Nach einem dunklen Winter (ganz wortwörtlich oder metaphorisch) ist die Nordseeküste von Dänemark mal wieder eine meiner Lieblingsadressen. Ganz besonders wenn Ostern spät fällt – so wie in diesem Jahr. Ostern nämlich ist Saisonbeginn. Doch davon liegt im Moment nur eine Ahnung in der Luft.
Der Rest (bzw. die Hauptsache) sind Wind und Weite – und freie Ferienhäuser; jedes ein Schloss am Meer. Wahlweise auch ein Dünenkastell. Eine Sandburg. Eine Hafenresidenz. Noch hat man die freie Wahl.
Nach einem langen Winter braucht jeder Mensch etwas anderes. Bei mir ist es: Licht (ganz wortwörtlich wie metaphorisch). Wir sind in der Woche der Tagundnachtgleiche. Auskenner:innen sprechen vom „wahren Äquinoktium“ Alle anderen sagen: Frühlingsbeginn. Und jedenfalls in diesem Sinne ist für die kommenden sechs Monate alles im Lot.
Frühling in Dänemark
Wer allerdings linde Lüfte braucht und blühende Landschaften, ist im März an der Westküste nicht unbedingt richtig. Hier fängt gerade alles erst an. Dünen und Heide tragen noch Winterlook. (Ich selber auch. Selten klettern die Temperaturen über zehn Grad.)
Doch Dänen wissen, wie man Terrassen baut. In windgeschützten Lagen fühlt sich der Mix aus sehr frischer Luft und kräftigen Sonnenstrahlen an, als säße man an Deck eines Ozeanriesen. Ich kann spielend Stunden damit verbringen, allein das zu genießen.
Die gut 400 km lange dänischen Nordseeküste ist das Gegenteil von Social Media. Denn da erfährt man ja nicht, was die Lerchen in den Dünen singen. Wie die Heide duftet. Wo Eidechsen in der Sonne aalen. Und dass man den Moment genießen sollte. Solange wie möglich.
Denn der dänische Frühling lässt eben nicht Mörikes viel zitiertes blaues Band durch die Luft flatteren. Er knallt es einem vor den Latz. Alles ist absolut. Alles ändert sich abrupt. Eben noch wohlig warm, friert man sich in der nächsten Minute den Hintern ab. Daher plane ich gar nichts – sondern richte mich nach der Natur.
Tagundnachtgleiche: perfekt, um in Balance zu kommen
Ist es hell, gehe ich raus. Lässt der Wind es zu, ziehts mich ich ans Meer. Pustet er zu heftig, bleibe ich auf den Dünenpfaden. Zum Essen, Schlafen, Lesen dient die dunkle Tageshälfte. Ganz praktisch so ein „wahres Äquinoktium“. Alles hat seinen Platz. Sogar der Regen. Dann kann man ohne Bedauern ins Museum gehen. Und erfährt dort so viel mehr über den Zustand der Welt und die eigene Position in dem ganzen Kuddelmuddel, als wenn man ständig Nachrichten checkt.
Für das Museum, das unserem Ferienhaus am nächsten liegt, braucht es nicht einmal Regen. Denn dort findet das Beste outdoor statt. In Oksbøl, etwa 12 Kilometer von der Nordsee entfernt, befand sich in den 1940er Jahren Dänemarks größtes Lager für deutsche Kriegsflüchtlinge. 35.000 Menschen, vor allem Frauen und Kinder aus Ostpreußen, lebten hier bis zu vier Jahre von Stacheldraht umzäunt und ohne zu wissen, ob sie jemals nach Deutschland zurückkehren könnten. Das Flüchtlingslager galt damals als fünftgrößte Stadt Dänemarks.
Flugt – Refugee Museum of Dänemark
Das Museum Flugt (Flucht) ist in drei Ausstellungsbereiche eingeteilt. Im großartig aufgemöbelten Lazarettgebäude wird zum Einen die Geschichte des Lagers erzählt. Ein zweiter Bereich widmet sich dem Thema Flucht in allen Facetten – und mittels modernster Ausstellungstechnik. Dafür hat das Haus schon etliche internationale Preise eingeheimst.
Der dritte Akt findet im Außengelände statt – auf einer 3,5 km langen Audioführung. Zwar ist vom Lager selbt kaum etwas übrig geblieben, die Wegführung ist aber noch die gleiche wie damals. Als Ankerpunkte fungieren Installationen im Wald. So hört man die Geschichte, während man sie durchstreift. Große Sache. Mehr zur Besuchsplanung hier
Weiterlesen: Frühling in Dänemark
Flugt, das Refugee Museum of Denmark, liegt im Südwesten. Die Region habe ich mal für den Winter empfohlen. Aber zumindest vor Ostern geht es auch im Frühling ruhig genug zu, dass selbst menschenscheue Geschöpfe auf ihre Kosten kommen. Man muss nur das richtige Gebiet in Sønderjylland/ Südjütland finden.
Wen es ein bisschen später nach Dänemark zieht oder ein kleines Stück weiter nördlich, findet bei Susi auf welovedenmark gleich eine ganze Serie über den Frühling in Midtjylland /Mitteljütland.
Noch weiter nördlich geht es dann im April. Dann melde ich mich aus dem ältesten Nationalpark Dänemarks. Aber jetzt muss ich erst mal raus. Die Sonne ist schon vor 20 Minuten aufgegangen.
Ein schöner Text. Wunderbar, die Stimmung! Macht „Hunger“.
🙂
Ich mag auch die Ruhe und Entspannrheit der Vorsaison, dieses Mal fahren wir am Karfreitag, sind also etwas später als sonst! Ich freue mich über den schönen Reisebericht, vielen Dank! Liebe Grüße Ingrid
Ach, wie herrlich, Ingrid. God Paske.
Die von Dir hier beschriebene und gezeigte Gegend ist auch ganz nach meinem Geschmack,da viel Natur,gesunde Seeluft und nur sehr,sehr wenig Menschen und eben kein Massentourismus-so wie auf der von mir sehr geliebten Hallig Lüttmoor,wo meine Frau und ich gerade wieder vier Wochen verweilt haben. Wer braucht schon Facebook,Instragram,TiKTok oder gar X ? Ich nicht,denn ich besitze gar kein Smartphone und in den Urlaub fahre ich sowieso ganz ohne irgendwelche elektronischen Geräte,da wird sich komplett auf die Landschaft fokussiert. Sehr schöner Bericht und tolle Foto´s-wie immer.
Grüße aus Duisburg
Ralf
Einen ganzen Monat auf einer winzigen Hallig – das klingt toll, lieber Ralf.
Toller Text! Ich will sofort losfahren. Und vor allem auch das Museum ansehen, von dem ich noch nicht gehört hatte.
Es lohnt sich, Kristine. Wirklich.
Fast schon Duplizität der Ereignisse: Wir waren Deiner Empfehlung folgend Ende Februar im Hinterland von Henne und waren begeistert von den Möglichkeiten, die es dort auch und gerade zu dieser Jahreszeit gibt., Oksbøl mit dem Flugt-Museum, die kunstsinnige und auch sonst sehr schöne Stadt Varde, der renaturierte Filsø und die HennemølleÅ, ein in Sanddünen versinkender Eichenwald und, und, und. Am schönsten aber die ausgedehnten Wanderungen bei -10 Grad und stahlblauem Himmel. Noch einmal Danke für Euer „Eskapaden“ – Buch.
Beste Grüße
Peter
Hallo Peter,
das ist aber schön zu lesen! Nach Varde wollte ich immer schon mal, hab´s aber nie geschafft. Kunstsinnig klingt so gut, dass ich es beim nächsten Besuch in der Ecke ganz sicher tue.
Schönen Sonntag, Stefanie
Hallo Stefanie,
hier noch ein Tip für Varde: Besuche auf jeden Fall das Frello-Museum. Es liegt mitten in der Stadt. Guten Kaffee und hervorragendes Bistro-Angebot gibt es bei Ella‘s Coffee Shop n der Smedegade.
Beste Grüße aus Ahrensburg
Peter
Liebe Stefanie, der – wie immer – tolle Reisebericht erscheint gerade noch rechtzeitig,
ich hatte schon Entzugserscheinungen…! Vor ein paar Tagen habe ich mal wieder das Internet nach neuen Texten von dir durchgeschüttelt und dann ein paar alte noch einmal gelesen…. – wie schön, dass du nun wieder einen geschrieben hast!
Deine Reiseziele sind gar nicht weit entfernt, trotzdem sind es immer „andere Welten“,Weite, Ruhe , Entschleunigung, Natur… man möchte sich sofort dorthin beamen!
Danke dafür, aber auch für den Tipp mit dem flugtmuseum! Ich kenne
es noch nicht, möchte es mir bald mal ansehen.
Genieße viele schöne Momente, wo immer du bist!
Ellen
Liebe Ellen, ich bin selbst nicht zufrieden, wie selten ich zum Bloggen komme. Manchmal denke ich darüber nach, den Blog zu schließen. Andererseits würde ich gern irgendwann ein ausführliches Resümee ziehen. Und dafür fehlen mir noch mindestens eine handvoll Orte. Ich hoffe, dass ich mit dem Frühling wieder den Dreh finde. Und grüße Dich ganz herzlich, Stefanie
PS.: Weite, Ruhe, Entschleunigung, Natur… klingt für mich wie Dein Zuhause 😉
Liebe Stefanie.
Wie schön, mal wieder von Dir zu lesen. Wie meine Vor-Kommentatorin war auch ich noch vor kurzem auf Deiner Seite.
Ja, Dänemark ist glaube ich in der Außenwahrnehmung ziemlich durch die Westküste geprägt. Das merken wir hier auch bei zahlreichen Zuzüglern.
Aber ich kann Dir echt auch das Inland ans Herz legen. Da entdeckt man auch schon mal in Gram ein ausgestelltes Walskelett oder eine historische Wassermühle oder einen tollen Fernradweg…. Wäre das Leben 10x länger als im Durchschnitt, man könnt eimmer noch nicht alles entdecken.
Lieber Gruß und das mit den Bloggerpausen kann ich gut verstehen.
Kai
Ach ja, vielleicht tauschst Du ja Facebook gegen Mastodon ein- eine europäische und demokratieförderliche Alternative. Ich wü rd mich freuen!