einem Kommentar hier auf dem Blog hingewiesen. Ich finde ihn nicht mehr, aber ich bin ziemlich sicher, dass es Kai war – und siehe da, auf seinem Blog Weites Land kommt Damp auch wirklich gut weg. Dabei ist er wirklich keiner, der Touristikern oder Entscheidungsträgerinnen nach dem Mund reden würde.
Nebenbei erfüllt Damp noch ein weiteres Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen: den freien Zugang zur Natur. Das ist hier zum einen bezahlbar – im Hotel oder den Nur-Dach-Häusern (eigens aus der DDR importiert übrigens und so klein, dass man heute wohl von Tiny Houses sprechen würde). Zum anderen funktioniert die Anlage weitgehend barrierefrei.
Meer für alle
Und drittens kommen in Damp auch diejenigen auf ihre Kosten, die ganz gern für sich sind. In südliche Richtung spaziert, beginnt nur wenige Schritte weiter das ganz große Gar-Nichts. Auf den kommenden bummelig 20 Küstenkilometern steht überhaupt kein einziges Hotel mehr am Wasser. Bis nach Eckernförde ist die Gegend fest in Camperhand. Und daher in den Wintermonaten oft menschenleer. Und unfassbar schön.
Oh, vielen Dank fürs Verlinken:-) Da hab ich den Artikel noch mal schnell ein bisschen aufgehübscht. Geht schneller als mit diesem Brutalo-Bauten.
Und ja, man schafft viel Raum für viele Menschen. Mit Blick zum Meer. Für die Fassaden allerdings hätte ich eine Idee und die ist von einem norwegischen Toilettenhäuschen geklaut: Die Fassade mit Moosfarbe bearbeiten. Dann entwickelt sich eine herrliche Moosschicht auf den Beton. Sieht herrlich aus. Dann noch Solar aufs Dach und die Kiste wird klimaneutral.
Das Umwelt-schädlichste währe in der Tat ein Abriss. Und aus der Perspektive des Urlaubers: Von drinnen sieht man das Meer und nicht seine Unterkunft:-)
Liebe Grüße
Kai
Die Klötze von Damp sind für mich eine der vielen, dem Tourismus geschuldeten Bausünden Schleswig-Holsteins. Die nächste – das Urlaubsghetto von Port Olpenitz – liegt nicht sehr weit weg. Es treibt einem die Tränen in die Augen, wenn man hilflos zusehen muss, wie die Landschaft einfallslos zugepflastert wurde und weiter wird (wie z.B. die Schleiterrassen in Kappeln).
Schade, dass Du keinen Abstecher nach Gut Damp gemacht hast. Dort gibt es das Kuhhaus, ein liebevoll eingerichtetes Restaurant mit tollem Blick über‘s Schilf, wo man/frau gemütlich am Kaminofen lecker essen kann.
Liebe Charlotte, ich bin gebürtige Kapplerin und deshalb ganz Deiner Meinung. Die Schleiterrassen finde ich extrem krass (Olpenitz sowieso). Aber ich muss auch zugeben, dass ich mich generell mit Veränderungen schwer tue. Ich habe mich noch nicht einmal an die „neue“ Brücke gewöhnt 😉 Danke für Deinen Kommentar und liebe Grüße, Stefanie
Die Landschaft ist schön,die „Ferien-Wohn-Silos“ sind es hingegen nicht,diese kann man allenfalls als zweckmäßig titulieren.
Da ich in einer Großstadt wohne,wo die Wohnhäuser ähnlich ausschauen,möchte ich so etwas nicht im Urlaub haben-ich bin ohnehin kein Freund des Massentourismus und großer Menschenansammlungen.
Der Strand hingegen überzeugt voll und ganz.
Grüße aus Duisburg
Ralf
Lieber Ralf – so was kann auf der Hallig ja nicht passieren. Wie schön für Dich! Ganz liebe Grüße, Stefanie
Ja, die Architektur ist an sich nicht schön. Aber sie hilft ehrlicherweise, die Ausdehnung zu kompensieren. Wir selbst haben 10 Jahre lang in SH nach einem Grundstück oder Haus gesucht, welches einigermaßen bezahlbar wäre. Wenn Tourismus zur Masse wird und sich verstreut, nacht es das für die Einheimischen nicht besser. Denn der individuelle Wohnraum dient dann den Ferienunterkünften. Und damit Orten, in denen die verbliebenen Menschen ggf. verpflichtet werden müssen, in die freiwillige Feuerwehr zu gehen. Von denen die Zweitwohnbesitzer oder extern angesiedelten Vermieter ja befreit sind. Kann man weiter fortsetzen mit Schulen, Kirchen, Vereinsleben.
Und, wie im Artikel von Stefanie erwähnt, die erschreckende Flächenversiegelung. Damit weniger Aufnahme von CO2 oder Regenwasser. Was wieder zu Auswirkungen in Dürrezeiten sorgt.
Mit einem Bus bekommt man auch zeitgleich mehr Menschen nachhaltiger transportiert. Wenn der Tourismus weiter angeheizt werden soll zum Wohle einiger weniger, dann bleibt nur die verstärkte Nutzung von viel Raum auf wenig Fläche.
Und ja, es ist auch für mich nicht die romantischste, aber auch nicht die verwerflichste Lösung. Und Gedränge habe ich in Damp bei aller Konzentriertheit noch nicht erlebt. Das ist in der Geltinger Birk mit ihren umliegenden Stellplätzen und einzelnen Ferienwohnungen deutlich deutlich schlimmer.
Lieber Kai, das ist total interessant, dass Du – genau wie Fjonka – die Geltiger Birk erwähnst. Während sie mittlerweile in jeder Publikation als Idyll gehyped wird, trauern die, die sie noch wirklich als Idyll kannten. Schwierig, schwierig. Komm gut in den Dezember, Stefanie
Hallo Charlotte, den Abstecher zum Kuhhaus hat Stefanie bereits vor ca. 19 Jahren gemacht. Das ist ihr alles wohlbekannt.
Herzliche Grüße
Wohl wahr, wohl wahr. Dort habe ich die vielleicht nachhaltigste aller Hochzeiten gefeiert; dank stundenlangem Stromausfall 🙂
Ein sehr realistischer Beitrag – die nur punktuelle Entwicklung von touristischen Einrichtungen schont Natur und Landschaft und nützt vielen anderen Umweltbelangen (mit Ausnahme des Landschaftsbildes).
In Anbetracht der vorhandenen Anzahl und Dichte ist jedoch festzustellen, dass der ggf. gerade noch verträgliche Umfang an der hiesigen Ostseeküste erreicht ist.
Tatsächlich habe auch ich noch nie an Damp als „nachhaltig“ gedacht. Hmmmmm.
Gruslig ist mE, daß auch so viele Jahre später dem Großgroß kein Einhalt geboten wird (siehe das von Charlotte schon erwähnte Port Olpenitz) – und dann das andere Extrem: Reethausferienidyll-Zersiedelung als hochpreisiges Exklusiv-Massentourismusangebot direkt am Naturschutzgebiet: „Reetdorf Geltinger Birk“ – ich dachte letzens, mich trifft der Schlag, als ich das sah 🙁
Egal was und wie gebaut wird: Der Fehler im System ist mE eher, daß es schlicht zu viele Menschen gibt. Und daß die Alle auch noch unbedingt unterwegs sein wollen (denn Olpenitz, Reetdachghetto und Co in anderen Landschaften sind ja nicht für „Indernaehebleiber“ gemacht)
Weniger bauen ist mehr! Zu sanieren und auszubauen gäbe es ja genug, und da schließt sich der Kreis zu Damp – dort wurde das häßliche saniert…. Hätte man vielleicht etwas hübscher hinkriegen können, nuja….
Ja, liebe Fjonka, das sind exakt die zwei Orte, mit denen ich so gar nicht meinen Frieden machen kann. Warum mir das bei Damp gelingt, kann ich selbst nicht ganz genau erklären. Vielleicht weil Damp schon immer da war, seit ich denken kann. Dennoch (gerade), liebe Grüße, Stefanie
Ja, vielleicht liegt es daran.
Oder daran, daß diese neuen Teile JETZT genehmigt werden, wo unsere Behörden es besser wissen sollten (Investoren werden immer tun, was man sie tun lässt, deshalb bin ich eher wütend auf Gemeinden und genehmigende Behörden, wenn ich sowas sehe)
Ich denke,auf Urlaub freut sich ein jeder.
ABer wer kann,der fährt nicht in der Hauptsaison und auch nicht in Massentourismus-Gebiete.
Ein Halligurlaub auf Lüttmoor im März und November ist herrlich,ich war gerade erst wieder auf der Hallig und der einzige Urlauber im November dort – genau nach meinem Geschmack.
Auch wenn ich mich wiederhole : Wer Ruhe,Entspannung und Entschleunigung mag,ist dort am besten aufgehoben und weit weg von Menschenmassen und Gedrängel.
auf den Punkt ❗️ Hotel/Klinikburg mit allen kritischen Attributen – mir egal, DAMP-Fan seit 1980,
ja, seit 1980. Mir gelingt offenbar dasgleiche wie Euch 😁 bin eh ein hoffnungsloser ‚Nordfanatic‘ – offenbar in den Genen…. Die kriegen in Damp doch Einiges recht gut hin. Das Olpenitz Resort (früher vor 51 Jahren (m)ein grauer Marinestützpunkt) kommt da deutlich schlechter weg.
❤️ your Blog – so richtig ‚nordish by nature‘ 😆
Ein Hamburger Dänemark- und SH Fan in Hessen. Ich darf doch Euren Blog an meine Fans😝 weiterleiten-linken, oder?
Ahoi, Andre
Aber immer gern, Andre und herzlich willkommen auf dem Blog!
moin Stefanie, ich bin sozusagen ‚wieder neu‘ hier; hatte vor 3, 4 Jahren schon mal was
zum Thema KRUSÅ kommentiert. Was für ein deutsch-dän. Shopping Juwel bis vor 20 Jahren.
Habe gestern gerade mein letztes RITA Supermarked Foto meinen WhatsApp Kontakten ‚gezeigt‘.
Ich werde jetzt wieder häufiger hier reinschauen, Euer Blog gibt auch für alte (in dopp. Sinne) Nordfans immer noch tolle Tipps. Mitte Dez. gehts für uns mal wieder in m HH Heimat. Und ins schöne FL…. VG