Allgemein, Holsteinische Schweiz, Neulich im Norden, Norddeutschland, Schleswig-Holstein, Wandern
Kommentare 14

Und da verzichtete sie weise… Wanderung von Preetz nach Plön

Fuhlensee

Solotour auf dem E1, Tag 2, Frühstück war super, Laune ist bestens, auf dem Zettel: Wanderung von Preetz nach Plön (25 km). Exakt um 08.00 Uhr erreiche ich die kleine, weiße Brücke zwischen Kirchsee und Lanker See, an der ich gestern vom E1 Richtung Hotel abgebogen bin.

Ich freue mich generell immer auf den zweiten Tag einer Wanderung – heute aber ganz besonders. Denn Preetz ist ein Tor zur Holsteinischen Schweiz. Und ich bin ein erklärter Fan.

 

 

Die Holsteinische Schweiz ist für mich die drittschönste Region Schleswig-Holsteins. (Dicht gefolgt von der Halbinsel Eiderstedt (Platz 4). Übertrumpft nur noch von der Region Angeln (Platz 2) und den Nordfriesischen Inseln (Platz 1). Die Plätze 5 – 10 variieren je nach Wetter, Jahreszeit und Laune).

Schon auf den ersten Schritten durch ein Wohngebiet in Schellhorn und dann entlang der Landstraße setzt das typische Holsteinische-Schweiz-Feeling ein. So richtig ist es dann da, als der Weg gegenüber der Halbinsel Freudenholm in einen Mischwald führt. Uralte Baumriesen, romantische Seeblicke, eine leicht schläfrige, nostalgische Stimmung. So empfinde ich das Östliche Hügelland von Holstein.

Bis jetzt war ich noch immer hin und weg, wenn ich einen weiteren der insgesamt 200 Seen kennen gelernt habe. Und so ist es auch heute beim Lanker See, den ich auf den ersten Kilometern fast immer im Blick habe und dessen westliches Gebiet nahezu komplett unter Naturschutz steht.

 

Durchs 200-Seen-Land: Wanderung von Preetz nach Plön

 

Kurz vorm Stiftungsland Lanker See nähert sich im Schritttempo eine Limousine. Ob ich auf dem E1 unterwegs sei, fragt der Fahrer nach kurzer Begrüßung. Ja? Dann erkläre er mir am besten mal, wie ich „dahinten über die Koppel“ komme.  Denn „das Schild sieht man nicht so gut. Is´n büschn verwittert, nech.

Er hat diese typische – gar nicht mal unnette – Schleswig-Holsteinische Gutsherrenart drauf und ich frage mich, ob er vielleicht von seiner eigenen Koppel spricht. Jedenfalls scheint er sich gut auszukennen auf dem Reiterhof, den der E1 im Zickzack durquert. Die Erklärungen führen mich sicher über einen Parours, an Ställen vorbei und über Weiden.

Ich komme mir vor wie in England, wo es ja recht normal ist, dass Wanderwege durch Privatbesitz mäandern. Dazu passt die Behauptung, die Ausschilderung sei ein „büschn verwittert“, denn das ist gelinde gesagt ein büschn untertrieben, geradezu britisches Understatement .

 

E1

Beispiel für ein gut erkennbares Andreaskreuz. Andere sind viel schlechter zu finden oder fehlen gleich ganz.

 

Jenseits des Reiterhofs liegt das Camp Lanker See. Ich hatte vor der Wanderung mit dem Gedanken gespielt, auf dem Campingplatz zu übernachten, das Ganze dann allerdings verworfen, weil ich  Schwierigkeiten mit Gemeinschaftstoiletten habe. (Für kernigere Typen ist aber alles im Camp, was man braucht, inkl. Kiosk/ Kneipe. Die Stimmung scheint mir recht entspannt. Und man kann Pods inkl. Bettwäsche mieten.)

Ich pausiere am kleinen Badestrand und beneide die Robustrinder,  die am gegenüberliegenden Ufer baden. Es ist wirklich heiß. Dabei ist es erst 09.00 Uhr. So bin ich nicht unzufrieden, als der Weg mich wieder in waldgrünen Schatten führt.

 

Camp Lanker See

Badestrand Camp Lanker See

 

Der folgende Abschnitt ist wie verzaubert. Und gar nicht wie Norddeutschland. Wanderschuhe sind hier durchaus angebracht. Es geht ganz schön auf und ab. Und eine Karte wäre auch nicht schlecht, denn die Beschilderung ist spärlich. Besonders schwierig ist das, wo Armeen kleinster Fröschlein über den Weg hüpfen. Da muss man aufpassen, keinen zu zertreten und wenn man eine Sekunde zu lang auf den Boden schaut, kann man den Weg leicht verlieren.

 

Keine gute Idee: Wanderung von Preetz nach Plön ohne Karte

 

Völlig unvermutet schlängelt sich der E1 irgendwo hinauf oder hinunter, wo man es nie für möglich gehalten hätte. Einmal laufe ich echt lange in die falsche Richtung und merke es erst, als der Weg sich in einem Feld verliert. Danach bietet mir mein Schrittzähler keine Kontrollmöglichkeiten mehr. Es ist nun unmöglich zu sagen, wie viele der gelaufenen Kilometer ich wirklich von der Strecke abziehen kann. D.h. ich weiß nicht, wie viele ich noch vor mir habe. Für mich ein irritierendes Gefühl.

 

Wielener See

Jenseits von Jedem und verborgen in dichtem Wald: am Wielener See kam ich mir vor wie einem Märchen.

 

Die heutige Etappe gleicht einer Schnitzeljagd für Erwachsene in traumhaft schöner Kulisse. Zeitweise jagt ein Andreaskreuz das andere. Dann wieder kann ich über lange Distanzen keines entdecken. Taucht endlich eine Wegmarkierung auf, fällt es mir manchmal schwer zu deuten, in welche Richtung sie weist. Nicht, dass ich große Stücke auf meinen Orientierungssinn hielte. Aber ich bin schon Wanderwege gelaufen, ohne mich zu verirren. Also ausschließlich an mir kanns nicht liegen.

 

Fuhlensee

Das Bistro am Fuhlensee ist sicher ein schöner Rastplatz, wenn es geöffnet hat.

 

Gegen 11.00 Uhr tauche ich aus dem Waldschatten in die offene Hügellandschaft. Mir ist sofort zu warm. Umso lieber mache ich einen kleinen Abstecher die Lindenalle hinunter zum Fuhlensee. Ein Wegweiser verspricht Kaffee, Eis und Fischbrötchen.

Ich hatte bei oberflächlicher Recherche aufgeschnappt, dass es sich bei dem Bistro am Fuhlensee um eine beliebte Station von Wasserwanderern handelt. Nie wäre ich darauf gekommen, die Öffnungszeiten für einen Freitag im Juli zu checken. Aber hinterher ist man natürlich immer schlauer. Das Bistro hat leider geschlossen. Sehr schade ist das. Die Holzbude liegt wunderschön (und hat entweder keine Internetpräsenz oder diese gut versteckt).

 

Durststrecke zwischen Fuhlensee und kleinem Plöner See

 

So bin ich also auf meinen eigenen Wasservorräte angewiesen und lerne: bei Hitze reichen 1,5 Liter gar nicht besonders lange. Auch in anderer Hinsicht folgt eine Durststrecke. Mehrmals bin ich vollkommen sicher, dass ich eine Abzweigung verpasst habe. Denn es kann doch nicht sein, dass ein Wanderweg über 5 km der Landstraße folgt?! Denke ich. Doch genau so ist es.

Die Straße ist zwar wenig befahren und die Aussicht über weite, geschwungene Felder herrlich. Doch es ist auch ziemlich heiß so ganz ohne Schatten. Und dass es keinen Fußweg gibt, ist auch nicht so toll. Erstens federt Asphalt nicht besonders. Zweitens heißt es nicht umsonst: Gott schütze uns vor Sturm und Böen und Wagen aus dem Kreise Plön. Immer wenn einer kommt, möchte ich in die Böschung springen. Sie heizen wie die Wahnsinnigen hier oben. Besonders ältere Damen.

 

Linden

 

Es ist 12.30 Uhr als ich nach nunmehr 17 km von der größeren Landstraße auf eine kleinere Straße geleitet werde und dann endlich wieder in die Walachai bzw. auf einen superschönen Birkenpfad gelange. Der sieht ein bisschen zu angelegt, um wirklich Natur zu sein. Besser vorbereitete Wanderer würden jetzt ihr Butterbrot an einem der süßen Uferplätze auswickeln. Und mir tun langsam die Füße weh.

 

Kleiner Ploener See

Kleiner Ploener See

 

Am Ende des Uferweges fehlt mal wieder die Beschilderung. So laufe ich in die falsche Richtung und lerne auf diese Art Gut Wittmold kennen, gelegen auf einer Halbinsel im kleinen Plöner See. Ich würde den Schlenker nicht unbedingt als Fehler bezeichnen.

 

Gut Wittmold

 

Auf Gut Wittmold treffen seit einigen Jahren Landwirtschaft, Kunst und verschiedene Seminarangebote aufeinander. Und das Gutshaus selbst wäre das perfekte Etappenziel gewesen. Hätte ich eines der 5 Zimmer gemietet – könnte ich jetzt so wunderbar den Rest des Tages auf oder im See verbringen.

 

Zwischenfazit: Wanderung von Preetz nach Plön

 

  • Alleine Wandern ist super.
  • Sich nicht ordentlich vorbereiten, geht gar nicht.
  • Das gilt speziell für Karten.
  • Oder eben GPS-Daten.  (Die verweigerte ich bisher, weil es mir zu organisiert vorkam – ich dachte, man könne nichts erleben, wenn man total auf Nummer Sicher geht –  aber inzwischen denke ich, das Gegenteil ist der Fall. Die Befürchtung, den Weg zu verlieren, hat mich über weite Strecken so sehr beschäftigt, dass ich die Natur gar nicht genug würdigen konnte.) Jedenfalls: Ich verlinke diesbezgülich zum Blog draussenlust.de von Alex. Er ist die Etappe umgekehrt gelaufen, also von Plön nach Preetz – und zwar im Winter.
  • Ausdrücklich sei auch noch auf Silkes guten Rat in den Kommentaren hingewiesen, die Etappen im Sommer kürzer zu stecken, damit Zeit für alle Badestellen bleibt.

 

Fehlt noch mein unrühmliches Ende: Nach dem Abstecher über das Gut gelange ich zurück auf die Landstraße, gar nicht so weit von der Stelle entfernt, wo ich sie verlassen habe. Wieder geht es am Straßenrand entlang. Wieder brausen ältere, einheimische Damen an mir vorbei. Wieder ist kein Schatten in Sicht.

Nach knapp 20 km erreiche ich die B76. Ich habe keine Ahnung, wie weit es von hier auf dem E1 nach Plön ist. Entlang der Hauptverkehrsstraße sind es 4 km. Die scheinen zwar alles andere als verführerisch. Aber ich habe den Eindruck, dass ich mehr heute nicht hinkriege. Also mache ich es wie die 2 Ameisen in Altona auf der Chaussee: Ich verzichte auf den letzten Teil der Reise. Ein bisschen weiser als zuvor.

 

Ploen

Den schönsten Bahnsteig Schleswig-Holsteins hat der Prinzenbahnhof mit Blick auf den Großen Plöner See

 

PS: Wäre ich nicht an der B76 abgeknickt, wäre es im ganz im Sinne von Murphys Law so weiter gegangen:

Nach deren Überquerung geht es weiter zum schönsten Abschnitt dieser Etappe mit ständigen Ausblicken auf Plön und die umliegenden Seen.

So sagt es die offizielle E1-Hompage. Aber was soll´s. Nach Plön komme ich sowieso zu und zu gern zurück. Und irgendwann hole ich den schönsten Teil dann nach.

 

14 Kommentare

  1. Wunderbar geschrieben! Es hat so viel Spaß gemacht, dich auf dieser Wanderung zu begleiten. Der englische Gutsherr, die alten Plöner Damen, der verpasste „schönste“ Teil der Wanderung (ich kann deine Entscheidung sehr gut verstehen) und all die kleinen und großen Entdeckungen … einfach nur herrlich! Ich habe mich auch lange geweigert und bin dann doch auf GPS umgestiegen, weil ich dem Nervenkitzel nicht mehr gewachsen war. Jetzt genieße ich es, genau wie du sagst: Man ist entspannter und muss nicht ständig nach Karten und Wegbeschreibungen kramen. Und verlaufen kann man sich trotzdem noch 😉

    Liebe Grüße von Andrea

  2. Schöner Text und tolle Bilder. Danke! Im Gegensatz zu den beiden Ameisen mit Ziel Australien hast Du von den geplanten 25 Kilometern immerhin den größten Teil geschafft und war der letzte Teil der Reise, auf den Du verzichtet hast, klein im Verhältnis zum bereits Geleisteten.

  3. Also das ist ja ein Ding, dass der E1 stellenweise so schlecht markiert ist!! Da wäre ich auch nicht drauf gekommen. Ich persönlich schwöre ja auf OpenStreetMap: als App fürs Handy verfügbar und offline nutzbar. Die Qualität der Karten ist unterschiedlich, bei uns in Bayern sind auch kleinste Pfade drin, muss man halt in der eigenen Wandergegend ausprobieren. Liebe Grüße und noch viele schöne Wanderungen 🙂

  4. So ähnlich hat es bei mir mit dem E1 auch einmal angefangen und nun wandere ich bereits im 5ten Jahr auf diesem Weg.
    Und von Anfang an habe ich dabei Komoot verwendet. Da hat man die ganze Welt sehr detailliert auf dem Smartphone dabei.
    Probier’s mal aus – verlaufen kann man sich dann immer noch, aber man findet leichter und völlig stress frei wieder zurück auf den Weg.
    Immer wieder schön und auch inspirierend, deinen Wanderungen zu folgen.

    • Fünftes Jahr?! Alle Achtung. Dann bist Du natürlich nicht mehr in der Nähe… 🙂 (den skandinavischen Teil hätte ich auch Lust).

  5. Sehr schöner Beitrag zum Tagesausklang! Wenn du ein One-Trillion-Dollar i… ähh Smartphone nutzt, dann schau dir mal die App Mapout an: minimalistische Kartenapp mit Overlays von Rad- und Wanderwegen, ohne Schnickschnack und entsprechend praxistauglich. Ich probiere ständig neue Apps aus, am Ende lande ich immer wieder bei dieser (und immer wieder auf deinem Blog, wenn ich Gehaltvolles und Unterhaltsames aus Norddeutschland lesen möchte).

  6. Tamara Weishaupt-Bülk sagt

    Liebe Steffi,
    hatte ich Dir nicht erzählt, das wir uns auch in der Holsteinischen Schweiz verlaufen hatten? Wir konnten es teilweise auch nicht glauben und sind dann immer hin und hergelaufen.
    Du beschreibst Deine Wanderung einfach so gut, das man denkt, man wäre dabei gewesen. Schade, das ich es nicht war. Aber, man weiß ja nie……………

  7. doch, doch. Ich wohne ja in HH und fühle mich durch viele deiner Touren sehr inspiriert. Ich bin hier in der Nähe auch viel unterwegs und finde unsere Umgebung einfach nur traumhaft. Für diesen Sommer steht noch der Fördesteig auf dem Zettel, den du ja bereits gegangen bist
    Der skandinavische Teil des E1 beginnt ja in Dänemark. Über den Haervejen bis nach Nørre Snede, dann weiter auf dem Wanderweg Århus – Silkeborg und der Molsroute nach Greena. Eine schöne Wegstrecke, sehr ruhig, allerdings manchmal ein wenig zu viele Schotterwege. Unterwegs kann man wunderbar und kostenlos in Sheltern übernachten, die allesamt recht neu und sauber sind.
    In Schweden geht’s in Varberg weiter. Von dort kann man 3.000km Richtung Norden wandern – bis zum Nordkapp. Bis nach Göteborg bin ich bereits gekommen, 2.750km liegen damit noch vor mir. Ein Unterfangen, das für mehrere Wanderjahre reicht
    Je weiter nördlich man gelangt, um so einsamer wird es. Es scheint eine ziemliche Herausforderung zu werden.

    • Hach, das klingt ja herrlich, Michael. (Die Shelters habe ich gleich mal gedanklich abgespeichert.) Und für den Fördesteig wünsche ich Dir viel Spaß. Ich finde, der Weg ist ein einziges Vergnügen!

Du hast was zum Thema beizutragen? Darüber freue ich mich sehr.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.