Thy ist der älteste Nationalpark Dänemarks. Das klingt verwunschener als die Realität sich darstellt. Das kleine Königreich ist nämlich echt spät auf den Trichter gekommen. Erst seit 2008 steht ein Küstenstreifen von etwa 70 km Länge und ein bis zwölf Kilometer Breite unter Schutz. Auf voller Länge wird er von einem Fernwanderweg, dem Rettungsweg, erschlossen.
Nicht, dass ich den Rettungsweg in voller Länge gegangen bin. Aber ich wäre gern – zum allerersten Mal überhaupt in Dänemark hatte ich in Thy den Eindruck, ein Ferienhaus ist nicht die beste Wahl. Sondern der Weg.
Tourentipp: Wandern im Nationalpark Thy
Weil man hinterher ja immer schlauer ist, kann ich (jedenfalls für mich) sagen: optimal wäre es, die Wanderung auf dem Rettungsweg früher enden zu lassen – aber auch früher einzusteigen. In Thyborøn nämlich, wo Mitteljütland endet und Nordjütland schon in Sicht ist.
Tourentipp
Tag 1 Thyborøn – Agger: 10 km + X
Tag 2 Agger – Lyngby: 13 km + X
Tag 3 Lyngby – Stenbjerg – Vorupør: 15 km + X
Tag 4 Vorupør – Klitmøller: 16 km + X
Tag 5 Klitmøller: Hang loose + X km
Etappe 1 von Thyborøn nach Agger (10 km + X): The beach is always whiter on the other side
Thyborøn bietet sich allein schon aus einem praktischen Grund an: die Hafenstadt ist – im Gegensatz zum Nationalpark – an die Bahn angeschlossen. Bevor man sich in Thyborøn auf die Fähre begiebt, lassen sich beim Strand-, Hafen- und Stadtbummel etliche Kilometer sammeln (Tipps gibts auf Moniques Blog „Bis zum Horizont“). Das Wichtigste ist die Landspitze, wo Hafen und Strand sich treffen, nur wenige Schritte vom Bahnhof entfernt.
Hier nämlich riss die Nordsee 1865 während eines gewaltigen Sturms das Land am Limfjord entzwei. Seitdem ist Nordjütland eine Insel. Normalerweise empfindet man das nicht, weil unzählige Brücken mit dem Festland verbinden. Blickt man aber vom trubeligen Thyborøn auf die einsamen Strände drüben in Thy, stellt sich das Inselgefühl augenblicklich ein. Und die Vorfreude, dass man da gleich hin darf natürlich auch.
Auf der anderen Seite des Limfjords angekommen, erwartet einen nichts als das kleine Infogebäude Svaneholmhus des Nationalparks Thy und vielleicht ein paar Robben am Strand. Während der folgenden 10 km ist man dann ziemlich allein mit dem Rettungsweg, der teilweise auch als Radweg funktioniert. Teilweise zeigt er sich aber auch bloß als Trampelpfad. Hin und wieder nicht mal das. Und nach längerem Regen mag er sogar unter Wasser stehen. Dann muss man sich unter die Pfadfinder mischen; im Zweifel gehts immer am Strand weiter.
Übernachtungstipp: Wie überall in Dänemark findet man auch im Nationalpark Thy sogenannte Shelter; einfache Holzunterstände, in denen man umsonst oder für sehr kleines Geld schlafen darf. Sie stehen häufig an spektakulären Orten in der Natur. Die Wassershelter von Agger sind aber selbst unter den tollsten Shelters Dänemarks was echt Besonderes. Kosten deshalb auch 100 DKK; also stattliche 13 Euro.
Etappe 2 von Agger nach Lyngby (13 km +X): Wir kommen jetzt direkt in den Himmel
Lyngby entstand 1864, als sechs Familien aus Agger beschlossen, in den Norden zu ziehen. Sie ließen sich auf einer Heideebene nieder, bei deren Anblick eine der Frauen gerufen haben soll: „Wir kommen jetzt direkt in den Himmel!“. Und so ist es bis heute geblieben. Lyngby liegt noch immer isoliert. Für diese herrliche Einsamkeit kann man sich gar nicht genug Zeit nehmen. Aber es gibt noch mehr Gründe, auch die heutige Etappe kurz zu halten. (Und die morgige und die übermorgige und so weiter.)
Neben dem Rettungsweg warten nämlich noch 48 tip-top Rundwanderwege im Nationalpark (zu finden auf der Seite des Thy Nationalparks oder in der App), die man unterwegs einbauen kann. Zwischen Agger und Lyngby führen sie z.B. um Seen herum, auf Aufsichtsdünen hinauf, in Vogelparadiese hinein oder zum Leuchturm hinaus. So werden aus 13 Kilometern spielend 30. Oder auch nicht. Ganz wie man mag.
Übernachtungstipp: In Lyngby haben Wandernde die Möglichkeit in der alten Rettungsstation zu übernachten. Für 1 Etagenbett (von insg. 8), Küchenzeile, Toilette und Kaltwasserdusche sind DKK 30 nicht zu viel.
Etappe 3 von Lyngby über Stenbjerg nach Vorupør (15 km + X): der Strand ist das Ziel
Wandern im Norden ist so eine Sache. Wegen des Wetters. Bei Sturm und Regen sind megalange Touren nicht das reine Vergnügen. 15 Kilometer kann man sich dann aber immer noch als Abenteuer verkaufen. Zumal am Etappenziel alle Vorzüge eines Ferienortes warten. Sollte die Sonne scheinen, ist man aber auch froh nicht hetzen zu müssen. Denn dann gibt es nichts Besseres als die beinahe menschenleeren Strände unterwegs.
Ein ganz besonderer Ort (für mich der Tollste überhaupt im Nationalpark) ist der alte Anlegeplatz von Stenbjerg etwa zur Hälfte der Tour. Einige der kleinen weißen Häuser am Meer werden bis heute als Gerätschuppen genutzt. Andere hält ein Verein instand, der auch zwei kleine Ausstellungen betreibt, seit die gewerbliche Fischerei in den 1970er Jahren eingestellt wurde.
Eine Ausstellung befindet sich oben auf der höchsten Düne. Die andere – gleich im ersten Haus am Platz – ist das älteste und winzigste Besucherzentrum des Nationalparks. Dort gibts Tipps, Literatur, Karten, Kaffee und Eis. Also alles, was man für eine stundenlange Rast am Strand braucht.
Übernachtungstipp: Gewohnt hat am Stenbjerg Landningsplads nie jemand. Das Dorf liegt einen Spaziergang ins Landesinnere entfernt. Dort wartet ein typisch dänisches Badehotel. Wer lieber an der Küste bleibt, findet am Etappenziel in Vorupør ebenfalls eins. Als Schnäppchen gehen weder Stenbjerg Krohaven noch Vorupør Badehotellet durch. Man muss sich das gönnen können und wollen.
Etappenziel Vorupør: Was man alles mit Beton machen kann
Ob bei der Ankunft Etappenziel oder vorm Abbrauch am Folgetag – zwei, drei Stunden sollte man für das windzerzauste einstige Fischerstädtchen Vorupør einplanen. Zum Beispiel um die Fischerboote zu bewundern, die noch immer regelmäßig hinausfahren und mit Traktoren und Seilwinden wieder an Land gezogen werden. Oder um das stylishe Nationalparkzentrum zu besuchen.
Am Hafen krachen die Wellen so ungebremst an den Strand, dass sich die einen zum Baden ins Hafenbad verziehen, während die anderen – selbst im Winter – gar nicht schnell genug mit ihren Brettern in die tobende See springen können. Das hat der Gegend ihren legendären Ruf eingebracht.
Tag 4 von Vorupør – Klitmøller (16 km + X): Cold Hawaii
Nachdem die Surfgemeinde in den 1980er Jahren Klitmøller für sich entdeckte, hat sich alles in etwa so verändert wie in Berlin Kreuzberg oder im Hamburger Schanzenviertel. Früher war´s cooler, sagen die einen naserümpfend. Die anderen kommen genau wegen Annehmlichkeiten wie Yoga-Retreats und schicken Cafés. Der natürlichen Szenerie tut das keinen Abbruch. Und surfen soll man auch immer noch gut können. (Mehr davon findet man bei Jessi auf meerdavon. )
Übernachtungstipp: In Wahrheit war Klitmøller schon vom 16./17. Jahrhundert bis Anfang des 19. Jahrhunderts Hippstergebiet. Reger Handel mit Norwegen brachte mit sich, dass die Einwohner in Klitmøller Halstücher aus Seide trugen, Klöppelarbeiten, Muffe aus Bärenfell und sogar Perücken nach der neuesten Mode. So gesehen entspricht das fancy Guesthouse Klitmøller einer uralten Tradition.
Klitmøller ist ein guter Ort zum Bleiben. Auf den letzten Kilometer nach Hanstholm ist ausnahmsweise nicht die Küste das Beste, sondern das größte Wildreservat Dänemarks. Das kann man ganz prima von Klitmøller aus mit dem Rad erobern.
Anreise
Die Landschaft Thy liegt im Südwesten Nordjütlands; quasi »oben links«. Dieser Teil Jütlands ist eigentlich eine Insel, vom Festland getrennt durch Fjorde. Die drücken bei der Anreise aufs Tempo. Für die rund 450 km vom Elbtunnel nach Thy muss man mindestens 4,5 Std einplanen. Sich mehr Zeit zu lassen, ist aber auch kein Fehler. Der Weg führt über die Inseln und Halbinseln des Limfjords; längere Pausen und/ oder Abstecher lohnen sich. Um den Nationalpark Thy in allen Facetten zu erfassen, reichen drei Tage. Wobei auch nichts gegen drei Wochen vor Ort spricht. Aber so ist das in Dänemark ja immer.
Danke für die schöne und informative Beschreibung. Auch eine gute Idee, die Etappen kürzer zu planen und wenn Wetter und Kondition günstig sind, zusätzliche „Schlenker“ hinzu zu fügen. Der „Rettungsweg“ ist jetzt ein weiterer Eintrag auf meiner Bucket List. 🙂🙃