Vor einiger Zeit schnappte ich irgendwo auf, dass die 3 Hochhäuser am Südstrand von Fehmarn von Arne Jacobsen stammen. Sie sind Teil eines Masterplanes, mit dem Jacobsen 1965 einen öffentlichen Ideenwettbewerb gewann. Ziel war, die schönste Nehrung der Insel in ein modernes Ostsee-Heilbad zu verwandeln. Heute würden wohl die wenigsten Menschen Burgtiefe als schön oder modern bezeichnen. Was hat Jacobsen sich also dabei gedacht? Diese Frage interessierte uns schon seit längerem.
Spätestens seit der massiven „Entstuckung“ Berlins in den 1920er Jahren steht fest: Man sollte Architektur nicht dem Zeitgeist unterwerfen. Was heute schön und hip erscheint, wird morgen als Scheußlichkeit empfunden, um vielleicht über-übermorgen wieder in Mode zu kommen.
In den 80er Jahren beispielsweise, verabscheuten viele die Ästhetik der 60er. Heute haben die Farben und Formen dank IKEA längst wieder Einzug in die deutschen Wohnzimmer gehalten – und man hasst stattdessen Sparkassen- und Karstadt-Filialen der 80er.
Und wie findest Du das?
Fehmarn ist beinahe so platt wie Dithmarschen und ebenso spärlich bebaut. Die drei Fernblickhäuser vom Südstrand stellen weit und breit die höchste Erhebung dar. Haus Kopenhagen und Haus Berlin beherbergen ein Hotel. In Haus Stockholm ist eine Mutter-Kind-Klinik untergebracht.
Dafür dass Jacobsen als einer der bedeutendsten Designer und Architekten des 20. Jahrhunderts gilt, ist über sein Ensemble in Burgtiefe seltsam wenig im Netz zu finden. Also haben wir uns selbst ein Bild gemacht und im IFA-Ferienzentrum eingemietet. Kurzes Telefonat vorab und wir bekommen ein Appartement im 14. Stock. (Richtig cool, Herr Kuhl, herzlichen Dank.)
Die Einrichtung ist genauso praktisch, wie man bei einem Preis von 50 Euro pro Nacht (für 2!) erwarten darf. Warum auf den üblichen Bewertungsportalen rumgenölt wird, ist uns ein Rätsel. Bad (ok) und Küche (nigelnagelneu) sind gefangen. Vom Mini-Schlafzimmer und Wohn-/Esszimmer hat man einen traumhaften Meerblick. Und zwar in jedem Appartement. Alle Fenster der drei Häuser sind der Ostsee zugewandt. Das ist ja schon mal kein schlechter Gedanke.
Im Erdgeschoss sind die Häuser mit einem gläsernen Promenandengang verbunden, dem sogeannten Vitarium. Jacobsens Idee nach sollte sich dort „trotz Wind und Wetter geselliges Leben“ entwickeln. Mag sein, dass es im Sommer so ist. Jetzt in der Nebensaison ist mit Ausnahme eines Restaurants und einer Bar alles geschlossen. Ganz schön spooky, besonders wenn der Regen gegen die Glaswände peitscht.
Da trifft es sich gut, dass im (ich wiederhole es gern noch einmal) Preis von 50 Euro für ein 2-Zimmer-Appartement mit Meerblick auch noch der tägliche Eintritt ins Meerwasserwellenbad enthalten ist.
Obwohl unter Denkmalschutz wurde das Meerwasserbad durch unsachgemäßge An-, Ab- und Umbauten bis zur Unkenntlichkeit verändert. Das Landesamt für Denkmalpflege äußerte sich 2005 wie folgt: „Nahezu belanglos sind nunmehr die von Jacobsen gewollten Einbindung bzw. Abgrenzung in die Naturlandschaft.“ Im Inneren konnte die Schwimmhalle ihre Schönheit glücklicherweise wahren.
Wie man sieht, interessiert das aber niemanden. Die Besucher halten sich fast alle im rangeklotzten Spaßbad auf (das Blubberbecken, Rutschen und Whirlpools bietet). Nur wenn zur vollen Stunde ein Gong die Wellen ankündigt, kommen ein paar Kinder herübergetappst.
Wer kann dem Betreiber also verdenken, dass er Jacobsens Kurmittelhaus abriss, um das Spaßbad zu errichten? Wer kann etwas dafür, dass das benachbarte Haus des Kurgastes seit Jahren verfällt, weil niemand Geld für die Instandsetzung hat? Usw. Usf.
Jacobsen Ostsee-Heilbad ist ein Zankapfel auf Fehmarn. Immer gewesen. Ist das so, weil niemand die Gebäude mag? Oder mag die Gebäude niemand, weil Fehmarn sie nicht gut behandelt und erklärt hat? Darauf finden wir keine Antwort.
Weder im Hotel noch in der Touristeninformation kann irgendjemand etwas zu Jacobsen sagen. Schriftliches gibts schon gar nicht. Selbst in der Stadtbücherei von Burg zucken sie mit den Schultern. „Wir hatten da mal eine Diplomarbeit…“, erinnert sich eine Bibliothekarin. Aber wo die ist und was drin stand, weiß niemand.
Am Ende bleibt die Erkenntnis: Der Anblick der Fernblickhäuser von Arne Jacobsens ist ein zweifelhaftes Vergnügen, während der Ausblick ein Kracher ist. Aber das wussten wir eigentlich auch schon vorher.
es gibt diese Diplomarbeit über Arne jacobsen auf Burgtiefe in der Uni-Bibliothek Kiel. Ferner gibt es Artikel über Jacobsens Seebad auf Burgtiefe (Südstrand) in 3 Bauzeitschriften aus den 1960ger Jahre. Einer mit Interview zu seinem preisgekrönten Entwurf seines Seebades. Bei ernsthaften Interesse suche gern die Literaturverweise raus. mfG Heino Kühl
Lieber Heino Kühl,
da ist ja ein nettes Angebot! Vielen Dank für die Infos – und über Literaturverweise freue ich mich; wenn es nicht so viel Mühe macht. Liebe Grüße Stefanie
hier die Literaturhinweise zu Arne Jacobsen und Burgtiefe/Südstrand:
„Arne Jacobsens Ferienzentrum „Burgtiefe“ auf Fehmarn (1965-1973). Eine Studie zum Verhältnis von Planung, Ausführung und Fortentwicklung.“ von Bettina Michaelis-Otte,1994, Universitätsbibliothek Kiel-Zentralbibliothek-: TI 2358-1 und TI 2358-2.
Deutsche Bauzeitung, 9/1967 „Ostseebad Fehmarn“, Seite 68-71.
Bauwelt, 1970/29 „Das neue Burgtiefe“.
Sorry, hat leider etwas gedauert, weil diese Seite zeitweise auch nicht mehr zugänglich war.
mfG Heino Kühl
PS: Die Jacobsengebäude wurden inzwischen unter Denkmalschutz gestellt.
Interessante News, lieber Heino Kühl… vielen Dank, dass Du noch an uns gedacht hast. Freu mich schon aufs Belesen. Ahoi aus Hamburg, Stefanie
Ich liebe seine Möbel,aber die Hochhäuser, von denen ich übrigens nicht wusste,dass sie von Jacobsen sind,na ich weiß nicht.Aber du hast recht,der Blick entschädigt lg Erika
Ja, die halten das irgendwie auch geheim auf Fehrmarn. Weiß auch nicht, wieso.
Schon etwas spät, doch vielleicht sieht es doch wer! Habe den Bauwelt Artikel gefunden (Danke Heino Kühl!) Leider scheint die DBZ Angabe nicht ganz zu stimmen. Gruß Pia
Danke für die Info, Pia. Hast Du denn die richtige DBZ Angabe? Und was ist überhaupt eine DBZ Angabe? 🙂 Liebe Grüße, Stefanie
Liebe Autoren,
das „Vitarium“ hat mit Arne Jacoben nichts zu tun. Es wurde vom Architekten Rolf Brügge aus Oldenburg in Holstein ergänzt. Ich durfte dort als junger Architekt in den Achtzigern Bauleitung machen. Das war sehr tricky wegen der zentimetergenauen Pfahlgründung unter jeder Stahlstütze. Das ist im Zeitrahmen mit der allgemeinen Glasüberdachungswelle zu sehen (siehe auch Passage Ferienzentrum Weißenhäuser Strand).
Mit freundlichem
Gruß Peter Jacobsen
(leider nicht verwandt oder verschwägert mit Arne)
Hallo Peter Jacobsen,
danke für die interessante Info. Der Beitrag ist ja schon über zwei Jahre alt, daher kann ich mich nicht mehr genau erinnern, wo ich die Info über „den gläsernen Promenadengang“ gefunden hatte. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es ein Zitat von (dem weder verwandten noch verschwägertem) Arne Jacobsen war. Vielleicht weißt Dua ja, was vor dem Vitarium war?
Liebe Grüße, Stefanie
Nichts!
Es war Aussenbereich mit den üblichen gepflasterten Promenadenflächen, Restaurantterrassen und Rosa Rugosa Pflanzflächen.
Direkt unter und zwischen den Hochhäusern war immer eine Verbindung mit Infrastruktur und Restaurants vorhanden. Vielleicht war das das, was mein Kollege aus Dänemark meinte.
…nur nicht mit Glasüberdachung.
Gruß
Peter Jacobsen
Vielleicht war ganz zu Beginn der Bereich zwischen den Hochhäusern vom Versorgungsbereich getrennt?
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Wow. Das ist ein tolles Foto!!!! Dankeschön.
[…] einem Fehmarntrip gehört unbedingt ein Besuch bei den dänischen Nachbarn drüben auf Lolland. Ein Tagesausflug auf […]
[…] in einer TV-Doku über die drei Hochhäuser von Arne Jacobsen von 1965 auf der Ostseeinsel Fehmarn: Eine Touristin in einem Fehmarner Restaurant in der […]
Dem Buch zur Ausstellung über die Bauten von Jacobsen/Weitling (die Ausstellung „Gesamtkunstwerke“ sollte auch bald in Burgtiefe ankommen, ab April 2022) kann man übrigens entnehmen, dass im ursprünglichen Entwurf von Jacobsen keine Hochhäuser zu finden sind; das wurde erst auf Drängen des Auftraggebers „hoch“ gezogen. Geplant waren vier bis fünf Stockwerke. Die Frage „Was hat sich Jacobsen dabei gedacht?“ ist also etwas falsch gestellt. Und „Drei echte Arne Jacobsens“ sind es somit auf gar keinen Fall.
Noch ein Nachtrag zum Thema Burgtiefe und Jacobsen: in folgendem Buch der Aufsatz von Thorsten Harbeke ab Seite 225 (sehr informativ! unbedingt lesen!):
https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110523010/pdf
Außerdem der Aufsatz von Bastian Müller in dieser Zeitschrift:
https://www.boyens-buchverlag.de/periodika/537/denkmal-24/2017