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Bei Schietwetterwarning: Internationales Maritimes Museum Hamburg

Internationales Maritimes Museum Hamburg

Nach Meinung der GEO-Redaktion gehört das Haus in der HafenCity mit dem (für mich) nicht gerade spannenden Namen »Internationales Maritimes Museum Hamburg« (kurz IMMH)  zu den 15 deutschen Museen, die jeder besucht haben sollte. Mich hat´s ehrlich gesagt bisher nicht interessiert. Andererseits zähle ich mich durchaus zur Zielgruppe „Jeder“. Und eine eigene Meinung kann nie schaden.

 

 

Also aufgerafft. Trotz Nieselregen. Beziehungsweise gerade. Der wundervolle Kaispeicher B ist eine willkommene Abwechslung zu regennassen Straßen und grieselgrauem November. Architektonisch ist das IMMH wirklich ein Leckerbissen. 9 Decks hoch. 50.0000 Schiffsmodelle schwer. Womit gleich geklärt ist, dass man seine Aufmerksamkeit nur an die Exponate verschenken sollte, die einen wirklich interssieren. Da es schlicht unmöglich ist, alles zu sehen, kann man sich treiben lassen.

 

Schiffsmodelle

 

Ich beginne daher direkt mit dem Deck, das mich am zweitmeisten interessiert. Das Museum hat erst seit einer halben Stunde geöffnet. Und so sause ich allein und ohne Wartezeit (das soll manchmal anders sein) mit dem Fahrstuhl in den 6. Stock.

 

Deck 6: Handels- und Passagierschifffahrt

 

Außer mir hat noch niemand die Räumlichkeiten geentert. Nur auf dem Deck über mir geht einer um. Oder sind die Schritte auf Planken eine Klanginstallation? So wie das Meeresrauschen. Die Nebelhörner. Das Pianospiel, das so verlässlich in die Zeit der alten Passagierschiffe versetzt.

 

 

Akustisch ist das IMMH fein inszeniert. Großartig ist das auf Deck 7 gelungen. In der Tiefsee mit ihren mysteriösen Bloops. Niemand weiß mit Sicherheit, wer oder was diese Geräusche verursacht, die seit den 1990er Jahren mehrfach aufgezeichnet wurden. Wie ja überhaupt wenig über die Tiefsee bekannt ist.

 

Deck 7: Expedition Meer

 

Am Boden der Ozeane verbergen sich die letzten Geheimnisse der Erde. Die wissenschaftlichen 3D-Darstellungen von Tiefseelandschaften wirken auch nicht realer als die Phantsiewelten von Jules Vernes. Hier geht das Museum großen Fragen auf den Grund. So tritt etwa ein Wissenschaftler in den Dialog mit Frank Schätzing; Autor des dystopischen Thrillers »der Schwarm«. Überhaupt: Was ist dran am Klimawandel? Was kann die Meeresforschung mit Sicherheit sagen?

 

 

Die sonore Märchenonkelstimme, die aus Melvilles Moby Dick vorliest, steht im schrecklichen Kontrast zu den begleitenden Texttafeln. Erschreckend viele Walarten wurden in den vergangenen 100 Jahren ausgerottet. Der Bestand der Blauwale beträgt noch 1% der ursprünglichen Population. Von ehemals 1,5 Mio Buckelwalen leben heute noch 20.000.

 

 

Wissenschaftler rechnen damit, dass es noch vor 2050 keinen Seefisch mehr geben wird. Also auch keine Fischerei. Der Mensch kann so blöd sein. Er kann aber auch Wundervolles schaffen. Dafür steht Deck 8.

 

Deck 8: Kunstsammlung

 

Auf Deck 8 ist es still. Hier befindet sich die Schatzkammer mit Schiffsmodellen aus Gold & Silber. Knochen & Bernstein. Und die Gemäldesammlung. Sie umfasst 200 Werke aus 400 Jahren Marinemalerei.

 

 

Am besten gefallen mir die wenigen Werke, die nichts mit der Marine zu tun haben. Die Seestücke oder die Gemälde von Lyonel Feiniger, Karl Schmidt-Rottluff, Joachim Ringelnatz ♥. Ich spüre ich zum ersten Mal: Der Ursprung, also der Grund, warum es überhaupt ein Internationales Martimes Museum Hamburg gibt, streift haarscharf an meinen Interessen vorbei.

 

Deck 9: Modelle

 

Im obersten Ausstellungsdeck findet sich die erste Miniatur des Museumgründers Tamm. Und die folgenden Tausenden und Tausenden und Abertausenden. Kein Spielzeug. Lese ich mehrmals. Sondern ernstzunehmende Strategiewerkzeuge. Die Sammelwut wirkt auf mich aber schon recht kindisch (wenn nicht manisch).

 

 

Trotzdem: In die Modelle der Hafenanlagen von Bremerhaven bis New York, von Cuxhaven zur Kaiserzeit und ganz Helgoland versenke ich mich mit Vergnügen. Spielzeuglandschaften finde ich herrlich.

 

Internationales Maritimes Museum Hamburg – von da an gehts bergab

 

Durch´s Seitentreppenhaus steige ich auf´s fünfte Deck hinunter. Thema: Militarismus. Es war ein ziemliches TamTam, als die Hamburger Bürgerschaft im Jahr 2004 Peter Tamm mit 30 Mio Steuergeld austattete und zusätzlich das Gebäude für 99 Jahre kostenlos überließ.

 

Torpedo

Wer interessiert sich eigentlich für Torpedos?

 

Die Kritiker sprachen von einem rechtslastigen Weltbild des Museumsgründers. Sie warnten vor Personenkult, Kriegsverherrlichung und Sozialdarwinismus. Inzwischen ist der Museumsgründer verstorben. Sein Sohn verantwortet das Haus. Ich kann nicht sagen, ob die Befürchtungen der Kritiker berechtigt waren oder eingetroffen sind. Ich denke zwischen Deck 5 und Deck 1 nur sehr oft, was ich schon 2004 dachte: Wer will denn so was Langweiliges sehen?

 

 

Alles was mich interessiert, (Soziales Miteinander an Bord, Kolonialsierung, Menschenhandel, der Untergang der Gustloff…also alles, war irgendwie menschelt) hat auf den ersten fünf Decks zu wenig Platz. Als ich von den legendären Piratinnen Anne Bonny und Mary Read lese, fällt mir auf: Das Museum kommt fast ohne Frauen aus. Es ist unterm Strich männlich. So wie eben auch Krieg unterm Strich männlich ist. Und die Geschichte der Seefahrt.

 

Piraten im IMMH

 

Technikfreaks oder echte Schiffsliebhaber kommen wohl voll auf ihre Kosten. Ich beobachte, wie zwei kleine Jungs von einem Modell zum anderen rasen und dabei Namen und Eckdaten von Schiffen herunterrattern wie ich in ihrem Alter Märchenfiguren.  Die beiden sind hochbegeistert, da gibt es gar keinen Zweifel. Ich persönlich finde nicht genügend Identifikationspunkte. Nur in die Sonderausstellung »Flucht über´s Meer – von Troja bis Lampedusa« tauche ich noch einmal tief ein.

 

Flucht

 

Am Ende hat mich das Museum etwa zur Hälfte angesprochen und zur Hälfte nicht die Bohne. Da ich für die spannende Hälfte aber sowieso schon vier Stunden gebraucht habe, geht die öde Hälfte für mich klar. Länger als vier Stunden halte ich in Museen eh nie durch.

Wer darüber nachdenkt, mit einem echten Schiffsnarren das IMMH zu besuchen, sollte sich allerdings  bewusst sein: das kann einen lieben, langen Tag dauern.

 

Alle Decks und alles Weitere: Internationales Maritimes Museum Hamburg

10 Kommentare

  1. Moin, Stefanie,
    gestern bin ich auf Euren Spuren in Hamburg gewandelt und nach langer Zeit mal wieder mit der Fähre nach Finkenwerder gefahren. Euer neues Buch hatte ich dabei und habe viele Stationen entdeckt. Super empfehlenswert und das perfekte Geschenk zu Weihnachten.

    Und dieses Museum hier werde ich beim nächsten Hamburg Trip anschauen. Tolle Empfehlung.
    Lieber Gruß
    Kai

    • Zumindest, lieber Kai, werdet Ihr dort wahnsinnig viele Anknüpfungspunkte zu Euren Themen finden – und Jannes Kommentar nach, ist das Kinderprogramm empfehlenswert. Also für die ganze Familie was!

  2. Liebe Stefanie, du hast mit allem recht! Aber wer Museen mag, in denen es auf Schritt und Tritt etwas zu sehen gibt (aka vollgestopft), ist hier richtig. Und deshalb mag auch ich dieses Haus – obwohl mir wirklich nicht alles gefällt. (So ist das halt mit den verrückten Sammlern…) Tip für‘s nächste Mal: Kinderprogramm mitmachen!

    • Liebe Janne, is gebongt. Weißt was, mein Eindruck war: das Museum wächst über sich hinaus. Irgendwann wird das Neue die Ursprungssammlung überstrahlen. Und dann werden wir – wie schon zuvor mit der Elphi – ganz zufrieden sein, das Haus zu haben.

  3. Hallo Stefanie, ich kann dein partielles Interesse absolut nachvollziehen. Nun bin ich aber z. B. mit einem Schiffbauingenieur verheiratet, der obendrein Modellschiffe in höchster Perfektion baut (von ihm steht auch was dort). Für so einen und seine Hobbykollegen (mir rutschte gerade ein „Artgenossen“ heraus – ne, ne, ne …) ist dieses Museum immer ein absolutes Highlight, aus dem man sie rauszerren muss! Und ich kann dir sagen, nach deren Ansicht braucht man als wirklicher Fan drei bis vier volle Tage, um sich auf allen Decks umzusehen. (Können wir uns kaum vorstellen, oder)?
    Im nächsten September stellen die Modellbauer wieder an einem Wochende zusätzlich dort aus.

    Lieber Gruß hinüber!
    Michèle

  4. Hallo Stefanie,
    danke für die Vorstellung dieses Museums, das uns sicherlich sehr interessieren würde. Nach deiner Vorstellung würden wir Masterchen dort gar nicht mehr herausbekommen. Bei uns stauen sich schon die Bücher über nautische Geschichte(n).
    Wir lieben übrigens Hamburg sehr. Hätten wir nicht lebenslanges Wohnrecht hier in England bekommen, wären wir fröhlich nach Hamburg oder Stockholm gezogen.
    Mit lieben Grüßen vom sonnigen Meer
    The Fab Four of Cley
    🙂 🙂 🙂 🙂

    • Seid froh – Euer Wetter ist viel besser! (Aber Du hast Recht; für Engländer und fast-Engländer ist das Museum m.E. wirklich hochinteressant. Die Geschichte der Seefahrt ist ja eng mit Englands Geschichte verbandelt.) Liebe Grüße, Stefanie

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