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Gastbeitrag aus dem Innern der Elphie: Wir haben fertig

Elbphilharmonie nachts

Neulich fand in Hamburgs bekanntestem Ex-Bauvorhaben eine kleine Feier statt, die der Bürgermeister anlässlich der Übergabe der Elbphilharmonie an die Stadt am Tag vorher für die Menschen ausrichtete, die an der Erstellung dieses Hauses maßgeblich mitgearbeitet haben.

In seiner Rede erwähnte Herr Scholz auch, dass ihm die Architekten gleich zu Beginn seiner Amtszeit gebeichtet hatten, dass dieses Bauwerk an der Grenze des technisch Machbaren läge. Dass solche Grenzen auch mal überschritten werden können, war Herrn Scholz durchaus bewusst, umso größer ist auch bei ihm die Freude, dass die Elbphilharmonie nun fertig ist.

Nicht weiter erwähnt wurde, dass vor ein paar Wochen noch einmal etwas passierte, das die Schwierigkeiten bei der Erstellung dieses Bauwerks, die extremen technischen und qualitativen Anforderungen und die Bedeutung des Begriffs „fertig“ für die am Bau Beteiligten noch einmal wie im Brennglas verdichtet repräsentierte.

 

Elbphilharmonie Kleiner Saal

Elbphilharmonie Kleiner Saal

 

Es ging um den „Kleinen Saal“, der mit seiner Holzvertäfelung ein Kleinkunstwerk an sich ist. Das herausragende architektonische und funktionale Element dieses Saals sind die Wandverkleidungen mit jeweils mehrere hundert Kilo schweren Eichenholzplatten. Aus Gründen der Akustik wurde in die Oberfläche dieser Massivplatten auf Grundlage von Computersimulationen und akustischen Berechnungen eine Hügellandschaft gefräst, die niemals gleich ist und als Ganzes doch einem exakten Plan folgt.

Diese Platten – es sind ziemlich viele – wurden bereits vor Jahren gefertigt und ebenso lang in exakt klimatisierten Räumen gelagert, bevor sie ab der zweiten Jahreshälfte 2015 unter wiederum exakt einzuhaltenden klimatischen Bedingungen im Saal montiert wurden. Ohne hier jetzt zu sehr ins Detail gehen zu wollen war dabei eine extrem hohe Fertigungs- und Montagegenauigkeit umzusetzen, denn Holz ist ein Baustoff, der nie aufhört zu leben und auf Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen immer weiter mit Formänderungen reagiert. Bei Plattenmaßen von um die zwei Meter kann man sich selbst ausrechnen, was eine Längenänderung von wenigen Prozent in den Platten für die nur wenige Millimeter breite Fuge zwischen den Platten bedeutet.

Nun, diese Problembaustelle innerhalb der Problembaustelle war im Juni dieses Jahres abgeschlossen. Unzählige akustische Messungen wurden durchgeführt, in sehr pingeligen Prüfungen wurden auch noch die kleinsten Abweichungen vom Leistungssoll aufgespürt und korrigiert. Im Herbst war dann dieser Saal fertig. Und zwar komplett fertig.

 

und dann klatschte jemand laut in der Elbphilharmonie

 

Doch dann ging jemand in den Kleinen Saal und klatschte laut in die Hände. Und dann passierte, was nach Ermessen aller nicht passieren konnte: es war ein Nachhall zu hören. Ein für einen Saal mit diesen Ansprüchen nicht akzeptabler Nachhall (Echo für die Nichtakustiker unter uns).

Um es abzukürzen: auf Grund dieses Echos müssen sämtliche dieser riesigen Eichenholzplatten auf der einen langen Wandseite wieder demontiert und leicht schräg wieder eingebaut werden. Und selbst diese Beschreibung ist noch viel zu harmlos in Bezug auf das, was nun unter erheblichem Zeitdruck technisch und handwerklich umzusetzen ist.

Soviel zu den grenzwertigen technischen Herausforderungen und der „ich habe fertig“ Vermutung an diesem Bauwerk. Wer will, kann anhand dieses Beispiels versuchen sich auszumalen, was die Planer, Ingenieure und Handwerker im Laufe des quälend langen Herstellungsprozesses dieses Gebäudes durchmachen mussten.

 

Rolltreppe

 

Bleibt die Frage, ob das Haus all diese Mühen wert ist. Nun bin ich durch meine eigene Beteiligung an diesem Projekt natürlich etwas befangen. Allerdings habe ich als jemand, der sich mit der technischen und handwerklichen Umsetzung der architektonischen Ideen befassen durfte / musste einen – vorsichtig ausgedrückt – durchaus kritischen Blick auf das, was am elektronischen Tisch der Künstler so ersonnen wird. Als Hamburger Steuerzahler fragt man sich sowieso, ob das alles sein musste.

Nun, ich war seit mehreren Wochen nicht mehr im Gebäude gewesen und als ich Freitagnachmittag mein Fahrrad vor dem Projektbüro abstellte, um meine Eintrittskarte für die abendliche Veranstaltung abzuholen, wurde ich fast von einer Kolonne von Feuerwehrfahrzeugen überfahren, die mit Blaulicht und Sirene anrauschten und vor dem Kaispeicher hielten. Kurz hatte ich Bedenken, dass die Feier ausfallen müsste, aber natürlich war das einer der für die Anfangsphase nach der Übergabe eines Gebäudes typischen Fehlalarme.

 

Beruhigend: die Feuermelder der Elbphilharmonie funktionieren

 

Wenn ein Gebäude dem Nutzer übergeben wird, muss die Brandmeldeanlage scharf geschaltet werden und jeglicher Alarm läuft sofort bei der zuständigen Feuerwache auf und löst dort einen Einsatz aus. Wer zuhause erlebt hat, was ein bisschen zu viel Dampf beim Kochen bei den Baumarktfeuermeldern an der Decke auslöst, kann sich vielleicht vorstellen, wie die Brandmeldeanlage in einem sicherheitstechnisch so sensiblen öffentlichen Gebäude reagiert, wenn in irgendeiner Ecke noch einmal etwas geschliffen werden muss. Und geschliffen, gesägt und auch geschweißt wird mindestens in den sich noch im Bau befindlichen Wohnungen an der Nordspitze des Gebäudes noch eine ganze Menge.

 

Foyer

 

Doch genug der alltäglichen Horrorgeschichten aus dem Bauleben. Ich hatte wie bereits erwähnt die Entstehung des Gebäudes in den letzten beiden Jahren recht hautnah miterlebt, aber die Bereiche des Foyers vor den Sälen bisher nicht in einem auch nur annähernd fertigen Zustand gesehen. Von daher war ich sehr gespannt, wie es geworden ist.

Ich will hier nun nicht zu viel verraten und über die Akustik des Großen Saals wurde uns sowieso Stillschweigen auferlegt, daher nur so viel:

Ich muss bei den vielfach verfluchten Architekten Abbitte leisten. Das Gebäude und insbesondere der Konzertbereich ist ein Gesamtkunstwerk, das seinesgleichen sucht und in einer Liga spielt, in der ganz wenige Bauwerke in Europa mithalten können. Spontan fällt mir dazu eigentlich nur das Guggenheim Museum ein. (Zum Vergrößern Bilder einfach anklicken).

 

 

Der Weg zum Konzertsaal über die sogenannte Tube mit den beiden Rolltreppen und der Aussichtsplattform dazwischen auf die Plaza und von dort über die organisch geschwungenen Treppen in den fast schon psychedelisch wirkenden, sich über mehrere verschachtelte Ebenen erstreckenden Foyer Bereich ist ein Erlebnis für sich. Die fantastischen Aussichten über die Stadt und den Hafen nimmt man dabei kaum noch wahr.

 

grosser saal

 

Und dabei ist das alles nur das Vorspiel zum architektonischen Hauptakt, dem großen Saal. Dieser ist ein Gesamtkunstwerk, dass man nicht beschreiben kann, sondern selbst erlebt haben muss. Und am Ende kommt dann ja noch die Musik hinzu, die diesen Raum füllen wird……

Nun denn, ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Philharmonie auf Jahrzehnte hinaus diese Stadt positiv prägen wird und möglicherweise für die Wahrnehmung dieser Stadt das werden wird, was am anderen Ende der Welt das Opernhaus in Sydney ist.

 
grosser saal elbphilharmonie

 

Ich kann nur jedem, auch den kritischsten Beobachtern der Entstehung dieses Bauwerks, empfehlen, sich das selber einmal anzuschauen (und anzuhören). Ich empfehle, egal für welches Konzert, Karten auf den billigen Plätzen ganz oben im Großen Saal zu erwerben, mit der U-Bahn anzureisen und den oben beschriebenen klassischen Zugang über Tube, Plaza und Foyer in den Saal zu nehmen und dabei nicht auf den letzten Drücker vor Beginn des Konzerts anzukommen.

 
Elbphilharmonie

 

Ob die roundabout 800 Millionen Euro, die das Ganze gekostet hat, als lohnende Investition zu bewerten sind, muss dann jeder für sich selbst entscheiden. Man bedenke dabei jedoch: hätte man vorher gewusst, was das Haus kostet, wäre es wohl nie gebaut worden.

4 Kommentare

  1. Ein hochinteressanter Bericht! Ich kann mir vorstellen, dass die Eichenplatten für graue Haare sorgen …
    Faszinierend die Fotos! Sie vermitteln ein Gefühl für die Eleganz, die Ausgefallenheit und auch die Dimensionen!
    Mir hat der Gastbeitrag enorm gefallen! Vielen Dank für die (Insider-)Informationen zur Elphi, der immer noch nicht fertigen …

    LG Michèle

  2. Sehr interessant! Jetzt habe ich sogar richtig Lust bekommen, die Elbphilharmonie mal zu besuchen, obwohl sie bislang doch gar kein Interesse bei mir erweckt hatte. Ich habe oft den Eindruck, dass richtig gute, moderne Architektur in Deutschland irgendwie schwierig ist… kompliziert, teuer und im Endergebnis nicht halb so edel anmutend wie viele neue Bauten in Skandinavien. Aber gerne lasse ich mich mal von der Elbphilharmonie überraschen 🙂 .

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